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1. Heilage ües vorwärts

Lreltag, it. ftbraor 1926

Segen den Mbau des Mieterfthutzes. 9tochmalige Wohnungsdebatte in der Stadtverordnetenversammlung.

Die in der vorigen Stadtverordnetensitzung abgebrochen« Debatte über den sozialdemokratischen Antrag gegen den Abbau des Mieterschutzes und über andere Anträge zur Woh­nungsnot und zum Wohnungsbau nahm noch den größten Teil der gestrigen Sitzung in Anspruch. Unser Genosse G u t s ch m i d t forderte von der S t a d t, daß sie endlich etwas Durchgreifen- des zur Linderung der Wohmmgsnct tue. Er schlug eine Maß- nähme vor, von der ein« wirksame Förderung des Wohnungs- baues zu erwarten ist. Ein neuer Antrag der sozialdemokratischen Fraktion wird die Stadtverordnetenversannnlung nötigen, zu diesen Vorschlagen nächstens Stellung zu nehmen. Di« Abstimmung ergab Annahme unseres Proteste» gegen den beabsich. tigten Abbau des Mieterschutzes, doch stimmten für ihn nur Sozialdemokraten und Kommunisten. Di« anderen Anträge wurden einem Ausschuß Überwiesen. Die gestern abgehaltene Stadwerordnetenversammlung nahm zunächst ohne Debatte den Dringlichkeitsantrag der so- ztaldemokratischen Fraktion an, der sich gegen die de- absichtigte Verlängerung der Dauer des Beamten- sperrgesetzes wendet. Eine lange Aussprache entspann sich bei der zweiten Beratung eines kommunistischen Antrages, der vom Magistrat die Aufstellung von Richtlinien für die kostenfreie Benutzung der städtischen Badeanstalten durch die Erwerbslosen verlangt. Der Antrag wurde nach dem Vor- schlag des Ausschusses mit großer Mehrheit angenommen. Die Versammlung wandte sich dann der weiteren Beratung des Protest- antrages der sozialdemokratischen Fraktion gegen die Beschränkung der ZNieterschuhgesehgebung im Als Redner unserer Fraktion spricht Genosse Gutschmidt: Die Auffassung bestimmter Interessenkreise, daß nur die Wohnungs- Zwangswirtschaft die Wohnungsuchendcn hindere, eine geeignete Wohnung zu finden, ist heute verschwunden. Schon in den letzten Iahren vor dem Kriege haben die Verhältnisse in der Bau- und Wohnungswirtschast zu einer Wohnngsnot geführt. Bei etwa 30 000 Eheschließungen im Jahre sind nur 20 000 Wohnungen gebaut worden, so daß sich jedem Sehenden offen- barte,� daß wir uns mit Riesenschritten den Wohnungskola- m i t ä t e n näherten, die durch den Krieg und der«Nachkriegszeit verschärft wurden und schließlich zu den gegenwärtigen Zuständen führten. Es ist daher eine Demagogie ersten Ranges, wenn ge- wisse Leute die Revolution für die Wohnungsnot verantwortlich machen wollen. Der Redner begrüßt es, daß der Oberbürgermeister letzthin in einer Broschüre gegen dl« Wohnungsnot Stel- lung genommen hat, nur ist der Verfasier der Sache nicht erschöpfend auf den Grund gegangen. Zu einem Zeitungsausfrager habe der Oberbürgermeister geäußert, daß für den Fall der Unmög- lichkeit, billigere Wohnungen zu bauen, der sogenannte kleine Mann eben die teueren Wohnungen nehmen müßte, und seine übrige Lebenshaltung entsprechend einschränken müsse. Wenn da» das Oberhaupt Berlins wirklich gesagt hat, dann strsich« er. Redner, allerdings die Flagge und sage nur:.Nach Ihnen, Herr Oberbürgermeister!' Die sozialdemokra- tische Fraktion hat die feste Absicht, zur Förderung de» Woh- nungsneubaue, in positwer Weise mitzuarbeiten. Sie lehnt alle Demonstrationsanträge ab, wird aber mit größter Energie auf die Annahm« eines von ihr soeben eingereichten Antrage» dringen, der u. a. von der Stadt Berlin die Bereitstellung von 25 Milllouen Mark für den Neubau von Wohnungen verlangt. kllebe? diesen sozialdemokratischen Antrag wirb erst in einer der nächsten Sitzungen verhandell w-rdcn.) Ein besonderes Kapitel ist der Wucher mit den Bauroh st offen. Wir haben gegen- wärtig etwa viermal soviel Baumateriolienhändler, wie vor dem Kriege, obwohl der Umsatz kaum die H ä l f t e der

Vorkriegszeit erreicht. Der Einfluß der Syndikate und Korteste geht soweit, daß die Schließung gut funktionierender, modern eingerichteter Ziegeleien durchgesetzt wird, nur weil diese Ziege- leien billiger geliefert haben. Die Stadt Berlin sollte nicht in eigener Regie Häuser bauen. Der Betrieb beim Häuserbau ist mit einem Monopolbetrieb, wie es die meisten Betriebe und Werke der Stadt sind, nicht zu vergleichen, da der Wohnungsbau mehr oder weniger ein K o n j u n k t u rb et ri eb ist, der stark von der Jahreszeit abhängt. Die Stadt Berlin sollte sich aber die Anlerstühung der gemein- nützigen und sozialen Laubetriebe angelegen fein lasten. die bisher bewiesen haben, daß sie nicht nur lebensfähig sind, fon- dern auch auf dem Gebiete der Wohnungsbeschaffung sehr An» erkennenswertes geleistet haben. Die von den Woh- nungskonsumenten gegründeten Organisationen sollten mehr als bisher die Unterstützung und Förderung der städtischen Behörden finden. Genosse Gutschmidt unterzog im Verlaufe seiner wei- tcren Ausführungen die Hypothekenpolttik der städtischen Sparkasse und der Relchsverslcherungsanstalt einer scharfen Kritik. Am Schluß seiner Rede bat Genoste Gutschmidt olle Fraktionen, an der Beseitigung des Wohnungsmangels und des Wohnungselends mitzuarbeiten.(Lebhafter Beifall.) Oberbürger- meister Löß betonte, daß die Stadt Berlin au» eigenen Mitteln schon sehr namhaste Summen zum Zweck« de» Wohnungsbaues zur Verfügung gestellt habe. Im übrigen Hab« er dem Zeitungsmann gegenüber nicht von kleinen Leuten schlechthin, sondern ganz all- gemein von der Herabsetzung der Lebenshaltung des ganzen deutschen Volkes gesprochen. Stadtv. Trefsert(Z.) wendet sich in längerer Rede gegen die Mißstände in der Wohnungswirtschaft. Treffert nimmt die Beamten der Wohnungsämter gegen die verallgemeinern« den Anwürfe des Deutschsozialen Kunze in Schutz. Roch dem Deutsch- nattonalen Paeth betont Schwenk(Komm.), daß so lange keine Ben- derung in der Wohnungsnot eintreten wird, als nicht die Stadtver- ordnetenversammlung vollkommen neue Wege in der Abwetze der kapitalistischen Wohnungswirtschast zu gehen gewillt ist. Stadtv. Weber(Dem.) erklärt, daß seine Parteifreunde aus dem Standpunkt ständen, die Mieterschutzgesetzgebung müste solange aufrechterhalten werden, solange noch nicht genügend Wohnungen zur Verfügung stehen. Mit der Beratung unseres Antrages sind mehrere An- träge anderer Parteien verbunden, die Maßnohmen zur Linderung der Wohnungsnot in Berlin , eine Beschleunigung der Genehmigung von Bauvorhaben und zur Organisierung de» Wohnungsbaues ver- langen. Unser Protest gegen die Durchlöcherung de» Mieterschuhes wird angenommen. Dafür stimmt nur die eiuke. Alle anderen Aitträge gehen an einen Ausschuß. In vorgerückter Stunde wendet sich die Versammlung der Beratung eines sozialdemo­kratischen Antrages zu, der eine Erhöhung der im Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vorgesehenen Hast- summen verlangt. Genast« Weinberg begründete ihn. Die Ab- stimmung findet am nächsten Donnerstag statt.

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Ter euglische Friedhof voll belegt Don dem Zentralsriedhof in Stahnst kamttlich eln Teil den englischen DeHörden überlasten worden zur Bestattung ihrer in deutscher Gefangenschaft verstorbenen Soldaten. nun voll belegt. IILö Soldaten r

Der Friedhof ist

ruhen auf ihm.

Die Engländer sind jetzt mit der Ausschmückung de» Friedhof» be- schäftigt. Seil einiger Zeit erhebt sich auf dem Mittelweg ein hohes weißes Kreuz au» enalifchem Steinmaierial. Der Groß-Berliner Derein ehemaliger Kriegsgefangener hat am Fuße de» Kreuze» einen Kranz mit folgender Widmung niederlegen lassen:.Zum Andenken der in der Gefangenschaft verstorbenen Kameraden aller Nationen.' Die Grabstätten der englischen Soldaten werden ohne Hügel errichtet. Steinkreuze mit Aufschrist kennzeichnen die Stätten. An der Rückwand des Friedhofes wird ein großer Altan mit Treppen errichtet.

Meine Mutti/ Es gibt Dinge, die schier unfaßbar scheinen. Ach, mtt Der- mmftgründen kann man an sie schon heran. Aber das Gefühl sträubt sich, ste zu verstehen. So wenig passen sie in die Norm, so naturwidrig ist ihr Geschehen. Mütter mißhandeln blutig Ihre Kinder und diese rufen sie hilfeflehend, zäktlichMutti'. Mütter, au» Not, Verzweiflung, aus Krankheit gehen aus dem Leben und töten vorher noch ihre Kinder die lallen ahnungslosMutti'. Unmenschliche Mütter vielleicht. Unglückliche Mütter bestimmt. Auch jene Mutter, die, wie eine Zeitung berichtet, ans der Strecke Falkenau Graslitz ihren dreijährigen Jungen, gefesselt an Händen und Füßen, quer aus eine Schiene gelegt hat. Man steht geradezu den Zug vorbeisausen und das Kind... Un- menschliche Mutter. Al» aber der Bahnwärter das Kind danach fragte, wer es dahin gelegt habe, sagte es:M eine M u t t i I' Und als er es weiter fragte, wo denn die Mutti sei, antwortete er: Die ist nach Schokolade gegangen.' Man wird die Mutter finden. Sie wird stch wegen versiichten Mordes zu verantworten haben. Der Jung« wird ohne feineMutti' aufwachsen. Er wird es vielleicht nie begreifen können, warum er keine haben durste.

Ver Straßenbahnfühcer unschulöig! Unzuverlässiges Bremsmaterial bei der Straßenbahn. Bor dem Schöffengericht Berlln-Mitte fand am Mittwoch die Berhcmdlung statt gegen den Straßenbahn» führerKarras.der Ende September vorigen Jahres mit einem Zug der Linie äl E auf einen in der Brunnen- Ecke Anklamer Straße hallenden Zug der Linie 24 auffuhr. Wie noch erinnerlich, wurden durch den Zusammenstoß 30 Personen zum Teil j o schwer verletzt, daß sie erwerbsunfähig geworden sind. Die Verhandlung endete mit einem Freispruch des Straßenbahnfahrers, da durch Zeugen-, sowie Sach- verständigenaussagen einwandfrei nachgewiesen werden tonnte, daß die elektrische Bremse oersagt und der Führer alles ver- sucht hatte, den Unglückszug rechtzeitig zum Halten zu bringen. Dieser Fall beweist, daß im Berliner Straßenbahnverkehr Wagen laufen, deren Bremseinrichtungen nicht zuverlässig sind. Dies trifft besonders für die Einsetzwagen zu, die in den Stunden des regsten Verkehr« in Betrieb gestellt werden. Die Direktion ist in solchen und ähnlichen Fällen immer bemüht, die Schuld den Führern beizumessen und ihr Bremssystem als einwandfrei hinzustellen. Den Straßen- bahnführern mag dies ein Lehrbeispiel sein, sich in ähnlichen Fällen, mit deren Wiederkehr leider gerechnet werden muß, genügender Zeugen zu versichern, um ihre Schuldlosigkeit nachweisen zu können. Von der Straßenbahndirektton muß aber gefordert werden, daß ste endlich die alten Wagen, deren Bremsunzuverlässigkeit durch mehrfache Meldungen bekannt sind, au» dem Betrieb zieht oder sie so umbaut, daß sich die Führer aus ihre Bremsen verlassen können. Ei« Gasanstaltsdirektor als Tierquäler. Der Kaufmann Plant aus der Stühlinger Straße zu Karls» Horst wurde am 17. Dezember vorigen Jahres Zeuge eines abscheu» iichen Vorfalls, der Zeugnis davon ablegte, wie verroht ein Mensch sein kann, der sich nach seiner Herkunst, Erziehung und seinem Bildungsgrad zweifellos zu den kultivierten Menschen rechnen wird. Auf dem Grundstück des früheren Gasanstaltsdirektors M o m m f e n spiellen an jenem Tag« zwei Katzen, was dem Herrn Direktor nicht zu gefallen Ichien, denn ohne joden Grund ergrifl er ein Gasrohr und schlug mit diesem in rohe st er Weis« auf eins der Tiere«in, das kaut aufschreiend und weh» klagend zu fliehen versuchte. Jetzt trat der Besitzer der Katze, der Kaufmann Plank hinzu, der dem Direktor über sein unmenschliches Verhallen bittere Vorwürfe machte. Das gequält« Tier wand sich indessen noch immer in furchtbaren Schmerzen auf der Erde. Erst nach nahezu zehn Minuten, als der Rohling noch einmal mit dem Rohr zuschlug, verendete das arme Tier. Das Ver- halten des Direktors Mommfen trug diesem eine Anklage wegen Sachbeschädigung in Idealkonturrenz mit vorsätzlicher Tier- qualerei ein, wegen der er sich vor dem Amtsgericht Lichtenberg zu verantworten hatte. Das Gericht hatte für den Angehörigen der

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(DttKel Moses.

Roman von Schalom Asch . 2. Mascha. Mit Onkel Mose « war etwas passiert. Onkel Mose » hotte am Sonntag sein Geschäft Geschäft sein lassen und machte mit einem Mädchen einen Ausslug für den ganzen Tag! Onkel Moses war wirklich im Atter jung geworden und tat Dinge, die ihn in den Augen aller seiner Bekannten lächerlich machten und seiner Würde bei den Landsleuten von Kusmin Abbruch taten. Onkel Moses begann in seinen alten Tagen ein Geck zu werden, als wäre er neunzehn Jahre alt. Er trug enge, kurze Hosen, damit man die weißen Strümps« sehen könne, und hohe, schmale, steife Kragen, die ihn. furchtbar ouälten; und Onkel Moses überschüttete sich geradezu mit Parfüm... Beim Lunch im gasizischen Restaurant, wo Onkel Moses so gern die fetten, gebratenen Hinterteile von jungen Gänsen oder Enten, sahen ihn die Geschäftsleute aus der Bovery verwundert und belustigt an und lachten hinter vorgehaltenen Händen. Sein neuer Nachbar, em Warschauer, der erst vor kurzem ein Zigarrengeschäft in un- mittelbarer Nachbarschaft des Onkels eröffnet hatte, und be- reits in der ganzen Gegend als echter Waisschauer, als Elegant und Witzbold, bekannt war. hatte dem Onkel bereits einen Streich gespielt: er hatte bei der Frau aus dem gasizischen Restaurant einen Kuchen in Form eines Herzens bestellt, darauf ein farbiges Bildchen ein Mädchen mit roten Wangen , das von einer Schokoladentafel genommen war, aufaeNebt und dieses Geschenk dem Onkel zugesandt. Onkel Moses sah und hörte, daß man über ihn lachte und schluckte alle Späße hinunter: sein roter Nacken unterlief blutig, doch er konnte sich nicht helfen. Und überdies mußte er mit einem grünen Jungen in Wettbewerb treten, mit einem neunzehn- jährigen College-boy. mit Charlie, welcher in der letzten Zeit ein häufiger Gast bei Aaron Melnik geworden war und mit Mascha ausging. Onkel Moses hatte große Angst vor dem neunzehnjährigen College-boy, er hatte überhaupt Angst vor allen Leuten, die jünger waren als er. Sein einziger Trost war. daß der neunzehnjährige College-boy ausgefranste Hosen und vertretene Stiefel trug und für einen Cent sein Leben hingegeben hätte, wabrend er, Onkel Moses, sich noch der lebten Mode kleiden konnte. Onkel Moses verstand wobl, wie lächerlich er in der eleganten Kleidung aussah und wie Hering sein Vorteil gegen Charlie war, doch er ließ es darauf an- kommen. Denn er hatte stch fest vorgenommen. Mascha zu heiraten, das achtzehnjährige Mädchen, welches er selbst er- zogen hatte, zu heiroten, und in seinem Alter Kinder zu

haben, niemandem zu Trotz, nur sich selbst zustebe, seiner eigenen Lebensfreude zuliebe. Er hielt sich für berechttgt dazu und oerstand deshalb nicht den Spott, der mit ihm getrieben wurde. Seine geckenhafte Kleidung war ihm ein Mittel, um das kindische Herz des jungen Mädchens zu gewinnen. Sie wollte es, so mußte er es tun. Und in den kurzen, schmalen Hosen mit dem enggeschlostenen Rock über seinem dicken Bauch, der lebemännisch gehaltenen Frisur, schloß Onkel Moses ernst- hast große Geschäfte ab, handelte mit den Kaufleuten, kaufte und verkaufte Häuser, nahm an Meetings von Wohltätigkeits - vereinen teil, trieb mit seinem Blick Kusmin zur Arbeit an, als merkte er gar nicht die Lächerlichkeit seiner jugendlichen, geckenhaften Kleidung, seiner geschminkten und gepuderten Wangen... Er war derselbe gestrenge Onkel Moses in feinen jugendhaften, wie ein Maskenkostüm anmutenden Kleidern, wie er es in seinem früheren täglichen Leben war. Drei Jahre hatte Onkel Moses geduldig gewartet, bis die vierzehnjährige Masche erwachsen war. Alle paar Tage war er zu Aaron Melnik gekommen, um sein Zukunftsglück zu betrachten, und Halle sich in heimlichen, süßen Phantasten gewiegt, in Phantasien über das Glück, welches ihm bevor- stand. Er musterte Mascha jedesmal, wie man eine Sache mustert, die einem gehört. Als Mascha siebzehneinhalb Jahre alt war, ging Onkel Moses daran, seine ihn zu innerst quälen- den imd dock wonnigsüßen Phantasien zur WirNichkeit werden zu lasten. Er fuhr jetzt zu Mascha, um ste mitzunehmen doch nicht mehr wie bisher als Kind, sondern ols erwachsenes, verständiges Mädchen, welches das große Glück versteht, das ihm beschieden ist: als Mann wollte er Mascha gegenüber» treten und ihr seine Kraft zeigen... Im Gedanken an Mascha lächelte er freudig in sich hinein, al» er in den frischen Sommermorgen fuhr, der noch kühl war vom nächtlichen Regen und doch schon die feuchte Glut des Tages ausströmte. Er sah Mascha in dem weißen Batist- kleid vor sich, aus dem ihr blühender Leib voll hervortrat. Seit sie erwachsen war, liebte es der Onkel, Mascha in Weiß zu sehen. Weiß erzeugte in ihm eine angenehme Bor- stellung... Er stellte sich die Zeit nach der Hochzeit vor, Mascha liegt im Wochenbett mit dem Kinde, mit seinem Kinde, er tritt, ein wenig angeheitert, in ihr Zimmer, und sie blickt vom Bett zu ihm hinüber, ganz weiß, auf ihrem Ge- sicht liegt noch die Qual der Wehen , und ste blickt aus ihn, um Mitleid flehend... Dieser Gedanke hatte etwas Be- feligendes für ihn. es machte ihm innerlich Freude, Mascha im Wochenbett, ihr Gesicht gequält und bleich zu sehen. Weiße Kleider gaben ihm immer diese Vorstellung, und deshalb machte er ihr auch so häufig weiße Kleider zum Geschenk. Er hatte sie auch gebeten, das weiße BatisUleid anzuziehen, als

er mit ihr verabredet hatte, für den gaitzzen Sonntag mit ihr zusammen in einen nahen Badeort zu fahren. Mascha erwartete ihn bereits, wie er es gewünscht hatte, in Weiß. In den paar Iahren, da der Onkel ihr sein Inter - «ste zuwandte und sie erzog, hatte sie sich an ihn wie an einen Vater gewöhnt. Sie gab seinen Launen nach wie ein kluges Kind, das oft seinem ausgelassenen Vater nachgibt. Sie war dazu erzogen worden, dem Onkel zu gehorchen und ihm alles zuliebe zu tun. Ihr Vater, ihre Mutter, die ganze Fa» milie und alle Landsleute hatten es sie so gelehrt. Und sie lehrten es sie nicht nur, sondern sie selbst gehorchten alle dem Onkel und gaben nicht nur seinen Launen nach, sondern hätten für ihn selbst das Unmöglichste getan. Selbst wenn er von ihnen ihre verborgensten und heiligsten Besitztümer verlangt hätte ste hätten sie ihm gegeben... Sie waren ja glücklich, wenn der Onkel von einem von ihnen etwas wollte, etwas verlangte, wenn er einen von ihnen mit einem Auftrag, mit einem Befehl beglückte. Und wenn der Onkel jemanden um Frau oder um seine erwachsenen Kinder fragte, so war der erhoben in den Augen seiner Landsleute... Alle Landsleute beneideten Aaron Melnik und gönnten ihm das Glück nicht, das der Onkel durch sein Interesse für Mascha in setn Haus gebracht hatte. Nichtsdestoweniger wurde Mascha der Zauberring zu des Onkels Herz: wenn jemand eine Bitte an den Onkel hatte eine Tochter ver­heiraten, Angehörige nach Amerika bringen. Geld heimsenden wollte, kam er zu Mascha-, und Aaron Melnik, Mascha» Bater, wählte die Leute aus, denen er Wohltaten erwies. Aaran Melnik wurde umschmeichelt wie einst Sam um» schmeichelt wurde, seine Frau Rosa hielt das Schicksal der Kusminer Landsleute in Händen und das alles durch das Zauberringlein Mascha, das so viel Gunst in den Augen de» Onkels gefunden hatte. In dieser Atmosphäre wuchs Mascha auf: ste begann bereit? die häßstche Rolle, die ste spielte, zu verstehen(instinktiv hatte sie sie schon lange empfunden), doch sie konnte sich nicht helfen. Die Eltern, die Verwandten und olle Landsleute hielten das, was ihr widerfahren war, für ein so großes Glück, daß ste es nicht wagten, sich dagegen aufzulehnen oder etwas anderes zu denken, als alle Landsleute. Bis in die letzte Zeit hatte sie selbst alles für ein großes Glück gehalten, doch je reifer und älter sie wurde, und insbesondere in der letzten Zeit, stieg in ihr die Empfindung auf, sie we'-de dieses Glück teuer bezahlen müssen. Es war ihr noch nicht ganz klar, womit sie werde bezahlen müsten, doch sie empfand, sie fei ein Opfer für ihre Eltern, ihre Geschwister, ihre Ver» wandten und für alle Landsleute.«, j �Fortsetzung folgt.!./