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Einschalten mehrerer Blintapparate in einem Straßenzuge, zu gleicher Zeit, z. B. Leipziger Straße  , ermöglichen. Bei den Bersuchen tam es darauf an, festzustellen, in welcher Höhe die Geräte angebracht werden müssen, um ihre Lichtzeichen einwandfrei wahrnehmen zu fönnen. Die Geräte werden nach Abschluß der Versuche wieder ab­gebaut, um an ihnen einige technische Verbesserungen anzubringen. Aehnliche Versuche wie in der Leipziger Straße  werden auch an der Straßenkreuzung Potsdamer und Lüzom­straße vorgenommen werden. In absehbarer Zeit wird also das Bild der Berliner   Hauptverkehrsstraßen durch solche, schwebenden Signale bereichert sein. Hoffen wir, daß das Ziel, die Verkehrs­sicherheit zu erhöhen, auch wirklich erreicht werde.

Wunderbar dressierte Vögel."

Diese wunderbaren Vögel sind drei fleine grüne Papageien ,,, die auf Kommando jeder Person den Planet ziehen, in dem sein Lebens­lauf, Gegenwart und Zukunft steht". Ein Eichhörnchen, das aus einem warmen Neststrumpf des öfteren hervorgeholt wird, ver­größert die Menagerie und springt mißmutig hin und her. Alter Jahrmarktszauber wird lebendig in der Großstadtstraße. Erinne­rungen tauchen auf, wie ein schwarzer Teufel im Glas auf und nieder stieg, angeredet mit den aufmunternden Worten: Kleiner Berliner   Wundermann, steige hinunter, prüfe das Herz, prüfe die Seele und sage, was der jungen Braut( Bräutigam) bevorsteht."

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zum Suchen gehabt hätte. Die Beschreibung, die Frau S. von dem 1 gemeinen Gauner geben kann, ist natürlich sehr lückenhaft, da sie in ihrer Aufregung dem Unglüdsboten" gar feine Beachtung geschenkt hatte.

Das überfüllte Obdach.

Die Obdachlosenfürsorge spielt in der Berliner   Kommunalpolitit seit Jahrzehnten eine besondere Rolle. Man begegnet oft der Meinung, daß das Obdachlosenproblem nie ganz zu lösen sei. Bis zu dem Punkt, an dem eine Unlösbarkeit eintritt, ist diese Frage aber noch längst nicht gediehen.

Die Frage darf nicht rein vom fommunalpolitischen Gesichts­punkt aus gesehen werden. Reichsgesetzgebung, Landes: und ins­besondere Provinzialverwaltung haben auch hier Versäumnisse schwerwiegendster Art gut zu machen. Es geht nicht an, daß nach wie vor trotz Fürsorgepflichtverordnung Berlin   das Sammelbecken aller Fürsorgebedürftigen ist, soweit sie ledige Arbeitslose sind, oder in Ermangelung eines ausreichenden gefeßlichen Wohnschutzes heimatlos gewordene. Das Letztere trifft insbesondere zu auf die Landarbeiter, die als Schnitter im Saisontontraft sowohl bezüglich

Deffentliche Kundgebungen

betom men mir im nächsten Jahr die Schnitter wieder. Mag Berlin   die Gesetzgeber gegen die Brutalität der ländlichen Arbeitgeber mobil machen, das ist seine Pflicht. Die Mutterschaft steht ja unter besonderem Schuh der Verfassung. Darüber hinaus müssen menschenwürdige Zustände im Berliner  Obdach geschaffen werden. Berlin   würde durch Erweiterungen teineswegs überflüssigen Raum schaffen. Im Obdach lagern seit Wochen wiederum hunderte von Obdachlosen Mann an Mann auf dem Fußboden des Ankleidefaales neben dem Baderaum, zuweilen auch auf den Gängen.

Es muß schnellstens für Abhilfe gesorgt werden, selbst wenn eine Erweiterung im nächsten Jahr den Schnittern nicht zugute­fommen braucht, was zum mindesten zweifelhaft ist.

Der Reichstag   in seiner heutigen Zusammensetzung garantiert nicht für die Gewährleistung eines gesetzlichen Schutzes der Schnitter vor Wohnungslosigkeit. Ebenso fraglich ist es, ob ihre Befürsorgung durch Gewährung von Obdach mehr von den ländlichen Fürsorge­verbänden aufgenommen wird. Notwendig wäre es jedenfalls, daß sich die Provinzial- und Kreisverwaltungen mehr um die Durch fich die Provinzial- und Kreisverwaltungen mehr um die Durch­führung dieser ihnen laut Fürsorgeverordnung zufallenden Aufgabe fümmerten. Auf dem Wege wäre auch eine Heranziehung der Groß­grundbefizer zu den Lasten der Fürsorge leichter möglich. Sie ver schulden durch ihr unsoziales Verhalten gegenüber ihren Arbeit­nehmern die Fürsorgebedürftigkeit dieses ländlichen Proletariats, deren Lasten letzten Endes bei dem heutigen Zustand auch noch vom großstädtischen Proletariat aufgebracht werden müssen. Vielleicht diese Frage.

Und merkwürdig, bie Baſſanten scharen fich dicht um den dien grau für die entschädigungslose Enteignung der Fürsten   fümmert sich auch das Preußiſche Wohlfahrtsminiſterium einmal um

stoppeligen Italiener mit seinem blauen selber eine Art Vogelgesicht hat, und lassen die Vögel kommandieren. Ein Fach für Männer, eines für Frauen. Der Himmel weiß, wo der Alte den Vorrat von grünen( Hoffnung!), roten( Liebe!), blauen( Treue!), weißen( Unschuld!) Schicksalsbriefchen noch her hat. Bor allem noch viele Unschuldsbriefchen! Und das alles noch für 10 Pfennig. Man läßt ziehen und erfährt schauernd, daß der Stern in einigen Sachen abweicht" und verkündet ,,, man sei eines unbeständigen, jähzornigen, auffahrenden Charakters!" Dafür friegt man eine Jungfrau gratis, natürlich im Bildchen, aus einer Zeit, wo es nod) feine Bubiföpfe gab. Und die Mode, so vor 40-50 Jahren. Auch die Männer­bildchen stammen aus derselben Epoche, so- daß es nicht zu vers wundern ist, daß ein der Zukunft beslissenes junges Mädchen ihr gezogenes Bildchen entsetzt mit leisem Aufschrei fallen ließ. Immer­

hin, die Vögel haben tüchtig zu tun und die Charakterbeschreibungen

nach Mlle. Lenormand nebst Bildchen finden bereitwillig Abnehmer. Ein immerhin liebenswürdigerer Unfug als die wissenschaftlich" aufgemachten Horoskopsteller mit ihrem Charlatanentum. Und vor allem um vier Groschen billiger. Im Grunde steckt ja in vielem von uns noch das jahrmarktsselige Kind und so ist es kein Wunder, daß ,, wunderbar dressierte Vögel" oder ein Aeffchen auf dem Leier­fasten unsere Neugierde mehr anzieht als ausgeflügelte Mechanik. Je ausgefallener und älter so etwas fein mag und mir noch auf fleinsten und entfernten Jahrmärkten Kurswert hat, eine um so größere Senfation bedeutet es für den technisch überfütterten und doch so gern noch naiven Großstadtmenschen.

Urkundenfälschung.

Weil er in eine andere Gefängnisabteilung wollte. Ein lang aufgeschossener, fichtlich franker Mensch! Als er in die

Anklagebant treten muß, bemerkt man unter seinem langen Mantel Kleidung der Krantenanstalt des Untersuchungsgefängnißfes. Seine Augen schweifen unruhig umher, ein scheuer, verängstigter Blid trifft den Richtertisch, aber so etwas wie Genugtuung geht über feine Büge, als er den Gefängnisarzt sieht. Später erfährt man, daß sich dieser Angeklagte dem Arzt völlig anvertraut hatte. Ihm

hat er alles erzählt, sein ganzes Leben, sein ganzes Leiden. Jezt, vor dem Schöffengericht Berlin- Mitte, ist zuerst nichts von ihm herauszubekommen. Nun mag es sein, daß ein Teil seines Wesens eine gut gespielte Komödie ist. Aber diese Blässe der Wangen  , diese refignierte Stumpfheit, das weltfremde Sichversteden, sind die un­trüglichen Merkmale jahrelanger Haft, Folgen dumpfer, schwerer Kerferluft, auferlegt zur Besserung" und Reue für Menschen, die sich vergangen haben!

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Und die Anklage? Urkundenfälschung. Die Einzelheiten muß der Gefängnisarzt Dr. Hirsch, der zugleich als 3euge" und Sachverständiger geladen ist, erzählen. Der Angeklagte ist Kaufmann, hat gute Schulbildung und beträgt sich im allgemeinen ruhig und anständig. Als er das Wörtchen unbescholten" nicht mehr führen durfte, ging es weiter mit ihm bergab. Heute ist er nun schon erheblich vorbestraft. So sollte er eines Tages nach Magdeburg  übergeführt werden, um sich wegen anderer Sachen zu verantworten. Dort wurde er frant. Als er schließlich wieder nach Moabit   zurück­gebracht wurde, wies er bei seinem Eintreffen ein Attest des Magdeburger   Gefängnisarztes auf, nach welchem er schwer zuckertrant sei und besonderer Behandlung bedürfe. Als aber auch die genauesten Untersuchungen im hiesigen Gefängnis­lazarett teine Anhaltspuntte für eine derartige Krankheit ergaben, wurde in Magdeburg   angefragt. Aus funft: Dort gäbe es überhaupt feinen Gefängnisarzt des Namens, nie ihn das Attest aufwies. Dieses mußte also gefälscht sein. Folge: Sofortige Uebergabe des Schriftstücks an Staatsanwaltschaft und Erhebung der Anflage wegen Urkundenfälschung. Dem Sachverständigen geftand der An­geklagte dann seine Schuld ein, er wollte auf keinen Fall mehr zu dem ersten Aufseher in Moabit   zurück und Glaubte jo bestimmt verlegt zu werden. Damit war eigentlich die Beweisaufnahme geschlossen und der Sachverständige fonnte nur noch hinzufügen, daß der Angeklagte wohl geistig minderwertig jci, aber nicht geistesfrank im Sinne des§ 51.

Das Gericht war sich wohl der geringen Bedeutung dieses Ber­gehens bewußt, mußte aber das einmal angestrengte Verfahren zu Ende führen. Der Angeklagte erhielt 14 Tage Gefängnis. Ein Schaden ist niemandem entstanden, höchstens dem Staat, der einstweilen die Kosten des Verfahrens wird auslegen müssen.

Gab es wirklich einmal eine neue Bestimmung, nach welcher Ver­gehen unbedeutender und geringfügiger Natur niedergeschlagen

werden dürfen?

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Der Unglücksbote".

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Zu einem niederträchtigen Tric, der früher oft angewandt wurde, griff ein Einbrecher, um sich die Arbeit zu erleichtern. Gegen 11% Uhr wurde an der Wohnungstür einer Frau S. in der Schillingstraße Sturm" geläutet. Als sie öffnete, stand vor ihr ein junger Mann, der ein sehr aufgeregtes Wesen zeigte. Er padte die Frau an der Hand und rief ihr zu: Ihr Mann ist verun= glückt, tommen Sie schnell! tommen Sie schnell!" Die zu Tode erschrockene Frau zog rasch ihren Mantel über, warf furzerhand die Wohnungstür mur ins Schloß, ohne fie abzu schließen, und eilte mit dem jungen Manne die Treppen hin­unter. Unterwegs erflärte er ihr, daß der Mann auf seiner Arbeits­stelle durch einen Betriebsunfall zu Schaden gekommen fei und daß fie nach der Fabrit gehen müßte. Domn trennte er sich von ihr, angeblich, um noch eine zweite Frau zu benachrichtigen. Als Frau 6. in der Fabrit antam, fand sie ihren Mann in bester Gesundheit. Bon einem Betriebsunfall war teine Rede. S. Schöpfte sofort Ber­bacht und fuhr auf seinem Rad, so schnell er fomite, nach seiner Wohnung. Er fand die Räume burchwühlt. Der Dieb hatte 15 Mart bates Geld und bei alte ühren gestohlen. Die Ersparnisse des Ehepaares hatte Frau S. fo verftedt, bab der Ein brecher fie auch dann nicht gefunden bätte, wenn er noch länger Zeit

Heute, Donnerstag, den 4. März:

Tempelhof  : Abends 7% Uhr in Grassels Gesellschaftshaus, Redner: Staatssekretär Mariendorf  , Chausseestraße. Heinrich Schulz.

Neukölln  ( 92. Abt.): Abends 7 Uhr in der Aula des Kaifer Friedrich- Realgymnasiums, Kaiser- Friedrich- Straße. Red­ner: Dr. Julius Moses, M. d. R. Neukölln( 93. Abt.): Abends 7 Uhr in Wolffs Gesellschafts­haus, Kirchhofstr. 41, Ecke Wipperstraße. Redner: Franz Rünstler, M. d. R.

Der nervöse Herr Schildkott.

Er sucht eine lebensluftige Krankenschwester. Einen bösen Reinfall erlebten zwei Berliner   Schwesternheime mit der Anforderung von zwei Krankenschwestern, die sie, ohne sich nach dem Patienten näher zu erfundigen, auch bewilligten. Am 5. August v. I. erschien im Schwesternmutterheim in der Fasanenstraße ein beffer gekleideter Herr, gab an, äußerst nervös zu sein, und verlangte eine möglichst lebens­luftige Krankenschwester, damit sie ihm, der sich Schildkott- Samuel Neukölln( 95. 2bt.): Abends 7 1hr bei Richter, Prinz- nannte, in der Pension Wismar  , wo er ein Appartement_bezogen haben wollte, pflegen sollte. Dem Patienten wurde Schwester Handjery- Str. 3. Redner: Dr. Kurt Löwenstein  , M.d. R. Neukölln( 95. Abt.): Abends Uhr im Lokal von Zenkl, Gamuel darauf, daß die Schwester nachts mit ihm das Zimmer 7% Charlotte mitgegeben, und in der Benfion angekommen, bestand Hermannstr. 213, Ecke Jägerstr. Redn.: Stadtrat Conrad. teile, denn er bekäme Anfälle. Die Schwester beanspruchte aber ein Zimmer für sich, und nun wurden zwei Zimmer und Bade­zimmer gemietet. Fünf Tage lebte Samuel mit der Kranken­schwester in der Pension, und als die Inhaberin auf Bezahlung drängte, war Samuel verschwunden, das Schwesternheim mußte. feine Schwefter auslösen.

Morgen, Freitag, den 5. März:

Mitte( 6. Abt.): Abends 7 Uhr bei Büttner, Schwedter Str. 23. Redner: Otto Meier  , M. d. 2. Tiergarten: Abends 7 Uhr im Moabiter   Gesellschaftshaus, Wiclefstr. 24. Redner: Franz Künstler, M. d. R. Tiergarten( 8. Abf.): Abends 72 Uhr im Nationalhof, Bülow­

ftraße 37. Redner: Geheimrat Albert Faltenberg. Kreuzberg  ( 42. Abf.): Abends 7 Uhr in den Blüchersälen, Blücherstr. 61. Nebner: Dr. Kurt Löwenstein, M. d. R. Siemensstadt: Abends 8 Uhr bei Marsandt, Nonnendamm Allee 90. Redner: Franz von Butttamer. Wannsee  : Abends 72 Uhr im Reichsadler", Königstraße. Redner: Regierungsrätin Hedwig Wachenheim  . Schöneberg  : Abends 8 Uhr im Hohenzollern Gymnasium, Martin- Luther- Straße, Ede Grunewaldstraße. Redner: Staatssekretär Heinrich Schulz.

Treptow  : Abends Uhr im Lokal Nitschke, Am Treptower Part 26. Redner: Schier- Göttingen  , M. d. R. Mederschöneweide: Abends 7% Uhr in der Aula der Mädchen­Mederschöneweide: Abends Uhr in der Aula der Mädchen. Lichtenberg  : Abends 7% Uhr im Cäcilien- Lyzeum, Rathausstr.

Redner: Stadtverordneter Wilhelm Reimann. Kaulsdorf  : Abends 8 Uhr, in der Turnhalle der Schule Adolfstraße. Redner: Bernhard Göring  . Tegel  : Abends 7, Uhr im Strandschloß", Am See. Redner: Bezirksverordneter Hermann 2empert.

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Am nächsten Tage murde telephonisch in einem Schwestern­heim in der Yorckstraße für einen nervösen Herrn eine Schwester bestellt, möglichst lebenslustig. Der Patient sollte mehrere Tage unter Aufsicht einer Schwester in einer Penfion am Wannsee   ausspannen. Gegen 9 Uhr abends nahm die angeforderte Schwester Margarete ihren Patienten am Potsdamer Bahnhof in Empfang. Er stellte sich als Schildkott- Samuel vor und war äußerst nervös. Im Schwedischen Pavillon wurden zwei Simmer mit Aussicht auf den Wannsee   genommen. Richts mit Schlafmitteln, Schwester, lieber aufheitern! Lustig, luftig, will ich sein und alles vergessen."" Schwester, Sie müssen bei mir schlafen,"

meinte später Samuel. Und treulich hielt die Schwester Nachtwache bei dem Patienten, der wie ein wilder Tiger im Zimmer auf und ablief. Der nächste Tag brachte Motorfahrten auf dem Wannsee  .

So ging es einige Tage. Da perlangte der Wirt Bezahlung, und

fiehe da, zwölf Pfennige fand man bei Samuel. Die Polizei erschien und nahm den Patienten mit, der sich als ein ne unfad Dorbestraffer gewerbsmäßiger Betrüger Artur

Samuel aus Berlin   entpuppte. Auch hier mußte Das Gehweſtern

heim die Schwester auslösen. Das Potsdamer Schöffengericht, vor dem fich Samuel gestern wegen Betruges zu verantworten hatte, erkannte auf neun Monate Gefängnis.

Prozeß Lützow  .

Das ist die Frage: Hat v. Lützow   die Jungen zu eigenem Ber gnügen geprügelt oder tat er dies schweren Herzens, weil er mit einmal ist, und wie die Jungen waren, mit ihnen anders nicht fertig werden konnte.

Oeffentliche Frauenkundgebung ihnen anders nicht fertig zu werden glaubte und wirklich, wie er nun

am Freitag, den 5. März, abends Uhr in Wilmersdorf  , Viktoria- Luise- Schule, Uhlandstraße, Ecke Gasteiner Straße. Pfarrer Bleier spricht über:

Fürstenabfindung und Volksentscheid

Musikalische Darbietungen* Alle Frauen u. Mädchen sind eingeladen.

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ihres Arbeits- als auch ihres Wohnverhältnisses stehen. Die meisten Großagrarier schließen mit diesen Arbeitern Kontratte ab, die eine Räumung der sogenannten Schnitterwohnungen um Anfang oder Mitte Dezember herum vorsehen. Daß solche Möglichkeiten sogar auf städtischen Gütern gegeben sind, läßt eine gesetzliche Rege­lung nur um so dringlicher erscheinen. Es ist nicht anzunehmen, daß der Zug dieser vom Arbeitgeber obdachlos gemachten eine Neu­erscheinung der Nachkriegszeit ist. Die tägliche Durchschnittsbelegung der Jahre 1923: 3315 Personen; 1924: 3486, 1925: 3414, steht in feinem start gesteigertem Verhältnis zu den Vorkriegsjahren 1911 2925-1912- 3088, 1913 3235, 1914 2571 Bersonen. Die Januarbelegung des Jahres 1914 erreichte die Ziffer 158 566. Die Januarbelegung 1926 betrug 150 250. In den Jahren 1906-1912 steigerte sich die Belegung uni 51 Broz., in den Jahren 1913, 1923 bis 1925 nur um 0,95 Proz. Es soll nicht verkannt werden, daß inzwischen das Asyl des Asylvereins feine Pforten ge­schlossen hat. Das hat aber feine so erhebliche Verschiebung im Ge­folge gehabt, daß man nicht von einem für Berlin   ziemlich konstanten Zustand reden könnte, dem man längst hätte Rechnung tragen müssen durch Ausbau der vorhandenen Einrichtungen. Wie die vom Lande vertriebenen Schnitter mit ihren Familien sowohl in der sogenannten Schnittertaserne im Arbeits hause in Rummelsburg   als auch in der Baracke des Asyls in der Fröbelstraße untergebracht sind, das fann Berlin   nicht, ver­antworten. In einem viel zu kleinen Raum sind in Rummelsburg  134 Frauen und Kinder untergebracht. Der Einfachheit halber zählt man Frauen und Kinder zusammen. Dieser Raum dient auch den eine Treppe höher untergebrachten Männern am Tage als Auf­enthaltsraum. In Ermangelung von Tischen und Stühlen spielt sich das ganze Leben auf den Betten ab, oft nicht gerade auf die Gegenwart von Kindern zugeschnitten. Des Nachts teilt eine Anzahl der Mütter die Betten mit den Kindern vom zartesten Alter an. Im Laufe des Winters haben in diesen Räumen unter Teilnahme der Gesamtfamilie zwei Kinder das Licht der Welt erblickt. Noch viel trauriger sicht es in der Barade gegenüber dem Obdach in der Fröbelstraße aus. Während die Bettstellen in Rummelsburg   wenigstens noch Stroh­säcke haben und die mitgebrachten Bettstücke zum Teil noch Wäsche, liegen hier die Frauen zum Teil ebenfalls mit Kindern im zartesten Alter auf den eisernen Pritschen. Eine Mutter hatte bei unserer nächtlichen Besichtigung ihr 12 Tage altes Kind neben sich auf dem dürftigen Riffen, durch das der zarte Kindertorper den Druck der ejernen Stäbe fühlt. Aber nicht nur die Bagerstätten find völlig ungenügend. Es fehlt jebe möglich feit auch der allereinfachten Säuglingspflege. Es geht nicht an, daß, wie es auch vorfommt, Befferungsverfuchen begegnet wird mit dem Argument, wenn mir es gar fo gut einzigten, i

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Gerade die älteren Jungen, die über seruelle Dinge damals bereits einigermaßen aufgeflärt waren, behaupten mit aller Ent­schiedenheit, auch jetzt noch, nachdem man so vieles in sie hineingefragt hat, im Benehmen des Angeflagten nie etwas Anstößiges oder Un­fittliches bemerkt zu haben. Selbst nicht im Küssen und im Streicheln. Die einen nahmen diese Zärtlichkeiten als etwas Selbst­verständliches hin, die älteren Jungen fanden sie öfters deplaziert und wehrten sich gegen sie. Lüzom behauptet, fie gehörten in sein väterliches Erziehungssystem. Vielleicht. Auch die Prügel wollen die Jungen mit geringen Ausnahmen stets verdient haben: fie waren es ja auch zu Hause nicht anders gewöhnt. Herr Lüzow wehrt sich mit aller Entschiedenheit, als Prügelpädagoge bezeichnet zu werden. Gestern gab er auch ausführliche Erklärung darüber, worum er ohne Brügel nicht ausgekommen ist. Mit seinen Schlägen will er erzieh­liche 3mede verfolgt haben. Er übte gewissermaßen seinen Heim­schülern gegenüber väterliche Gewalt aus. Deshalb will er auch bei der Uebernahme der 3offener Anstalt der Lehrerkonferenz zur Be­dingung gemacht haben, daß das Büchtigungsrecht ihm allein gehören dürfe. Aber Fräulein Schulz, die später gegen ihn intrigiert und gehetzt habe, wollte dieses Recht auch für sich in Anspruch nehmen. Folgt man den Aussagen der jugendlichen Zeugen, so will es scheinen als hätten Fräulein Schulz und der Studienassessor Lippmann in der Attion gegen Lüzom wirklich die führende Rolle gespielt. Der An­geflagte behauptet, daß beide dem Schulrat und der Potsdamer Re­gierung das Material gegen ihn mitgeteilt hätten. Eine Untersuchung folgte auf die andere und schließlich fiel die Entscheidung der Botsdamer Regierung dahin, daß dem Angeklagten zwar frankhafte Neigungen irgendwelcher Art nicht nachgesagt werden könnten, aber daß er sich verpflichten müsse, die Büchtigung auf ein Mindestmaß zu beschränken und sein Zärtlichkeitsbedürfnis dem bei der norddeutschen Bevölkerung Ueblichen anzupassen. v. Lützow   stellte das Prügeln ein, die Jungen gerieten außer Rand und Band. Er hörte mit den Zärt­lichkeiten auf, die Eltern schrieben: wo bleibt Ihre Liebe zu unseren Kindern? So setzte er sein System, das sich zwischen Prügeln und Küssen bewegte, fort. Wie für seine Liebesbezeugungen den Schülern gegenüber, so auch für die Prügel führt der Angeklagte Zitate aus Werken befannter Pädagogen an. Ob sie diese Prügel und diese Bärtlichkeiten gemeint haben, möge dahingestellt bleiben. Man kann vorläufig nicht sagen, daß die jugendlichen Zeugen, von geringen Ausnahmen abgesehen, irgendwie gehässig gegen ihren früheren Lehrer und Erzieher aussagten. Im Gegenteil, zieht man in Betracht, daß Schulrat, Regierungsrat, Polizei, Untersuchungsrichter Studien­assessor Lippmann und Fräulein Schulz in ihnen die gleichen gefähr­lichen Fragenkomplege bereits fo viele Male aufgewühlt haben, die iezt mit so großer Gründlichkeit von dem Vorsitzenden und den An­

Forman Schnupfen

gegen