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Nr. 36 43. Jahrgang

Sichtbare Sorgenkreise.

Beilage des Vorwärts

Seelische Ausnahmezustände im Leben von Allgemeinheit und Bolt, die an sich einen starten, aber nicht leicht faßbaren Begriff borstellen, wie Krieg oder Revolution, bleiben in der Erinnerung tes einzelnen als ein Bildhaftes bestehen, dessen Eindringlich feit vom Grade persönlichen Miterlebens abhängig ist. Krieg" ruft sofort, taum noch das Wort gesprochen, irgendein erschütterndes Bild vor unsere Seele. Sprechen wir vom Krieg in der Heimat, so taucht wohl vor jedem von uns sogleich die endlos lange Kette hungerbluffer Frauen, Greise und Kinder auf, die schweigend auf die 3 erteilung des Lebensnotwendigsten warten. Anders die Inflation. Sie gab der Erinnerung das Bildhafte von Gruppen, von lebhaften Menschenansammlungen des Haftens. Fragens und des Ratlosen. Berschieden auch ist das Bild der Not, wie es vor dem geistigen Auge steht: wir erinnern uns gewaltiger Maffenbefundung, Rechte begehrender Wogen des sturmgetriebenen Bolles, und dem Gemälde vor dem Auge gesellt sich das Rauschen des Gehörs.

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Wie anders wieder die Not, die sich jetzt als ein Lebendiges bor unserem Mitempfinden offenbart! Es ist schmer, das Bildhafte an die Stelle des reinen Begriffes zu setzen oder sollten wir so| ftart vom Gefühlsmäßigen abhängig geworden sein, zu ſehr im Bann von Zahlen, daß wir das Wirkliche selbst weniger zu greifen vermögen? Diese Binternot, gegeben durch die bittere Arbeits­losigkeit, zeigt sich nicht so sehr auf den Gassen aber, suchen wir eine einzige Arbeiterfamilie auf, dann prägt sich uns ein Bild ein, das uns nicht so leicht wieder verläßt. Und betreten wir die faft zu eng gemordenen Hallen von Gewerkschaftshäusern und Arbeitsnach­weisen, dann ergreift uns dies Stumme, Hoffnungslose, bas über gewaltigen Massen liegt. Asyle versagen wo find Stätten der Obdach, groß genug, um all das Elend aufzunehmen, das tagsüber in Jammertneipen und Wartesälen das verzweifelte Dasein eines Halbschlafes fristet? Und immer ist Gewand und Gesicht des Elends gleich: im heruntergekommenen, oft schon ganz zerlumpten Kleide Bläffe und Wortlosigkeit, Berluft bewußter Menschenwürde.

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Geht man erst dann an Hilfe heran, wenn der Verzweiflung Stimme ertönt dann ist es zu spät, und dann fann es sein, daß dies Verzweiflungswort heller gellt, als wir es jemals vernommen haben....

auf eine harte Stelle, so laufe das andere Rat auf der Gummifläche schneller, der Wagen verliere das Gleichgewicht und fomme ins Gleiten. Ihm selbst sei vor einigen Wochen an derselben Stelle ähnliches passiert und er habe sich nur durch starkes Gas­geben helfen können. In einer solchen Git atien den Wagen beim Geiftesgegenwart und Erfahrung des Führers, die dem Angeklagten Rutschen durch Gas geben aufzufangen, erfordere aber eine große als Anfänger gefehlt habe. Durch Bremsen sei gar nichts zu er reichen. Die Uisadje des Unfalls liege in ten Unvollkommenheiten, die immer noch dem Kraftwagen anhaften. Deshalb müsse er die Fahrlässigkeit verneinen. Trozdem verlangte Staatsanwaltschafts­rat die Bestrafung des Angeklagten mit 3 Monaten Gefäng Bei der bekannten Gefährlichkeit der Charlottenburger  Chauffee, die die Wagen bei Nässe leicht zum Schle dern bringe, hätte der Angeklagte noch viel langsamer fahren müssen. Das Schöffengericht war jedoch anderer Ansicht und erflärte es für eine

nis.

Freiwillige Beiträge

für den Wahlfonds werden sehr nötig gebraucht zur erfolgreichen Durchführung des Kampfes gegen die

zweierlei Aufwertung

der Gelder der kleinen Rentner und Sparer und der zusammengerafften Vermögen der Fürsten  .

Das Volksbegehren

muß di sen Raubzug auf die Taschen des hungernden Volkes verhindern. Darum zahle jeder, der es fann, schnell und reichlich auf Post schedfonto 48743 an Alex Pagels, Bezirksverband Berlin   der SPD.  , Berlin   SW 68, Lindenstraße 3.

betauerliche Ueberspannung des Rechtsgefühls, menn bauerlichen Unglüdsfall auch ein Schuldiger gefunden werden müsse. man sich auf den Standpunkt stellen würde, daß bei einem so be. Ein menfd liches Verschulden liege in diesem Falle nicht vor und der Angeflagte mußte daher freigesprochen werden.

Die Sorgen der Potsdamer Adelsgesellschaft. Ein Kampf um den Freiherrnfifel.

Freitag, 22. Januar 1926

für eine angeblich durch ihr Berschulden erfolgte Erkrankung. Ent. rüftet lehnte die Dame das Anerbieten ab und als von Hoist die Summe nicht von ihr erhielt, drohte der Kavalier:" Dann muß ich andere Maßregeln ergreifen und Sie unter Kontrolle bringen. Die erschreckte Frou erstattete bei der Polizei Anzeige. Das Pots. wirkten Gefängnisstrafe von 2 Wochen auf 70 m. Geldstrafe. damer Amtsgericht erkannte der Anklage gemäß an Stelle einer ver­

Mieter- Proten.

Die Mietervereine des Groß- Berliner Bestens hatten gestern abend eine Bersammlung im Bittoriogarten" einberufen, in der der in Mieterfragen befannte Rechtsanwalt Dr. Goegel über die Novelle zum Wieterschutzgesez sprach. in 1. Juli läuft das Mieterichuzgesetz in seiner bisherigen Form

ab. Bedeutete es auch fein Joeal, so beseitigte es troßdem die schlimmsten Auswüchse der Hausbesizeransprüche, es stand auf der Grenze des Erträglichen. Die Novelle dagegen ficht einschneidende Menderungen vor, die für den Mieter, besonders noch für den Laden mieter, in feiner Beziehung annehmbar erscheinen. Bis dahin war die Nichtbezahlung der Miete erft nach zwei Monaten ein Räumungsgrund, die Novelle drückt diesen Termin auf einen Monat herab. Dies wäre diskutierbar in wirtschaftlich gefestigten Zeiten, aber feineswegs in der völlig unsicheren Gegenwart. Ferner fehlt der Paragraph, daß einem Mieter in jedem Falle ein ause reichender Ersagraum zur Verfügung gestellt werden müßte. Jegt liegt der Fall derart, daß der ermittierte Mieter einfach auf der Straße fizt. Diese Berhältnisse wären unhaltbar, er würde 97 Broz. der Bevölkerung rechtlos machen. Im Reichsrat protestierte bet Berlesung der Novelle allein der bayerische   Staatsvertreter Dr. von Breger, ihm schloß sich später der Hesse an. Immerhin besteht die Gefahr, daß dieses rigorose Gesetz tatsächlich am 1. Juli Wirklichkeit werden wird. Darauf beleuchtete Dr. Goegel den Gesezentwurf, der in den letzten Tagen im Reichstag eingebracht worden ist. Da nach sei die Miete auf 85 Proz. der Friedensmiete festzusetzen. Nie mand dürfe aus der Raumnot ein Geschäft machen. Ferner müßten 20 Proz. der Miete für Instandsetzung der Wohnungen gefeßlich abe Busammenhängend mit der Herabwertung der Friedenshypothefen gegliedert werden. Zwar fehe das alte Mieterschutzgesetz bereits diesen Baffus vor, aber niemand kümmere fich im Grunde darum. auf 25 Proz. sei auch der Wert der Häufer auf denselben Brozentsaz herabzumindern. Die Differenz zwischen diesem Wert und dem tat sächlichen Wert des Hauses sei dem Staate zu verzinsen. Je ein Behntel der daraus entstehenden Summe sei an Kriegsbeschädigte, Inflationsoeschädigte und an solche, die feine Miete zahlen können, zu überweisen, während der Rest von sieben Zehntel für Neubauten Der Potsdamer Rechtsanwalt Freiherr   von Roehler führt verwendet merden müffe. Dr. Goezel schloß damit. die Mieter­Jeit langer Zeit mit den Behörden einer erbitterten Rampf um bewegung sei ohne politische Orientierung; aber schließlich geht es den Freiherrntitel Gegen v. Koehler ist ein Antlage nicht ohne die Parteien. Ja jeder Mieter müsse in den Reihen Wiederholte Termine standen cn, der Angeklagte lehnte sogar ein Diskussion sprach darauf Genosse Silberschmidt. Die SPD.  verfahren eingeleitet wegen unrechtmäßiger Führung des Titels. feiner Parteien für die Mieterschutzgesetzgebung arbeiten. In der Gericht ab. In der Verhandlung vor dem Potsdamer Amtsgericht tritt entschieden für die Mieter ein. Die Novelle des Mieterschuh meinte der Angeklagte, als der Borfigende v. Koehler aufrief: Jch gefeges ist nichts weiter als eine verschlechterte Berlängerung des bitte mich beim richtigen Namen zu nennen. Ich heiße immer noch jetzigen Zustandes auf ein Jahr". Dann trete fie außer Kraft, Am 1. August v. J. fuhr der Angeklagte morgens um 8 Uhr, Freiherr von Koehler." Dann fragte er den Vorsitzenden, Assesser ohne daß das Bolt gehört wird. Die SBD. will einr dauerndes, mit einem Laftkraftwagen vom Brandenburger Tor   fommend, die von Lord  , ob er der Adelsgenosseriaft angehöre Als der Borfoziales Mieterschußgefeß, ob dieses aber bei der augen Charlottenburger   Chauffee entlang. Am Großen Am Großen fizende dieses verneinte, gab der Angeflagte sich zufrieden. Als blidlichen Zusammensetzung des Reichstages möglich ist, bleibt Stern hatte er einen Gemüsewagen überholt. Einige Meter Cutachter war der Schriftsteller Stefan Ketulé von Stradonig ge- die Frage. weiter geriet der Wagen auf dem glitschigen Asphaltpflaster ins loden. Der Angeflagte gibt an, daß er von seiner Tante, einer ge Drehen, als in demselben Augenblid von ter anderen Seite ein borenen Freiin von Roehler, adoptiert sei und den Anspruch auf Radfahrer daherfam. Dieser wurde von dem Hinterrad des Autos den Freiherrntitel erhebe. Der Sachverständige hatte Einsicht in gegen die Berdschwelle gequetscht und totgedrückt. Der Angeklagte die Aften des Heroldsamt es genommen und gab sein Gut hatte nach feiner Angabe fofort vergeblich die Bremje geachten, dahin ab, daß diese Tante nur von Acehler und nicht Freiin  30gen. Er bestritt auch, übermäßig schnell gefahren zu fein und Don Roehler genannt wurde. Das Gericht erkannte wegen Ueber. es wurde von allen Augenzeugen, namentlich von der Zeugin, die tretung der Kabinettsorder vom 15. April 1822 auf 30 m. Geldstrafe. ten Gemüsewagen gefahren hatte und die fich unmittelbar hinter der Unfallstelle befand, bezeugt. Die Zeugin hatte angesichts des Ein feiner Kavalier. nahenden Unglüds laut aufgeschrien:" Der wird ja totge. fahren!" Da war das auch schon geschehen. Ein interessantes tachten über die Gefährlichkeit der Charlottenburger   Chauffee elstattete als Sachverständiger Oberpolizeisekretär Bab er vom Kraftverkehrsamt. Bei nassem Better setze sich der Gummi auf dem Asphalt so start ab, daß eine glatte Gummibahn entſtehe. Romme nun ein Rad von der Lauffläche

Die gefährliche Charlottenburger Chauffee. Eine Autofalle.

Nicht nur wegen mangelnden Beweises, sondern wegen völlig erwiesener Unschuld sprach Landgerichtsdirektor Lehmann vom Schöffengericht mitte den Kraftwagenführer Anders von der An­flage der fahrlässigen Tötung frei.

Mein Freund, der Regenpfeifer.

Drei Menschen, ein Schwede, ein Finne und ein Lappe, brachten es fertig, Freundschaft zu schließen mit einem faufthohen, wilden Bogel in einer öden Berggegend Lapplands. Dort, in Schnee und Wind und spärlichem Pflanzenwuchs gibt es nur wenig sichtbare Lebewesen, und Lahol, der Mornellregenpfeifer, ist die Freude und Gesellschaft des einsamen Lappen, der monatelang feine Renntier herde durch das Gebirge führt. Es ist feltfam: auf seiner Reise nach Süden wird der Bogel   in Dänemark   zu vielen Tausenden gefangen und auf dem Martt zu Kopenhagen   für fünfundsiebzig Dere das Stüd als Leckerbissen verkauft hier fann ein einziges dieser Tierchen für den Menschen ein Erlebnis werden. Scheu und mutig und flug und rätselhaft ist dieser kleine Vogel. Biele Fragen ruft er mach, wenn man ihm hier in feiner Einöde begegnet. Warum fliegt er so unwahrscheinlich hoch über die Schnee­gipfel, weshalb brütet hier oben, von der Ungunst des Betters bedroht, das Männchen allein, während das Weibchen in den Tälern umherfliegt und den ganzen Sommer lang nichts weiter tut als effen und fein feines Gefieder putzen? Biel mehr Sonderbares noch gibt es; aber es gehört viel Berständnis und noch viel mehr Liebe dazu, um nur weniges davon auch nur einigermaßen ver­ſtehen zu lernen. Denn ohne Liebe bringt kein Mensch die Geduld auf, die dazu gehört, um einem scheuen Tier so nahe zu tommen, daß es fein eigentliches Wesen offenbart.

Die drei Männer hatten diese Liebe und diese Geduld, und Bengt Berg  , der Schwede, schrieb dann ein schönes Buch über feinen Freund, den Regenpfeifer.) Berg war im Hochgebirge Lapplands, um die Bogelwelt dort zu studieren und begegnete da bei dem Regenpfeifer, der dann fein" Regenpfeifer werden follte. Hoch oben durchschnitt der Bogel   die Luft. Aber wo sein Nest war, fonnte man nicht feststellen; denn Láhos Nest, das lohnt nicht zu fuchen das liegt, fo Gott will, eines Tages auf des Wanderers Beg: sonst findet man es überhaupt nicht" hatte einst der weise Lappe Aslat Turi gefagt. Doch ein Zufall ließ es am nächsten Tage am Wege liegen. Da saß der Vogel auf seinem Rest und wartete, was diefe drei großen Wesen von ihm wollten. Und sie durften die Kamera vor ihm aufstellen und ihn photographieren, ohne daß er Furcht zeigte.

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Erst als einer sich ihm friechend naht, wird er wohl an die schleichende Bewegung seiner gefährlichsten Feinde, des Bielfraßes und des Eisfuchses, erinnert und dadurch beunruhigt. Da beginnt er fein rührendes Spiel, um die drei von seinen Eiern, die er ge­fährdet glaubt, wegzuloden. Jämmerlich piepsend hüpft er zu ihren Füßen, ftellt sich lahm und verletzt, aber jedesmal, wenn man ihn greifen will, flattert er fort, anscheinend unter großen Qualen Weiter und weiter entfernt er die Menfd en so von seinem Neft bann schwingt er sich jäh in die Luft und lehrt dorthin zurüd. Als aber dann die drei auch wieder sich einfinden, wartet er ab. Berg rebet ihm fanft zu. Der fleine Bogel wird ruhiger, plustert fein Gefieder auf, feßt sich auf den Eiern zurecht.

*) Bengt Berg  : Mein Freund, der Regen pfeifer". 112 Seiten, mit 74 Abbildungen.. Berlag Dietrich Reimer( Ernst Bohsen) in Berlin  ,

Begen versucher Erpressung mußte sich der 34jährige Diplom­landwirt Harry von Holst aus Potsdam   vor dem dortigen Amts­gericht verantworten. Der Angeflagte, der den vornehmsten Kreisen in Botsdam angehört hat, mar im Juli v. J. in Geldverlegenheit. Um aus der Klemme zu fommen, machte er einer jungen Witwe in Potsdam  , mit der er vor Jahresfrist einige traute Stunden verlebt hatte, einen Besuch, und verlangte von ihr 75 Mart Kurteft en

Dann plötzlich schaut er zum Himmel. Der Mensch steht noch immer neben ihm, aber er fcheint ihm teine Gefahr mehr zu sein, und interessanter sind ihm die Wildgänfe droben. Denen starrt er nach, so lange er fie fehen kann. Erst dann macht er es sich wieder auf seinem Neft bequem.

aber den fleinen tapferen Bogel fönnen sie nicht vergessen. Als sie So beginnt die Freundschaft. Die drei Männer ziehen weiter, nach einigen Wandertagen wieder in ihrem Häuschen am Fluß fißen und Berg die photographischen Blatten spült, fragen ihn die beiden anderen, ob auch er" da drauf ist. Sie fagen nicht wer, denn das versteht sich von selbst, Láhol. Er ist da, und man beschaut sich sein Bild und befchließt, ihn wieder zu besuchen.

Den ganzen Marsch über sprechen die drei von nichts anderem als von ihrem Vogel. Und dann finden sie ihn wirklich wieder und setzen sich zu ihm und erzählen sich stundenlang mit ihm, und wenn es für Lahol gerade nichts befferes oder wichtigeres zu fehen gibt, beschaut er sich sogar seinen Besuch.

Schließlich fommt Berg der tolle Gedanke, den fleinen Regen­pfeifer soweit zu gewöhnen, daß er freiwillig in seiner Hand brütet. pfeifer soweit zu gewöhnen, daß er freiwillig in feiner Hand brütet. Niemand wird glauben, daß das überhaupt möglich sei. Doch es gelingt in der Tat. Freiwillig tommt eines Tages Lahol in die Hand, in der auf einer Moosunterlage seine drei Eier ruhen, wendet fie so lange, bis sie ihm richtig liegen, setzt sich darauf und läßt sich dann von der anderen Hand Regenwürmer reichen, die er mit Appetit verzehrt. Das flingt nicht nur wie ein Wunder, es ist auch eins. Schildern fann das niemand, selbst Bengt Berg   nicht in seinem sonst so prächtigen Buch. Nur die fehr eindrucksvollen Bilder, die ganz deutlich den Bogel in den einzelnen Situationen zeigen, fönnen etwas von dem Gefühl wachrufen, was das Erleben erweckte.

Bielleicht denkt mancher, daß es müßig sei, mehr als zwei Wochen auf solch ein Experiment zu verwenden. Aber wer nicht begreift, daß hier ein ganz großes, ganz tiefes Erlebnis liegt, wie es überhaupt nur die allerwenigsten in ihrem Dasein haben können, der ist arm, sehr arm. Hier hatten glückliche Menschen, von Not noch nicht verbittert oder durch Ueberfultur gefühllos, die Gelegen heit und die innere Kraft, ihren Bruder Bogel   wiederzuentdecken, einige der Fäden wieder zu knüpfen, die die Natur einst mit der Menschheit verbanden. T. E. Schulz.

Der neue Thielscher- Schwank.

Die Herren Franz Arnold und Ernst Bach   haben, weil das Jahr herum ift, Thielscher wieder einen Schwant Stöpsel" auf den Leib geschrieben. Auf Thielschers fugelrunden Leib, der quedfilbrig auf der Bühne herumtrudelt, und bei den An­hängern älterer Berliner   Poffenfomit schon durch sein Erscheinen begeisterten Jubel hervorruft. Die Leitidee der Arnold- Bachschen Shmänte ist faft immer dieselbe. Auch im Stöpfel" tam es ihnen darauf an, den armen, fleinen, diden Thielscher von einem Schred in den anderen zu jagen. Stöpsel- Thielscher, im Bestreben, sich von den gewohnten hausbadenen Ehefreuden freizumachen, wagt einen fleinen Seitensprung und fällt dabei fürchterlich hinein. Daß in einem Schwanf von 1926 wieder Grafen und Baroninnen Haupt rollen spielen, ist verwunderlich. Noch sonderbarer ist es aber, daß

Die Versammlung nahm darauf eine Resolution an, in der sie auf das schärffte gegen eine Abänderung des Mieterschut gefehes Brotest erhob, und in der sie zum Ausdrud brachte, daß die bensinterefen des überproken Teiles der Bevölkerung. nämlichhar Mieter, feineswegs den Geldintereffen einer fleinen Anzahl von Hausbefizern geopfert werden dürfen.

Großfeuer in Steglit

Heute früh um 1hr tam in Steglib, Albrechtstr. 14a, in einem Landhaus Feuer aus. Als die Feuerwachen von Steglitz   und Lichterfelde   an der Brandstelle antamen, brannten fchon im Erdgeschoß des Hauses, in dem eine Parfümeriefabrif ihren Ber trieb unterhält, Parfümerien und im Arbeitsraum und im Keller, im Bureau und im 1. Stod Möbel. Die Dede im Erde gefchoß war durchgebrannt und eingestürzt. Die Feuerwehr

sich das Publikum trotz der inzwischen bestimmt abgefchabt ge wordenen Anschauungen glänzend amüsterte. Befreiendes Lachen tobte ständig durch das Haus. Bühnentechnisches Geschid fann man den Autoren nicht absprechen. Die Handlung bleibt lustig und spannend, obwohl man schon am Ende des ersten Attes weiß, mie es im dritten fommen wird. Auch Thielschers Komit ist reichlich veraltet. Heute sind wir bereits einen anderen Stil gewöhnt. Wenn er mit den furzen, dicken Armen und Beinen umherfchlenfert oder vor Schred hinten überpurzelt, so bleibt nichts übrig, als diese Art Kunst als Klamottenfomit anzusehen. Die von Herrn Arnold selbst geleitete Aufführung im Neuen Theater am 300 hatte das nötige wirbelnde Bossentempo. In dem Hauptzwed des Abends, fidele Stimmung zu erzeugen, betätigten sich mit gutem Erfolg neben Thielscher die routinierte Lilly Flohr, die reizende 2otte Klinder und Lotte Stein  , die, ohne in den Fehler der Ueber. treibung zu verfallen, einen prächtigen Raffle- Typ hinstellte. Dgr.

Michelangelos Hosenmacher  . Bapst Bius XI. hat Joeben an geordnet, daß Michelangelos Jüngstes Gericht" in der Sirtinischen Kapelle restauriert werde. Dabei hat er verfügt, daß die Wiederherstellung die späteren Gewandzutaten auszumerzen habe. Michelangelo   hat nämlich seine Gestalten ursprünglich in herrlicher und fühner Nacktheit gemalt. Bapst Baul IV. nahin daran Anstoß und gab dem Maler Daniel da Volterra( 1509-1566) den Auftrag, noch gu Lebzeiten Michelangelos   einzelne Gestalten mit Lendenschürzen zu übermalen. Volterra  , ein Schüler Michelangelos  , der freilich als Plastiker größere Bedeutung erlangt hat denn als Maier, weigerte sich anfangs, den Auftrag auszuführen, mußte sich aber schließlich doch dazu entschließen. So behutsam er auch bei der Uebermalung zu Berfe ging, so mußte er feine Nachgiebigkeit doch büßen; erhielt er doch von den zeitgenössischen Künstlern den Spottnamen Michel­angelos Hosenmacher".

Aus dem Kunfileben des Sowjetbundes. Die jetzt in Mosfau Leiter der Kunſtabteilungen der einzelnen Bildungskommissariate, die im Gebäude bes Bildungskommissariats tagende Konferenz der

aus allen Teilstaaten des Sowjetbundes nach Mostau gefommen find, hat die Aufgabe, eine engere Verbindung der staatlichen Kunst­institute der Sowjetländer herzustellen. Mehrere Delegierte wiesen darauf hin, daß die in den großen Städten angesammelten Kunst­Schäße der großen Maffe des Bolts ganz unzugänglich sind und unbe fannt bleiben, und regten einen zeitweiligen Austauf des Kunst besitzes der einzelnen Sowjetländer an. Dadurch würde es auch den wenigstens mit einem Teil dieser Kunstschäße bekanntzumachen. entlegeneren Sowjetstaaten möglich werden, ihre Bevölkerung Frau Trogli machte den Borschlag, eine Reihe von Konferenzen von Sachverständigen in Museumsfragen einzuberufen. Die Konferenz wird sich auch noch mit der Erhaltung fünstlerisch wertvoller alter Bauwerke und mit Naturschußfragen zu beschäftigen haben.

Marguer ffes neue Zeitschrift Evolution". Der franzöfifche Chrift fteller Victor Marqueritte hat mit Unterstübung emopäischer und amerika­nischer Pazifisten eine Monatsichrift gegründet, die den Titel Evolution" führt und die Aufgabe bat, bie Sriegsschultfrage in Fluß zu bringen nach den Grundsägen, die B. Margueritte in seinem Appell an das Weltgewiffen aufgenent hat. Die erfte Nummer dieser Zeitschrift erscheint Ende dieser Boche.