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1. Heilage des Vorwärts
SokttabettS, 13. März 1424
Nannesmut öer Reaktionäre. Eins der beliebten patriotischen Schlagworte der bis 1918 un- Umschränkt herrschenden Clique war das von dem Mannesmut, der den deutschen Wähler beseelen müsse. Diesen Mannesmut in schärfster Reinkultur zu erweisen, böte das Dreiklassenwahlrecht mit der öffentlichen Abstimmung die schönste Gelegenheit und daher hielt jene verbohrte Sippe auck) an dieser Forderung fest, als im Kriege, wo der Mannesmut des„gemeinen Mannes'' alle Phrasendrescher beschämte, der elende Schacher um die Gestaltung des preußischen Wahlrechts die mißtönende Begleitung zu dem Donner der Ka- nonen abgab und dem Feindbund die bequeme Handhabe bot, das deutsche Volk als eine Sklavennation zu bezeichnen. Jetzt, wo fast überall die offene Reaktion(leider nicht die viel zahlreichere geheime!) von der politischen Geschästsleitung ausgeschaltet ist, müßte deti einstigen Anhängern des„Mannesmutes bei den Wahlen" eine Ge- legcnheit, wie die öffentliche Einzeichnung in die Listen des Volks- begehrens, hoch willkommen sein. Aber die alte verschlagene Fuchs- natur der reaktionären Parteien verleugnet sich auch diesmal nicht. Sic suchen das Volksbegehren mehr oder weniger geschickt zu sabo- tieren: selbst vor den Toren Berlins ist es vorgekommen, daß der Lairdbundhäuptling eines Dorfes zum Gemeindevorsteher gekommen ist, um ihn zur Richtauslegung der Listen zu bewegen. Rein, Mannesmut beweisen die Hunderttausende und Millionen, die chren Namen in die Liste schreiben, ganz gleich, ob der Spion der Re- cktion ihren Schritt belauert und gebucht hat. Noch ein charakte- ristisches Beispiel von dem.Mannesmut, wie ihn der Landbund auffaßt". Sprechen wir da mit einem Landwirt über die Frage des Tages:„Ja, dos wäre wohl richtig", äußerte er,„daß die Fürsten genug haben: das schöne Geld könnten wir gut brauchen, ober ich traue mich nicht, meinen Namen unterzusetzen Nee, nee, Sie haben gut reden, Sie kennen den Landbund nicht." Auch ein Beitrag zum Mannesmut der edlen Seelen. Jeder sich einschreibende Arbeiter darf gewiß sein, daß hinter ihm unsichtbar ein zweiter steht, der„sich nicht traut". Darum, um so fester ans Werk! wo erhälk man einen Einkragungsschein? Bei der Eintragung zum Volksbegehren ist für diejenigen Eintragungsbercchtigten, die feit der letzten Wählerlisten- mislegung(für Berlin im September 1925) ihre Wohnung nicht gewechselt haben, die Eintragungs stelle ihrer Wohnung zustäiü>ig. Wenn jemand inzwischen sein« Wohnung gewechselt hat, kommen besondere Eintragungsscheine in Frage. Dar- über bringt die amtlich« Bekanntmachung, die an den Anschlagsäulen veröffentlicht wurde, die nötigen Airgaben. Wer innerhalb seines Verwaltungsbezirkes umgezogen ist, kam, entweder die für seine frühere Wohnung zuständige Eintragungsstelle aussuchen oder bei seinem Bezirkswahlamt sich einen Eintragungsschein ausstellen lassen. Wer aus einem Verwaltungsbezirk in einen anderen umgezogen ist, muß sich bei dem Bezirkswahlamt seiner früheren Wohnung einen Eintragungsschein ausstellen lassen. Cintragungsberechtigt ist, wer das Reichstagswahlrecht hat. Mithin müssen auch diejenigen, die noch bis zum 17. März 192S das R ei ch s ta g s w a h l- recht erlangen,«inen Eintragungsschein beantragen und zwar bei dem Dezirkswahlamt ihrer Wohnung. Die Wahlämter sind nur in den Tagesstunden geöffnet, meist von 9 bis 4 Uhr. Die Bureaus der Wahlämter sind: Hauptwahlamt Berlin : Berliner Rathans» Spandauer Straße, Erd- geschah, Zimmer 15— 18. Bezirkswichlamt Mitte: Alexanderplatz 4, Ratswagegrundftück.� Bezirkswahlamt Tiergarten : Westhafenstrahe, Verwaltungsgebäude. Dezirkswahlamt Wedding: Lütticher Straß« 47/48. Bezirkswahlomt Prenzlauer Berg : Dan.;ig«r Straße 51— 63. Begirkswahlamt Friedrichsham: Markusstraße 49. Bezirkswahlamt Kreuzberg: Porckstraße 81, Quergebäude, 1 Treppe rechts. Dezirkswahlamt Eharlottenburg: Rathaus, Berliner Straße 72/73, 1. Obergeschoß, Zimmer 229 und 229». Bezirkswahlamt Spandau : Neues Rathaus. Zimmer 412. Bezirkswahlamt Wilmersdorf: Stadthaus, Kaiserallee 1— 12. Bezirkswahlamt Zehlendorf : Anhaltiner Straße 4. Bezirkswahlamt Schöneberg: Neues Rathaus, Rudolf-Wilde-Platz, Zimmer 38— 41.
Steglitz : in Lichterfelde , Rathaus. Tempelhon in Mariendorf , Rathausstraße 69— 72. Neukölln: Rathaus, Berliner Straße . Treptow : Neue Krugallee 4. Cöpenick: Rathaus, Zimmer 3. Lichtenberg : Rathaus: Vureaubaracke V, Zimmer 58. Weißensee : Rathaus, Albertinenstraße 6. Pankow : in Niederschönhausen , Rathaus, Zimmer
Dezirkswahlamt Bezirkswahlamt Bezirkswahlamt Bezirkswahlamt Bezirkswahlamt Bezirkswahlamt Bezirkswahlamt Bezirkswahlamt 24—27. Bezirkswahlamt Reinickendorf : in Tegel , Veitftraße 5, Zimmer 13. Die Eintragung der Geburtsnamen der Irauen. Vielfack ist es vorgekommen, daß Frauen beim Einschreiben für das Volksbegehren ihren GeburtSnamen nicht eingetragen haben. ES ist gesetzliche Vorschrift, daß dies geschehen muß. Wenn diese Unterschriften aucki nicht für ungültig erklärt werden können, da die Identität der Eingetragenen geprüft ist, so könnten doch bei der Nalbprüsung der Listen leicht Schwierigkeiten und Verzögerungen entstehen. Um dies zu vermeiden, wird darauf hingewiesen, daß Frauen nicht vergesien, ihre GeburtSnamen eben- falls einzutragen. Bezirk Kreuzberg . Die letzten Kampftage nutzt man mit doppelter Energie. Es findet eine intensive Hauspropaganda statt. Trupps verkünden in bei, Höfen die Einzeichnungslokalc und fordern die Säumigen auf, ihre Pflicht zu erfüllen. Sehr gut ist auch die Pro- paganda der kleinen Geschäfte in den proletarischen Vierteln. In der Reichenberger Straße zum Beispiel haben viele Geschäfte die Bekanntmachung der Volksbeachrparteien über die Einzeichnung ausgehängt. Auch in den Wirtschaften sieht man die Plakate. Leider verhindert das stürmische RegenweUer insbesondere manche älteren und schwächlichen Leute, sich ein- zuzcichnen. Für den Sonnabend und Sonntag wird eine groß. zügige Werbekampagne erwartet. Jedenfalls werden die Kreuz- berglcr im Kampf gegen die fürstlichen Raubritter ihren Mann zu stehen wissen. <ks plätschert weiter! Auch die Wetlerkuudigen sind verzweifelt. Das anhaltende stupide Regenwetter, das seit etwa zehn Tagen unsere Nerven strapaziert, bringt selbst dic�Meteorologen, wie sie uns versichern, zur Verzweiflung. Kein Tag ohne nasse Füße. Kein Tag ohne Sturm, Regengüsse und Grippehochstimmung. Der Vorfrühling hat seine düstersten Seiten aufgezogen. Und so gern wir dem Berliner eine günstigere Weiterdiagnose geben würden: vorerst wird es weiter plätschern. Wie die Wcttersach verständigen oersichern, ist diese lange Regenperiode ein Ersatz für den in diesem Jahre fehlenden Nachwinter, der sozusagen den Uebergang zum Frühjahr herstellt. Ersatz ist bekanntlich in den wenigsten Fällen gut. Der Grund für diese'permanente Sintflut ist darin zu suchen, daß in Nordeuropa eine ungeheuer starke Depressionstätigkeit herrscht, wie sie in dieser Jahreszest im allgemeinen nicht sehr häufig anzutreffen ist. Diese Depression bedingt eine ununterbrochene Zufuhr milder feuchter Luft vom Ozean her, die nur vorübergehend durch den Vorstoß polarer Luftmassen unterbrochen wird. Hieraus erklären sich auch die stärkeren Temperaturschwankungen zwischen sehr mildem und naßkaltem Wetter der letzten Tage. Zum anderen ist das die Quelle der anhaltenden Niederschläge, in denen fortwährend eine Durchmischung der feuchten Westwinde und der kalten Nordwestwinde herbeigeführt wird. Wir befinden uns schon seit Wochen in der Mischungszone zwischen diesen beiden Luftströmungen. Das Resultat dieses zweisel- haften Vergnügens find die andauernden Regengüsse. Vorläufig ist mit einer Aenderung des Wetters nicht zu r e ch n e n, es wird weiter trüb und feucht bleiben. Für Sonnabend rechnet man mit einer sehr geringfügigen Besserung des Wetters. Auch der Sonntag soll zeitweise leichte Ausklärung bringen. Doch wird dies nur der Auftakt zu neuen Regentagen sein.
Ein entmenschter Stiefvater. Nachdem vorgestern das Schöffengericht Mitte über eine grau- same Stiefmutter zu urteilen hatte, kam gestern ein entmenschter Stiefvater an die Reiche. Es handelte sich um schwere sittliche Verfehlungen des Bahnarbeiters Karl L. Mit Gewalt war feine noch nicht ganz 2l>>ähr!g« Stieftochter von ihm gezwungen worden, ihm wiederholi zu Willen zu fein und aus Furcht vor seiner Brutalität hatte das Mädchen geschwiegen. Erst durch einen Zufall
kam die Mutter dahinter. Sic erstattete zwar Anzeig«, jedoch hinter- her packte sie einerseits Reue, andererseits Verzweiflung über das Unglück, so daß sie beschloß, gemeinsam mit ihrer Tochter a u s d e m. Leben zu scheiden. Eines Nachts drehten sie die Gashähne in der Wohnung auf. Die Tochter konnte aber gerettet werden, während die Mutter einer Gasvergiftung erlag. Nun stand die Tochter ganz gebrochen dem Stiefvater als Zeugin gegenüber. So offensichtlich verzweifelt war das Mädchen, daß der Vorsitzende ihr väterlich zuredete, nicht etwa von neuem euren Selbstmordversuch zu machen, sondern mutig den Kampf mit dem Leben aufzunehmen. Der Stiefvater erhielt wegen Notzucht und Blutschande 2 Lahre 3 Monate Zuchthaus . Das fiugust-Sebel-haus. Ein Kinderheim der Arbeiterwohlfahrt. Im vergangenen Jahre fand in Berlin eine Wohlfahrtslvtterie statt, die von der Bezirksorganisation der Arbeiterwohlfahrt ver- anstalret war. Für den billigen Preis von 59 Pfennig je Los konnte sich ein jeder beteiligen, zudem waren die Gewinnchancen derartig, daß die Anteilnahme der Bevölkerung ziemlich groß war. Nun ist aus den, lleberschuß, den die Lotterie erbracht hat, ein lltzcrk herausgewachsen, das den Berliner Kindern zugute kommt. In der Sächsischen Schweiz in Gohrisch , einem kleinen auf den Höhen gelegenen Dörfchen in der Nähe der Festung und Stadt Königstein ist ein Kinderheim entstanden, das seine gastlichen Pforten der erholungsbedürftigen Berliner Jugend öffnet. Anfang März dieses Jahres fuhren vom Anhalter Bahnhof 59 Kinder zu einem fünfwöchigen Aufenthalt nach Gohrisch , das in einer halben Stunde auf herrlichen Waldwegen vom Bahichof Königstein aus zu erreichen ist. Am Anfang des Dorfes, von Wald und Bergen umgeben, steht das Haus der Arbeiterwohlfahrt. Den Kindern wurde ein freundlicher Empfang zuteil. Es dämmerte schon, als sie in die Nähe des Heims kamen, das ihnen zu Ehren festlich erleuchtet war. Draußen wehte die schwarzrotgoldene Flagge, und über dem innnengcschmückten Eingang prangte für die Jugend- lichen ein Willkommengruß. Die Kinder werden dort in vier großen Schlafzimmern untergebracht, die vom Tageslicht durchflutet werden. Sie sind in hellen Farben gehalten, so daß sie auch abends bei elektrischer Beleuchtung einen freundlichen und anheimelnden Eindruck machen. Ileberhaupt zeichnet sich das 5)elm durch große Farbenfreudigkeil aus, die jedoch niemals das zulässige Maß über- schreitet. Im Erdgeschoß ist neben der großen Küche, die mit allen technischen Einrichtungen ausgestattet ist, die in eine moderne Küche gehören, der Speisesaal und, von diesem durch große Schiebetüren getrennt, ein geräumiges Spielzimmer, in dem bei schlechtem Wetter geeignete Spielsachen, sowie Bücher zur Unterhaltung zur Verfügung stehen. Im Keller ist eine Zcntralheizungsanlage eingebaut, die auch für warmes Wasser in allen Stockwerken sargt. Ein wunderbar großer Waschraum, Brause- und Wannenbäder vervollständigen neben einer elektrischen Waschmaschine die Einrichtung des Hauses. Zahlreiche und schöne Ausflüge lassen sich in die herrliche Umgebupg machen. Ganz in der Nähe liegt der G o h r i ch st e i n und der leicht zu besteigende P a b st st e i n. In einer Stunde ist der Pfaffe n- st e i n oder der Quirl und auch die Festung Königstein zu er- reichen. Auf dem anderen User der Elbe ragt der von einem Obelisken gekrönte L i l! e n st e i n empor. Die Kinder erklärten auf Befragen, nachdem sie sich bereits an das Heim gewöhnt hatten, daß es hier besser sei wie zu Hause. Ein besonderes Erlebnis ist für viele, daß sie hier ihr eigenes Bett und. einen eigenen Schrank für ihre Sachen haben. In diesen freundlichen Hellen Räumen waltet aber auch der Geist innigen Mitgefühls mit allem, was Kinderhcrzen angeht. Moderne pädagogische Grundsätze werden bei der Behandlung der Kinder mit bestem Erfolg angewendet. Die Kinder halten selbst Disziplin und regeln ihre Angelegenheiten— natürlich unter Auf. ficht der Leiterin— selbständig. So herrscht denn in diesem Heim Frohsinn und Jugendlust. Vor mehr als einem Menschenalter war unser August Bebel auf der Feste Königstein , unweit von Gohrisch , gefangen. Das alte Regime packte diejenigen hart an, die eine andere als die staatlich abgestempelte Meinung hatten. Zur Erinnerung an unseren großen Führer ist das in der Nähe seines Gefängnisses liegende Heim „Au g u st- V e b el-H e i m" genannt worden. Es ist ganz selbst- verständlich, daß in dem Heim der Arbeiterwohlfahrt keine Beein- flussung der Kinder in politischem Sinne stattfindet. Sie sollen hier
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„Was mit Charlie? Rosa, mit Charlie ist sie nach Coney Island gegangen? Und der Onkel hat angeklingelt, daß er bald mit dem Auto kommt, um sie abzuholen. Der Onkel hat heute mindestens zehnmal nach ihr gefragt. Nun, sage du ihm, daß sie mit Charlie nach Coney Island gegangen ist. Sag' ihm doch, daß sie mit Charlie gegangen ist. Er wird bald hier sein, um sie mit dem Auw mitzunehmen, und sie wird nicht da sein— sie ist mit Charlie nach Coney Island gegangen— nun, Rosa, du siehst schön aus, was?" „Was kann ich dafür? Hab ich sie denn gesehen? Früh ist sie auf und davongegangen. Was habe ich denn tun können?" „Nun, sage nur dem Onkel diese Ausrede! Ich bitte dich, sag' es ihm, er wird gleich hier sein, da kannst du es ihm sagen." „Aaron, warum erschreckst du mich, Aaron?" Aaron erschrak selbst bald über den Schrecken, den er seiner Frau eingejagt hatte. Deshalb war er bemüht, die Furcht zu bannen. „Rosa, laß mich in Ruhe. Rosa! Das Kind ist baden gegangen und wird bald zurückkommen— was machst du für Geschichten?" „Ich inache Geschichten? Du machst Geschichten! „Ich bitte dich. Rosa, laß mich in Ruhe!" Doch bald wurden Aaron und Rosa von der Furcht be- freit, welche sie einander eingejagt hatten. Mascha trat hastig ein. Die Eltern atmeten auf. In ihren Augen lag ein Glanz von Tränen und Zorn. Mascha blieb einen Augenblick mitten im Zimmer stehen, blickte die Eltern mitleidig mit Tränen in den Augen an. brach dann plötzlich in lautes Schluchzen aus und eilte in ihr Zimmer. „Rosa, was ist das?" fragte Aaron. „Woher soll ich das wissen? Was fragst du mich? Komm zu Ihr hinein." Die Eltern wollten in Maschas Zimmer� doch sie fanden die Tür verschwsien. Flehend sprach der Vater an der Tür: „Mascha, liebes Kind, was hast du? Sage mir, bist du vielleicht, Gott bewahre dich, krank: soll ich vielleicht nach einem Arzt schicken?" „Wir sind doch auHer uns, Mascha: was host du. Mascha?" Die Mutter vereinigte ihr Flehen mit dem de?
Hinter der verschlossenen Türe blieb es still. „Was soll nun werden, Rosa?" fragte Aaron Vorwurfs- voll, als wäre seine Frau allein an dem Unglück schuld. „Ich will gleich zu den Schm-rrern hingehe� die Augen will ich chnen auskratzen, der Mutter mitsamt dem Sohn. Was wollen sie von uns, warum gönnen sie uns nicht unser bißchen armes Glück?" rief Rosa: sie meinte Charlie und seine Mutter. „Hör' auf. hör' auf!" schrie Aaron.„Mascha, liebe Mascha, jage uns doch schon nicht solche Angst ein: du er- schreckst uns," wandte er sich bittend der Tür zu. Von Mascha kam keine Antwort. „Was soll nun werden? Der Onkel wird bald hier sein. Er hat angerufen, daß er dich mit dem Auto holen kommt." Da wurde plötzlich die Tür von Maschas Zimmer aufge- risien, und. die Augen weit geöffnet, schrie das Mädchen ihre Eltern an: „Ich will den Onkel nicht heiraten, ich will nicht, ich will nicht!.. Aaron und Rosa sahen einander an, als wäre mit einem jähen Donnerschlag das Haus über ihnen zusammengestürzt. „Was sprichst du da? Was sagst du? Majchachen, was hast du denn?" „I ckon't want it. I don't want it!" zornig stampfte Mascha mit dem Fuß auf. „Pst, still, um Gottes willen, der Onkel wird gleich hier sein!" Mascha schlug die Tür ihres Zimmers den Eltern vor der Nase zu. „Was soll nun werden? Rosa, ich werde verrückt, ich werde verrückt, ich werde wahnsinnig!" Aaron sah plötzlich mit aller Deutlichkeit die Gefahr vor sich, wieder in das Grab der Armut zu sinken, aus dem er herausgestiegen war. Er sah sich wieder als Arbeiter und war verzweifelt. Doch wie es stets der Fall war, wenn Aaron nicht aus noch ein wußte, so ging auch diesmal Rosa daran, die L. tuation zu beherrschen: „Aaron, geh fort, setze dich zu Tisch und iß. Der Onkel wird gleich hier sein... sprach sie in befehlendem Ton. Aaron gehorchte und setzte sich zu Tisch, die Hände ringend. „Was soll nun werden, was soll nun werden?" „Hör' auf, Aaron, der Onkel wird sofort hier sein, er darf von nichts wissen, er darf nichts merken." Aaron fah ein. daß seine Frau recht hatte, er dämolte
seine Verzweiflungsausbrüche ein und bemühte sich, ruhig bei Tisch zu sitzen. „Was ist denn geschehen? Gar nichts. Sie ist mit dem Burschen nach Coney Island gefahren, und das ist ihr ein bißchen in den Kopf gestiegen. Wenn sie sich ausgeschlafen hat, wird sie wieder nüchtern sein." Aaron sah ein, daß seine Frau abermals recht hatte, und wurde ganz ruhig. Als der Onkel kam, traf er das Ehepaar Melnik gemütlich bei Tisch an. „Wo ist Mascha?" fragte der Onkel noch in der Tür. Noch che er„Good Erening" sagte, hatte er bereits gemerkt, daß Mascha nicht bei Tische saß. „Hallo, Moses!"(Seit der Onkel Maschas Bräutigam war, titulierte ihn Rosa nicht mehr mit„Onkel", sondern nannte ihn bloß„Moses ", da es ihr schien, das passe besser für einen Mann vor der Heirat.)„Hallo, Moses !" rief Rosa, „Mascha hat Kopfschmerzen und hat sich deshalb ein wenig in ihrem Zimmer hingelegt." Ehe noch der Onkel Zeit sie- fundcn hatte, sich zu setzen, rief sie ins nächste Zimmer hinein: „Mascha, Mascha, schau nur, wer hier ist!" „Wo ist sie gewesen, daß ihr der Kopf weh tut?" fragte der Onkel. Aaron wurde blaß vor Schreck, und wie stets, wenn etwas nicht glatt ging, stammelte er verlegen. Rosa aber ließ sich nicht aus der Fassung bringen: „Sie war in Coney Island baden, es ist ja so heiß: sie ist schlecht gelaunt nach Hause gekommen, Moses ." Rosa gab dem Onkel einen Wink mit den Augen— er könnte versuchen, sie zu rufen: wenn sie auch niemandem gehorcht, ober ihm... Kokett winkte ihm Rosa zu. Aaron wurde noch bleicher. Er hatte Angst vor dem, was kommen würde. Rosa beruhigte ihn mit einem Wink. Der Onkel blieb gleichgültig am Tisch sitzen und sprach halb zu sich: „Wenn sie böse sein will, so soll sie böse sein!" Dann nahm er eine dicke Zigarre aus einem goldenen Etui, warf eine zweite Aaron zu, biß seine Zigarre ab, spuckte aus, kaute an ihr und fragte Aaron: „Wie meilsst du, der neue Administrator, den ich für die Häuser in Down-Town angestellt habe, wie heißt er doch, na. Jiddel. der Restaurateur, wird der all right sein?" „Ich weiß nicht, wozu der Onkel neue Leute braucht. Auf fremde Leute kann man sich doch niemals recht verlassen," antwortete Aaron, schon ziemlich gefaßt. (Fortsetzung folgt.''