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Nr. 943. Jahrg. Ausgabe A nr. 5

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

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Donnerstag, den 7. Januar 1926

Neuregelung der Erwerbslosenfürsorge

Notstandsarbeiten, Reichsausgleichskaffe, Beiträge.

Das Wolff- Bureau meldet: Im Reichsarbeitsministerium wur-| Reichsausgleichstaffe, die Einbeziehung ber den am Dienstag die Besprechungen über wichtige Fragen der Er- höheren Angestellten, sind Forderungen, die die werbslosenfürsorge fortgefeht. Die Vertreter der Länder Gewerkschaften seit Jahr und Tag erhoben haben. Der Miß­ftimmten dem vom Reichsarbeitsministerium ausgearbeiteten Ge- brauch bei der Befreiung von den Beiträgen zur fehentwurf, der die Einbeziehung der höher be- Erwerbslosenfürsorge ist nachgerade unhaltbar geworden. zahlten Angestellten in die Erwerbslosenfürsorge bezwedt, Wenn jetzt aus den Mitteln des Reiches und der Länder die zu und erklärten sich auch mit den Vorschlägen der Reichsregierung runde Summe von 200 Millionen zur produktiven Erwerbs einverstanden, durch die den Mißbrauchen bei Befreiung losenfürsorge bereitgestellt und in der angedeuteten Weise ver­von den Beiträgen zur Erwerbslofenfürsorge gesteuert wendet werden, so wird damit auch eine der Forderungen der werden soll. Eingehend wurde die Frage eines Reichsaus- Gewerkschaften erfüllt. gleichs zwischen den örtlichen verschiedenen Beitragsfähen erörtert. Die überwiegende Mehrheit der Länder sprach sich für die schleunige Einführung eines Reichsausgleichs aus. Ueber die Einzelheiten der Durchführung wurde nach mehrstündiger Aussprache eine grund­fähliche Uebereinstimmung erzielt. Die drei Bor­lagen des Reichsarbeitsminifteriums follen in Sigungen des Reichstats verabschiedet werden, die bereits in der nächsten Woche stattfinden werden.

Hierzu meldet der Reichsdienst: Der Reichsarbeitsminifter hat einen Runderlaß an die Länder gesandt, der demnächst im Reichsarbeitsblatt veröffentltat wird. Hierin werden wesentliche Erleichterungen der produttiven Erwerbslosen fürsorge angefündigt. Die Gemeinden, die Notftandsarbeiten vornehmen, sollen in 3ufunft pro Kopf des beschäftigten Erwerbs fofen statt wie bisher das Dreifache zufünftig pro Kopf der Er­werbslosen das Fünffache des in der Gemeinde geltenden Sages der Erwerbslosenunterstützung erhalten. 3war werden die Reichszuschüsse auch in Zukunft als Darlehen gewährt, find jedoch nicht mehr zum Reichsbankdiskontsag verzinsbar, sondern nur noch mit 5 Proz. und zudem erst nach zehn Jahren rüd zahlbar. Der Reichsarbeitsminister geftattet außerdem, daß in 3u funft auch solche Erwerbslose für die Notstandsarbeiten herange­zogen werden, die an sich nicht mehr unterstützungsberechtigt wären. weil sie bereits über 26 Wochen erwerbslos sind. Die Mittel, die danach der Erwerbslofenfürsorge zufließen, werden fich im wef nt. lichen nach den Anforderungen der Gemeinden richten, die auch fernerhin ein Fünftel der Kosten der Notstandsarbeiten zu tragen haben, und zwar aus eigenen Mitteln. Die im Etat vorgesehenen 100 Millionen Mart, die sich durch die von den Ländern zu zahlen. den Zuschüsse auf das Doppelte erhöhen, sind noch größten teils unverbraucht.

Mit diesen Beschlüssen wird den Forderungen der Ge­werkschaften reichlich spät teilweise Rechnung getragen. Die

Victor Emanuel und Mussolini . Briand als Ratgeber des Königs.

Aber diese Notstandsmaßnahmen werden nur un genügende Hilfsmittel bleiben, wenn unsere ge­famte Wirtschaftspolitit wie bisher weiter betrieben wird. Hilfsmaßnahmen für die Erwerbslosen find notwendig. Wirksamer noch sind Maßnahmen zur Eindämmung der Krise. In diesem Puntte haben bisher sowohl das Reichswirtschaftsministerium, das Reichsfinanzministerium und die Reichsbant versagt.

Dabei hat die Sozialdemokratie in den von ihrer Reichs­tagsfraktion aufgestellten Richtlinien neben umfassenden Maß­nahmen auf dem Gebiete der sozialen Fürsorge auch noch For derungen zur Wirtschaftspolitit angemeldet, die von der Reichsregierung noch fast gar nicht beachtet worden sind, obwohl fie teilweise auch im Lager der bürgerlichen Parteien anerkannt werden. Hierzu gehört der völlige Abbau der sche matischen Kreditkontingentierung und der Zuweisung von Sonderkrediten, damit wir möglichst bald zu einer reinen Dis fontpolitik tommen. Hierzu gehört eine attive und planmäßige Politit zur Förderung unseres Außenhandels und zur Beseitigung der Mißstände im Kartellwesen durch ein Kartellamt. Weiter ift es erforderlich, daß das attienrecht von den Mißbräuchen gereinigt wird, die sich in der Inflation eingeschlichen haben und die heute die Kapitalbeschaffung industrieller Unternehmungen außerordentlich erschweren. Eine Rationalisierung der Pro­buftion ist ebenso notwendig wie eine 3 urüdschraubung der überspannten Gewinnansprüche des Bri vatkapitals an die geschwächte Produktion. Nur wenn man den Kampf gegen die Krife und ihre Auswirkung auf allen Gebieten der Wirtschaftspolitik und nicht allein auf dem Gebiet der Sozialpolitik aufnimmt, nur dann ist zu hoffen, daß die schweren Erschütterungen der Wirtschaft und das gewaltige Elend der Arbeitslosen bald überwunden werden, und daß die deutsche Produktion gestärkt aus der Deflationskrise hervor geht.

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Würdelos!

Geschichten und Geschichte.

Ueber deutsche Postenjägerei in Genf hat jüngst die Rechts­preffe Tränen nationaler Scham vergossen. Für sie galt es von vornherein als ausgemacht, daß diejenigen, die so bar aller nationalen Würde waren, daß sie sich bei Sir Eric Drummond um Anstellung bewarben, nur Sozialdemo­fraten und 3entrumsleute gewesen sein könnten. Seit die völlige Haltlosigkeit dieser Beschuldigungen dargetan worden ist, fragt man sich, wie solche Standalgerüchte überhaupt ent­stehen konnten, unterfucht man die psychologischen Hinter­gründe jener erbärmlichen Geschichtenträgerei.

Dabei tommt einem der Gedante, ob nicht ein leiser Klang geschichtlichen Erinnerns bei der Entstehung der Genfer Märchen mitgewirkt haben fönnte. Die Prostynese, die hündische Unterwerfung, vor dem Ausland gehört allerdings zu den übelsten Erbteilen deutscher Geschichte war es, der sie getrieben hat?

aber wer

Kurz nach dem Sieg von 1870/71 veröffentlichte Heinrich Treitschte in seinen Preußischen Jahrbüchern" einen Artikel unter der Ueberschrift Der deutsche Kanzleistil", in dem er dokumentarische Proben von dem Ton gab, in dem deutsche Fürsten mit Napoleon I. brieflich zu verkehren pflegten. Unter diese Musterbeispiele eines erbärmlichen Lataienstils schrieb er dann die hochgemuten Worte: Die alte Schande ist hinfort abgewaschen und gefühnt. Die Zeit, da brave deutsche Männer(!)... ihre Namen unter derartige Schreiben feßen fonnten, erscheint uns heutzutage wie ein böser Traum."

geit berühmte Buch von Henri Borbier L'Allemagne Menige Monate später erschien jedoch in Paris das feiner­aux Tuileries, bas ben Optimismus Treitschtes bündig widerlegte.

Die

die Napoleon III. aus Deutschland zugegangen waren. Das Buch Bordiers enthält eine Sammlung von Briefen, Sammlung ist nicht vollständig, da ein Teil der Briefe beim Brand der Tuilerien durch die Flammen zerstört wurde. Immerhin beläuft sich ihre Zahl auf einige Tausende.

Bernhard Beder bearbeitet in seinem Buche" Briefe In deutscher Sprache wurde das Material dann durch deutscher Bettelpatrioten an Louis Napoleon ", das im Jahre 1873 im Verlag von W. Brade jr. in Braun­fchweig erschien. In der Vorrede sagt der Verfasser:

Der Demokratischen Partei Deutschlands wird durch die Ber­öffentlichung des Buches L'Allemagne aux Tuileries" ein Ehren­zeugnis ausgestellt; denn durch dasselbe ist der Beweis ge­liefert, daß sie sich mit dem auf den Thron gelangten Tuilerien­verbrecher nicht eingelaffen hat. Die Schreiber ber vor­liegenden Bettelbriefe, weit dapon entfernt, Schreibweise die Lage der Deutschen in Südtirol nur verschleim Gegenteil die entschiedenen Feinde der deut der Demokratie Deutschlands anzugehören, find tern müsse und weiterungen zur Folge haben werde. Der schen Demotratie. Es sind hohe und niedrige Adelige, geift. Landeshauptmann erwiderte, daß er in einem Land der Demo. Ein nach Italien entsandter Sonderberichterstatter des Quoti- tratie und der Pressefreiheit feinen Einfluß auf die Presse liche Faulenzer und Boltsverbummer, verrannte Professoren, aus­dien" erzählt über die Entwicklung der Faschistenherrschaft in der befize, daß er diese aber von dem Einschreiten des Generalfonfuls gemachte Reaktionäre, welche mit Titeln und Orden ge­fennzeichnet sind, gefinnungslose Industrielle, die mit Zeit nach der Ermordung Matteottis recht interessante Einzelheiten. verständigen werde. Die Innsbrucker Tageszeitungen werden nun Er behauptet u. a., daß im Dezember 1924, als der Bölkerbundsrat am Donnerstag eine gemeinsame Ertlärung veröffentlichen, Militär- und Diplomatenstande, zusamt einer bunten Horde von dem Kaifer ein Geschäft machen wollen, Leute qus dem Beamten-, in Rom zusammentrat, der König Victor Emanuel den in der sie sich gegen den Schritt des italienischen Generalfonfuls französischen Vertreter Briand empfing und mit ihm eine zwei- verwahren. Ihre Schreibweise sei lediglich von dem Wunsche Zigeunern der Zivilisation, die den Erfolg anbeten. einhalbstündige Unterredung hatte, in der er ihn um Rat bat: er diftiert, die europäische Deffentlichkeit auf die Zustände in Südtirol fragte ihn namentlich, wie er sich am schnellsten musso aufmerksam zu machen. Wenn die italienische Regierung auf die linis entlebigen tönnte. Der Berichterstatter vermag zwar Bedrudung der deutschen Bevölkerung in Südtirol verzichte, nicht genau anzugeben, welche Ratschläge Briand dem König er fo würde auch die nordtiroler Bresse ein nachbarliches Berhältnis teilte, erklärt jedoch, daß diese Ratschläge vom König jedenfalls zwischen Tirol und Italien ermöglichen. Sun nicht befolgt wurden, einmal aus Angst vor Mussolini selbst, vor allem aber aus Angst vor seinem Better, dem Herzog von Aosta, der darauf brannte, als Vertrauensmann der Faschisten die Königskrone zu übernehmen.

Bon diesem Augenblid an ging es mit dem Faschismus wieder aufwärts. Auch der Uebertritt den Salandra, Orlando und Giolitti zur Opposition im Frühjahr 1925 tam zu spät. Mussolinis Macht war wieder befestigt.

Interessant sind an diesen Ausführungen vor allem die Angaben über die Unterredung des Königs Victor Emanuel mit Briand . Daß der jetzige französische Ministerpräsident Mussolini haßt und verachtet, ift fein Geheimnis. Sein Verhältnis zu den italienischen Delegierten in Locarno war von Anfang an gespannt. Es ist kaum anzunehmen, daß der Quotidien", der zu Briand und seiner Umgebung gute Be ziehungen unterhält, diese schwerwiegenden Andeutungen gebracht haben würde, wenn er sich nicht von ihrer Richtigkeit überzeugt hätte. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß die Quelle des Sonderberichterstatters des Quotidien die von dem radikalfozia listischen Politiker Bernard geleitete französische Botschaft in Rem ist.

Italien ermahnt die nordtirol r Preffe. Jusbrud, 6. Januar. ( Eigener Drahtbericht.) Bor einigen Tagen hat der italienische Generalfonful in Innsbrud bei dem Landeshauptmann von Tirol vorgesprochen und fich über die Schreibweise der Tiroler Bresse gegenüber denitalieni schen Faschisten in Südtirol beschwerpt. Er erklärte, daß diefe

Die im italienisch gewordenen Meran erscheinende Meraner 3eitung ist unterdrüdt worden mit der Begründung, daß ihre Schreibweise gegen den Geist Italiens " verstoße.

Die Verhaftung in Aussee .

Der Münchener Kaufmann" leugnet nachträglich. Das Berliner Polizeipräsidium teilf mit: In der Angelegenheit des in Auffee verhafteten angeblichen Erzberger- Mörders Schulz hat sich die Berliner Polizei heute früh telegraphisch mit der Polizeibehörde in Auffee in Verbindung gefeht und ebenso hat sie Verbindung aufgenommen mit dem Polizeipräsidium in Wien . Von Wien aus wurde mitgeteilt, daß die in Aussee verhaftete Person zunächst behauptet habe, der Erzberger- Mörder Schulz zu sein, fie habe diese Behauptung aber später zurüdgezogen und sie als Schwindel bezeichnet. Das Polizei­präsidium in Berlin hat nunmehr fofort eine Photographie des Erzberger- Mörders Schulz, die feinerzeit vom Berliner Polizeipräsidium verfandt worden ist, nach Auffee geschickt, damit an Hand dieses Bildes feffgestellt werden kann, ob der Ver­haftete tatsächlich der Erzberger- Mörder Schulz ift.

Wien , 6. Januar. ( Eigener Drahtbericht.) Aus Auffee wird ge­meldet: Das Kreisgericht hat die Untersuchungshaft über ben angeblichen Erzberger Mörber Schulz verhängt. Der Berhaftete leugnet, bei der Gendarmerie erflärt zu haben, baß er Schulz heißt und mit dem Erzberger- Mörder identisch ist. Der Gegenbeweis fonnte bis jetzt nicht geführt werden.

Unter diesen Briefschreibern, die sich in widerlichster Weise mit Huldigungen, Schmeicheleien, Bitten um Orden, Unterſtügungen usw. an den Franzosenkaiser herandrängten, befinden sich nicht weniger als über zweihundert Träger deutscher Adelsnamen, von Herzögen und Fürsten herunter bis zu den kleinen märkischen Land­edelleuten. Nur ein paar Beispiele:

Eine Frau v. Bismard bringt sich als Tochter eines Offiziers Napoleons I. in Erinnerung und bittet um Unter ftügung. Sie wird abgewiesen.

Ein Herr v. Carlowig beruft sich darauf, daß sein Bater vor 58 Jahren durch die Schlacht von Bauzen ruiniert worden sei und bittet um Unterſtügung. Der preußische Lega­tionssekretär in Paris Fürst zu Lynar unterstützt das Gesuch. Ergebnis: 500 Frant.

Eine Frau D. Rleiht, verw. v. Trestow, geb. D. Manteuffel, bietet dem Raiser ein Toiletteneceffaire, das Napoleon 1 . verloren haben soll, zu einem erstaunlich hohen Preis zum Rückkauf an. Sie wird abschlägig beschieden. Ein Herr v. Putttamer zeigt sich( wie unzählige Brieffchreiber) um die Gesundheit des Kaisers besorgt und empfiehlt ihm ein Mittel gegen Blasenübel.

Ein Baron v. Hermsdorff, dem französischen Kaiser durch den Prinzen Karl von Preußen warm emp­fohlen, möchte Generalfonful in Spanien werden. Ferner bittet er um Land in Algier und einen Vorschuß in bar. Er­folg unbekannt.

Ein Herr v. Hillebrand möchte in Paris im Breffe bureau gweds Durchsicht der deutschen Zeitungen angestellt werden. Erfolg unbekannt.

Die Liste ließe sich beliebig verlängern.