Beilage zum„Vorwärts" Berliner Volksblatt. Nr. 160. Freitag, de» 12. 1«li 1895. 12. Jahrg. Parteigenossr»! Arbeiter! Im November d. I. finden die Ergänzungswahlen für die Stadlverordneten-Versammlung statt. Wahlberechtigt ist nach§ 5 der Städte-Ordnung jeder in die Wählerlisten eingetragene selbständige Ein- wohn er, der seit einem Jahre keine Armen« Unterstützung aus ösfentlichenMitteln empfangen hat und mindestens zur zweiten Steuer stufe (660— 900 Mark Einkommen) eingeschätzt ist. Dir Liste der stimmfähige» Kürger wird vom 15. bis ZV. Inli d. I. täglich von V—Z Alhr im städtische» Mahlburea», Poststr. 16, 2 Tr.» j« jedermann» Einsicht ansllrgen. Einwendungen gegen die Nichtigkeit der Liste können nur während dieser Zeit schriftlich beim Magistrat erhoben werden. Ueder die Kerechtigung der gegen die Nichtigkeit der Listen erhobenen Einsprüche entscheidet die Stadtverordneten-Versammlung. Zu einem für die Sozialdemokratie erfolgreichen Ausfall des bevorstehenden Kommunal-Wahlkampfes ist es nothwendig. daß jeder stimmberechtigte Parteigenoste und Arbeiter sich durch Ein- sichtnahme in die Listen vergewissert, daß er sein Wahlrecht aus- üben kann. Wir mahnen daher dringend zur genauesten Kontrolle der Wählerlisten, vnd richten diese Aufforderung besonder» anch an diejenigen Wähler, welche wegen nicht vollbezahlter Kur- und VerpflegungsKosten in städtischen Krankenhäusern nicht in dir Wählerliste auf- genommen bezw. an» derselbe» gestrichen sind. Der Magistrat betrachtet nämlich die Aufnahme und Bc- Handlung in städtischen Krankenhäusern auch dann als eine Armenunterstützung aus öffentlichen Mittel», wenn die dadurch entstandenen Kosten durch Ratenzahlungen abgetragen wird. Die S ta d tv er ord net en- V e rs ammlung da- gegen hat wiederholt beschlossen, daßKranken- hausschulden, welche durch Ratenzahlungen getilgt werden, nicht zum Verlust des Wahl- rechts führen, und den Magistrat aufgefordert, demgemäß zu verfahren. Da der Magistrat trotzdem an seiner Auffassung festhält, so fordern wir in der Gewißheit, daß die Stadtverordneten- Versammlung die Eintragung in die Mählerliste» beschließe« wird, diejenigen Wähler, denen au» oben bezeichneter Veranlassung da» Wahlrecht entzogen wird, hiermit auf, beim Magistrat schriftlich Einspruch gegen die Nichtigkeit der Wählerliste z« erheben. Parteigenossen! Zur Vorbereitung der im Herb st stattfindenden Kommunalwahlen muß z»nächst die Kontrollirung der Wählerlisten organisirt werden. Auf an'« Werk! Die Listen liege» vom 15. bi» zum 3V. d. M. täglich von 9 bis Z Uhr im städtischen Wahlbnrea«, Uoststr. 16» 2 Tr., z« jedermann» Einsicht au». Uoltales. Die Lokalkommission giebt bekannt, daß die nächste Vev öffentlichung der Lokalliste in der Sonnabend-Nummer des„Vor- wärls" erfolgt. Die Liste enthält die Bekanntmachungen für die Monate Juli und August. Die Parteigenossen, welche die Aufgabe über- nommen haben, die-Liste an den Genossen Scholz, Wrangelstr. 32, einzusenden, werden gebeten, recht gewissenhaft in ihren Angaben zu sein, sowie sich einer recht deutlichen Schreibweise zu de- fleißigen, damit die vielfachen Berichtigungen vermieden werden. Dringend ersuchen wir aber die Parteigenossen, uns in unseren Bestrebungen zu unterstützen und nur diejenige» Lokale bei ihren Ausflügen zu berücksichtigen, die uns bei Arbeiter- Versammlungen zur Verfügung stehen. Wir empfehlen unseren Parteifreunden, die Liste aufzuheben, um sich im gegebenen Falle danach richten zu können. Der Ausschuß der Lokalkommission. Halfter. Zanke. Scholz. Achtung, Stadtverordnetenwahlen! Folgende Partei- genossen habe» sich bereit erklärt, für die Wähler, denen die Zeit zur Kontrolle fehlt, Einsicht in die Wählerlisten zu nehmen: Sommer. Grünstr. 21; Gärtner , Molkenstr. 12; Link, Jüden- straße 34; Stockfisch , Holzgartenstr. 5. Zur Lokalliste. Das Lokal von Lehmann«Zum See- schlößchen" in der Kaiserallee, Deutsch-Wilmersdorf, steht der Arbeiterschaft wieder zur Verfügung. Herr Lehmann hat sich durch Unterschrist verpflichtet, sein Lokal für politische und gewerkschaftliche Versammlungen herzugeben. Paul Elias, Lokal kommissions'Mitglied, Deutsch-Wilmersdorf. Ein Schattenbild aus dem Postparadiese. Hoch oben a»f dem Verdeck des Pscrdebahnwagens, der die Kommunikation zwischen dem großen Berlin und dem vor uns sich ausbreitenden „großstädtischen Dorf" vermittelt, sitze» die Männer der Arbeit; ei» Theil mit Ruß behaftet an Händen und Gesicht, alle jedoch mit den Spuren anstrengender Thätigkeit in den Gesichtszügen. Sie haben kein Auge für das Grün, das zu beide» Seiten der Straße sich ausbreitet; gleichmäßig, wie der Pendel einer Uhr bewege» sie sich täglich hin und her: morgens in früher Stunde zur Fröhnd « in die Stadt, abends, wenn die Nacht hereinbricht. zurück in die ärmliche Wohnung: ein schreckliches ewiges Einerlei. Man sinnt und sinnt und zieht Vergleiche zwischen de» Männern, die ihren Platz recht und schlicht aussüllen und den anderen--- An der nächsten Haltestelle besteigt ein neuer Fahrgast den Wagen, dessen bunte Kleidung milsammt der rothen Tasche uns sei» Metier kundgiebt; es ist ern Postbote. Tiefausathmend nimmt er neben uns Platz. Ein Blick auf die Uhr, dann zieht er ein in Papier fgewickeltes Stück ordinärer Wurst aus der Tasche und schickt sich an, dasselbe zu verzehren.„Ich konnte es vor Heißhunger nicht mehr aushalten," sagt er ent- fchuldigend, als er fragende Blicke auf sich gerichtet sieht,„ich bin seit 12 Uhr im Dienst, ohne daß ich Zeit gefunden hätte. etwas zu mir zu nehmen".—„Sie müssen doch in der Zwischenzeit(es ist 9 Uhr abends geworden) irgend eine Pause gehabt haben, in der sie sich restauriren konnten?' Mit dieser Frage wendet man sich jetzt von mehreren Seiten an den Untergebenen im Reiche des Herrn von Stephan. Der schüttelt jedoch nur trübe de» Kopf und setzt dann mit kurzen Worten auseinander, daß Essenspausen in seinein Dienst— er hatte die Aufgabe, die Rohrpostsendungen den Adressaten zu übermitteln— überhaupt nicht gemacht werde», außer wenn„Zeit" dazu vorhanden ist.„Bis jetzt habe ich 31 Gänge ausgerichtet," äußerte er,„bislOUHr, wo mein Dienst zu Ende geht, werden wohl noch einige 4 oder S zu erledigen sein.„Und das Gehalt?"„103 M. im Monat" war die Antwort;„ich hätte mich schon längst krank gemeldet, aber sehen Sie, bei uns ist der Urlaub, der»ach den Versiche- rungen unseres Chefs allen Beamten huldreichst gewährt werden soll, derart geregelt, daß die Zurückbleibenden den Dienst der Urlauber mit übernehmen müssen; um meinen Kameraden den siebentägigen Urlaub nicht zu Wasser zu machen, habe ich den schweren Dienst mit versehen." Wer den Mann aufmerksam beobachtete, mußte sich sagen, daß für ihn Treppensteige» den Tod bedeutete. Mit eiligem Gruße entfernte er sich jetzt, der Wagen setzte sich wieder in Be- wegung. Als der bedauernswerthe Mann mit der rothen Tasche. die als Schutzwappen den königlich.preußischen Adler trägt, hinter einer Staubwolke den nachschauenden Decksitzpassagieren ent- schwunden war, sahen sich diese mit einem langen Blicke an. In diesem Blicke lag die Verurtheilung eines ganzen Systems. Zur Nebenbeschäftigung von Schulkindern. Die vor kurzem in Rixdorf und Charlottenburg durch Pädagogen fest- gestellten Thatsachen über die gewerbliche Nebenbeschäftigung von Schulkindern erfahren nunmehr eine Vervollständignng nach der Seite, auf welcher die Frage nach den sittlichen Wirkungen jener Nebenbeschäftigung liegt. In dem Ephoralbericht über die kirch- liche» und sittlichen Zustände der Synode Berlin II theilt näm- lich Superintendent Schönberner aus einem an ihn gerichteten Bericht des Gefängnisses für jugendliche Verbrecher in Plötzensee folgendes mit:„Eine Umfrage unter den dortigen Gefangenen hat ergeben, daß von 100 Knaben 70 während der Schulzeit, und zwar 20 seit dem 7.-9. Lebensjahre als Frühstücksträger, Zeitungsträger, Rolljunge», Laufburschen, Kegeljungen u. f. w. beschäftigt waren, und zwar morgens früh von 4Vs Uhr an, in einigen Fällen noch früher, bis zur Schulzeit und nach- mittags entweder voll oder von mittags bis 7»/, oder SV, Uhr abends." Ob die kirchlichen Behörden den Muth haben, gleich der Sozialdemokratie vom Staate und der Gesellschaft zu verlangen, daß die Ursachen, denen derart verderbliche Zustände entwachsen, rückhaltlos beseirigt werden? Das bisherige Verhalten der Frommen spricht nicht dafür, daß aus der altbekannten„Ent- deckung" die Konsequenz gezogen wird. Haben gottergebene In- haber von kirchlichen Ehrenämtern, die bei der„Einweihung" von„Gotteshäusern" mit Orden geschmückt wurden, es doch z. B. nicht allein ruhig mit angesehen, daß man an Kirchen- bauten de» Arbeitern unauskömmliche Löhne zahlte, sondern sogar gelitten, daß in diesen Gotteshäusern Sonntags« schändungen verübt wurden. Möglicherweise duldete man diese Sonntagsarbeil in der mitleidigen Erkenntniß, daß der ge- wöhnliche Tageslohn eines bei Kirchenbauten beschäftigten Familienvaters es bedingt, daß er seine Kinder zu den oben beschriebenen Arbeiten anhält. Dies hieße allerdings aus billige Manier den Teufel durch Beelzebub austreiben. Unter dem elendesten aller Wahlsysteme. Im Teltower Kreise fand gestern die Ersatzwahl von achtzig Wahlmännern für die bevorstehende Landtags-Ersatzwahl statt. Die Betheiligung war überall eine ungemein schwache. So gaben in der dritten Abtheilung des dritten Wahlbezirks in Zehlendorf von 415 ein- geschriebenen Wählern nur— sechs ihre Stimmen ab. Und der preußische Landtag nennt sich immer noch kühn eine Volksver- tretung. Der Vorsitzende der JnvaliditätS« und AlterSversiche- rungSaustalt, Assessor Dr. F r e u n d, hat einen sechswöchigen Urlaub angetreten. Die Stadt Berlin hat in dem benachbarten Lankwitz auf dem ehemals Rosenthal 'schcn Parkterrain einen großen jtomplex erworben und wird dort eine Filiale der Irrenanstalt Biesdorf errichten. Namentlich weibliche Rekonvaleszenten, sollen in der Filialanstalt Unterkunft finden. Ei» neues Theater mit billige» Eintrittspreisen soll von einer„Gesellschaft deutscher Dramatiker" im Südwesten errichtet werden. Ter neue Museutempel soll für 1900 Personen Raum gewähren und die 2 Millionen Baukosten sollen bereits gesichert sein. Letztere Meldung läßt die Geschichte als ziemlich bestätigungs- bedürftig erscheinen. Anheimelnde Beziehungeu müssen zwischen dem„National- verein zur Hebung der Voilegesundheit" und dessen General sekretär Herrn Viereck einerseits und dem Komitee der„Aus stellung für Sport, Spiel und Turnen" andererseits bestehen, welchem ersterer einen Theil des vom Staate gemietheten ehe- maligen Reichstagsgebäudes abgemiethet hat. Herr Viereck hat nämlich der Sportausstellung die elektrische Lichtleitung ab- ?«schnitten, so daß sie um 8 Uhr schließen muß. Das Komitee at jetzt Herrn Viereck auf Entschädigung verklagt. Gesperrt für Fuhrwerke und Reiter ist vom 12. d. M. ab die Kleine Gertraudlenstraße. Eine ebenso drastische wie furchtbare Illustration unserer herrlichen sozialen Zustände liefert eine Verhaftung, die an dem Arbeiter Fengler Dienstag Abend vorgenommen wurde. Es wird darüber berichtet: Am Dienstag Abend zwischen S und 10 Uhr sprach ein etwa 35jShriger Mann in den Ladengeschäften » der Brunnenstraße vor. indem er die Inhaber um eine kleine I Geldgabe bat. Der Mann verstand selbst den prinzipiellsten Gegner der Bettelei für sich zu gewinnen, indem er die Herzen aller dadurch zu rühren wußte, daß er erzählte, sein Kind sei gestorben und er besitze nicht die Mittel. es begraben zu lassen. Ülls Beweis der Wahrheit für seine Angaben knöpfte der Bettler jedesmal ein Bündel auf, in welchem die Leiche eines zwei Jahr alten Mädchenslag. Der Arbeiter erhielt natürlich reichliche(?) Unterstützungen, bis schließlich einige Personen Schutzleute herbeiriefen, die den F. vor dem Hause Brunnenstraße 101 verhafteten und nach dem zu- ständigen Polizeirevier schafften. Bei dem Verhör daselbst gab der Arbeiter, der in der Badstraße eine eigene Wohnung hat, an, daß die Kleine verhungert und schon am Dienstag Morgen um 2 Uhr gestorben sei.— F. wurde nach Feststellung seiner Personalien entlassen, die Leiche des Kindes aber von der Polizei beschlagnahmt. Die unpünktliche Bestellung einer Reichs- Postkarte hat für einen beschästigungslofen Arbeiter sehr üble Folgen ge- habt. Von einem Freunde war ihm am Mittwoch Abend per Postkarte mitgetheilt worden, daß er am Donnerstag Morgen an einer be- stimmten Stelle in Arbeit treten könne. Laut Poststempel war die Karte zwischen 9 und 10 Uhr abends hier beim Postamt 36 ausgegeben worden. Sie brauchte aber, um von der Lausitzer- straße bis zur Schönebergerstraße zu gelangen, nicht weniger als zwanzig Stunden; wie der Stempel des Postamts 46 bekundet, ist ste dort erst am Donnerstag Nachmittag zwischen 4V- bis 6V« Uhr eingegangen. Selbstverständlich war die Arbeit, welche dem Adressaten angeboten war, inzwischen längst anderweitig vergeben. Höhere Töchter auf Reise». Bei ihren Angehörigen hat sich die 16 jährige Emma B. wieder eingefunden, die seit vierzehn Tagen bereits als vermißt gemeldet worden war. Das junge Mädchen hatte mit zwei Freundinnen, die ebenfalls nicht älter sind als die B., und die gleichfalls aus„guten Familien" stammen, einen Ausflug nach Köln und dem Rhein gemacht. Nachdem das Backfisch- Trio all' seine Ersparnisse, etwa 300 Mark, iu Konditoreien der Rheinprovinz angelegt, kehrte es dieser Tage nach Berlin zurück, um sich dann reumüthig wieder bei den Ihrigen einzufinden. Wie der Empfang der weidlichen Durch- gängerinnen zu Hause ausgefallen, vermag unser Berichterstatter nicht zu sagen. Ueber behördliche Maßnahmen zur möglichen Verhütung von Bootsunfällen wird der„Voss. Ztg." von der Ober- spree geschrieben, daß dort neuerdings sämmtliche Fährkähne und Boote auf ihre Beschaffenheit und Tragkraft durch einen fach- verständigen Bootsbauer untersucht wurden. Gleichzeitig hat eine Prüfung sämmtlicher Fährleute durch den vom Kreise Teltow angestellten Kreisfährmann Grunow stattgefunden. Von besonderer) Wichtigkeit ist die Bestimmung, daß Leute unter 18 Jahren in Zukunft nicht mehr zum Uebersetzen verwendet werden dürfen; auch muß jeder Fährmann im Besitze einer vom Amtsvorstande ausgestellten Karte sein, aus der hervorgeht, daß er als Ueberfahrer geprüft worden ist. Die Hundesperre, welche wegen eines in Friedrichshagen am 2. Juli d. I. getödteten und mit der Tollwuth behasteten Hundes für Friedrichs Hägen bis zum 6. Oktober er. verhängt werden mußte, ist nun auch über die Ortschaften Rahnsdorf , Münchehofe und Dahlwitz, sowie über die Gutsbezirke Rahns» dorf, Köpenick-Forst, Ober-Schönweide und Dahlwitz ausgedehnt worden. Die zeitgemäße Furcht vor der„Höllenmaschine" war die Ursache einer ergötzlichen Szene. die sich am Dienstag in Spandau abspielte. Ein Mechaniker erschien nachmittags in einer sehr besuchten Restauration und stellte vor sich auf den Tisch einen Gegenstand, gleichzeitig ersuchte er die Anwesenden, nur nicht daran zu rühren. Plötzlich kam von dem Tische her ein knarrendes Geräusch, als wenn ein Uhrwerk aufgezogen wird. Alle sahen einander entsetzt an, mehrere entfernten sich schnell, andere wichen angstvoll zurück. Jeder glaubte, demnächst gehe der geheimnißvolle Gegenstand in die Luft. Der Wirth ließ schleunigst Polizei herbeiholen, die den Mann mit dem ver- dächtigen Gegenstand zur Wache beförderte. Der Arrestant, der iminer noch sehr geheimnißvoll that, mußte hier den Behälter öffnen, und man erblickte, in Papier gehüllt, ein harmloses Uhr- werk, das jenes Geräusch verursacht hatte. Wesentlich beruhigt ließ man den Mechaniker laufen. Die schlechte Geschäftslage und zerrüttete Vermögens- verhältnisse, die daraus hervorgingen, haben den 60jährigen Gastwirth Joh. Gotthardt aus der Oranienstr. 32 veranlaßt, Hand an sich zu legen. Seine Frau fand ihn gestern früh in der Wohnung erhängt auf. Wiederbelebungsversuche blieben ohne Erfolg. Im Hotel FriedrichShof stürzte am Mittwoch Nachmittag der Kellnerlehrling Paul V o ß vom vierten Stock die steile Wendeltreppe hinab. Der Verunglückte verstarb nach kurzer Zeit in der Charitee, wohin er gebracht wurde. Paul Voß war der einzige Sohn des in der Steinmetzstraße wohnhasten Zigarren« fabrikanten Paul Voß. Einen Selbstmordversuch im Eisenbahnkoupee führte am Montag Abend ein junger Kaufmann namens Hübner aus Berlin aus, der sich in einem Vorortzug nach Johannisthal befand. Unweit der Station Treptow zog der anständig Gekleidete einen Revolver heraus und jagte sich eine Kugel in die Brust. In demselben Wagenabtheil saß zufällig ein Arzt aus Adlershof , Herr Dr. Ehrmann, dem es gelang, das Geschoß herauszuziehen. Aus deni Bahnhof Nieder-Schönweide erhielt der übrigens nur leicht Verletzte— die Kugel war an den Rippen abgeglitten— einen Nothverband und konnte H. bereits mit einem der nächsten Züge nach Berlin zurückkehren. Der Selbstmordkandidat erzählte, daß er studirt habe, jedoch im Examen durchgefallen sei. Nun habe er versucht, sich als Kaufmann zu ernähren, doch sei er bald brotlos geworden und daher zu dem Entschluß gekommen, sich das Leben zu nehmen. Die Aussagen des jungen Manne? wurden zu Protokoll genommen und H. dann einem hiesigen Krankcnhause überwiesen. I» das ErziehuugShauS Siloah im Forstrevier Schön- holz ist die aus der Affäre Castan bekannte Gertrud He<messen gebracht worden. Das Erziehungsinstitut ist den Lesern des „Vorwärts" vor einiger Zeit durch die Mittheilung bekannt ge- worden, daß einige der in diesem Hanse internirten Mädchen am 1. Mai als Bauarbeiterinnen beschäftigt wurden. Die Obduktion der in der Chloroformnarkose verstorbenen beiden Personen, des 18jährigen Fräuleins Elisabeth Busse aus der Heimstraße 5 und des 37jährigen Tapezirers Adolph Berkheim aus Lichtenberg hat gestern Vormittag im hiesige» Leichenschauhause stattgesunden und zwar im Beisein des er- suchten Richters. Amtsgerichtsraths v. Eavigne. Die odduzirenden Aerzte, Medizinalrath Dr. Long, Sanilätsrath Dr. Mitten- zweig und Stadtphysikus Professor Dr. Straßmann haben dem Vernehmen nach festgestellt, daß die Chloroformnarkose in beiden Fällen den Tod verursacht hat, daß aber auch in beiden Fällen ein Herzfehler vorhanden ivar, welchen die behandelnden Aerzte bei genügender Aufmerksamkeit hätten bemerken müssen und der sie hätte abhalten müssen, die Narkose anzuwenden. Von den Opfern deS GerüsteinsturzeS in der Nieder« wallstraße ist nur der Polier bis jetzt soweit wieder hergestellt, daß er das Krankenhaus verlassen und seinen Geschäften wieder nachgehe» kann. Die übrige» schwer verletzten Bauhandwerker liegen leider noch immer auf ihrem Schmerzenslager und gehe» nur langsam ihrer Genesung entgegen. Verschwunden ist der Einjährig-Freiwillige Vogner, der in einem hiesigen Garderegiment diente. Er hat sich am Dienstag früh aus seiner elterlichen Wohnung entfernt und ist dahin bis jetzt nicht zurückgekehrt. Auch bei seinem Truppentheile weiß man nicht, wo er geblieben ist. Nach Aeußerungen, die er ver- schiedentlich hat fallen lassen, muß man wohl annehmen, daß er sich in der Absicht entfernt hat, sich das Leben zu nehmen. AuS Wilmersdorf ist seit Sonntag der 30jährige Arbeite". Wilhelm Carlß verschwunden, dem vermuthlich ein Ünglück zu« gestoßen ist. Der Mann ist 1,60 Meter groß, hat dunkles Haar und blaue Augen und trägt einen schwarzen Rock, eine blaue Hose und einen schwarzen weichen Hut. Polizeibericht. Am 10. d.M. mittags wurde«in Schank« wirth in seiner Wohnung, in der Oranienflraße, erhängt vor- gefunden.— In einem Hause in der Friedrichstrabe stürzte ein 'ellnerlehrling aus dem vierten Stocke über das Geländer einer Wendeltreppe in das Erdgeschoß hinab und zog sich sehr schwere innere und äußere Verletzungen zu.— Nachmittags entgleisten an der Petersburgerftraße auf dem dort für Erdarbeiten an«
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