Mittwoch
10. Februar 1926
7
Unterhaltung und Wissen
( Schluß.)
Kurz, von was auch immer die Generäle zu sprechen begannen, so lief doch das Gespräch immer wieder auf eine Erinnerung an das Essen hinaus, und das erregte den Appetit nur noch mehr. So beschlossen sie, den Gesprächen ein Ende zu machen, und da ihnen die gefundene Nummer der Moskauer Nachrichten" einfiel, machten sie fich eifrig daran, diese zu lesen.
„ Gestern", las mit aufgeregter Stimme der eine General, fand bei dem ehrwürdigen Stadthaupt unserer uralten Residenz ein Galaessen statt. Die Tafel war mit erstaunlichem Lugus für hundert Personen gedeckt. Die Gaben aller Länder schienen sich ein Rendezvous auf diesem zauberhaften Fest gegeben zu haben. Hier gab es sowohl Goldene Sterletts aus dem Fluß Schefsna" als auch Fasanen, Zöglinge der Kaukasischen Wälder, und die int Februar in unserem Norden so seltene Erdbeere.
" Pfui doch, bei Gott ! Können denn Ew. Exzellenz wahrhaftig feinen anderen Gegenstand finden?" rief der andere General ver. zweifelt aus, nahm feinem Kameraden die Zeitung aus der Hand und las folgendes vor:
Aus Tula wird uns geschrieben: Gestern fand anläßlid dessen, daß man im Fluß Upa einen Stör fing( ein Ereignis, wie es selbst den ältesten Leuten nicht erinnerlich ist), in dem bisherigen Klub ein Festessen statt. Der Urheber des Festes wurde auf einem riesigen hölzernen Tablett, mit fauren Gurken garniert, hereingetragen. Dottor P., der an diesem Tage die Aufsicht hatte, achtete forgfältig darauf, daß jeder der Gäste ein Stück bekam. Es gab verschiedenartigste und sogar sehr gewählte Saucen...
"
„ Verzeihung, Ew. Erzellenz, auch Sie scheinen in der Wahl der Leftüre nicht allzu vorsichtig zu sein!" unterbrach ihn der erste General, nahm seinerseits die Zeitung in die Hand und las folgendes vor:
Aus Wjatta wird uns geschrieben: Einer der hiesigen Alteingesessenen hat folgende originelle Methode der Zubereitung von Fischsuppe erfunden: Man nehme eine lebendige Quappe und peitsche fie zunächst aus; wenn ihre Leber sich aus Merger hierüber vergrößert hat, so..."
Die Generäle ließen die Köpfe hängen. Alles, worauf sie auch immer ihre Blide lenten modten, handelte vom Essen. Ihre eigenen Gedanken führten Böses gegen fie im Schilde, denn so fehr fie fich auch bemühten, die Beefsteats- Borstellungen aus ihrem Ropt zu vertreiben, fo bahnten sich doch diese Borstellungen gewaltfam wieder ihren Weg.
Da tam dem General, der auch Lehrer für Schönschreiben gemesen mar, eine plögliche Erleuchtung...
Wie wäre es, Em. Exzellenz," fagte er freudig, wenn wir cinen Bauern fänden?"
"
Wie meinen Sie das..., einen Bauern?"
Run ja, einen einfachen Bauern..., einen Bauern, mie fie gewöhnlich vorkommen! Der würde uns fofort Brot bringen und murde uns Rebhühner und Fische fangen!"
m!... einen Bauern.... wo aber jollen wir ihn hernehmen, tiefen Bauern, wenn er nicht vorhanden ist?"
Wieso wäre fein Bauer vorhanden? Bauern gibt es überall, man muß fie nur etwas suchen! Er hat sich sicher irgendwo ver steckt und drückt sich vor der Arbeit!"
Dieser Gedante munterte die Generäle derartig auf, daß sie wie nan der Tarantel gestochen aufsprangen und sich eilig daranmachten, den Bauern zu suchen.
Lange irrten sie ohne jeglichen Erfolg auf der Insel umher, aber schließlich brachte sie der scharfe Geruch frischen Brotes und eingelegten Hammelfleisches auf die Spur. Unter einem Baum schlief, mit dem Bauch nach oben und die Faust unter dem Kopf, ein riesengroßer Bauernferl und drückte fich in unverschämtester Weise por der Arbeit. Die Empörung der Generäle fannte feine Grenzen.
Du schläfft hier, du Faulpelz!" fielen sie über ihn her, fehrst dich wohl nicht im geringsten darum, daß hier zwei Generäle schon den zweiten Tag Hungers sterben! Marsch, sofort arbeiten!"
Der Bauer erhob sich: Er sah, daß die Generäle strenge Herren maren. Schon wollte er ihnen ausineifen, aber sie frallten sich an ihm fest und rührten sich nicht vom Fled.
Und so begann er feine Tätigkeit vor ihren Augen. Zuerst fletterte er auf einen Baum und pflückte für die Generäle je zehn der reifsten Aepsel, für sich selbst aber nahm er nur cinen, einen fauren. Dann wühlte er eine Weile in der Erde nd holte aus ihr Kartoffeln heraus; darauf nahm er zwei Holzftücke, rieb sie aneinander und gewann aus ihnen Feuer. Dann verfertigte er aus seinem eigenen Haar eine Bogelschlinge und fing ein Rebhuhn. Schließlich machte er ein Feuer an und bereitete so rielerlei Speisen zu, daß den Generälen der Gedanke tam, ob sie nicht diesem Nichtstuer auch etwas davon geben sollten.
Als die Generäle jahert, wie sehr der Bauer sich anstrengte, da wurde ihnen freudig ums Herz. Sie hatten bereits vergessen, daß fie am Tage vorher fast Hungers gestorben wären und dachten: Wie schön ist es doch, General zu sein, man fommt nirgends um!" „ Sind die Herren Generäle zufrieden?" fragte unterdessen der faule Bauer.
Wir sind zufrieden, lieber Freund, wie sehen, wie sehr du dir Mühe gibst!" antworteten die Generäle.
Bürden Sie mir jegt gestatten, etwas auszuruhen?" Ruhe nur aus, lieber Freund, doch fertige uns erst einen Strid. Der Bauer pflückte sofort wilden Hanf, weichte ihn in Wasser
-
ein, flopste und zaufte ihn und bis zum Abend war ber Strick fertig. Mit diesem Strick banden die Generäle den Bauern an einem Baume fest, damit er nicht davonlause; sie selbst aber legten fich schlafen.
Es verging ein Tag, es verging ein anderer; der Bauer hatte es bis zu folcher Geschicklichkeit gebracht, daß er fogar in der hohlen Hand Suppen fochen fonnte. Die Generäle wurden vergnügt, dick und fatt. Sie sprachen davon, daß sie hier ein schönes Leben führten und sich um nichts fümmern brauchten, während unterdessen in Petersburg ihre Pension sich immer mehr und mehr anhäufe.
Wie denken Ew. Erzellenz darüber, hat es in der Tat eine babylonische Sprachverwirrung gegeben oder ist das nur eine Alle. gorie?" fagte einmal nach dem Frühstück der eine General zu dem
anderen.
„ Ich denke, Ew. Exzellenz, daß sie in der Tat stattgefunden hat, benn wie sollte man anders erflären, daß es verschiedene Sprachen in der Welt gibt?"
-
Der Entschluß zur Abrüstung.
The
Bellage des Vorwärts
Dieser verfluchte Militarismus!"
„ Ich werde ihn ziehen, damit der Weisheitszahn Plak hat!"
Lieber nicht! Ich fürchte mich so vor Ihrer Zange
Folglich hat es auch eine Sintflut gegeben!" „ Auch eine Sintflut hat es gegeben, denn wie sollte man andernfalls die Existenz der vorfintflutlichen Tiere erflären? Um so mehr, da in den Mostauer Nachrichten" berichtet wird..."
Wie wäre es übrigens, wenn wir ein wenig in den Mostauer Nachrichten" läsen?"
Sie holten die Zeitungsnummer hervor, setzten sich in den Echatten, lafen von A bis 3 mie in Mostau, in Tula , in Pensa , in Rjasan gegessen wurde und es machte ihnen nichts aus, es wurde ihnen davon nicht übel!
*
Ueber furz oder lang begannen die Generäle sedoch sich zu langweilen. Immer häufiger erinnerten fie fich an die in Peters. burg zurückgelassenen Köchinnen und vergossen sogar insgeheim Tränen.
Was jetzt wohl in der Podjatscheskaja vorgeht, Ew. Exzellenz?" fragte der eine General den anderen. „ Sprechen Sie nicht davon, Ew. Exzellenz, das Herz schmerzt mir bei dem Gedanken!" antwortete der andere General. „ Schön ist es ja hier darüber bedarf es feiner weiteren Worte, und doch, wissen Sie, fühlt sich das Schäfchen ohne Lämmlein nicht wohl, auch ist es schade um den Waffenrock!"
-
Wie sehr es mir um ihn leid tut! Um so mehr, da es einer vierter Klasse ist, so daß es einem ganz schwindlig wird, wenn man nur allein die Ausführung der Schneiderarbeit anjieht!"
Und sie drangen auf den Bauern ein, er folle sie nach der Bodjatscheschaja bringen. Was meint man wohl? Es stellte sich heraus, daß der Bauer sogar die Podjaticheskaja kannte, daß er dort gewesen war, dort, pie es im Märchen heißt, Met und Bier ge trunken hatte, die ihm aber nur den Bart hinuntergeflossen und nicht in den Mund geraten seien!
Wir Generäle sind ja von der Podjatscheskaja!" sagten erfreut die Generäle.
„ Und ich bin auch dort gewesen, vielleicht haben Sie mich sogar gesehen: da hing außen an einem Hause, in einer Rifte sigend, ein Mann an einem Strick und strich die Mauer mit Farbe an oder lief wie eine Fliege über das Dach nun, das war ich!" antwortete
der Bauer.
Und der Bauer überlegte, wie er seinen Generälen eine Freude dafür bereiten könnte, daß sie ihm, dem Faulpels, ihre Gunst zuteil werden ließen und mit seiner Bauernarbeit vorlieb nahmen. Und er baute ein Schiff, das eigentlich fein Schiff, sondern eine Art Trog war, um darin über das weite Meer bis nach der Podjatschestaja fahren zu können.
„ Gib aber acht, du Kanaille, daß du uns nicht erträntst!" jagten die Generäle, als sie den auf den Wellen schwankenden Trog
erblickten.
„ Sie fönnen ruhig fein, meine Herren Generäle, es ist nicht das erstemal!" antwortete der Bauer und machte sich für die Abfahrt bereit.
Er fammelte weichen Schwanenflaum und polsterte damit den Boden des Schiffleins. Als er ihn ausgepolstert hatte, legte er die Generäle darauf, befreuzigte sich und fuhr ab. Wieviel Schrecken die Generäle während der Fahrt von Stürmen und Winden durchzumachen hatten, wie sehr sie den Bauern wegen seiner Faulheii schimpften das läßt sich weder mit einer Feder beschreiben, noch in einem Märchen erzählen. Der Bauer aber ruderte in einem Fort und fütterte die Generäle mit Heringen.
Schließlich gelangten fie bei Mütterchen- Newa, beim herrlichen Ratharinen Kanal und bei der Großen Podjatscheffaja an! Die Röchinnen schlugen erstaunt die Hände über dem Kopf zufammen, als sie jahen, wie wohlgenährt, gut gepflegt und vergnügt ihre Gene
und möchte mirs erst noch mal überlegen!"
röle jeßt ausfaben. Die Generäle tranfen Raffee, aßen füße Brötchen und legten ihre Waffenröcke an. Dann fuhren sie in die Zahl. meisterei und scharrten dort so viel Geld zusammen, daß es sich weder in einem Märchen sagen, noch mit einer Feder beschreiben läßt! Aber sie vergaßen auch den Bauer nicht fie schickten ihm ein Gläschen Schnaps und einen filbernen Fünfer: auch der Bauer follte fich einen vergnügten Tag machen!
www
Unser Parteiarchiv.
Von Artur Reichardt.
Der Gedanke der Gründung des Archivs ging im Jahre 1878 von Bebel aus und wurde fünf Jahre später zur Lat. Geburtsort des Archivs war wegen des Sozialistengesetzes die Schweizer Stadt Hottingen - Zürich . Für die Verwaltung wurde damals der Genosse Schlüter ausersehen. Als im Jahre 1886 die Redaktion des Parteiorgans Sozialdemokrat" nach London übersiedelte, solgte ihr auch das Archiv. In 17 große Risten verpadt, wurde sein Bestand über den Kanal geschickt. Nach dein Fall des Sozialistengefeßes tam es endlich nach Deutschland und fand im Jahre 1905 jeinen heutigen Standort in dem Hause, das jetzt den Mittelpunkt der Berliner sozialistischen Bewegung bildet. Genosse Hinrichsen ist sein Hüter.
Auf hohen Regalen stehen schwere Bände, die uns erzählen von dem Wandel verflossener Seiten. Epochen des Altertums und des Mittelalters jind in geschichtlichen Darstellungen festgehalten. Noch wertvoller für uns aber ist die sozialistische Originalliteratur der dann folgenden Epochen. Die Periode der großen Utopisten ist durch eine stattliche Reihe von Originalen vertreten. Ihnen folgen Zeitschriften aus der Sturmflut der französischen Revolution, ferner die vollständigen Jahrgänge der alten Parteizeitungen, die auch die Bewegungen des Auslands uinfaffen. Daneben sehen mir Schriften aus der Schandzeit des Sozialistengejezés. Für die spätere Zeit ist das Material noch bereichert durch Piafate und Flugschriften in Wort und Bild. Siriegs- und Revolutionsliteratur bilden die letzten Glieder der langen Kette. Als warnendes Beispiel sehen wir darunter die Zeugen des Bruderkampfes der Partei in der langen Reihe, und endlich in einem besonderen Regal wichtiges Material zur Geschichte gegnerischer Organisationen.
Gefangen von dem gewaltigen Eindruck, wandern die Blicke zu den Werken unserer großen Lehrer, die gekämpft und gelittem und die Errungenschaften ihres Kampfes und den Wandel der Geschichte festgehalten haben in ihren Werken. Da fehen wir Dokumente aus den Nachlässen von Marg, Engels und Lassalle in den verschiedensten Ausgaben und Sprachen. Darunter die„ DeutschFranzösischen Jahrbücher" und die beiden Erstausgaben des„ Rammunistischen Manifestes". Und dort stehen die Totenmasten der großen Meister.
fang nahm an dem Tage, ba ein erstes Quellen prubein sozialistischen
Es ist eine Welt des Wissens und des Kampfes, die ihren Anda Quellensprudeln Fühlens fich emporrang aus schwarzer Tiefe zum Lichte der Erfenntnis. Unverjiegbar quillt es bis zum heutigen Tag und wirft seinen Schein ins Dunkel der fommenden Zeit.
Drei stählerne Schränke in gelbem Lack jind die Hülle, die Manuskripte, Briefwechsel und Urkunden unserer großen Führer birgt. Schwer öffnen sich des Schrantes Türen, als wollten sie fagen, daß nicht jeder den Schlüssel findet zu den Tiefen feines Inhalts. Und unsere Hände. unter deren Schwielen die Sehnsucht pulst, greifen hinein in die losen Blätter, wissend, daß diese noch melt in die Zukunft hinein Leuchte sein werden. Wir bliden auf die schwarzen, engen Seilen unseres Marr, die schwer lesbar sind für ein ungeübtes Auge. Können den Inhalt seiner Worte noch nicht faffen und fühlen doch ihren Bann. Klingende Seelen dehnen sich und fliegen hinaus ins Af. Samentörner einer neuen Zeit.
Durch die Tür aber schreiten junge Kämpfer, in denen eine Ahnung lebt von der gewaltigen Macht unserer Idee.