Donnerstag
11. Februar 1926
Unterhaltung und Wissen
Halimeh's Totenschädel.
Bon Astanow.
Niemand in Marseille ameifelte daran, daß der abgebantte Oberst Fronsard in Marokko und Algerien viel durchgemacht hatte, aber als ebenso sicher galt es, daß die Phantasie dieses alten Troupiers seine Erlebnisse um nicht Geringes übertraf. Da jedoch der Oberst gastfrei war und als ein Mann von besten Manieren galt, fiel es feinem der Offiziere ein, Einladungen zu einem seiner Herrenabende auszuschlagen.
Es ist an einem Abend im Januar: Fronsard und seine Gäste, darunter auch der joviale Curé Balbon, haben sich aus dem Speise zimmer in die braungetäfelte Bibliothe? begeben. Die jungen Offiziere stürzen sich auf 3igaretten und Absynth, die älteren fauen an Importen, der Curé Balbon aber betrachtet, leicht befremdet, ein etwas feltsam aussehendes Gefäß auf dem meritanischen Tabouret. Run, Herr Curé, was fagen Sie dazu?" meint Fronsard, flemmt die Shagpfeife in den Mundwinkel, und sein verwittertes Gesicht verzieht sich etwas fartastisch.
Mein Gott, was soll der gute und gutmütige Curé Balbon dazu sagen? Das Gefäß auf dem merikanischen Tabouret ähnelt einem versteinerten Kürbis fleineren Formats, ben man in der Mitte durchgeschnitten hat. Es tönnte ebensogut eine zerbrochene, henkellose Amphora aus Pompeji sein oder eine Opferschale aus einem Pharaonengrab, und die roten und blauen Ornamente am Rande deuten ganz gewiß auf irgendeine mystische und satrale Bestimmung hin.
Ich sollte doch meinen.", rät stodend der gute Curé, während die Offiziere aufhorchend in den ledernen Seffein fizzen. „ Na, Sie wissen's also nicht. Kann ich Ihnen auch nicht übelnehmen," brummt der Oberst.„ Dann also werde ich eine etwas Flutrünftige Anekdote loswerden müssen, die ich Anno 1910 in Marotto..."
Und hoffentlich, Bapa Fronsard, ist diese Anekdote auch recht pifant," äußert sich etwas vorlaut der blonde Leutnant Clément.
Ihr jungen Herren habt nichts als eure Schweinereien im Kopf," erwidert befümmert Fronsard. Was soll das noch werden? Ra ja, pitant ist diese Anekdote auch, die ich damals bei Tenduf erlebt habe. Ich war Kapitän und hatte vom Marschall Lŋauten persönlich das Kreuz erhalten. Das ganz nebenbei bemerkt. Versteht sich also, daß ich bei allen Regimentern als ein toller Draufgänger befannt war, als ein Offizier, dem diese halbwilden Beduinenstämme da unten gar nicht imponieren tonnten. Eines Morgens Tiege ich im Zelt und lasse ich mich von meinem Rigger Dongo so'n bißchen massieren. Hereingestolpert tommt ba auf einmal ber Oberst Lebrun Sie wissen doch, der, der 16 als General bei Berdun gefallen ist ganz erregt, schimpft, und ich erfahre allmählich, daß zwei dieser Beduinenstämme, die Chariims und die Melits, sich gegen unsere Cadres zu verbünden im besten Gange feien. Sie müssen nämlich wiffen, meine jungen Herren, daß, menn diese Halbwilden einig werden, ganz dredige Seiten für die afritanischen Troupiers anbrechen. Wenn sie sich aber tampeln, um so beffer für uns.
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Jetzt werden Sie es vielleicht auch verstehen, warum Oberst. Lebrun jo aufgeregt war. Er fchwafelte fortwährend von Alarm bereitschaft, Berstärkungen und Ueberfällen. Ich ließ ihn ruhig aus reden und meinte dann turz und troden: Herr Oberst, geben Sie mir drei Tage Urlaub, und ich werde diese Scheichs schon wieder auseinanderbringen."
Der Oberst gab mir die Hand, und ich ritt los. Mein Nigger Dongo folgte mit zwei Handpferden, 3wiebadfiften und Wasserjchläuchen.
Nun hatte ich ja nicht die blasfeste Ahnung, wie ich meine diplo matische Mission erfüllen sollte. Aber man war eben Offizier, deforiert und gewohnt, die Fahne hochzuhalten. Am Abend des ersten Tages mir reiten gerade so' ne elende
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Düne hinunter bekomme ich die Zelte der Chariims zu Gesicht. Ich entsichere meinen Browning, schreie meinem Nigger zu, die Karabiner zu laden und reite auf das Lager los. In Karriere, wie der Deibel. Und bei den Zelten geriet alles in Aufregung, als ich so angesprengt tam: die Männer, die Weiber, die dredigen Babys und sogar die Ramele und Efel. Mein Name war halt befannt, gefürchtet.
Kurz vor dem Zelt des Scheichs Atbut sprangen wir vom Pferde. Mein braves Niggerlein bibberte mur so vor Furcht, und die Mienen der Beduinen um uns waren wirklich etwas rabtat. Ich piiff aber darauf, zündete mir eine Zigarette an und ging in das Zelt des Scheichs.
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Mein weißer Bruder beglückt mich ganz unerwartet," empfing mich Albul und spielte etwas nervös mit seiner achatenen Kette. Du kannst mich mal. dachte ich bei mir, aber eingebent meiner Diplomatischen Mission erwiderte ich höflich: Guten Abend." Wir sprachen so allerlei, aber worüber wir uns nicht unterhielten, war jene plögliche Freundschaft zwischen den Chartims und den Melits. Rechts neben Akbul saß auf dem Teppich, läffig gegen ein grünes Seldenpolster gelehnt, ein junger vornehmer Berber, ber feinen Tichibut rauchte und fich an unserem Gespräch nur mit einem höflichen Lächeln beteiligte. Mein Schwiegersohn 3bn Mohammed, der erhabene Scheich der Melifs," flüfterte mir der Führer der Chariims auf meine distrete Frage zu.
Jezi aber, meine Herren, hätten Sie sehen follen, wie meine diplomatischen Fähigkeiten zu funktionieren begannen. Meine Kom binationen und Schlüsse entwickelten sich bligschnell, mit Esprit fozu fagen. Aha, dachte ich mir, wenn Mohammed der Schwiegerjohn Atbuls ist, dann ist ja auch die Alliance zwischen den Chariims und den Melits ganz klar. Untlar mar mir nur, wie dieses Bündnis zu vereiteln wäre. Ich ließ mir aber nicht merken, daß ich so etwas plante, tranf meinen Kaffee und unterhielt meine beiden Tropen fönige aufs beste mit der Standalaffäre der Derso... die, wie Gie wissen, zuerst ein Verhältnis mit dem Herzog de Castries hatte, dennoch aber mit dem Deputierten André..
zurüd.
Befannt, bekannt," riefen die Offiziere ungeduldig im Chor
Ausgezeichnet, meine Herren, aber sehen Sie: meine beiden Echeichs amüsierte diese Standalaffäre sehr. Wir wurden beinahe Freunde, und man bat mich, diese Nacht als Gastfreund bei den Chariims zu bleiben.
Am späten Abend schlenderte ich durch das Lager, meniger um mir den afrikanischen Sternenhimmel zu betrachten, delfen Aus sehen ich etwas übertrieben finde, als um den Abschluß meiner diplomatischen Mission zu erwägen. Wie nur die Melifs und Chariims auseinander bringen?
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CAROL
boofr
1000 Fr
BOOFF
DOFF
Karneval 1926.
Europas Karneval ist ganz komplett. Das ist der große Frankenimitator, Der Kronprinz Carol ohne Himmelbett, Und Ku- Kux- Klan, die Seele voll Salvator.
Bild einer Frau. Mein Blut regt sich, mein Mut desgleichen, ich lausche und trete ins Belt."
„ Aber Ihre diplomatische Mission, Herr Oberst," meinte etwas vorwurfsvoll der hagere Major Scarin.
Die Lösung dieser Mission erzielte ich, ohne es zu wiffen, in diesem Zelt."
Und die pifante Pointe, Papa Fronjard?" ließ sich der blonde Leutnant Clément vernehmen.
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Da in diesem Zelt, mein Junge, wurde es verflucht pitant. Was soll ich Ihnen weiter erzählen, meine Herren? Ich hatte ftets Glüd bei Frauen und bei der kleinen Halimeh ich meine die Schöne im Belt nun mir wurden in furzer Zeit einig, und ich unterhielt sie aufs beste und ausgiebigste." Aber doch nicht wieder mit derartigen frivolen Standal affären?" erfundigt sich besorgt der gute Balbon.
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Bewahre," grinst Fronfard. Wir fagten zusammen ben Ratechismus auf."
Scarin.
Und Ihre dipiomatische Mission?" fragt nochmals Major Warten Sie doch ab, lieber Freund. Die fleine Halimeh war die Tochter Akbuls und die Braut des Scheichs der Meliks. Ahnen Sie schon etwas, meine Herren? Am nächsten Morgen brach ich zeitig mit meinem Nigger auf. Gegen Mittag bekomme ich Durst. „ Dongo, schwarzer Satan," sage ich, in deinem Rudjad muß eine Melone taputt gegangen sein. Der Saft tropft ja durch wie Blut." Dongo öffnet den Rucksack und zieht den Kopf der fleinen Halimeh heraus! Da war ich natürlich platt, meine Herren. So' ne Gemeinheit! Da hat doch Ibn Mohammed von meinem Rendezvous mit seiner Braut Wind bekommen, und ba hat er fie noch in der gleichen Nacht abgemurfft und ihren Kopf in unferen Rudjad gesteckt. Mir als Gastfreund der Charlims fonnte er ja nichts anhaben. Das nennen sie Meral, diese Beduinen! Natür. lich war es mit der Freundschaft zwischen den Melits und Chariims gründlich aus, und wenn ich mich nicht irre, fampeln fie fich heute noch. Meine diplomatische Mission hatte also besten Erfolg gezeitigt." Und die arme Halimeh?" erkundigt sich elegisch der blonde Nun ich habe mir den Schädel präparieren zu dieser Schale auf dem merikanischen Tabouret herrichten laffen. Ein romantisches Souvenier. Wollen Sie es genauer betrachten?"
Clément.
" Dante. Wir haben genug!" erwidert brüst Scarin, steht auf und geht hinaus. Die anderen Offiziere folgen. Auch der gute Balbon verabschiedet sich ganz benommen.
Fronfard bleibt ganz verbugt zurück. Dann springt er auf, ruft seinen Diener:
" Francis, wer zum Teufel hat diesen albernen Napf auf das Tabouret gestellt?"
„ Herr Oberst wiffen es nicht? Diese Schale mit den rotblauen Ornamenten habe ich heute in dem Magazin von Lecompte er standen für fünf Frant. Herr Oberst brauchten doch ein Gefäß für die Haarlemer Tulpenzwiebeln." " Nimm den Krempel und in die Müllgrube bamit. Nichts als Merger hat man mit diesem Zeug!" donnert Fronsard. Und als Francis verschwunden ist, brummt er vor sich hin: „ Diese jungen Offiziere welch ein lächerlicher Schlag. Ich stehe also sehr in Gedanken vor einem Selt. Eine Lampe brannte drinnen und ließ bie Leinwand transparent und oranger of melch eine fümmerliche Generation. Nicht einmal Spaß versteht erfcheinen. Schatten huschen über diese Leinwand, Konturen, das 1 das...
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Musso
Attentat Märchen
Filmvertrag
Beilage des Vorwärts
Antike Maske macht Here Mussolini; Und Wilhelm spielt in Film und Kabarett; Jm Hintergrunde mimt der Bayern- Kini. Europas Karneval ist ganz komplett.
3u ihrem heutigen 50. Geburtstag.
Beter Hille , der feurige, jetzt schon vergessene Wächter und Prophet mit der Brautfeele" unter den Dichtern, schrieb über Elfe Laster- Schüler einmal: Sie hat Schwingen und Feffeln, Jauchzen bes Riudes, der seligen Braut fromme Snbrunst, das müde Blut Mit zierlich verbannter Jahrtausende und greifer Kränkungen. braunen Sandälchen wandert fie in Wüsten, und Stürme stauben
ihre findlichen Nippsachen ab, ganz behutsam, ohne auch nur ein Puppenschühchen hinabzuwerfen. Ihr Dichtgeist ist schwarzer Diamant, der in ihrer Stirn schneidet und mehetut. Sehr mehe.
Das ist sie: Was die Erde an Leib und verbrannten Früchten trägt, was die Bege des Lebens, die alle über Golgatha und nach Damastus führen, brennen macht, die Untat der Zeit und die Wanderung der Geschlechter, das Leuchten im Gang und das Bittern vor den Rosen in der bräutlichen Nacht, liest man in den zehn Büchern( Paul Caffirer, Berfin; Die gesammelten Gedichte", bei Kurt Wolff in München ), die faum geschrieben wurden, sondern aufwuchsen aus Blut und Dorn, aus den zerbrochenen Tafeln, die Moje aus Sinai schlug, aus den Trümmern der Sterne! Der Staub, der um Juda liegt, hebt sich empor, man glaubt ein dunkles Horn zu hören, das die Bundeslade übertönt; Himmel und Götter stürzen zusammen. Eine bunte, smaragdene Welt ist ihr eigen, opalene, jungfräuliche Träume blühen in ihr, auf den Lippen ruht der orientalische Himmel. Ein füßer Wind macht ihr Gesicht schön, ihr Hera ift dreimal jo groß wie der Tempel
es fommen viele zum Beten darin. Oft muß sie an die Pharaonenwälder denken" und
ihre Seele verglüht in den Abendfarben Jerusalems ".
Am Brunnen meiner Heimat Steht ein Engel,
Der singt das Lied meiner Liebe, Der fingt das Lied Ruths."
Es ist das Land ihrer Bäter, Aegypten , das fie fiebt bis zur Berschmelzung mit dem Bergangenen, Jahrtaufende find nichts in der Trommel ihres Wortes, fie erfand die Sprache, die die Heiligen und Liebenden unter fich sprechen, und führt ein Volt, das noch immer wandern muß. So ist sie die größte jüdische Dichterin, die größte Dichterin unserer Zeit!
Am heutigen Tage, an dem zum fünfzigsten Mal ihr Stern über Bethlehem steht, danken und grüßen die braunen Söhne der Wüfte alle Jungfrauen und Mütter, denen sie das Herzblut blühen machte, eine heimliche Göttin der jungen Dichter.
Sünde ist es, im Brand der Zeit schlafen zu gehen; ob man allein ist oder in der Brüder Schar: immer muß man den Himmel und die Erbe wollen. Der Stachel des Schmerzes fei uns das Schwert. Bind macht uns höher, darum fang fie: Alles verhaltene Gezwitscher Will wieder jubeln, Und ich möchte auffllegen Mit den Zugvögeln fort."
Walther G. Oschilewiti.
Deutschland , das Land der Apfelfineneffer. Welche Mengen von Apfelsinen und Mandarinen bei uns in Deutschland verzehrt werden, grenzt geradezu ans Fabelhafte. Man würde es taum für möglich halten, wenn es nicht die Statistit schwarz auf weiß bewiese. Im ersten Halbjahr 1924 sind aus Spanien für 21 millionen Goldmart Apfelfinen in Deutschland eingeführt worden, aus Italien für 14 Millionen. Das macht 35 millionen Goldmart in einem einzigen halben Jahre. Die Zahl ist aber noch bedeutend höher, da die vielen Tausende von Früchten, die von Spanien nach holländischen Häfen gehen und erst von dort in Deutschland eingeführt werden, nicht mitgerechnet find.