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Nr. 9843. Jahrgang Ausgabe B Nr. 49

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Vorwärts

Berliner Volksblatt

10 Pfennig

Sonnabend

27. Februar 1926

Berlag und Anzeigenabteilung: Gefchäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin S. 68, Lindenstraße 3 Ferafprecher: Dönhoff 292-29%

Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

Der Narr von Rom als Deutschenfresser Die Fürsten und der Reichstag .

Erst kreiste er Frankreich ein- jetzt tut er's mit Deutschland .

Baris, 27. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Der italienische | Bermählungsfeierlichkeiten am italienischen Hofe hervorgerufen hat, Ministerpräsident Mussolini erteilte einem Sonderberichterstatter des mo Mussolini , von einem feiner geheimnisvollen Anfälle gepackt, Betit Parisien ein Interview, das durch seine bewußtfos aus dem Saal getragen werden mußte. Sprache gegen Deutschland besonders auffällt. Ueber

die erste Drohrede gegen Deutschland befragt, erklärte Mussolini : Der Gindrud in Italien war nicht minder groß, als sonstwo. Man mußte die Drohungen des Bangermanismus brandmarken. Man muß die Menschen immer so schen, wie sie wirklich sind, nicht, wie man sie gern haben möchte. Das gilt besonders für die Deut­

chen. Sie haben sich nicht geändert.

Auch über das Reichsbanner glaubte fich Herr Mussolini auslassen zu müssen. Die machtvolle Demonstration in Hamburg gab ihm Anlaß zu folgendem Erguß: Das sind nun Republi faner, die Gegner des alten preußischen Militarismus und Pazi fiften sein sollten. Sie machen Barademärsche mit Hunderten von Fahnen. Unter ihnen marschiert eine österreichische Dele. gation, die ganz besonders Gegenstand großer Ovationen ist. Diese Deutschen vergessen nicht. Sie geben ihre alten Träume nie uf. Das beweist am besten, wie sehr meine Intervention berechtigt und notwendig war. Meine Rede war eine Tat(!) eines verant wortungsbewußten Regierungsführers, der flar sieht, und sich nicht fürchtet, laut zu sprechen, damit man ihn auch hört.d

Ueber Südtirol ließ er sich folgendermaßen aus: Ich habe fürzlich eine Reise durch das Oberetschtal gemacht. Dorf war alles deutsch , Beamte. Lehrer, Klerus, Eisenbahn und Post. Man sprach nur Deutsch und jang Lieder, die in Rom die fofortige Berhaffung der Sänger nach sich gezogen hätte. Für eine Bevölkerung von 250 000 Einwohnern, Italienern einbegriffen, gab es 24 000 Feuer­wehrleute. In Wirklichkeit waren diese Feuerwehrleute alle be­waffnet. Ich habe da etwas Ordnung hineingebracht. Ich habe die Feuerwehrtorps aufgelöst und ihre Gewehre eingezogen. Heute sind sie durch Zivilisten erfeit, 4 oder 3 Mann pro Dorf und es brennt nicht mehr als früher. An der Grenze habe ich das Gesetz in Rraft gefeßt, nach dem ohne Regierungserlaubnis niemand auf 30 Kilometer Breite sich ansiedeln darf. Wir betreiben jetzt die intensive Kolonisierung des Oberetsch. gebietes mit italienischen Familien. Es gibt eben Drohungen, gegen die man sich schützen muß. Die pangermanische Drohung ist eine Solche.

Am Schluß erflärte Muffolini. daß er entschloffen ist, Bolen tei seiner Kandidatur im Bölferbundsrat unterstützen zu laffen, ,, wie ich das dem polnischen Botschafter noch am Sonnabend ver­sprochen habe". Bolen jolle gleichzeitig mit Deutschland eintreten und nicht nach ihm, ebenso wie es mit Deutschland im gleichen Range in Locarno war. Seien Sie überzeugt, daß wenn Deutschland allein in ten Bölkerbundsrat eintritt, es sich später den Eintritt Polens mit Ronzessionen, die die Alliierten ihm machen müssen, be= zahlen läßt."

Krisengerüchte aus Italien , Erkrankung" Volpis. Paris , 26. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Der Corriere degli Italiani" berichtet aus Rom , daß die Einberufung des Se­nats zum 9. März lebhaft erörtert wird. Mussolini hat seine für nats zum 9. März lebhaft erörtert wird. Mussolini hat seine für dieses Datum angekündigte Tripolis Reise verschoben. Die Zensur ist gegen die Zeitungen nicht eingeschritten, die das Ge­rücht verzeichnet haben, daß Mussolini eine Umbildung seiner Regierung plane. Man spricht insbesondere von dem baldigen Rücktritt des Finanzministers Grafen Bolpi, zu dessen Ehren Feierlichkeiten in Benedig bereits vorbereitet waren, die mit der amtlichen Begründung abgesagt wurden, daß Volpi ertranft" fei. Allerdings wird festgestellt, daß die Feierlichkeiten abgesagt wurden, ehe man mit der Version der Erkrankung" Volpis heraustam.

Bon anderer Seite wird versichert, daß die Krankheit des Fi­nanzministers durchaus diplomatischer Art sei. In Wirklich­feit ist Mussolini auf die Popularität Bolpis eifer. füchtig, die seit seinen Erfolgen in Washington und London sehr groß ist.

Battistis Sohn gegen das Bozen - Denkmal! Rom , 27. Februar. ( BTB.) Boce Republifana" veröffentlicht einen Brief des Sohnes von Cesare Battisti , der Republita: ner ift, an einen republikanischen Abgeordneten. Luigi Battisti tritt in diesem Schreiben dafür ein, daß das geplante Denkmal für Cesare Battisti in Trient nicht in Bozen errichtet werde. Cesare Battisti in Trient nicht in Bozen errichtet werde. Denn dieses Denkmal darf nicht dem einen Imperialismus gegen den anderen dienen."

Die Brüsseler Wirtschaftskonferenz.

Besprechung der Handelsverträge. Brüffel, 27. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Die deutsch französisch- belgische Wirtschaftskonferenz der Sozialisten begann am Freitag im Brüffeler Boltshaus unter dem Borsiz von Brade Frankreich. Anwesend waren aus Deutschland Hilferding , Breitscheid und Robert Schmidt; aus Frankreich Barthe, Cayrol, Brade und Grumbach ; für Belgien de Broudère, van Rocsbroed, Pierard, Bouchery, Fermy und Martel. Ferner war der internationale Sekretär Genosse Friz Adler anwesend. Beraten wurde zunächst die Frage der Handelsverträge.

Für ein wirtschaftliches Locarno . Brüssel , 27. Februar.( WTB.,) Im Laufe der Diskussion wurde gefordert, daß die Handelsverträge bei der wirtschaftlichen die eventuell zwischen den Industrien der verschiedenen Länder abge­schloffenen Kartelle unter der Kontrolle der Regierun­sen stehen und beim Bölkerbund eingetragen werden müßten. Die Konferenz besprach noch die Fragen der Arbeitereinwande rung, des Dumping, des Washingtoner Abkommens, Transport fragen und die Möglichkeit einer Entente zu Dreien oder zu Bieren, die Deutschland , Frankreich , Belgien und Luremburg umfassen soll, bis ein vollständigeres wirtschaftliches Locarno zustande gefommen sei.

Der Narr von Rom hat vor zwei Jahren mit Hilfe Deutsch - Abteilung des Bölkerbundes eingetragen werden, ferner, daß lands Frankreich einfreifen wollen. Jegt will er mit Hilfe Frankreichs Deutschland einkreisen. Genau wie unfere nationalistischen Narren heute mit Frankreich gegen Rußland gehen, morgen mit Rußland gegen Frankreich losziehen wollen. Sich selber hält er für einen perantwortungs­bemußten Regierungsführer", aber im Reichs hanner Schwarz- Rot- Gold erfennt sein scharfblickenbes Cäsarenauge die nationalistische Gefahr.

Südtirol ist deutsch , das stellte der Narr selber fest. Bas folgt daraus? Es muß italianisiert werden. Bolen muß einen Ratssitz haben. Warum? Weil der Marr eine Wut auf Deutschland hat.

Dabei ist Italien Garant des Locarnovertrages, Inhaber eines ständigen Ratssiges im Bölkerbund. Sollten diese seine internationalen Rechte nicht vernünftigerweise so lange ruhen, bis es wieder einen Führer hat, der eine Untersuchung durch einen Nervenarzt nicht zu fcheuen braucht?

Wie steht es um Mussolini ? Pessimistische Enthüllungen englischer Blätter. Der Reichsdienst der deutschen Presse" berichtet: Der Daily Expreß " will non feinem römischen Korre­spondenten wiffen, daß Mussolinis geheimnisvolle Krankheit einen Grad erreicht hat, der Nahestehende zu der Aeußerung neranlaßt haben, daß die Tage des Dittators gezählt jeien. Der betreffende Korrespondent fügt hinzu, daß er präzise Einzelheiten erfahren habe, die vollkommen zu diesen Mitteilungen stimmen. So foll einer der offiziellen Photo­graphen aus dem Stabe Muffoliins, ein überzeugter und fanatischer Faschist, den englischen Journalisten mit Tränen in den Augen erklärt haben, daß der Zustand des Diftators fich jammervoll gemandelt habe. Muffolini magere sichtbar von Tag zu Tag ab, sei schwer deprimiert, und es greife einen ans Herz, zu bemerken, wie die Krankheit den Diftator bösartig und mißtrauisch gemacht habe.

Die Daily News wiederum wollen von einem der Intimen Muffolinis wissen, daß seine Krankheit ihn zwinge, eine derart strenge Diät einzuhalten, daß man fehr oft von ihm den Seufzer hören könne: Ich habe so schrecklichen hunger." So phantastisch diese Einzelheiten flingen, im Zusammenhang mit denen übrigens eud non einer mehrfach verschobenen, nun aber unmittelbar bevor­ftehenden Operation gesprochen wird, so paffen sie doch durchaus dem Eindruck, den der sensationelle Zwischenfall bei den letzten

Der Winzeraufstand an der Mosel . Erzwungene Freilassung der Verhafteten. Separatisten

an der Arbeit?

Die vierzehn verhafteten Rädelsführer des Bernkastetner wingertrawalls mußten vom Staatsanwalt unter dem Druck einer tausendköpfigen Demonstrationsmenge, wieder freige

laffen werden.

Die Rölinische Zeitung" will erfahren haben, daß auch separatistische Elemente ihre Hand im Spiele haben.

Der preußische Landwirtschaftsminister Dr. Steiger sprach fich einem Bertreter der Köllnischen Bolkszeitung" über die Ur­fachen des Winzeraufstandes aus, den er tief bedauerte, jamie über die Mittel, um der Not der Winzer beizusteuern. 11. a. meinte er, daß nur eine gänzliche Aufhebung der Beinsteuer ben Bingern wirklich helfen fönnte.

Völkische Schießerei. Zusammenstöße in Effen.

Effen, 27. Februar. ( BIB.) Gestern abend fam es in einer Bersammlung der Nationalsozialischen Arbeiterpar. tei bei Beginn der Aussprache zu einem schweren Zusammenstoß mit ben im Saale anwesenden Mitgliedern der Kommunisti schen Partei. Als die zahlreich demonstrierenden Kommunisten von den Nationalsozialisten aus dem Saalgeb rängt wurden, fiel im Treppenhaus plöglich ein Schuß, was die Polizei zu energifchem Einschreiten veranlaßte. Hierbei wurden den zumeist jugendlichen Bersonen zahlreiche Totschläger, schwere Solzfnüppel und Schlagringe abgenommen. Bei der entstehenden Schlägerei wurde das Inventar im Versammlungs­lofal schmer beschädigt. Bier Personen wurden schwer und vier leicht verletzt,

I

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Lesung im

Von Kurt Rosenfeld .

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Der Rechtsausschuß des Reichstags hat nach 21 Sizun­gen die Beratungen der Auseinandersetzung zwischen Län dern und Fürsten in erster Lesung beendet. Man wird also jedenfalls nicht behaupten fönnen, daß der Ausschuß es an dem nötigen Arbeitseifer habe fehlen lassen. Aber freilich, daß Resultat der langwierigen Beratungen ist recht mager, menigstens wenn man es unter dem Gesichtspunkt der Volks­interessen prüft.

Ergebnisreich, waren die Verhandlungen nur insofern, als sie das Maßlose der Fürstenforderungen und das Unvermögen der Gerichte, diese Ansprüche gebührend zu würdigen, so deut­lich ergaben, daß bis in die Reihen der Deutschen Volkspartei hinein die Notwendigkeit reichsgefeßlichen Eingreifens an­erkannt werden mußte, daß sogar de Deutschnationalen nicht mehr alle Fürstenforderungen zu verteidigen wagten. Frei­lich übte unverkennbar auch der drohende Bolfsentscheid, dem die bürgerlichen Parteien gern entgehen möchten, günſtige Wirkungen aus.

Der von der sozialdemokratischen und kommunistischen Fraktion gestellte Antrag auf entschädigungslose Enteignung der Fürsten fiel glatt zu Boden. Troz mancherlei Stimmen, die im Lager des Zentrums und der Demokraten für diesen Antrag laut geworden sind, haben die Bertreter tiefer beiden Parteien- noch die entschädigungs­lose Enteignung geschlossen abgelehnt. Sie hielten es nicht einmal für erforderlich, sich eingehend mit unserem Antrag auseinanderzusetzen.

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Auch der demokratische Antrag auf Ermächtigung der einzelnen Länder, unter Ausschluß des Rechts­meges im Wege der Gesetzgebung die Frage der Auseinander fetzung zwischen Ländern und Fürsten zu regeln, fand nicht die Würdigung, die er verdiente. Bielleicht schadete dem Antrag bei den bürgerlichen Parteien sein Ursprung aus der sozial demokratischen Fraktion, die einen ähnlichen Antrag bereits früher eingebracht hatte. Der demokratische Antrag wurde nicht einmal gründlich erörtert; er wurde gegenüber dem Kompromißantrag der bürgerlichen Mittelparteien der Demokratischen Partei, des Zentrums, der Deutschen und Bayerischen Volkspartei , so wie der Wirtschaftspartei- zurüd­gestellt.

Der Rompromißantrag der bürgerlichen Parteien ist völlig ungenügend. Er verfolgt das Ziel, ein nur aus Richtern bestehendes, vom Reichspräsidenten ernanntes Sondergericht für die Vermögensauseinandersetzungen zwischen Ländern und Fürsten zu schaffen, dies Gericht von der Be= achtung formaljuristischer, mit der heutigen Auffassung vom Recht unvereinbarer Grundsätze zu befreien, ihm die Aufgabe zuzuweisen, in der Regel unter Anerkennung der bereits durd Gesez, Urteil, Schiedsspruch, Bertrag oder Vergleich getroffenen Entscheidungen eine billige" Lösung herbeizuführen. Bei der Bemessung der den Fürstenhäusern zuzusprechenden Ber mögensstüde, Kapitalien oder Renten foll die wirtschaftliche und finanzielle Lage beider Parteien berücksichtigt, aber doch den Fürsten eine" würdige"(!) Lebenshaltung gewähr leistet und die Republif por mißbräuchlicher Benutzung der an die Fürsten zur Auszahlung gelangenden Kapitalien und Renten geschützt werden.

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Nach alter sozialdemokratischer Taktif, die sich noch immer bewährt hat, haben wir bei der Beratung dieses Gesetzes eifrig mitgearbeitet und ohne Illusionen über die Aussichten unferer Bemühungen- eine Fülle von Verbesserungsvor fchlägen gemacht, ohne übrigens dabei auch nur einen Augen­blic unsere Ueberzeugung zurückzustellen, nach welcher die allein befriedigende Lösung der ganzen Frage nur durch entschädigungslose Enteignung und nur im Wege des Boltsentscheids durchgesetzt werden kann. Bis zur Volksabstimmung versuchen mir einstweilen, das Gewicht unserer parlamentarischen Macht, die um so stärker ist, je höher die Wellen der Boltsbewegung steigen, in die Bagschale zu werfen, um fchon im Reichstag den bürgerlichen Gefeßentwurf möglichst günstig zu gestalten.

Freilich find unsere Bemühungen in der ersten Ausschuß­lefung ziemlich ergebnislos gewesen.

Wir sind bei der Frage der Zusammensetzung des Sonder­Rechtsprechung und der Auswahl der Richter durch den gerichts dem Monopol der Richter bei Ausübung der Reichspräsidenten entgegengetreten und wir haben die Wahl der Mitglieder des Gerichts durch den Richstag gefordert. Bergebens.

Wir find, falls mirtlich ein Gericht entscheiden soll, für bindende Borschriften an das Gericht eingetreten, um zu verhüten, daß dem heutigen Rechtsgefühl widersprechender Rechtserwerb anerkannt werde, für Vorschriften, die die ents fchädigungslose Enteignung der Fürsten zur Folge haben. Nur für den Fall der Ablehnung dieser Forderung find wir für die Berweigerung von Land und Kapitalien und höchstens für die Zahlung von Renten eingetreten, für die Bemeffung der letzteren aber vor allem unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und finanziellen Lage des Landes und der Bevölkerung und der Möglichkeit des llebergan ges der früheren Fürsten zu einem bürger­lichen Beruf zu ehrlicher Arbeit. Bergebens.

Wir sind für den obligatorischen Wegfall auch aller Renten­zahlungen eingetreten, falls die Renten nicht lediglich für die privatwirtschaftlichen Bedürfnisse der früheren Fürsten oder zu