Einzelbild herunterladen
 

Abendausgabe

Nr. 10243. Jahrgang Ausgabe B Nr. 51

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreife find in ber Morgenausgabe angegeben Redattion: Sm. 68, Cindenstraße 3 Ferniprecher: Dönhoff 292-287 Tel.- Adresse: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts

Berliner Dolksblatt

10 Pfennig

Dienstag

2. März 1926

Berlag und Anzeigenabteilung: Gefchäftszeit 9-5 Uhr

Jerleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297

Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

Dryander denunziert Luther !

Ein deutschnationales Jutrigenspiel: Sie wollen Külz stürzen, darum denunzieren sie

In der Dienstagfißung des Reichshaushaltsausschusses ergriff der Deutschnationale Abg. v. Dryander namens seiner Partei noch einmal das Wort, um auf das schärffte gegen die Richtlinien zur Beamtenpolitik des Reichsinnenministers Stellung zu Insbesondere bekämpfte er die Forderung, daß der Beamte die republikanische Staatsform bejahen folle". Die Ueberzeugung, daß die Monarchie die einzige für Deutschland geeignete Staatsform fet, wachse im deutschen Bolte

nehmen.

mehr und mehr.

Er wiffe, daß dieje Ueberzeugung auch von der Mehrzahl der Kabinettsmitglieder, insbesondere auch von dem Reichskanzler Dr. Luther gefeilt werde.

Beamie, die früher monarchistisch gewesen wären und jetzt fich republi. fanisch gäben, hätten einen Knag weg. Als Gegengewicht gegen das parlamentarische System sei ein voll Gegen das parlamentarische System sei ein voll tommen unabhängiges Beamtentum unerläßlich. Er frage den Minister, was wahres an den Gerüchten set, daß er beabsichtige, ben Reichstag aufzulösen und dann auf Grund des

§ 48 der Verfaffung ein neues Wahlrecht zu oftronieren.

Inzwischen war vom Genossen Sollmann folgende Resolu tion eingelaufen:

Der Reichsminister wird ersucht, alle geeigneten Schritte zu unternehmen, um die verfassungswidrigen Hemmnisse zu beseitigen, die in den verschiedensten Teilen des Reiches von ami­lichen Stellen gegen das Bolksbegehren unternommen

werden.

Genoffe Sollmann begründete die Resolution und erklärte bann, der Abg. v. Dryander habe gegen den Reichskanzler und die Mehr heit der Kabinettsmitglieder die unerhörte Anschuldigung erhoben, daß fie, die die Hüter der Republit zu sein hätten, die

monarchistische Staatsform als die für Deutschland einzig geeignete ansehen. Er fordere den Abg. v. Dryander auf, bekanntzugeben, auf welche Unterlagen er diese Behauptung stüßen könne. Sichtlich verlegen versuchte der Abg. v. Dryander sich niit dem einen Satz herauszureden, er stüße seine Behauptungen auf das

Programm der Deutschen Boltspartei.

Mit seiner heutigen Rede im Haushaltsausschuß des Reichstags hat Herr Dryander den Versuch unternommen, die Regierung zu stürzen. Er hat zu diesem Zwed

Reichsregierung und Volksbegehren.

Eine Anweisung gegen Sabotageversuche. Amtlich wird mitgeteilt: Der Reichsminiffer des Innern hat an jämtliche Landesregierungen folgende Drahtung ge­

richtet:

Die Reichsregierung legt großes Gewicht auf äußerlich glatten und reibungslosen Verlauf des Bolts­begehrens. Niemand darf Anlaß zu berechigter Klage haben, daß ihm die Ausübung des verfaffungsmäßigen Eintragungsrechts durch mangelhafte Maßnahmen unmöglich gemacht oder mangelhafte Maßnahmen unmöglich gemacht oder unbillig erschwert worden fel. Hier darf es keinen Unter­schied nach dem Inhalt eines Boltsbegehrens geben.

Biffe alle Gemeindebehörden und Aufsichtsbe. hörden anzuweisen, in allen Fragen nach dieser Richtlinie zu handeln und bei 3uwiderhandlungen scharf einzu. schreiten, dies gilt befondeers auch für die Festsetzung der Ein­tragungsstunden und der Zahl der Räumlichkeiten.

Die Verfuche, der Durchführung des Boltsbegehrens Schwierigkeiten in den Weg zu legen, werden von reaftionȧ­ren Behörden fortgesetzt. Es bleibt nicht bei der Sabotage durch Gutsvorstände.

In einzelnen Städten, so in Frankfurt a. d. D., ist ein einziges Einzeichnungslokal festgesetzt worden. Genosse Soll mann hat heute im Hauptausschuß des Reichstags darüber Beschwerde geführt.

Am Donnerstag beginnt die Einzeichnung. Troß aller Hemmungsversuche reaftionärer Behörden nun erst recht Massensturm gegen Fürstenhabgier!

-

Demokraten für das Volksbegehren. Beichluß einer demokratischen Organisation.

In einer start besuchten Mitgliederversammlung der Deut. fen Demofratischen Partet, Ortsgruppe Span dau, wurde fast einstimmig beschlossen, an alle An­hänger in Spandau die Aufforderung zu richten, das Bolts begehren zur Fürftenabfindung zu unterstützen. Der vors liegende Gesetzentwurf, der ein Sondergericht von Berufsrichtern porsieht, wurde vom entschieden demokratisch republikanischen Stand. puntt als unzulänglich bezeichnet,

das schäbigfte aller Mittel gewählt: das der Denunzia tion. Er weiß und muß wissen, daß die Regierung den Boden unter den Füßen verliert, wenn geglaubt wird, ihre Mehrheit und ihr Führer, der Reichskanzler Dr. Luther, und bereiteten einen Staatsstreich vor. Zu welchem 3wed erstrebten den Sturz der bestehenden Verfassung bringt wohl Herr Dryander solche angebliche Gesinnungen und Pläne in die Deffentlichkeit? Etwa, weil er sie bekämpfen will? Das gerade Gegenteil ist doch der Fall. Herr Dryander begrüßt es, wenn ein Minister Monarchist ist, und er will den Staatsstreich nicht verhindern, sondern vielmehr ihn her beiführen.

Jm befreiten Köln .

Eine Stresemann- Rede mit Begleitmusik.

Con Wilhelm Sollmann .

Die Befreiung der Kölner Zone ist ein großer deutscher Erfolg, an dem vor zwei Jahren viele von denen nicht zu glauben vermochten, die jetzt am lautesten als Befreier sich feiern. Sie waren zu Tode betrübt, als Mannhaftigkeit ihre Pflicht gewesen wäre, und sind nun himmelhoch jauchzend, den Rhein gebannt zu sein scheint. Daß einige ehemalige weil dank der republikanischen Außenpolitik alle Gefahr für Rheinrepublikaner, die vor Jahren mit Dorten tonspiriert haben, sich nun auch bei den Befreiungsfeiern in den Vorder­grund drängen, gehört zur Charakteristik dieser Tage.

Den größten Lärm vollführen natürlich unsere Schwarz­weißroten. Ein Vergleich mit 1918 drängt sich auf. Wie damals des Königs getreueste Diener thn zehnmal verrieten, ehe Darum stehen wir nicht an zu erflären, daß Herr Dry- wie sie damals den Arbetter- und Soldatenräten sich treu und denn der Hahn in der Frühe des 9. November dreimal trähte, ander nach unserer Ueberzeugung ein politisches Begehorsam fügten, so haben sie sieben Jahre lang den fremden trugsmanöver aufgeführt hat. Daß der Reichs Soldaten fich löblich unterworfen, die schwarzweiß. fanzler und mit ihm einige andere Mitglieder des Ka binetts in der Frage der Staatsform indifferent sind, weiß unter dem Bestenfutter zu tragen gewagt. Vor den wenigen, roten Fahnen versteckt und das Hakenkreuz höchstens jedermann. Sie nehmen die Republik als das Gegebene. die, wie Schlageter, wenn auch auf irren Wegen, mit Leib Sich für eine Staatsform oder für eine politische Idee zu be- und Leben für ihre Sache eintraten, steht auch der Gegner geistern, entspricht wohl der ganzen Art des Herrn Dr. Luther und Leben für ihre Sache einiraten, steht auch der Gegner mit Achtung. burchaus nicht. Ihn und manche andere Mitglieder des Ras binetts als zuverlässige Republikaner" zu betrachten, ist uns niemals eingefallen. Auf der anderen Seite beſteht ein Grund, Herrn Luther und seine Kollegen für Schurten zu halten, die drauf und dran sind, ihren Eid zu brechen.

nommen? Er ist ausgelöst worden durch die gestrige Rede Warum hat denn Herr Dryander seinen Borstoß unter­des Reichsinnenministers Dr. Rülz, in der von den Beamten Treue zur Republif verlangt wurde. Herr Dryander will die Regierung stürzen, weil sie ihm immer noch zu republifanis ist, darum denunziert er sie als mon archistisch. Ein sauberes Brüderchen und ein sauberer Plan! Tag ausgesucht, an dem der Hauptbeschuldigte, der Reichs Herr Dryander hat sich für seine Denunziation einen lanzler Dr. Luther, nicht in Berlin ist. Er weilt heute in Hamburg , wo er eine Rede. über auswärtige Politik halten will. An Herrn Luther wird es liegen, die gespannte Situation, die durch die Intrigenrede des Herrn Dryander entstanden ist, entweder durch eine flare Antwort zu ent­spannen oder sie durch Schweigen zu verschärfen.

Was Herrn Dryanders Bemerkung betrifft, der mon­archische Gedante sei im Volke im Wachsen, so ist menig oder nichts zu ihr zu sagen. Sie ist einer der besten Witze, die feit langer Zeit gemacht worden sind.

Der Ratskampf.

Am Sonntag Anwendung der Locarno - Methoden". London , 2. März.( WTB.) Wie die Blätter melden, wird am Sonntagabend in Genf eine inoffizielle 3ufammen tunft zwischen Chamberlain, Lord Cecil, Dr. Luther und Dr. Stresemann stattfinden, auf der die infolge der polnischen Forderung entstandene Lage erörtert werden soll. In britischen diplomatischen Kreisen verlaute, daß man alle Anstrengungen machen würde, um man erkläre, daß der Sieg der einen oder anderen Seite nur ge­die Lösung dieser Frage durch eine Bereinbarung zu erreichen. ingen Wert haben würde, da die ursprüngliche Verstimmung bestehen bliebe. Es heißt, Großbritannien werde als einzig ange messenes Berfahren zur Behebung der Schwierigkeiten vorschlagen, daß man sich gemeinsam um den Beratungstisch versammle und Locarnomethoden zur Anwendung bringe".

Vor einer Drohung Frankreichs ? Preffepolemit. Paris , 2. März.( Tul.) Der New York Herald " teilt in seiner heutigen Morgenausgabe mit, daß, wenn alle Kompromißversuche in der Frage der Besetzung des Bölkerbundsrates scheitern, Frant reich voraussichtlich von seinem Beto Recht gegen die Zuteilung eines ftändigen Sizes an Deutschland Gebrauch machen werde. Briand werde versuchen, bei der Zusammenkunft mit Dr. Strefe­mann und Luther den deutschen Widerstand ebenso wie den Schwedens gegen die Buteilung eines Ratssizes an Bolen zu überwinden. Als legten Trumpf werde er dann das Beto gegen die Aufnahme Deutschlands als ständigen Mitglied im Völkerbund aus sprechen. So jei jebenfalls die Stelle der gestrigen Kammerrede Briands auszulegen, wonach die Entscheidung des Bölkerbundsrates einstimmig erfolgen müsse. Briand hab. dem französischen Botschafter in Berlin die Beisung gegeben, das deutsche Außenministerium davon zu unterrichten, daß bie beutschen Einwände gegen einen Sig für Polen als grunblos betrachtet würden. Deutschland stelle jegt eine neue Bedingung für seinen Eintritt in den Bölferbund. Benn Stresemann auf ihr bestehe, merde Briand ihm mitteilen, daß Frankreich freie Hand habe. Falls sich dann Stresemann auf den schwedischen Widerstand berufen werde, so wolle Briand Stresemann barauf hinweisen, daß er es in der Hand habe, Schweben aufzu tären. Die Bariser Daily Mail" ist dagegen der Ansicht, daß die franzöfifche Regierung zwar im Prinzip an ihrer Haltung festhalte, aber daß Briand bereit sei, beträchtliche Ronzessionen in bezug auf die 3eitfrage zu machen.

Die Reife Sir Eric Drummonds. Der Generalfetretär des Bölferbundes Sir Eric Drummond lehrte am Montag von seiner Reise nach London nach Genf zurüd.

Run fommen sie aus ihren Löchern heraus und schimpfen Magdeburg und Berlin , aus München und Hamburg getan hinter dem fremden Heere her, wie sie es bis dahin aus haben. Des Stahlhelms" berühmteste Werber tauchen auf. Roßbach tritt in Köln mit dem Brinzen Karneval in Wett­Freilich alle nur, um auf diesem Gebiete alter politischer bemerb. Der Jungdo" stößt auf das linke Rheinufer vor. Kultur die Erfahrung zu machen, daß dort weder mit mär fischer Kasernenhofsprache, noch mit oberbayerischer Kraft­meierei Eroberungen zu machen sind. Lehrreich, wenn auch nicht auffällig, ist, daß die schwarzweißroten Fahnen in Massen nur in den evangelischen Landesteilen der be­ist die Fahne des Bismarckischen Reiches weniger beliebt. In freiten Zone flattern, mo Pastoren und Kirchen herausfordernd vorangehen. In den katholischen Städten und Dörfern ist die Fahne des Bismarckschen Reiches weniger beliebt. In den wenigen, die am Befreiungstage die faiserliche Fahne Köln Altstadt gehörte die Filiale der Deutschen Bolkspartei zu den wenigen, die am Befreiungstage die faiserliche Fahne bißten. Die Kölner Bürger drückten sich mit Rot- Weiß, den Farben der farnevalistischen Funkeninfanterie, und den preußischen Farben an einer Entscheidung vorbei. Das Symbol großdeutscher Einheit aber, der Kölner Dom , von dessen Türmen in den Jahren des Bormärz riesige schwarzrotgoldene Fahnen Friedrich Wilhelm IV. grüßten, der Dom, in dessen Säulenhallen Köln , das revolutionäre", wie Freiligrath es besingt, dem in Wien erschossenen Bolts­führer Robert Blum , dem Sohne Kölns , ein feierliches Re­quiem gefungen hat, dieser Kölner Dom fennt jetzt die Reichs­farben nicht. Unser Kölner Parteiblatt hat dem Kardinal­erzbischof 500 M. zur Anschaffung von Reichsbannern zur Berfügung gestellt. Abgeholt ist der Betrag bisher nicht.

Eine Gründung der Republik , ein echtes Revolutionskind, ist die Kölner Universität. Was Köln von den fönig­lichen Berliner Gewalten nie oder vielleicht erst in Jahr­zehnten erreicht haben würde, eine alma mater, hat ihm der Revolutionsminister Haenisch gewährt. Die Studenten­schaft Kölns hielt ihre eigene große Befreiungsfeier. Ein Stresemann, Wilhelm Marx , Konrad Adenauer . Maffenaufgebot von Ehrengästen. Berühmte Namen: Ein reich geschmückter Saal: fölnisch Rot- Weiß und preußisch Schwarz- Weiß, was, entsprechend gruppiert, Schwarz- Weiß Rot ergibt. Nicht das bescheidenfte schwarzrotgoldene Tüchlein als Ehrung der Republit, als Gruß für ihre Reichsminister. Diese Herren aber schienen nichts zu vermissen. Wenigstens ließen ihre wortreichen Ansprachen nichts davon erkennen.

Stresemann hielt eine hochpolitische, eine außenpolitische Rede. Gute Gedanken. Es soll in dem neuen Deutschland nicht mehr nationale" und antinationale" Barteien geben. Goldene Friedensworte tamen von des Außenministers rede­gewandten Lippen. Der Geist von Locarno " wurde wieder einmal herbeibemüht und die für jeben Deutschen selbstver ständliche Forderung erhoben, daß nun bald das ganze Rheinland von fremden Truppen frei sein müsse.

Die Begleitmusik zu dieser Rede, der ersten des Außen. ministers im befreiten Köln , und daher viel beachtet in Paris und London , machten die Studenten. Unter hocherhobenen flirrenden Schlägern fangen sie dem Manne von Locarno die

acht am Rhein ", in der ganzen Welt das gegen Frank­ reich gerichtete Kriegslied der Deutschen . Reichlich dumm, aber nicht dumm genua , wenn der Außenminister des Reiches Friedensworte in die Bölfer ruft. Darum folgte Ernst Moriz Arndts Der Gott , der Eisen wachsen ließ", nach Jena Preußens Revanchefang gegen das siegreiche Frankreich Kölns Studenten dem deutschen Außenminister:" So ziehen Navoleons. Anno 1926 nun, im Jahre Locarnos, geloben So mir aus zur Hermannsichlacht und wollen Rache haben", und weiter im Stile, nicht Stresemanns, sondern Arndts:

Last flingen, was nur flingen kann, Die Trommeln und die Flöten! Wir wollen heute Mann für Mann Mit Blut das Eisen röten,

Mit Henterbiut, Franzosenblut,

O füßer Tag der Rache!

Das flinget allen Deutschen gut, Das ist die große Sache.