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Dienstag

26. Januar 1926

Wiſſen

Unterhaltung und Wissen

Bellage des Vorwärts

Der Himmelstischler.

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Bon Adolph Hoffmann .

Ein alter aber eifriger Genosse war der Vertrauensmann der Sozialdemokratie von Merseburg , Julius Langer. Unver­heiratet und etwas Sonderling suchte er mit einer fleinen Tischlerei, in der er Lehrling, Gefelle und Meister in einer Person war, sich durchs Leben zu ringen.

Seine Behausung lag in einem Teil der uralten Stadtmauer von Merseburg , und bot ihm Werfftatt, Lager, Wohnung und Küche in einem Raum. Mit Rücksicht auf diese Raumverhältnisse hatte sich Julius für seinen eigenen Bedarf nicht viele Möbel gebaut".

Auch Borräte zum Verkauf gab es selten, da seine Kundschaft auf die Fertigstellung schon immer wartete. Nur in einem Artikel hatte er stets ein bis zwei Stück am Lager Särge.

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Julius war einer von den Tischlern, die es mit ihrem Beruf noch fehr ernst nahmen und nicht pfuschten. Seine Kommodentäften und Schränke waren innen so blant wie außen. Diese Sorgfalt ver. wendete er noch in erhöhtem Maße bei den legten Schlafröden" feiner Kundschaft, wie er die Särge nannte.

Da wäre nun bei seiner gewissenhaften aber langsamen Arbeit der Sarg nie zur rechten Zeit fertig geworden. Aus diesem Grunde hielt er Borrat. Aber es fehlte in seiner städtischen Schanzenburg an Plazz. Deshalb standen die Deckel in einer Ecke aufrecht an der Wand und die beiden Unterteile ineinandergesetzt an der Wand entlang und Der obere diente ihm als Bett.

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Daraus machte er fein Geheimnis und so war sein Spizname Himmelstischler"

entstanden. Reichtümer hatte er sich nicht zusammengearbeitet, brauchte sie aber infolge seiner Anspruchslosigkeit und Bescheidenheit auch nicht.

Alle Zeit, die er sich abringen fonnte, widmete er der Sozial­demokratischen Partei. Ihr gegenüber war er unermüdlich. Ich lernte Julius fennen als ich nach der Weinert- Affäre in Halle an der Saale mein Domizil aufgeschlagen hatte in einer Versamm­lung im Neuen Theater dortselbst.

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Es war im Jahre 1884 in einer Bersammlung der drei ver­einigten bürgerlichen Parteien, die für die neue Militärvorlage Propaganda machen wollten. Landgerichtsdirektor Reuter aus Halle führte den Borfiz. Der Professor der Nationalökonomie der Halle­schen Universität, Dr. Conrad, war Referent.

Die Versammlung war überfüllt. Mitten im Saale hatten die ganzen Steuerbeamten der Saline in voller Uniform an einer langen Tafel Platz genommen.

Ich hatte den Auftrag, che Prof. Conrad das Wort erhielt, anzu­fragen, ob freie Aussprache gewährt würde, und bat ums Wort zur Geschäftsordnung, erhielt aber vom Vorsitzenden die Antwort: Hier gibt es feine Geschäftsordnung."

Als ich die Bemerkung machte, daß das recht traurig sei, fuhr der Herr Landgerichtsdirektor mich an, ich solle den Mund halten oder er ließe mich aus dem Saal entfernen.

Der Widerspruch aus der Versammlung ließ den Borsitzenden aber nicht im unflaren über die Kräfteverteilung in derselben, und als ich mit lauter Stimme antwortete:

" Dann ersuche ich den überwachenden Kommissar, mir das Wort zu verschaffen, da ich auf eine Ungefeßlichteit hinzuweisen habe, die sich hier im Saal unter den Augen der Polizei und eines Landgerichtsdirektors abspielt."

Auf der Bühne madelten sämtliche Berüden, man fteďte die Köpfe zusammen und Herr Reuter ließ mich nicht hinausführen, fondern unterhandelte mit dem Polizeikommissar und sagte dann: Gut, Sie haben das Wort, aber nur, um die angebliche Ungesetz­lichkeit zu bezeichnen."

Ich zog das preußische Vereins- und Bersammlungsgesetz aus der Tasche und las den Paragraphen vor, der da lautet:

Jeder Preuße hat das Recht, fidh unbewaffnet zu versammeln. Dabei wies ich auf die Steuerbeamten, die ohne Ausnahme umge schnallt" dasaßen.

Saal und Galerien brachen in schallendes Gelächter aus. Dann trat in der Erwartung, was nun geschehen würde, Toten­stille ein.

Der Landgerichtsdirektor unterhandelte eingehend mit dem Bolizeikommissar. Dieser zeigte in sein Buch und nickte, was wahr­scheinlich mein Zitat aus dem Versammlungsgesetz bestätigte. Als der Herr Landgerichtsdirektor weiter auf ihn einredete, zuckte er bedauernd die Achseln und schließlich schichte der Kommissar den ihn begleitenden Polizisten zu den Steuerassistenten. Der Polizist sprach mit dem Obersteuerassistenten, welcher dann einem Unterbeamten den Auftrag gab, die Degen einzusammeln.

Als dieser die lange Tafel seiner Kollegen abschritt und jeder den Degen über seine beiden Arme legte, erscholl von der Galerie in langsam betonten Worten der Ruf:

Na, nu ist Deutschland in Gefahr und hier rüsten fie abr Schallende Heiterkeit, die sehr lange nicht zur Ruhe kommen mollte, lohnte dem Rufer.

Die ganze Situation hatte den Herrn Landgerichtsdirektor so verdattert, daß er, nachdem der Herr Professor dreiviertel Stunden gesprochen hatte, mir das Wort zur Diskussion ohne Zeitbeschränkung

erteilte.

Das erstemal in meinem Leben sprach ich eine und eine halbe Stunde unter immer stärkerem Beifall Als ich geendet hatte, sagte Herr Professor Conrad nur noch, er önne natürlich, nachdem ich zur Debatte doppelt so lange gesprochen hätte als er in seinem Vortrag, nicht auf meine Ausführungen eingehen und die Bersammlung ging mit einem ganzen Erfolge für uns zu Ende.

"

Die Steuerbeamten erhielten unter abermals schallender Heiter­teit ihre Degen wieder und marschierten im Stechschritt ab, die menigen, damals Nationalen" im Entenmadeltempo hinterbrein. Bon der Galerie her ertönte ein Hoch auf die Sozialdemokratie, in das die imposante Bersammlung stürmisch einstimmte. Mit anderen Genossen beobachtete ich den Kommissar, der mit feinen Polizisten zur Galerie eilte und den Attentäter vergebens juchte, als mir jemand auf die Schulter flopfte. Ein fremder, großer, Schlanker Mann, Ende der Fünfziger stand vor mir und sagte: Ge­nosse Hoffmann, die Rede mußt du mal bei uns in Merseburg

halten."

Da die Worte, so seltsam langsam heraustamen, faßte ich ihn näher ins Auge, aber ich fannte ihn nicht und entgegnete: Ja, fommt denn Professor Conrad nach Merseburg ?"

" Das glaube ich nicht", tam in gleichem Tempo die Antwort. Das ist aber auch gar nicht nötig, deine Rede allein genügt uns Dellständig.

" Sagen Sie mal", bemerkte ich jetzt, Sie haben doch von der Galerie bei der Entwaffnung der Steuerbeamten den Zwischenruf gemacht?"

Erstens", sagte er jovial,

fage ruhig du,

und dann, ich bin auch der, welcher das Hoch ausgebracht hat." " Dann lasse dich man nicht erwischen", warnte ich. Es find auch Foule" hier."

" Laß man", entgegnete er, die sind dazu zu faul und vorläufig fuchen fie die Galerie ab. Da bin ich lieber runtergegangen, damit fie nicht über meine langen Beine stolpern."

Jedem das Seine.

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Hungernden Matrosen

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Desertierenden Monarchen

Also, Genosse Hoffmann", fuhr er ruhig, breit und gedehnt| fort, bu mußt deine heutige Rede bei uns in Merseburg halten. Ich bin der Vertrauensmann der Partei. Hier hast du meine Adresse." Er überreichte mir einen Zettel auf dem sein Name, Julius Langer und Wohnung mittels Stempel aufgedrückt war.

Alle Einwände fruchteten nicht. Ich fonnte ihm nicht entwischen, imd er war der erste, der mich zum Referenten in einer öffentlichen Bersammlung und bei der nächsten Reichstagswahl zum Kandidaten der Partei vorschlug.

Es war ein schwer zu bearbeitender Kreis. Außer in Merseburg und später noch in Querfurt gab es feinen Saal. Nur in wenigen Orten hatten wir Verbindungen, die der Himmelstischler" mit einer Mühe und Geduld aufrecht erhielt und pflegte, wie ich sie in fast einem halben Jahrhundert nichi wieder vorfand.

Bei den wenigen vorhandenen Kräften war es selbstverständlich, daß der Kandidat, menns zur Flugblattverbreitung aufs Land ging, feste mitmachte. Bei der Art, wie die Gendarmerie jede Flugblatt­verbreitung unmöglich zu machen suchte, die Bauern nicht selten uns mit Hunden und Beitschen aus dem Dorfe trieben, gehörte schon Firigkeit und Gewandheit dazu. Ich entsinne mich einer solchen Tour von Dorf zu Dorf, wo uns fast an jedem Dorfeingang ein Gendarm empfing mit der Erklärung, das Verbreiten von Flugblättern sei hier verboten. Auch der Hinweis, daß das Wahlbeeinflussung sei, impo­nierte nicht. Wenn Sie hier verbreiten, tonfisziere ich die Flug­blätter und sperre Sie ins Sprizenhaus. Machen Sie außer meinem Revier, was Sie wollen," und er begleitete uns bis zur Grenze. Mit dem Himmelstischler" schmiedete ich einen teuflischen Plan und der gelang. ( Fortsetzung folgt.)

Die Farbe der Erde. Belche Farbe mag die Erde haben, wenn sie im weiten Himmels: raum einherrollt? Diese merkwürdige Frage läßt sich doch genau be­antworten, wie Svante Arrhenius in feinem neuen, inhaltsreichen, bei der Akademischen Verlagsanstalt in Leipzig erschienenen Wert Erde und Weltall" ausführt. Man hat das von der Erde auf den unbeleuchteten Teil des Mondes geworfene schwache Erdlicht spektroskopisch untersucht, und dabei zeigte sich, daß dieses Licht viel­mehr ins Blaue spielte als das von dem Monde zurückgeworfene direkte Sonnenlicht. Daraus fann man schließen, daß die Erde in einem blauen Schimmer strahlt, und das ist begreiflich. Das zur Erde gelangende Himmelslicht, das von den in der Luft schwebenden Partikeln somie auch von den Gasmolekülen zurückgeworfen wird, ift tiefblau. Daher muß das von denselben Partiteln zum Himmel

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( Wahlpruch der Hohenzollern .)

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unsere Millionen.

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geworfene Licht ebenfalls blau sein. Die Erde erscheint also als ein blauer Stern neben dem wegen seiner rostigen Wüstenflächen roten Mars und der flaren meißen Benus. Die Wolkenregionen um den Aequator und um die Pole müssen nach außen hin hellblau sein und werden durch dunkelblaue Bänder über den fog. Roßbreiten, unter denen die wolkenfreien Wüstengürtel jederseits des Aequators liegen, abgegrenzt. Auch die Farbe des Mondes hat man ge­nauer untersucht. Man hat behauptet, daß die großen erstarrten Lavaseen dieses Gestirns durch eine grüne Färbung ausgezeichnet feien. Das würde den Verhältnissen auf der Erde entsprechen, wo die Farbe ähnlicher Gesteinsgebilde, wie wir sie hier auf dem Mond vermuten, nämlich der sog." Grünsteine", von den in ihnen ent­haltenen grünen Ferrofilifaten erzeugt wird. Andere Beobachter glauben aber, daß viele helle Krater des Mondes bläulich seien und daß diese Färbung durch die Kontrastwirkung zu dem im allgemeinen gelben Ton des Mondes erzeugt wird. Die spektroskopische Unter­fuchung der Mondfarbe ergab, daß die blauen Töne im Vergleich mit den gelben im Mondlicht schwächer vertreten seien als im Sonnenlicht und daß die allgemeine Farbe des Mondes derjenigen des gelben Sandsteins gleicht.

Enfdedung von Höhlenbewohnern in Deutschfüdwest. Eine Er­pedition aus Denver in den Vereinigten Staaten soll nach einem Bericht aus Kapstadt einen bisher unbekannten Stamm wilder Buschmänner" in dem Kaoko Veld im früheren Deutsch - Südwest­afrifa entdeckt haben. Man vermutet, daß dies ein vorgeschichtlicher Stamm von Höhlenbewohnern ist, der sich noch zwischen der Wal­ fischbai und der Mündung des Kunene- Flusses erhalten hat. Diese primitiven Menschen sind außerordentlich scheu und fliehen sofort in die Urwälder, wenn sich Fremde nahen. Der Expedition ist es aber gelungen, einige photographische Aufnahmen von diesem merkwürdigen Stamm zu machen. Sie stehen auf einer noch fast tierischen Stufe der Entwicklung, leben hauptsächlich von Kräutern, Wurzeln und Beeren und sind mit Bogen und Pfeilen bewaffnet. Ihre einzige Kleidung besteht in einer Schürze aus Fellen und Sandalen. Wenn eine Frau stirbt, während sie ein Kind nährt, wird der Säugling mit ihr zusammen lebendig begraben.

Ein englisches Riesenwarenhaus. In Liverpool hat eine eng lische Tabakgesellschaft ein Warenhaus erbaut, daß mit 13 Stod werken und 40 Meter Höhe rund 750 000 Personen Raum gewähren könnte. Die Länge beträgt 241 Meter, die Breite 55 Meter. 27 Mil­lionen Backsteine and 6000 Tonnen Eisen wurden für den Bau verwendet.