Volk unter Völkern!
Seipel über das Problem des deutschen Staates.
Der Führer der Chriftlich- Sozialen Partei in Desterreich, Bundeskanzler a. D. Dr. Seipel, hielt gestern im Boltsdeutschen Klub einen Vortrag über das Problem des deutschen Staates. Er führte aus:
An die Stelle der außenpolitischen Tendenzen der Vorfriegszeit ist feßt die Sehnsucht und das Streben nach Verständigung der Völker getreten und man geht davon aus, sich zunächst einmal zu verstehen. In der Tat gibt es fein größeres Hindernis für die friedliche Zusammenarbeit der Bolter als das nichtverstehen. Go bestehen z. B. über die Begriffe Nation und das Gelb ft be. stimmungsrecht der Bölfer zwischen Westeuropa und Mitteleuropa wesentliche Unterschiede in der Auffaffung, bie bazu geführt haben, daß Westeuropa sich bedroht fühlt, wenn von den Deut fchen die fulturelle Einheit der deutschen Nation betont wird, während die Deutschen über die Handhabung des Selbstbestimmungsrechts durch die westeuropäischen Staaten enttäuscht wird, weil sie es idealistischer auffassen als die Westeuropäer. Noch viel deutungsfähiger ist der Begriff des Staates. Be wundernswert ist es, mit welcher Beharrlichkeit die franzöfifche Nation durch ihre viele Jahrhunderte lange alte Geschichte den Einheitsstaat angestrebt hat. Mit ähnlicher Konsequenz steuert die englische Nation durch die allmähliche Zusammenfassung der einft von so vielen fleinen Staaten erfüllten britischen Inseln dem einheitlichen Herrschaftsgebiet zu. Ganz anders die Entwidlung in Deutschland und Italien , wo der Staatsbegriff lange Zeit fehlte und die beiden hauptsächlichsten Funktionen des Staates, die Geltendmachung der Nation nach außen und die Her. stellung und Aufrechterhaltung der Ordnung im Innern, Jahr hunderte hindurch in verschiedenen Händen lagen. Aber während es in Italien wenig mehr als eines halben Jahrhunderts bedurfte, um den einheitlichen Staatsbegriff und das Staatsideal der Westvoller mit ungeheurer Energie in die Wirklich feit umzusehen, haben die Deutschen auch heute noch nicht den Einheitsstaat, obwohl ein Teil von ihnen schon in den 60ziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts unter großen Opfern ein nationaleinheitliches Staatsgebiet zu schaffen versuchte. Der Ausbruch des Weltkrieges unterbrach die Entwicklung. Jeht nach dem Kriege fucht der größere und vernünftigere Teil des deutschen Boltes Bolt unter Böltern zu werden. Er sucht dem deutschen Bolte die ihm vorenthaltene Gleichberechtigung mit den anderen Nationen zu erringen, zugleich aber für deffen eigene Zukunft flare Biele zu gewinnen und damit auch alles abzuftreifen, was das Mißtrauen der übrigen Welt lebendig erhalten tönnte. Heißt dies einfach die Begriffe und Ideen der anderen Bölfer unverändert aufnehmen? Ich weiß es nicht. Wohl aber bin ich über zeugt, daß wir noch einige Zeit brauchen werben, um unseren Weg in die Zukunft endgültig zu finden. Nicht nur weil wir von außen behindert werden, ihn zu gehen, sondern weil wir mit der Geiftesarbeit, die dazu notwendig ist, noch nicht fertig sind.
In dieser Zeit, in der wir stehen, hat für das Leben der deutschen Nation nicht nur der deutsche Staat im Reiche, sondern auch der deutsche Staat in Dfterrei eine bes fondere Aufgabe.
Völkische Mordhehe.
Tumult im bayerischen Landtag. München , 5. Februar. ( Eigener Drahtbericht.) Im Baye rischen Landtag fam es am Freitag nachmittag zu einer regel. rechten Prügelfzene. Der berüchtigte Nationalsozialist Streicher hielt eine seiner pathologischen antisemitischen He reden und erklärte zum Schluß, daß er den vor acht Wochen im Landtag gemachten Ausspruch seines Parteifreundes Wagner: Ich würde es begreifen, wenn ein ausgewiesener Elfah- Cothringer Stresemann über den Haufen schießen würde", voll und ganz decke. Die Folge diefer frechen Morbhege war ein ungeheurer Tumult Auf der linten Seite des Haufes brangen verschiedene Sozialdemokraten mit dem Ruf Mordbube" gegen das Rednerpult vor. Plöglich stürzte sich der fommunistische Abg. Büchs auf Streicher, der von seinem Barteifreund Löw mit vor gehaltenem Stuhl beschützt wurde. Mit Fauftschlägen, und im Handgemenge entriß der Kommunist seinem Gegner den Stuhl und drohte damit auf Löw und Streicher einzuschlagen. Es gelang einem Sozialdemokraten noch rechtzeitig, den erhitzten Kommunisten abzu drängen. Der Tumult und der ungeheure Lärm dauerte über eine Viertelstunde. Der Präsident hatte inzwischen die Cigung unterbrochen. In der neuen Sigung wurden alle Be teiligten gemeinsam zur Ordnung gerufen, weil es dem Präsidium nicht möglich war, die tumultarischen Borgänge im einzelnen zu verfolgen. In längerer Erflärung versuchten hierauf noch die Nationalsozialisten ihre Mordheze abzufchwächen, wodurch es neuerdings zu Tätlichkeiten zu kommen drohte. Streicher zog es schließlich vor, den Sizungsfaal zu verlassen.
München , 5. Februar. ( Eigener Drahtbericht.) In der Leitung tes bayerischen Kultusministeriums wird in der näch tes bayerischen Kultusministeriums wird in der näch ften Zeit ein Wechsel eintreten, da der gegenwärtige Minister Dr. Matt, der außerhalb Bayerns vor allem durch sein Wort vom Preußen Ludendorff bekannt wurde, so schwer erkrankt ist, daß mit seinem Rücktritt gerechnet wird. Als Hauptanwärter für die Nachfolge Dr. Matts wird der frühere Innen.ninister Schweyer genannt, der 1923 der Intrigenpolitit Knillings und der vater. fändischen Berbände unterlag, aber als treues Mitglied der Baye. rischen Bollspartei rehabilitiert werden dürfte.
Die Neuregelung der Hauszinssteuer. 40 Proz. der Friedensmiete- Zwei Fünftel davon für Wohnungsbau.
Der preußische Gesezentwurf über die Hauszinssteuer( Gebäudeentschuldungssteuer) ist dem Landtag zu gegangen. Nach ihm unterliegen der Gebäudeentschuldungssteuer die in Preußen belegenen bebauten Grundstüde. Bon der Steuer frei find Neubauten und neugeschaffene Gebäudeteile, wenn der Bau erst nach dem 1. Juli 1918 bezugsfertig geworden ist und ohne öffentliche Beihilfen entstand. Ferner sind von der Stuer frei die Grundstüde öffentlicher Körperschaften Grundstücke von Vereinigungen gemeinmüßiger Art, Botschaften, Gesandtschaften und Konsulate( sofern Gegenseitigteit gewährt ist) und diejenigen bebauten Grundstücke, die nach§ 24 Abs. 1e bis i des Kommunalabgabengefeßes den Steuern vom Grundbesitz nicht unterliegen. Auf Antrag sind von der Steuer zu befreien Einfamilienhäuser, die vor dem 1. Juli 1918 bezugsfertig hergestellt und nicht mehr als mit 20 Proz. des Friedenswertes belastet waren, wenn sie ausschließlich vom Eigentümer und feiner Familie bewohnt werden und nicht mehr als 70 Quadratmeter Bohnfläche haben. Für die Steuer haftet das Grundstüd an sich.
Die Steuer beträgt 40 Broz bes Golbmart. betrages der Friedensmiete nach Abrechnung der gefeß lichen Nebenleistungen. Bei bebauten Grundstüden, die am am 31. Dezember 1918 mit dringlichen privatrechtlichen Lasten gar nicht oder mit nicht mehr als 50 Proz. des Friedenswertes belastet waren, ist der Betrag der Steuer auf Antrag des Eigentümers bis auf
Neue tschechische Sprachenverordnung
Arge Verringerung des Minderheitenrechts.
Prag , 5. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Die auf eine so geringe Mehrheit gestützte Koalitionsregierung hat soeben eine umfangreiche Ausführungsverordnung zum Sprachengesetz erlassen. Das Sprachengefez enthält die grundlegende Bestimmung, daß in allen Gerichtsbezirfen, in denen mindestens zwanzig Brozent der Bevölkerung bei der Volkszählung eine andere als die tschecho flowakische Nationszugehörigkeit angegeben haben, die Sprache diefer Minderheit in Amt und Gericht mit der Staatssprache insofern gleichberechtigt ist, daß Eingaben und Klagen auch in dieser Minderheitssprache angenommen und erledigt werden, sowie daß die zum Verkehr mit dem Publikum bestimmten Beamten auch dieser Minderheitssprache mächtig sein müffen. Es hat nicht an Bersuchen gefehlt, dieses gefeßlich festgelegte Minderheitenrecht einzufchränten und, ungeachtet dieser wichtigen Bestimmung, die nichttschechischen Bezirke auf jede mögliche Weise zu tschechisieren. Man weiß, wie dieses Ziel durch massenhaften Abbau und zahlreichste Berschidung von Beamten und Angestellten aller Grabe, die der Minderheits nation angehörten, angestrebt wurde. Man hat die Stellen, die auf diese Weise frei gemacht wurden, mit Tschechen befeßt, um durch fie und ihre Familien die tschechischen Minderheiten besonders in den überwiegend deutschen Landesteilen zu stärten. Zu den vielen Tschechisierungsmaßnahmen gehörte insbesondere auch der letzthin vom Obersten Verwaltungsgericht als gefeßwidrig aufgehobene Erlaß, der die Gaststätten in Sudetendeutschland zwingen wollte, auf ihren Häusern wie auf den Speisekarten usw. tschechische Bezeich nungen an erster Stelle zu führen. Gerade das Scheitern dieses Versuchs an der Gesezestreue des Obersten Verwaltungsgerichts scheint der neuen Verordnung Geburtshelfer gewesen zu sein. Von den drei tschechisch- sozialdemokratischen Ministern haben zwei, nämlich die Genossen Bechynje und Dr. Winter, die neue Berordnung nicht unterschrieben, ebenso der unpolitische Minister für die Slowatei, Kallay. Dagegen hat der britte sozialdemokratische Minister, Dr. Derer, die Verordnung mit unterzeichnet. Es ist anzunehmen, daß um die Berordnung innerhalb der Regierungstoalition heftig gefämpft worden ist, wobei tschechische Sozialdemokraten unterlegen find. Bezirt, wo nicht mindestens zwanzig Prozent Deutsche sind, Während bis jetzt ein Deutscher aus Prag oder einem sonstigen zwar nicht in einem solchen Bezirf, wohl aber in einem Bezirk mit über zwanzig Brozent Deutschen Eingaben und Klagen in deutscher Sprache einbringen fonnte, worauf fie dort wenn die Zuständig. feit gegeben war in deutscher Sprache verhandelt und erledigt
-
-
-
werden mußten, wird das durch die neue Verordnung verboten! Es wird neu bestimmt, daß die Bürgermeister und Vizebürgermeister in Städten mit eigenem Statut( Magistratsverfassung) der Staats. ( prache mächtig fein müffen, unbefümmert um die nationale Busammenfegung der Bevölkerung biefer Städte, zu denen beispielsweise auch das weit über. wiegend deutsche Reichenberg gehört. In dem tschechisierten Brünn ist jetzt ein deutscher Sozialdemokrat Bizebürgermeister die neue Bestimmung entfernt ihn von seinem Posten! Für alle Gemeinden mit über 3000 Einwohnern wird bestimmt, daß binnen drei Jahren ihre Gemeindevorsteher das Tschechische beherrschen müssen und daß fie für tschechisch sprechende Beamte forgen müssen, auch wenn sie zum Beispiel rein deutsch sind! Ja, es wird die unglaubliche Be ftimmung getroffen, daß in allen, auch in den fleinsten Gemeinden, wenn in der Gemeindevertretung auch mir ein einziger Tscheche fizt, dafür gesorgt werden muß, daß dieser Minderheitsvertretung" alle Reden in der Gemeindevertretung und ihren Ausschüssen über setzt werden müssen. Von einem gleichen Recht für nichttschechische Minderheiten un tschechischen Gebiet ist gar keine Rede. Und woner fleine Gemeinden die Geldmittel für solche Uebersetzer nehmen sollen, darum fümmert sich der Staat nicht.
Der Artifel 99 der Verordnung bestimmt, daß aus„ öffentlichen Intereffen" den Gaststätten jene Auflage gemacht werden kann, die das Oberste Verwaltungsgericht foeben erst als gefezwidrig ge brandmarkt hat!
Es wird weiter bestimmt, daß selbst Laienrichter die Staatssprache beherrschen müssen, wodurch also Hunderttausende Staatsbürger von diesem Amt ausgeschlossen werden. Für jede Anstellung im Staatsdienst ist die Beherrschung der Staatssprache Vorausfegung. Ueber die Art der Feststellung dieser Beherrschung durch die Prüfungskommissionen hat man genügende Erfahrungen bereits fammeln können; einfachen Eisenbahnern wurden Fragen, nach den Werten irgend welcher unbekannter tschechischer Dichterinnen gestellt, sie nicht etwa für das Lehramt der tschechischen Literaturkunde, und als sie sie selbstverständlich nicht beantworten konnten, wurden sondern für den Eisenbahndienst als ungeeignet erklärt!
Alle deutschen Parteien, ohne Unterschied sehen in dieser Berordnung die Krönung der Tschechisierungspolitik und werden gegen sie den schärfsten Kampf eröffnen. Das Parlament ist gegenwärtig noch nicht versammelt, die gesamte Opposition drängt aber auf seine fofortige Einberufung.
einen Spielraum von, je nach der Belaftung, 10 Bros. bis 33 Bros.| Sache war. Um die Rebergabe meines an den Ministerpräsidenten der Friedensmiete herabzusetzen. Solche Anträge find beim Borgerichteten Antwortschreibens erfuchte ich den Staatssekretär Baron figenden des zuständigen Steuerausschusses anzubringen. Die Georg Pronay, der mir schon damals mitteilte, eine persön Steuerschuldner haben nach näherer Anordnung des Finanzministers liche Begegnung mit dem Ministerpräsidenten werde faum möglich Steuererklärungen abzugeben und sind verpflichtet, Renderungen in sein, denn dieser tehre erst am nächsten Tage mittags heim und den Rechtsverhältnissen dem Vorsitzenden des Steuerausschusses anzu fahre schon nachmittags weiter nach Genf . In der Tat fonnte ich zeigen. Der Finanzminister ist ermächtigt, in einzelnen Fällen die den Grafen Bethlen nicht sprechen. Am nächsten Tage begegnete Steuer ganz oder teilweise zu erlassen. ich jedoch Staatssekretär Bronan, der mir mitteilte, er habe den Brief übergeben und vom Ministerpräsidenten die Weisung erhalten. Nadoffy eine ftrenge Order zulommen zu laffen, ethem Ethem folchen Plan, falls er tatsächlich bestehe, zu verhindern. Nachdem der Landespolizeichef diese Weisung von dem Staatssekretär in der Tat auch erhalten hatie, betrachtete ich die Angelegenheit als end. gültig erledigt, denn ich hatte von Nadossy niemals vorausgesetzt, aber gewiß auch der Ministerpräsident nicht, daß der Landespolizeichef einer der Teilhaber dieses unsinnigen Unternehmens ift. d
Die Bezirtsfürsorgeverbande erhalten für erhöhte Kosten zur Fürsorge für hilfsbedürftige Mieter aus dem örtlichen Aufkommen ihrer Gemeinden an Gemeindeentschuldungssteuer 8 Proz. Bon dem hiernach verbleibenden Steuerauftommen find 1/40 zur Förderung der Bautätigkeit auf dem Gebiete des Wohnungs. wesens zu verwenden. Nicht verwendete Beträge gehen an den Staat. Die Ausführung des Gesetzes liegt den zuständigen Ministern ob. Das Gesetz gilt nicht für die Insel Helgoland .
Bethlen war unterrichtet.
Der Briefwechsel Bethlen- Perényi. Budapest , 5. Februar. ( WTB.) Das Ungarische Telegraphen Correspondenz- Bureau meldet: Der Bariser Matin" veröffentlichte in seiner heutigen Nummer den Briefwechsel zwischen dem Ministerpräsidenten Grafen Stephan Bethlen und dem Präsidenten des Ungarischen Nationalverbandes, Baron Siegmund Perenni, betreffend die Frankaffäre.
Im Zusammenhange mit der Publitation des„ Matin" wandte sich das Ungarische Telegraphen Correspondenz- Bureau an Baron Berenni mit der Frage, warum er diese Briefe bisher nicht publiziert habe. Baron Perengi antwortete:
Ich habe die Briefe einfach aus dem Grunde nicht veröffentlicht, weil der Verfasser des an mich gerichteten vertraulichen Schreibens, der Ministerpräsident, mich hierzu nicht ermächtigt und gewünscht hat, daß die Angelegenheit der Briefe, bevor ich sie veröffentliche, des„ Matin" dazwischen gekommen ist, halte ich es nun auch meiner vor dem Parlamentsausschuß bereinigt werde. Da die Bublikation seits für notwendig, beide Briefe in ihrer ursprünglischen Tegtierung zu veröffentlichen.
Der an mich gerichtete Brief des Ministerpräft denten hat folgenden Wortlaut: Ministerpräsident.
Streng vertraulich. Budapest , den 27. November 1925.
Geehrter Freund? Man hat mich aufmerksam gemacht, daß sich der Natio. nalverband im Besige von französischen Francs. falsifitaten befinde und sie auch verwenden wird.
Habe die Güte, der Sache nachschauen zu laffen und mich zu beruhigen. Ich bitte durch Dich den Verband nachdrücklicht, sich solcher Manipulationen zu enthalten und sich in derlei nicht einzulassen. Mit herzlichem Gruße Dein Dich verehrender, getreuer Bethlen m. p. Auf diesen Brief des Ministerpräsidenten schrieb ich folgende Antwort:
Geehrter Freund! Auf Deine hochgeschäßten Zeilen vom 27. b.m. habe ich die Ehre, Dir zur gefälligen Kenntnis zu bringen, daß fich im Besitze des ungarischen Nationalverbandes teinerlei Falfifitate befinden, daß er sich mit der Berwertung von solchen oder mit ähnlichen Manipulationen niemals beschäftigt hat und auch heute nicht befchäftigt. Deinem Wunsche gemäß habe ich der Sache nachgeschaut, und es ist mir auch gelungen, in diefer Angelegenheit gewisse Informationen zu beschaffen. Ich bitte Dich, habe die Güte, mir noch vor Deiner Abreise Gelegenheit zu bieten, über diese Sache persönlich zu referieren.
Es grüßt Dich herzlichst Dein aufrichtiger Freund Baron Berengi m. p. Baron Perényi machte hierauf noch folgende Bemerkung: Wiewohl ich mir wohl bewußt war, daß sich der Nationalverband mit solchen sträflichen Treibereien nicht beschäftigt, bin ich auf Grund der Weisung des Ministerpräsidenten der Sache pflichtgemäß nach gegangen und es gelang mir, vertraulich zu erfahren( ich habe das Bersprechen gegeben, die Quelle nicht zu nennen), daß es tatsächlich einzelne Bersonen oder eine Gesellschaft gibt, die sich mit einem folchen Plane beschäftigten und daß auch Landespolizeichef Emmerich Naboliy im Besize von Informationen über die
Diplomatische Kuriere überfallen. Angebliche Räuber töten in Lettland einen und verlehen den zweiten Sowjetkurier schwer.
Riga , 5. Februar. ( Elgener Drahtbericht.) Heute um 17 Uhr früh drangen unweit der Station Ulegküll in den für Kuriere und Inhaber von Diplomatenpäffen reservierten Schlafwagen des 3uges Mostau- Berlin einige mastierte ein. Sie überfielen 3wel Sowjeffuriere, die im unverfchloffenen Abfeil mit diplomafischer Bost nach Berlin fuhren. Die Kuriere griffen zu den Waffen, ein Feuergefecht folgte. Der Kurier Retta wurde getötet, sein Kollege durch einen Bauchschuß schwer verwundet. Unter den Mitreisenden brach eine furchtbare Panit aus. 3m Dienstabteil des Wagens fand man zwei der Maskierten in figender Stellung erschossen auf. Nach Aussagen der Zeugen sind auf der Plattform des Wagens noch andere Banditen gesehen worden. Die beiden Räuber find junge Leute in guter fileltung; bel ihnen aber teine Dokumente gefunden. Das Kuriergepad ist nicht wurde etwas litauisches Geld und drei Revolver mit viel Munifion, verschwunden. Die leffische Regierung behauptet, der Anschlag sei lediglich ein Raubanfall und ganz ohne politische Beweggründe gemesen; dies habe die Untersuchung ergeben und die Räuber hätten noch einem anderen Reisenden Geld abgefordert. Die Regierung hat der Sowjetgefandtschaft ihr Bedauern über den Borfall ausgesprochen. Die Sowjetunion ist von dem unpolififchen Charakter des Ueberfalls nicht überzeugt.
Moskau macht die lettische Regierung verantwortlich. Riga , 5. Februar.( Ill.) Der Sowjetgesandte hat dem fettischen Außenministerium eine Note überreicht, in ber die lettische Regierung für den Vorfall verantwortlich gemacht wird, da fie feinerlei Maßregeln zum Schutze der Kuriere getroffen habe. Er behält sich weiter das Recht vor, Ge mugtuung zu verlangen.
Ausschluß von Labour- Ortsgruppen. Weil sie die Kommunisten nicht ausgeschloffen haben.
London , 5. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Der Parteivor. stand( National- Erefutive) der Labour Party hat in seiner jüngsten Sigung den Ausschluß von drei Ortsgruppen der Partei poll zogen. Dieser Ausschluß erfolgte, weil sich diese Ortsgruppen geweigert hatten, den vom jüngsten Parteitag der Arbeiterpattel por geschriebenen Ausschluß der Kommunisten, die sich als Einzelmitglieder in ihren Reihen befanden, zu vollziehen.
Damit erledigen sich alle von fommunistischer Seite ausge ftreuten Gerüchte, als ob der Beschluß des Parteltages auf schwere Widerstände innerhalb der Mitgliedschaft der Arbeiterpartei gestoßen wäre und zu einer ganzen Reihe von Unbotmäßigkeiten geführt hätte, welche die Durchführung des Parteitagsbeschluffes unmöglich machten.
Der Adreßantrag abgelehnt.
London , 5. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Der Antrag Snowden, daß in der Antwort des Unterhauses auf die Thronrede u. a. die Verstaatlichung des Großgrundbefizes gefordert werden solle, ist mit 290 gegen 112 Stimmen abgelehnt worden.