Nr. 161.
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Vorwärts
12. Jahrg.
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Fernfprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berllu!
Redaktion: SW. 19, Benth- Straße 2.
Ein Gedenktag.
Heute ist der 13. Juli.
Sonnabend, den 13. Juli 1895.
Expedition: SW. 19, Benfb- Straße 3.
war, aber als amtliches Aftenstück von der preußischen Re-| Wir haben eine weitere e ch te Depesche, geschrieben von gierung an alle Regierungen amtlich versandt wurde, be- dem Adjutanten des preußischen Königs, Fürst Radziwill . wirkte denn auch, daß die französische Regierung sich zur In dieser heißt es ausdrücklich, nachdem erzählt worden, Kriegserklärung entschloß, die am 15. Juli erfolgte. Die daß der König, nachdem der Hohenzollernprinz feine Kandis Thatsache ist lange geleugnet worden, aber sie steht jetzt datur zurückgezogen habe, keine weitere Erklärungen abgeben
fönne:
Heute vor 25 Jahren, am 13. Juli 1870, standen die Menschen des Morgens auf, wie an anderen Tagen, denkend, daß es ein Tag sei wie jeder andere Tag- ein Tag der außer Zweifel. Arbeit, des Sorgens, der friedlichen Ruhe. Kein Gewitter Aus der Schrift:„ Ueber die Emser Depesche, oder wie„ Hierauf erklärte Benedetti, sich seiner stand am Himmel. Ein kleines Wölkchen im Südwesten- Kriege gemacht werden" sind den Lesern die damaligen seits bei dieser Erklärung beruhigen zu die spanische Thronkandidatur eines Hohenzollern Vorgänge bekannt. Um die Fälschung zu sehen, muß man wollen." Prinzen. die Depesche, welche in die Emser Depesche" umredigirt" Weder der König von Preußen noch der französische worden ist, neben diese halten. Die Originaldepesche lautet: Botschafter glaubten also an den Krieg oder wollten den Se. Majestät der König schreibt mir( Abeken): Graf Krieg.
Aber was fonnte schlimmes daraus kommen? Spanien ist weit, und ob ein Hohenzoller oder ein Bourbon oder ein Habsburger im fernen Land der Kastanien unter pfäffischer Vormundschaft eine Scheinregierung führt, ist für Deutschland so gleichgiltig, als die Frage, ob der Herr einer Jahrmarktsbude Echulze heißt oder Müller.
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Der plögliche Wechsel war durch ein Blatt Papier hervorgerufen, das in Millionen von Exemplaren durch das Land flog, und dessen Inhalt wie ein Lauffeuer sich überall verbreitete, so daß nach einer halben Stunde in ganz Deutschland kein Mann, teine Frau, kein Kind war, welche die furchtbare Botschaft nicht kannten.
Benedetti fing mich auf der Promenade ab, um auf zuletzt sehr Der Krieg war die beabsichtigte Wirkung audringliche Art von mir zu verlangen, ich sollte ihn autorisiren, der Emser Depesche. Und die Emser sofort zu telegraphiren, daß ich für alle Zukunft mich ver pflichtete, niemals wieder meine Zustimmung zu geben, wenn die Depesche ist eine Fälschung des Fürsten Ta, im Nu änderte sich das Bild- blitzschnell wurde Hohenzollern auf ihre Kandidatur zurückkämen. Ich wirs ihn Bismarck , der die Fälschung auch ein. das Wölkchen zu einer mächtigen Gewitterwolfe, deren Schooßeht etwas ernst zurück, da man à tout jamais( für gestanden hat. immer) dergleichen Engagements nicht nehmen dürfe Sage man nicht, der Krieg hätte doch kommen müssen; den nächsten Augenblick verheerende Blige herabsenden noch könne. Natürlich sagte ich ihm, daß ich noch nichts und darum sei die Fälschung lobenswerth, zum mindesten fonnte mußte. erhalten hätte, und da er über Paris und Madrid entschuldbar gewesen. Eine lobenswerthe Fälschung! Schilt früher benachrichtigt sei als id, er wohl einfähe, daß man da über die sogenannte Jesuitenmoral, die das Mittel mein Gouvernement wiederum außer Spiel sei." Se. Majestät hat seitdem ein Schreiben des Fürsten durch den Zweck heiligen läßt. Und hier wäre kein bekommen. Da Se. Majestät dem Grafen Benedetti heiliger" Zweck, sondern ein teuflischer, und der soll eine gesagt, daß er die Nachricht vom Fürsten erwarte, hat gemeine Fälschung, d. h. ein Verbrechen niederster Art Allerhöchßderfelbe, mit Rücksicht auf die obige Zu- heiligen"? Pfui, diese Crispi- Moral! mnihung, auf des Grafru Eulenburg und meinen Vor- Und warum soll denn der Krieg unvermeidlich ge= trag beschloffen, den Grafen Benedetti nicht mehr zu empfangen, wesen sein? sondern ihm nur durch einen Adjutanten sagen zu Gewiß Bismarck und Bonaparte hatten seit laffen: daß Se. Majeßät jcht vom Fürsten die Be- 11 Jahren mit einander gemogelt. Noch ehe Bismarck als hätigung der Nachricht erhniten, die Benedetti aus Gesandter nach Paris ging, hatte er fein Programm cynisch Paris schon gehabt, und dem Botschafter nichts weiter zu dahin entwickelt:„ Desterreich aus Deutschland werfen! sagen habe. Se. Majehät Kellt Ew. Exzellenz anheim, dahin entwickelt:" Desterreich ob nicht die neue Forderung Benedetti's und ihre Das linte Rheinufer an Frankreich !" Und Burückweisung sogleich sowohl unseren Gesandtschaften in Paris , Plombières und Biarritz war der saubere Batt als in der Presse mitgetheilt werden sollte." geschlossen worden.
Ein Blatt Papier . Ein kleines Blattgewöhnliches Oktavformat und gewöhnliches Zeitungspapier. Und auf dem Blatt Papier stand gedruckt: Ems, 13. Juli 1870. Nachdem die Nachrichten von der Entfagung des Erbprinzen von Hohenzollern der kaiserlich fran zösischen Regierung von der königlich spanischen amilich mit getheilt worden sind, hat der französische Botschafter in Ems an Se. Majestät noch die Forderung gestellt, ihn zu autorisiren, daß er nach Paris telegraphire, daß Se. Majestät der König sich für alle Zukunft verpflichte, niemals wieder seine Zustimmung zu geben, wenn die Hohenzollern auf ihre Kandidatur wieder zurückfommen sollten. Se. Majestät der König hat es darauf abgelehnt, den französischen Botschafter nochmals zu empfangen und demselben durch den Adjutanten vom Dienst fagen lassen, daß Se. Majestät dem Botschafter nichts weiter mitzutheilen haben."
Das war die Emser Depesche.
Und wer sie gelesen hatte, der wußte, daß das der Krieg war.
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Man vergleiche! Das Fettgedruckte fehlt in der ge- Mit Hilfe Bonaparte's wurde Desterreich im Jahre fälschten Depesche. Die Thatsache, daß der König den Ver- 1866 durch den„ nationalen Bruderkrieg" aus Deutschland zicht auf die spanische Throntandidatur erhalten, und daß hinausgeworfen; aber mit dem linken Rhein - Ufer ging es er dies dem französischen Gesandten mitgetheilt hatte, ist nicht so leicht. Sei es, daß Bismarck nicht konnte oder Napoleon forderte vergeblich den auss gestrichen", und dafür, während zwischen König und nicht wollte Botschafter in Wirklichkeit die geschäftlichen Beziehungen bedungenen Lohn, und Bismarck , wie das Mode ist unter ruhig fortbestanden, der eine Insul te für Frankreich eine derartigen Spießgefellen, suchte den unbequemen Mahuer schließende Sah redigirt": um den versprochenen Lohn zu betrügen. Die spanische " Se. Majestät hat es darauf abgelehnt, den Thronkandidatur eines Hohenzollern wurde in französischen Botschafter zu empfangen." Szene gefcht. Seit zwei Jahrhunderten beansprucht Frank reich ein Recht der Einmischung in spanische Thronangelegenheiten. Die Hohenzollern - Kandidatur war daher eine Provofation.
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Wenn einem Monarchen oder sonstigen Staatsoberhaupt gesagt ist, daß sein Gesandter nicht mehr empfangen wird, Nach der echten Depesche läßt der König dem frandaß man ihm nichts weiter mitzutheilen hat, so ist das nach zösischen Gesandten eine Mittheilung machen, durch welche völkerrechtlichem Gebrauch eine Herausforderung die Streitfrage erledigt ist; die gefälschte Depesche läßt zum Krieg eine Beleidigung, die dem Beleidigten den König jeden Verkehr mit dem französischen Gesandten feine andere Wahl läßt, als den Krieg zu erklären. abbrechen, und theilt dies in der denkbar beleidigendsten Durch diese Depesche, deren Ursprung und Bedeutung Form mit. für Niemanden dem leisesten Zweifel unterliegen konnten, war der französische Kaiser zum Krieg gezwungen.
Und diese Depesche, die zwar nicht formell amtlich
Feuilleton.
[ Nachdruck verboten.]
Die erste Depesche war eine Chamade"
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d. h. friedlich, wenn auch fest die gefälschte eine Fanfare", d. h. das Signal zum Krieg.
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Hans Hartung und Grams überwachten sorgfältig die Vertheilung der Patronen und mahnten zu spar samster Verwendung des kostbaren Materials.
Mitten in diesen friegerischen Vorbereitungen ward das Volk unerwartet durch einen Zug von Schwarzröcken 62 unterbrochen, die vom Petriplatz her dem Fischmarkt zu schritten und mit nervöser haft sich durch die Menge drängten. Ein Geistlicher im Talar schritt ihnen voran und machte dicht vor Frite Grams und seinen Freunden Halt.
,, Mitbürger! Brüder! Christen!" begann der Mann Gottes voll Salbung Haltet ein in Eurem blutigen Thun und höret das Wort des Friedens!"
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Eine geschichtliche Erzählung von Michel Deutsch. Eine herrliche, mondhelle Frühlingsnacht schaute auf die kämpfende Spreeftadt hernieder. Das siedete und brodelte wie in einem ungeheuren Kessel, doch niemand hätte fagen können, welch' ein Gebräu diese nächtliche Gährung ergeben würde. Niemand dachte an Schlummer in jenen furchtbaren Stunden, alles erwartete mit Spannung den Ein Murmeln durchlief die verwunderte Menge. Ausgang des wilden Ringens, in dem die Zukunft mit der " Nanu! Der will uns woll' ne Predigt halten?" rief Vergangenheit um den Sieg stritt. In banger Ungewiß- Fritze Grams. Kommen Se nach Feierabend, Herr Pastor, heit lauschten die Heimgebliebenen auf den Donner der jetzt sind wer noch an der Arbeit!" Kanonen und das Knattern der Gewehre, auf das gellende Beifälliges Lachen erscholl aus der Menge, deren Sturmgeläut und die wilden Rufe der Kämpfer. Die Blicke mißtrauisch den Friedensboten nebst seinem Gefolge Truppenmacht des Königs, an die dreißigtausend Mann, musterten. war auf der ganzen Linie in Aktion getreten. Als blutig ernster Kampf hatte sich die„ Emeute des Pöbels" entpuppt; selbst, wo die Truppen siegreich geblieben waren, hatten fic vor der Widerstandskraft und Entschlossenheit des Gegners Respekt bekommen. Und doch waren sie erst mit den äußersten Vorposten dieses befestigten Riesenlagers handgemein geworden, während das Gros der gegnerischen Streitmacht in den fest verrammelten Vorstadt- Vierteln steckte frisch und ungebrochen, zum Kampf bis aufs Meffer gerüstet.
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Jezt trat einer der Frackträger, ein kleines schwarzes Männchen mit einer Brille auf der Habichtsnase, vor den geistlichen Redner und begann unter lebhaften Gestikulationen zu den Versammelten zu sprechen.
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So laßt uns doch reden, liebe Lente! Wir kommen eben vom König, der die Gnade hatte, uns zu empfangen und Euch Gruß und Botschaft durch uns sendet.
Wilder Lärm unterbrach die Worte des Kleinen. „ Ein Gruß vom König? Das lügst Du!" tönte es ihm entgegen.
Dort liegen sie, die er hat grüßen lassen, in ihrem Blute! Seht sie Euch an, Ihr Herren!" ir
Verräther seid Jhr, Spione!" " Haut sie in die Schn!"
Reinen Augenblick zweifelten die Männer an der Rathhausbarrikade, daß ihnen bald wieder die Kugeln der Sol daten um die Ohren pfeifen würden. Boll Eifer bereiteten sie sich, einen neuen Angriff mit Kraft und Würde zu beSo gellte es wüst durcheinander und schon starrten geIn aller Eile wurden die Schäden an der gegnen. Barrikade ausgebessert, die Thüren der anstoßenden ballte Fäuste den Bedrängten entgegen, als Ephraim Fisch Häuser verrammelt, die überflüssigen Feuer ausgelöscht. sich wie zum Schutz von ihnen aufpflanzte.
Bonaparte sollte gereizt, zum Kriege gehetzt werden, damit Bismarck in einem nationalen" und heiligen" Krieg durch das Blut Hunderttausender die Schande und das Verbrechen des Landesverraths auslöschen könne.
Der Hohenzollernprinz, der zu dieser sauberen und säubernden Rolle auserjehen war: der spätere Prinz Karl
So hört doch ich kenne die Leute!" schrie er laut in die Menge hinein. Verräther sind's nicht, aber Narren vielleicht. Laßt sie ausreden!"
Schallendes Gelächter folgte seinen Worten. " Bravo ! Laßt sie quaffelu! Auf die Schultern den Kleinen auf die Schultern!"
Ehe er sich's versah, ward der Mann mit der Brille, in dem Fisch einen besseren Bürger" der Roßstraße erkannt hatte, von fräftigen Armen über die Köpfe der Menge emporgehoben.
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Machen Sie's furz, Herr Stadtrath," rief Ephraim Fisch ihm zu wir haben Gile".
darauf
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„ Mitbürger! Freunde!" begann der Schwarzhaarige ,, wir haben den König gesprochen und sein Herz tief betrübt gefunden über das Unglück, das unser theures Berlin heimgesucht hat. Und was ist die Ursache dieses fürchterlichen Blutvergießens? Nichts weiter, als ein Mißverständniß, ein Irrthum..."
Ein lantes Murren ging durch die dichtgedrängte Menge, die sich das Märchen von dem Mißverständniß" um feinen Preis wollte aufbinden lassen.
" Pst! Ruhe!" rief Frite Grams den Erregten zu, laßt'n sich ausquetschen!"
Ganz sicher, ein Mißverständniß, liebe Brüder," fuhr der Redner fort. Und damit Ihr seht, daß Se. Majestät vom besten Willen bescelt sind, so können wir Euch melden, daß die Truppen sofort nach den Kasernen abmarschiren werden..."
Wenn?" klang es scharf von Ephraims Lippen. " Wenn Ihr die Waffen niederlegt und die Barrikaden wegräumt. Den Bitten wird der König alles ge= währen, der Gewalt gar nichts."
Ein Sturm der Entrüstung, untermischt mit wildem Hohugelächter, brauste durch die erregte Menge. Die Waffen niederlegen das dürft' ihnen so passen!" rief Ephraim Fisch. „ Daß sie uns dann ganz gemüthlich wie die Bäh
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