Nr. 1143. Jabeg. Ausgabe A Nr. 6
Bezugspreis:
Böchentlich 70 Bfennig, monatli B, Reichsmart voraus zahlbar. Unter Kreuzband für Deutschland , Danzig . Saar - und Memelgebiet, Desterreich, Litauen , Luremburg 4,50 Reichsmart, für das übrige Ausland 5,50 Reichsmart pro Monat.
-
Der Borwärts" mit der Sonntags beilage Bolt und Reit" mit„ Gied. lung und Aleingarten sowie der Beilage Unterhaltung und Wissen und Frauenbeilage Frauenstimme erfcheint wöchentäglich zweimal Sonntags und Montags einmal.
Morgenausgabe
Vorwärts
Berliner Volksblatt
10 Pfennig
Anzeigenvreise:
Die einfpaltige Ronpareille. seile 80 Pfennig. Reflamezeile 5.- Reichsmart. Aleine Anzeigen bas fettgedrudte Wort 25 Pfennig ( zulässig zwei fettgedruckte Worte: fedes weitere Wort 12 Bfennig. Stellengesuche das erfte Bort 15 Pfennig, tebes weitere Wort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte Arbeitsmarkt Reile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Beile 40 Pfennig.
Anzeigen für bie nächste Nummer müffen bis 4% Uhr nachmittags im Sauptgeschäft. Berlin SW 68, Linden. ftrake 3, abaegeben werden. Geöffnet Don 8% Uhr früh bis 5 Uhr nachm.
Freitag, den 8. Januar 1926
Fürstenabfindung und Reichstag.
Shef Sigung des Rechtsausschusses.
Der Rechtsausschuß des Reichstags begann| preußische Angelegenheit und könne hier nicht fritisiert gestern nachmittag mit der Beratung einer Angelegenheit, die werden(?!), doch sei die Staatsregierung bereit, Aufklärung zu geben das Volk aufs tiefste erregt. Es wird viele Leute in Deutsch - und habe darum dem Ausschuß auch ihre Denkschrift überwiesen. land geben, die rechts wählen und Monarchisten sind und Nach der gegebenen Rechtslage war nur der Weg des Vergleichs denen es doch nicht in den Kopf will, daß in dieser Zeit der möglich. Vielleicht wäre der Regierung eine andere Lösung Not, nach einer Niederlage im Krieg. die dem Bolfe schwere lieber gewesen. Wie aber die Dinge lagen, blieb der Bergleich, wie Lasten auferlegt, Milliardenwerte an deutschem Gut er vorliegt, die einzig mögliche und zweckmäßige Lösung. einer winzigen Gruppe von Menschen ausgeliefert werden Geheimrat Dr. Frant vom preußischen Finanzministerium sollen aus dem einzigen Grunde, daß sie Kinder ihrer Bäter erläutert dann die Einzelheiten der Denkschrift über die Vermögensfind. Noch mehr muß es jedem republikanisch Gesinnten auseinanderseßung. In Frage und Antwortspiei ergibt sich, daß es widerfinnig und widerrechtlich erscheinen, daß sich um ein Vermögen handelt, das auf 686,2 millionen geschätzt diese Familien, die aus geschichtlichem Recht ihre Kronen ver- wird und in dessen Genuß sich 14 Familien mit 42 Köpfen zu teilen loren haben, befugt sein sollen, die Kron güter, die ihnen haben. Die Schägung ist auf Grund des Wehrsteuergesetzes von nur durch ihre öffentlich- rechtliche Vorzugsstellung zugefallen 1913 erfolgt und wird von verschiedenen Seiten als zu niedrig find, in ihr Privatleben mitzunehmen. beanstandet. Die preußischen Regierungsvertreter meinen, ein anderer Maßstab habe sich nicht finden laffen, die Schäßung sei ungemein schwer, wahrscheinlich sei sie in einzelnen Fällen zu niedrig, in anderen aber auch zu hoch.
Ob es nun dem Reichstag gelingen wird, diese Frage in einer Weise zu regeln, die dem Rechtsgefühl des Volkes einigermaßen entspricht, das soll sich in der nächsten Zeit entscheiden. Allerdings muß gesagt werden: Wenn der Rechtsausschuß des Reichstags so fortfahren wollte, wie er begonnen hat, so würde man auf die Entscheidung lange warten tönnen. Denn einstweilen ist man noch bei der Information und auf der Suche nach Material. Wollte man alle Einzelheiten der Vermögensauseinandersetzung in den verschiedenen Ländern untersuchen und beleuchten, so würde man bis zum Sommer noch nicht fertig sein. Die Sozial demokraten drängen jedoch, daß man rasche Arbeit macht, und von der Loyalität des Vorsitzenden darf erwartet werden, daß er sich diesem Drängen nicht widersetzen wird.
Mehr als die Einzelheiten der Vermögensauseinander. fetzung, von der wahrhaftig schon genug Standalofa bekannt find, interessiert die Stellungnahme der beteiligten Regie rungen zur Frage der reichsgefeßlichen Regelung. Und da erlebte man gestern das merkwürdige Schauspiel, daß der Bertreter Preußens nicht mit der Sprache heraus wollte, während der Vertreter Thüringens ziemlich frisch von der Leber weg redete. Noch einmal wurde dabei vor aller Welt die Tatsache unterstrichen, daß die rechtsgerichtete Regierung Thüringens in tiefster Not das Reich, die Republik , gegen die einstigen Dynastien des Landes um Hilfe anruft!
Für die Herren von der Rechten, besonders für Herrn Everling, der in der deutschnationalen Bresse den bissigen Wachhund vor den fürstlichen Kassenschränken spielt, fonnte es nichts Beinlicheres geben als die Erklärung der thüringischen Regierung. Um so erstaunter mußte man sein, daß die preußische Regierung zu den gestrigen Berhandlungen einen Bertreter entsandte, der offenbar ohne ausreichende Instruktionen war und dadurch sich überhaupt nichts zu sagen getraute! Heute soll nun der Finanzminister Dr. Höpfer Aschoff erscheinen, und man darf von ihm hoffen, daß er an Klarheit hinter dem thüringischen Herrn v. Klüchner nicht zurückbleiben wird.
Der Rechtsausschuß des Reichstags trat gestern nachmittag in die Beatung der Anträge ein, die zur vermögensrechtlichen Auseinandersetzung mit den ehemals regierenden Fürsten gestellt sind. Es handelt sich zunächst um den einst von den Sozialdemokraten gestellten und jetzt von den Demokraten wieder aufgenommenen Antrag, der die Länder ermächtigt, die vermögensrechtliche Ausein andersetzung durch Landesgesetz unter Ausschluß des Rechtsweges zu regeln. Dazu kommen zwei kommunistische Anträge, die das Ver mögen der ehemals regierenden Fürsten ohne Entschädigung enteignen und alle Rechtsstreitigkeiten darüber bis zum Infrafttreten einer reichsgesetzlichen Regelung ausgesetzt wissen wollen.
Borsitzender des Rechtsausschusses ist Dr. Kahl( D. Bp.). Mit der schriftlichen Berichterstattung an das Plenum des Reichstages ist der Abg. Dr. Pfleger( Bayer. Bp.) beauftragt.
Der Borsigende gibt zunächst bekannt, daß ein von der Reichs. regierung eingeforbertes Rechtsgutachten über die Frage, ob die Anträge verfassungsändernde Bedeutung hätten, noch nicht eingegangen sei. Das von den Einzelregierungen eingeforderte Material ist auch noch nicht vollständig. Eingeladen und erschienen find Vertreter der preußischen und der thüringischen Regierungen, die an der Regelung dieser Frage besonders interessiert sind.
Ein geheimräflicher Preußenvertreter. Ministerialbirettor Erythropel vom preußischen Finanzministerium führt aus: Der Bergleich sei für die Gesetzgebung in Form eines Mantelgefeges ausgearbeitet. Er sei aber dem Land. tag noch nicht zugegangen, da Staatsministerium und Staatsrat ihn noch nicht beraten hätten. Das Staatsministerium warte ab, wie die Sachen im Reich laufen und sei zu einer gewiffen Zurüdhaltung genötigt. Der Bergleich sei auch eine rein
Dr. Rosenfeld( Soz.) findet die Erklärung des preußischen Regierungsvertreters nicht ganz klar.( Bielseitige Zustimmung.) Ministerialdirektor Erythropel bedauert, nicht mehr sagen zu tönnen. Auch Koch( Dem.) wünscht näheres zu erfahren, wie Breußen eigentlich steht, aber der Ministerialdirektor will nicht deutlicher werden. Er versichert, auch wenn der Finanzminister selbst erscheinen würde, würde er nicht mehr fagen tönnen. Er wisse auch nicht, ob er fommen werde.
Koch( Dem.): Ich habe eine beffere Meinung vom preußischen Herrn Finanzminister. Er wird auf alle Fälle kommen, das weiß ich zufällig, weil ich eben mit ihm telephoniert habe.( Heiterfeit.) Darauf wird mit großer Mehrheit beschlossen, den preußischen Finanzminister Dr. Höpfer Aschoff für heute vormittag du laden.
Thüringen für Regelung durch Gesetz!
Der thüringische Staatsminister Dr. von Klüchner erflärt, daß die thüringische Staatsregierung nicht in der Lage sei, beim Reiche den Erlaß eines Reichsgesetzes über die entschädigungs. lofe Enteignung der Vermögen der ehemaligen regierenden Fürften häufer anzuregen, da eine derartige Enteignung mit dem allgemeinen Rechtsempfinden und mit den Grundsätzen der Reichsverfassung nicht im Einklang stehen würde. Dagegen werde die Staatsregierung, wie seither, so auch fünftig bereit sein, einer vom Reiche etwa geplanten gefehlichen Regelung der Frage der Auseinandersehungen zwischen den Ländern und den vormals regierenden Fürstenhäusern nach einheitlichen Gesichtspunkten und Rechtsgrundsätzen zuzustimmen.
Herr von Klüchtner führt dann weiter aus: Zu dem demokratischen Antrag tönne die thüringische Regierung noch nicht Stellung nehmen, aber so wie er ist, fönne sie sich ihm nicht anschließen, er gehe in manchem über das, was sie wolle, hinaus, bleibe aber auch in manchem dahinter zurüd. Der gegenwärtige Stand der Regelung trage der Notlage des Landes und des Boltes nicht Rechnung, darum sei die thüringische Regierung für gefeßliche Regelung.
Der Minister beginnt dann die ausführlichen Fragen zu beantworten, die den beteiligten Regierungen auf einem Fragebogen unterbreitet worden sind. Da es sich für Thürigen um acht verschiedene Gebiete mit acht verschiedenen Regelungen handelt, muß lede einzelne Frage achtmal beantwortet werden. Bon den Aus schußmitgliedern werden Zwischenfragen gestellt und es gestalten sich die Beratungen äußerst fompliziert. Um 8 Uhr abends sind erst Sachsen- Weimar und Meiningen erledigt. Dann vertagt sich der Ausschuß, um heute um 10 Uhr vormittags fortzufahren. Zunächst wird der preußische Finanzminister seine Erklärung abgeben und dann wird der Thüringer feinen Vortrag fortsetzen.
Luther bei Hindenburg . Reichskanzler Luther ist, wie WTB. mitteilt, gestern wieder in Berlin eingetroffen. Er wird im Laufe des heutigen Tages vom Reichspräsidenten zum Vortrag emp
fangen werden.
Umbildung des österreichischen Kabinetts. Drei Minister ausgeschifft.
Wien , 7. Januar. ( TU.) Wie in politischen Kreisen verlautet, wird dem neuen Kabinett Ramet, dessen Umbildung am 12. Januar erfolgen soll, auch der Finanzminister Dr. Ahrer nicht mehr angehören. Dr. Ahrer hat heute im Kabinettsrat erklärt, daß er unter allen Umständen sein Demiffionsgesuch aufrechterhalte. Dem neuen Kabinett werden demnach Außenminister Mataja, Finanzminister Dr. Ahrer und Aderbauminifter Buchinger nicht mehr ange hören. Ueber die Frage einer Nachfolge Dr. Ahrers begannen heute zwischen den Mehrheitsparteien vertrauliche Besprechungen,
Vorwärts- Verlag G.m.b. H., Berlin SW. 68, Lindenstr.3 Bostichedkonto: Berlin 37 536 Bankfonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Ballstr. 65; Diskonto- Gesellschaft, Depofitenkaffe Lindenstr. 3.
Das österreichische Beispiel.
Dentschösterreich und das Vermögen der Habsburger . Von Karl Renner .
Die Auseinandersetzung des deutschen Boltes mit jenen Familien, die sein geschichtliches Berhängnis find, beschäftigt zurzeit die deutsche Deffentlichkeit. Es wird von Interesse sein, zu hören, wie sich die Republik Desterreich der Habsburger entledigt und sie vermögensrechtlich abegefunden" hat.
Der erste Verfassungsaft vom 12. November 1918, der Desterreich als Republit und als Bestandteil der Deutschen Republik erklärt, beſtimmt:
Artikel 3. Alle Rechte, welche dem Kaiser zustanden, gehen auf den deutschösterreichischen Staatsrat über. Artitel 5. Alle Geseze und Gesetzesbestimmungen, durch die dem Kaiser und den Mitgliedern des kaiserlichen Hauses Vorrechte zugestanden werden, find aufgehoben.
Artikel 7. Die Uebernahme der Krongüter wird durch ein Gesetz durchgeführt.
Wie erinnerlich, brachte ein von englischen Offizieren und Soldaten geleiteter Hofzug den Ertaiser Karl sehr bald in die Schweiz ; die Mitglieder des kaiserlichen Hauses flohen zum Teil. Die Hofämter blieben nur eine kurze Zeit in der Verwaltung der alten Würdenträger.
Die Wahl der definitiven Nationalversammlung ergab
eine republikanische Mehrheit; im März 1919 trat das auf 2 Jahre gewählte Parlament zusammen und beschloß durch das endgültige Gesetz vom 3. April 1919 die Landes= perweisung und lebernahme des Vermögens des Hauses Habsburg- Lothringen.
Dieses Gesetz bestimmt in
§ 2. Im Interesse der Sicherheit der Republit werden der ehemalige Träger der Krone und die sonstigen Mitglieder des Hauses Habsburg- Lothringen, diese, soweit sie nicht auf ihre Mitgliedschaft zu diesem Hause und auf alle aus ihr gefolgerten Herrschaftsansprüche ausdrücklich verzichtet und sich als getreue Staatsbürger der Republik bekannt haben, des Landes ver
wiesen.
Die größere Zahl der Erzherzöge hat daraufhin Desterreich verlassen, die fleinere hat die in diesem Paragraphen geforderte 2erzichterflärung ausgesprochen und lebt unter dem bürgerlichen Namen ,, Habsburg- Lothringen" ohne jeden Titel im Lande.
Ueber das Vermögen sämtlicher Mitglieder des früheren „ Erzhauses" verfügt.
Deutschöfferrej
§ 5. Die Republik Deutschöfferreich ist Eigentümerin des gefamten in ihrem Staatsgebiet befindlichen beweglichen und unbeweglichen hofärarischen sowie des für das früher regierende Haus oder für eine Zweiglinie desselben gebundenen Vermögens.
Diese Gesetzesbestimmung unterscheidet drei Vermögensmassen: das sogenannte hofärarische, das gebundene Vermögen und das freie persönliche Privateigentum.
Als hofärarisches Vermögen gilt nach§ 6 das bisher von den Hofstäben und deren Aemtern verwaltete Bermögen. Es ist als„ Krongut " ein Zweckvermögen, bestimmt, dem Staatsoberhaupte Glanz und Macht zu verleihen und schon damit als staatliches Gut bezeichnet. Mit der Funttion fällt der Befig.
Als gebundenes Vermögen gilt alles Gut, das entweder nach dem alten Lehensrechte oder nach dem neueren Fideikommißrecht der freien Verfügung oder freien Vererblichkeit entzogen ist.( Fällt an den Staat.)
Was weder Krongut noch Lehensgut noch Fideikommiß ist, sollte als freies Privateigentum gelten und dem derzeitigen Besitzer verbleiben. Da jedoch die Habsburger für ihre Person, wie für ihren Besitz sich niemals dem ge= meinen bürgerlichen Rechte unterstellt, sondern ein stets geheim gehaltenes Familienstatut angewendet hatten, erklärte dasselbe Gesetz in seinem
§ 4. In der Republik Deutschösterreich ist jedes Fürstenrecht aufgehoben.
Damit war auch im Verhältnis der Mitglieder des alten Erzhauses untereinander erst das reine Privatrecht und die volle Vermögensfreiheit hergestellt. lich milde: Die übrigen Nachfolgestaaten mit Ausnahme Ungarns , beschlagnahmten durch den Friedensvertrag von
St. Germain ermächtigt, auch das auf ihrem Gebiete gelegene Privateigentum, die Tschechoslowakei jenes der Hohenberge, der Kinder Franz Ferdinands , die durch gültiges Staatsgesetz nicht mehr Mitglieder des Erzhauses waren.
Die Nationalversammlung wollte diese Güter zur Sühne für die Kriegsschuld den Kriegsopfern zuwenden. Sie beschloß also, aus diesen Vermögenschaften einen Sühnefonds zu schaffen:
-
§ 7. Das Reinerträgnis des auf Grund dieses Gesetzes in das Eigentum der Republik Deutschöstereich gelangenden Vermögens ist nach Abzug der bem Staate mit der Uebernahme dieses Bermögens verbundenen Lasten zur Fürsorge für die durch den Weltkrieg in ihrer Gesundheit geschädigten oder ihres Ernährers beraubten Staatsbürger zu verwenden.
-