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lichen Sprossen der früher in Deutschland regierenden Fürsten geschlechter vertreten, erlangten diese alle doch in ganz jungen Jahren schon hohe Chargen und rückten schnell in die höchsten Stellen ein. Aber auch unter den übrigen aufgeführten Ben­fionsempfängern befinden sich in sehr zahlreichen Fällen Männer, die die Pension zu einem ftandesgemäßen" Lebens­unterhalt nicht bedürfen. Während bei der Zivilversorgung Beamte der höheren Rangstufen, sofern sie tüchtig sind, in immer steigender Bahl beim Verlassen des Reichs- oder Staatsdienstes in hochbotierte Stellungen der Industrie, des Handels oder der Verkehrsgesellschaften übertreten, gehören sehr zahlreiche Benfionäre aus der Militärversorgung begüter ten Familien an. In Jahrhunderte after Tradition sind in vielen Hunderten von adligen Familien stets die Söhne als junge Offiziere in die feudalen Garderegimenter eingetreten, um dann, wenn sie die Freuden des Lebens ausgekostet und höhere Chargen erreicht hatten, den Dienst zu quittieren und sich der Bewirtschaftung ihrer Güter zu widmen.

Die

Diese Familien find, wohl nur mit menigen Ausnahmen, der Siz aller Umtriebe gegen die Republik ; fie liefern neben dem Menschenmaterial auch das Geld für alle Versuche zur Untergrabung unserer republikanischen Staatsform, Frage entsteht: Soll das so weiter gehen? Soll und muß nicht, wenn irgendwo, hier gespart werden? Ist es nicht geradezu aufreizend, zu sehen, daß dem armen Invaliden­rentner, der Kriegerwitme, bie färglichen Bezüge fofort gefürzt werden, wenn sie durch irgendeinen glücklichen Zufall eine Kleinigkeit hinzuverdienen, während die hohen Benfio nen ohne jebe Rüdsicht auf die privaten Berhältnisse der Empfänger ungefürzt gezahlt werden?

Schon vor dem Weltkriege im Jahre 1912 mar ber ge famte Reichstag von rechts nach links einig in der Frage, daß in gewissen Fällen die Pensionen gekürzt werden müßten, und verlangte die Einbringung einer entsprechenden Vorlage. Aber erst nach der Umwälzung im Dezember 1921 brachte ble Regie: rung auf Betreiben der Sozialdemokratie das sogenannte Pensionstürzungsgefe ein, das mit einigen Wende. rungen dann in der Sigung vom 27. Mai 1922 angenommen wurde. Es fonnte nicht verfündet werden, weil die für Ber fassungsänderungen vorgeschriebene Mehrheit nicht erreicht war. Das Gefeß ging damals fchon nicht weit genug. Es wollte die Pensionen in bescheidenem Ausmaß nur in den Fällen fürzen, in denen der pensionierte Beamte oder Offizier aus gewinnbringender Beschäftigung ein größeres Bermögen, und feien es auch die größten, blieben un berücksichtigt. Seit 1921 haben sich nun die Verhältnisse von Grund auf geändert. Heute befindet sich der überwiegende Teil des deutschen Volles in einer Notlage so schwer und brückend, wie sie zu jener Zeit noch nicht auszudenken war. Gerade diejenigen, die über die wohlerworbenen", mieder holt feierlich bestätigten Rechte der Millionen von Anleihe zeichnern erbarmungslos hinweggeschritten sind, dürften vor bem Benfionsetat nicht haltmachen. Die Beit für ein er weitertes und perfchärftes Bensionstüarung s. gefes ist getommen. Gespart soll und muß werden. Auch nach dem Willen der Sozialdemokratie. In erster Reihe dort, wo Ueberluß vorhanden ist. S

Maffenkundgebung in Leipzig .

Leipzig , 7. Februar. ( Eigener Drahtbericht.) Eine machtvolle Sundgebung gegen die Fürstenabfindung veranstaltete am Sonntag vormittag die SPD. auf dem Markt in Leipzig . Schon lange vor Beginn marschierten die Massen mit vielen roten und schwarzrot goldenen Fahnen auf, so daß der große Platz die Menge nicht zu faffen vermochte. Seit langer Zeit hat Leipzig eine fo gewaltige Kundgebung der Arbeiterschaft nicht mehr gesehen. Die Kundgebung wurde durch Gesänge der Michelschen Chöre eingeleitet. Anschließend Sprachen vom Ballon des alten Rathauses aus die Genossen Reichs tagspräsident Löbe und Reichstagsabgeordneter Wilhelm Dittmann , die von der Menge stürmisch begrüßt wurden.

Rund um Sonja.

Bon Erwin Friede.

Berlin hat seit geraumer Zeit seine Modefönigin. Schön! München hat seine Modefönigin. Der Grunewald hat seine Mode. fönigin Hamburg , Dresden , Leipzig , Köln ... Doch wir wollen feine Geographie freiben.

Berlins Modefönigin heißt Sonja und ist ein Mannequin. Schön! Kronen find gerollt, Throne umgestürzt. Wir wählen Röniginnen. Krönen Schönheit und Eleganz Doch nicht die elegante Frau wurde gewählt, sondern ein Mannequin. Nicht die Schönheit wurde erforen, sondern Sonja.

Es war die Verherrlichung eines Berufes, die Sonja wählte. Denn der volle Name der Königin ist: Sonja aus dem Hause Heß! Nicht eine Familie stellt die Kronenträgerin, sondern eine Firma. Man nennt das im allgemeinen Reflame. Hier heißt es freier Bett­

bewerb.

Man sieht zur Genüge: die jahrhundertelange Herrschaft einer Dynastie hat uns verlernen lassen, wie man Könige wählt.( Das ganze Bolt stellt die Bewerber. Jede Frau ist es. Qualitäten sollten ausscheiden!) Wir sind zu unerfahren im Königsmachen. Oder aber: man sieht, wie auch früher bei solchen Sachen geschoben wurde. Wie auch damals Reklame, Beziehungen und geschicktes Management entschieden.

Schön! Lassen wir es. Sonja ist gewählt. Vermutlich wird fie schön sein. Wahrscheinlich versteht sie Toiletten zu tragen. Ich habe fie noch niemals persönlich gesehen. Nach den Bildern gefällt fie mir nicht. Nun sind ja Anfichten über Schönheit zum Glüd verschieden. Der eine hält für mieß, was der andere prämiiert. Ich jage nichts gegen Sonja. Aber: Sonja gab den Startschuß zum legten Berliner Sechstagerennen ab. Sie schoß sogar zweimal. Aus Schüchtern und Berlegenheit sagen die einen, tie Mannequins zu ihren Freundinnen zählen. Um fich zu zeigen, urteilt der Neid. ... Sonja war der Mittelpunkt des Reflameballes. Sonja war hier und dort, ließ sich sehen und bestaunen, hatte Baldachin, Krone, Szepter und Hofnarren.

Ich sage immer noch nichts gegen Sonja. Aber gibt es feine andere tönigliche Tätigkeit für fie? Ein Auftreten, bei dem nicht immer gleich das Publikum von ihr erfährt? Bei dem nicht immer gleich die Bresse gezwungen ist, sie untertänigst zu erwähnen? Man will doch nicht immer von der Firma Heß hören. Schließlich ist uns auch ein Vorgänger der schönen Sonja auf die Nerven gefallen, weil man zuviel von ihm hörte. Der Reise und Rede faifer braucht weiß Gott feine Auferstehung zu feiern.

Ich sage nichts gegen Sonja. Aber schließlich wäre doch viel leicht das Bockbierfest in der Neuen Welt ein passenderer Ort für thre Regententätigkeit. Sie würde auch dort populär werden tönnen und wäre doch mehr unter sich.

Ich wüßte noch mehr: Früher war es ein Tanz um das be­rühmte goldene Kalb. Jezt tanzt man um Sonja. Bis jetzt hatte Sonja von ihrer föniglichen Stellung nur einen Taufendmarkschein, sehr viel Amüfement und einen Spleen. Benn bas aber jo meiter geht, wird der Spleen bald den Umfang eines Bogels erreichen, der größer ist als der Adler auf der deutschen Kriegsflagge

Nur kein sachlicher Erfolg!

Die Entlarvungsstrategie in Verwirrung! Sie hatten es fich so schön gedacht, Die SPD . würde wieder einmal entlarvt" werden, die SPD. - Arbeiter, die Chriftlichen und die Hirsch- Dunderschen würden in hellen Scharen in die Einheitsfomitees laufen, dort würden sie unter die väterliche Obhut eines fommunistischen Vorsitzenden ge­nommen werden, dann würde man ganz im stillen das organi fatorische Berhältnis enger gestalten und zum Schluß würde die Kommunistische Partei im deutschen Parteileben etwa die Position haben, die heute die Sozialdemokratische Partei hat. Zum Entlarven" gehören immer zwei. Und wenn der andere merkt, daß er entlarot" werden soll, und sich zur Wehr jetzt, dann verliert der Entlarver die Fassung. Denn zum Entlarven gehört vor allen Dingen Heimlichkeit, sonst funttioniert es nicht.

wollte mit dem Kampf gegen die Fürstenansprüche ein In dieser Lage ist jetzt die Kommunistische Partei . Sie schmähliches und heimliches Spiel treiben. Wir haben ihre hinterhältigen Pläne aufgedeckt. Nun lügt und schimpft die fommunistische Presse durcheinander und zeigt damit nur, wie fehr der fommunistische Plan in Berwirrung ge tommen ist.

Ueberschrift els für das bürgerliche Fürsten Die Rote Fahne " vom Sonntag veröffentlicht unter der ompromiß" einen Artikel, der selbst für die Verhältnisse der Roten Fahne" reichlich verworren und albern ift. Unter der Hauptüberschrift stehen im Stil eines Detektivromans SPD . Das Rätsel bes Dolch stoßartitels ge. amel weitere Sensationsüberschriften: Rampf in der 1 ft. Das ist also ein Rätfel, daß wir die Hinterhältigkeit und die Gemeinheit der Kommunisten an den Branger stellen. Rommunisten erwartet, daß wir stillvergnügt zusehen würden, wenn wir fie auf ihren Schleichmegen ertappen! Hatten bie wie wir entlarnt" merden?

fall gegen die Absicht der SPD. , im Reichstage das Fürften Im übrigen ist dieser Artikel ein einziger Tobfuchtsan fompromiß au verbessern und zu verschärfen. Dieser Tob fuchtsanfall ist begreiflich; denn alles, was auf fachlichen Erfolg gegen die Fürften abzielt, durchfreuzt die Dolch stoßtaktik der KPD . Die SPD . will auf allen Wegen den Fürsten zu Leibe gehen? Das ist Berrat! Mit diesem un finnigen Geschrei zeigen die Kommunisten nur, daß es ihnen nicht auf den fachlichen Erfolg, sondern nur auf parteitat­tisches Manöver ankommt.

Was ist es nun aber mit dem Rampfinder SPD.?" Die Rote Fahne " will zunächst Baul Löbe gegen die Absicht, das Kompromiß im Reichstag zu verschärfen, ins Feld führen, ohne triftige Belege dafür beibringen zu können. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn in der Reichstagsfraktion der SPD. herrscht vollfte Einmütigkeit, daß man auf allen egen den fachlichen Erfolg anstreben muß. Trogdem be. hauptet die Rote Fahne":

In der Sozialdemokratischen Partei tobt zurzeit der Kampf um diese Entscheidung. Wenn man schon einen Gegenfaz zwischen den Ansichten des Sozialdemokratischen Pressedienstes und denen Baul Löbes feststellen fann, wieviel größer muß da erst der Gegen. satz zwischen den rechten Führern und den sozialdemokratischen Ar. beitern sein?"

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Im selben Atemzuge aber ftefert sie selbst den Beweis dafür, daß sie den Kampf in der SPD. "- wir haben nach seinem Toben gesucht, ohne sie zu finden mur erfunden hat, um ihr Entlarvungsmanöver zu unterstügen. Da schreibt sie: ,, Eine Schmach für die linten" SRD. Blätter ist es, daß sie diefe Hegtampagne des Parteivorstandes strupellos unterſtüßten, daß sie den Dolchftoß"-Artikel des Borwärts" wo­möglich noch sensationeller aufmachten. Alles nur aus Freude an der Kommunistenheze!"

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Wo tobt denn nun der Kampf in der SPD ." um die Rätsel des Dolchstoßartikels?" Die fozialdemokratischen

Arbelter werden sich verwundert ansehen und werden sich sagen, daß bei den Kommunisten der Wunsch Der Bater des Gedankens ift. Die Kommunisten ein wenig wenig zerstören, möchten die SPD. - Organisation ein deshalb fafeln sie vom Kampf, der in der SPD. tobt. Wenn sie aber gar keine Anzeichen von einem tobenden Kampf finden, dann erfinden sie wenigstens eine Arbeiter. opposition, unter deren Drudder verräterische Bels" vorwärts getrieben wird. Aber auch mit dieser Erfindung strafen sich die Kommunisten ſelbſt Lügen. Wie steht es denn damit? Hat denn der Druck der Arbeiteroppofition nachge­lassen, daß rechte Führerflique und linke" Führer gemein­sam Arbeiterverrat in der Fürstenenteignung betreiben tönnen, wie es die Rote Fahne " behauptet?

Mit Hinterhältigkeit, List und Heuchelei erreicht man teine politischen Biele. Man riskiert nur, daß man auf frischer Tat ertappt wird und dann selbst in Berwirrung ges rät. Das sollten die Kommunisten endlich gelernt haben.

Justizetat im Haushaltsausschuß. Regelung der Untersuchungshaft Fall Wandt- Fememorde.

Justizreform

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Der Haushaltausschuß des Reichstags behandelte heute ten Haushalt des Reichsjuftigministeriums für 1926. Der Berichterstatter Abg. Dr. Korsch( Komm.) hob die Erhöhung der Summen für den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik und für die Sondergerichte sowie für Entschädigung für unschuldig erlittene Haft herver. Er fragte, wann bas Republitschutz­geleg aufgehoben werde.

Reichsjuftizminister Marg erwiderte, für die Frage des Art. 48 fel bas 3nnnenminifterium und nicht das Juſtizminifteri m zuständig; ebenso sei für die Aufhebung des Republitschutzgesetzes heitsstrafen 185 erlaffen, das Berfahren set in 942 Fällen nieber bas minifterium des Innern feberführend. geschlagen. Für das Reich und die Länder betragen die Zahlen 20 000 Straferlaffe und 9000 Niederschlagungen. ( Romm.) erwidert Reichsjuftigminifter Dr. Marg, eine Borlage zur Auf Anfragen der Abgg. Dr. Rosenfeld( Sog.) und Stoeder Reform des Strafgesetzbuches liege vor: es gingen fort gejezt von den Ländern bazu Anträge ein. Der Minifter fuhr fort: B.r nehmen an, daß im Juli, Auguft ober September die Angelegenheit in den Reichsrat gelangen und Ende des Jahres etwa an den Reichstag fommen wird. enderung der Vorschriften über die haft usw. schweben Berhand­lungen. Wenn sie sich zu lange hinzögen, fönnte eine

Staatssekretär Joel erflärte, beim Reichsgericht feien an Frei­

Ueber die

provisorische Regelung der Untersuchungshaft ermogen werden. Sie ist aber vor Erledigung der Gesamtmaterie mißlich. Eine Reform der Chefcheidung ist einstweilen nicht zu erwarten. Der Juftigminister seht dann die Rechts­lage über die Amnestien auseinander und stellt Behauptungen über die Busagen der Regierung richtig.

Im Falle Wandt

habe das Reichsjustizministerium so schnell wie möglich gearbeitet. Am Sonnabend um 2 Uhr fei ihm die Entscheidung des Reichs­präsidenten zugegangen, und ohne Zögern fei fie nach Leipzig weiter. geleitet worben.

Juristisch halte das Reichsjuftigministerium übrigens bas Reichsgerichtsurteil über Wandt für durchaus rich. tig. Was die

Uebergriffe der Gerichte gegen Rechtsanwälte betreffe, fei in faft allen Fällen ein Eingreifen des Justiz minifteriums ausgefchloffen gewefen; fie unterlägen dem Ermessen des Gerichts und der Judikatur. Die Frage der Sprech erlaubnis sei Sache der Bänder. Leider müsse auch die Breffe recht wenig von dieser Zuständigkeit der Länder in juristischen Dingen, wie die Forderungen der Presse bewiesen: Wo bleibt die Erklärung der Regierung in Sachen der Feme - Morde? Der Miniſter er­flärt, das fet Sache der preußischen Schmurgerichte gewefen. Eine Statistit über die in Haft befindlichen politischen Gefangenen ist sehr schwierig, folange nicht hier der Begriff..poli tischer Gefangener" definiert worden ist.

Ich lage nichts gegen Sonja. Doch wenn das fo melter geht, werden mir von ihr ebenso schnell die Nase voll haben wie von der entzüdenden, blonden und Jugendlichen Schulreiterin, Kinoschau Spielerin usw. usw.", beren Lob aus allen Zeitungen, Zeitschriften erdröhnte. Sollte jedoch nur eine Krankheit durch die andere übersten Künstlerinnen der Boltsbühne, die im Theater schwer richtige munden werden können, dann bin ich aber doch lieber für Sonja.

Ueberhaupt, Sonja! Ich bin überzeugt, daß ich mich in fie ver lieben würde, wenn ich fie persönlich fennte. Ich glaube, daß ste mich von ihren Reizen überzeugen fönnte, wenn sie bei mir wäre. Ja, ich fühle es, daß ich nur aus Neid über sie gelästert habe, weil ich fie der breiten Maffe nicht gönne und am liebsten für mich allein hätte. Ich will also nichts gegen Sonja gesagt haben.***

Das neue Programm der Grande Difense. Auf dem stimmung mordenden Podium des Bechstein- Gaales, ber schlimmsten aller Berliner Kunstfolterkammern, brachte Yvette Guilbert am Sonntagabend ein neues Programm. Singfang aus dem Milieu des galanten Zeitalters, altfranzösische Bolkslieder und moderne Chansons. Wie immer ein Sprühregen von Pointen, überraschenden Nuancen, blendenden Espritblizen. Alles mit einer prachtechnischen Birtuoſität, einer schauspielerischen Verwandlungs­fähigkeit ohnegleichen gegeben. Am stärksten in der Komit, in dem Lieb von den guten Manieren, in der fleinen Satire auf die Un­zufriedenheit der Menschen, in den Porträts des neuen Reichen, wie ihn Aristide Bruant schon vor dreißig Jahren gezeichnet, des traurigen jungen Mannes, in der Karikatur der Klosterbrüder. Badenb, wo Schauerliches mit greller Pathetit gestaltet wird. Eine große Stunft, Gipfelleistungen, die weitumfassend, aber doch nicht ohne Grenzen sind. Eine Kunst, der sich der schlichte, nach deutschem Empfinden recht eigentlich volksliedgemäße Ton des Naiv- Innigen versagt, der daher ein Lied wie das vom Tode des Jean Renaud mißlang. Die Einfalt, die ungefünftelte Gradheit dieser schmucklofen Poesie fand feinen Ausdrud. Berscholl und erstickte im rauschenden Feuerwerk virtuoser Artistit. Ich glaube, es ist fast ein Vierteljahr hundert vergangen, seit ich die Grande Diseuse das letztemal erlebte. Daß fie in diefer Zeit jünger geworden ist, war nicht zu erwarten. Aber ihre Kunst zeigt teine Spur von Ermüdung, ist vielmehr be­wegter, fprühender geworden. In der atemlos fich jagenden Fülle ber Gesichte vielleicht schon etwas überlaben und überheizt. J. S.

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Rolland- Feier in der Bolfsbühne. Otto Brautoff, ber Ueberseher des Johann Christoph", spricht über Rolland, ten die Boltsbühne besonders ehren muß, weil er immer der Forderer und Förderer des Theaters für alle" war. Dies zeigt am stärksten die Schrift aus feiner Sturm und Drangzeit, die neulich hier mitge teilt wurde. Grautoff spricht weiter von dem Dichter, der Künstler und Mensch ist, der nicht nur Leser, sondern eine große Gemeinte in aller Welt hat. Die beiden Besonderheiten: Tolstois lange Ant. wert auf den Brief des unbekannten Studenten und die Freund schaft dieses Zwanzigjährigen mit der 80jährigen Malvida von Meisenbug wurden wie überall in diesen Tagen ermähnt, nicht aber die innig- fördernde Bufammenarbeit mit einer anderen Frau, Madeleine Rolland , der Schmefter, die namentlich bei der Bertün. bigung Gandhis und Jung Inbiens mitgewirkt hat. Nach Grau

| toffs Rede muß man unmitürlich an die von Stephan 3weig denken und bedauern, daß das Publikum ter Boltsbühne nicht diese hören fonnte. Im Anschluß an die Rede las Fränze Roloff aus Rollands Werten. Fränze Roloff , eine der ausgeprägt unalltäglich Rollen bekommt, fonnte hier ihre Eigenart ganz zeigen und Rol­lands Sprache und Geist selten eindringlich bermitteln.

gewe.

Konzert des Berliner Uthmann- Chors. Es ist noch gar nicht so lange her, daß man Gefangverein" und Kunst" nur allzu oft als entgegengesetzte Begriffe empfand. Schuld daran waren die bier­heiseren Kehlen, die häufig an Sommersonntagen den Schreden der Ausflügler bildeten und denen ihr Gefang" nur ein Ventil für ihre Lärmluft war, die der reichliche Altoholgenuß ermedt hatte. Heute allerdings find diese üblen Erscheinungen fast vergessen. Und wohl in erster Linie das Bertienst unferer gutgeschulten Arbeiter höre, daß jetzt ein breites Bublikum Interesse an allen Darbietungen von Männerchören nimmt. Hier wird nach Feierabend wirkliche Kunstpflege getrieben, das Material wird gründlich gefiebt und in ernfter Arbeit fonzertfähig gemacht. Die Ergebnisse, die dabei er zielt werden, sind oft erstaunlich günstig. So bot der Bolts­liebernachmittag des Berliner Uthmann- Chors Chormeisters Siegfried Günther wurden Lieder aus fünf Jahr­Neu erwacht wirklich reine Freude. Unter der Leitung feines hunderten mit sicherem Stilempfinden und schönem musikalischen Rönnen vorgetragen. Besonders günstig gestellt scheint der Chor in bezug auf Baffe, von denen einige durch besonders prächtigen Bollflang auffielen. Das Berliner Aulich- Botal- Terzett, das bei dieser Veranstaltung mitwirfte, brachte ebenfalls Bolkslieder zu Gehör. Ihm wie dem Chor wurde reicher Beifall zuteil. Les,

" Bruno H. Bürgels felffame Geschichten des Doktor Uhlebuhle, Märchen des 20. Jahrhunderts" hatte die Urania angefündigt. Das hieß, wie die Erschienenen merften, eine etwa einstündige Borlesung aus jenem allerdings wunderschönen Buch, in dem Bürgel der Jugend die Märchen der Natur und der Technik erzählt. Dagegen wäre also an sich nichts einzuwenden gewesen. Aber der Vortragende Paul Bed hatte sich in feltsamer Weise als Dottor Uhlebuhle aus­staffiert: cine 3opfperüde, tie er zum Schluß qbnahm, schwarze Halsbinde, altmodischer Gehrod, Aftentasche und Kamelhaarhaus schuhe. So stand er wirklich im Hörsaal der Berliner Urania, trotz bem diese Gestalt weit eher auf eine Schmierenbühne in der finster­ften Broving gepaßt häfte. Außerdem litt der Bortrag, der sonst von Berständnis für Bürgels feine, naturwiffenschaftliche Dichtungen 2. G. zeugte, darunter, daß Beck mehrmals den Faden verlor.

Bolfsbühne. Die Uraufführung von Alfons Paquet's Drama Sturmflut im beater am Bülowplas ist auf Dienstag, den 16. b. Mis feft efekt worden. Regie: Erwin Piscator ; Bühnenbilder: Edward Suhr; Film aufnahme: Ufa ".

Die Kunstausstellung Wedding " wird am 9. Februar( Warenbaus B. Stein, Chauffeeftraße), eröffnet. Die Beranstaltung ist ab 10. Fe bruar täglich von 10 bis 7 Uhr geöffnet.

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Das römische Forum in London entdeckt. Laut Daily Mail" ist die Lage bes römischen Forums in London bei Reubauten in der Gegenb ber Barcequrgh Street, ber Bombard Street und der Benchurch Street entbedt worden.