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Me. 13143. Jahrg. Ausgabe A nr. 66

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Freitag, den 19. März 1926

Ministerrat über Genf .

Die Haltung der deutschen Delegation vom Reichskabinett einstimmig gebilligt.

Amtlich wird mitgeteilt:

In einem gestern nachmittag unter Vorsitz des Reichskanzlers abgehaltenen min i sterrat wurden die Genfer Verhandlungen durchberaten, nachdem die beiden Delegierten ihre fortlaufenden fchriftlichen Berichte durch mündliche Darlegungen ergänzt haffen. Das Reichskabinett billigte einstimmig die Haltung der deutschen Delegation und nahm insbesondere davon Kenntnis, daß durch die in Genf getroffenen Abmachungen die beiderseitige Fortführung der Locarnopolifit gewährleistet ist.

Bemerkenswerter Empfang der deutschen Abordnung.

Die deutsche Delegation ist Donnerstag nachmittag 2.50 Uhr im Sonderzug auf dem Anbalter Bahnhof eingetroffen. Besonders bemerkt wurde die Anwesenheit des französischen Bot­fafters de Margerie und des englischen Bot fchafters Lord d'Abernon.

Deutschnationale Parole. Luther und Stresemann sollen freiwillig zurücktreten Die Deuschnationalen wissen, daß sie für ihre Außen­politik der Phrase ohne Ziel und ohne Idee im Reichstag feine Mehrheit haben. Sie wiffen auch, daß eine Reichstags­auflösung für sie eine Katastrophe wäre. Also reden fie Luther und Stresemann gut zu, daß sie freiwillig zurücktreten. Die Kreuzzeitung " ist findisch genug, folgendes zu schreiben: die sich auf ein bestimmtes Programm festgelegt haben, Es ist bisher in der Politik üblich gewesen, daß die Personen, threrseits die Konsequenzen ziehen, sobald sich die politischen Vor­aussetzungen für seine Durchführung von Grund aus geändert haben. Wir rechnen auf das persönliche und politische An­

standsgefühl des Reichskanzlers und des Außenministers, und erwarten, daß sie von der in solchen Fällen üblichen Konsequenz Gebrauch machen und ihre Posten zur Verfügung stel len. Sie müssen das nicht nur um ihrer selbst willen und wegen thres petsönlichen Rufes als Politiker tun, sondern auch, um im Interesse ihres Vaterlandes vor aller Welt zu offenbaren, daß die Locarnopolitik endgültig durch die Schuld unserer Gegner zusammen­gebrochen ist.

"

Es ist bisher in der Politik noch nie üblich gewesen, daß die Opposition einer Regierung erklärt hat: Wir fönnen zwar nichts gegen euch ausrichten, aber tut uns den Gefallen und geht weg!"

Das Ergebnis des Volksbegehrens.

Teilergebniffe bisher aus 125 Städten. Aus 125 für eine vergleichsweise Abschätzung des Gesamtergeb­nisses des Bollsbegehrens geeigneten deutschen Städten lagen bisher die Ergebnisse der Abstimmung vor. Von den etwa 15 millionen

Wahlberechtigten in diesen Städten haben

fieben Millionen Wähler

von dem Recht der Eintragung in die Liften Gebrauch gemacht. Das entspricht einer durchschnittlichen Beteiligung von etwa 45 Pro3. Die genaue Feststellung der Gesamtziffer der Eintragungen wird noch mehrere Tage in Anspruch nehmen. Es fehlen bei den bisher ge­nannten Ergebnissen die Landbezirke. Frühestens am Sonnabend dürfte es möglich sein, eine annähernd endgültige Gesamtziffer der Eintragungen bekannt zu geben.

Berliner Umgebung.

In Nowawes haben sich von 17 513 Wahlberechtigten 9 466 eingetragen, das find 2 600 mehr, ais für Sozialdemokraten und Kommunisten Stimmen bei der Präsidentenwahl abgegeben wurden. In Mahlsdorf - Süd haben sich von 1704 Wählern 1045 ein­getragen, 100 mehr als Sozialdemokraten und Kommunisten Stimmen bei der Reichstagswahl erhielten.

Effen.

Effen, 18. März.( Eigener Drahtbericht.) In Essen Stadt Baben sich eingetragen 111 017 Perfonen. Wahlberechtigt find 812 886. In Essen 2and haben sich eingetragen 32 094, wahlberechtigt find 88 429 Perionen.

Prager Regierungswechsel. Zerfall der tschechischen Regierungs- Koalition! Prag , 18 März.( Eigener Drahtbericht.) Der Bräsident der Republit hat die Demission des Gesamtkabinetts angenommen und mit der Regierungsbildung den Chef der politischen Landesverwal tung in Brünn , Czerny, betraut. Das Ereignis des Tages ist ber 3erfall der tschechischen Koalition. Es bestand nämlich die Absicht, die verschiedenen Ausschüsse der Koalitions parteien weiter bestehen zu lassen. Nun stellt sich heraus, daß der Bersuch, eine gemeinsame Blattform für ein Borgehen der bisherigen Mehrheitsparteien zu finden, gescheitert ist. Der stellvertretende

Dabei bleibt es noch immer das Geheimnis der deutsch­nationalen Bresse, was denn positiv an die Stelle der bisherigen Außenpolitik gesezt werden soll. Solange dieses Geheimnis nicht enthüllt ist, ist das ganze Geschrei nicht ernst zu nehmen. Ein neuer Mißtrauensantrag.

gende Interpellation eingebracht: Die tommunistische Reichstagsfrattion hat fol­

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Der Mordprozeß von Chieti .

Erste Eindrücke vom Prozeß Matteotti . ( Von unserem nach Chieti gesandten

Berichterstatter.)

Chieti , 16. März.

Matteotti sprach der Kriegsblinde Del Croig in der Kam­Kurz nach dem Bekanntwerden des Verbrechens an mer das wuchtige Wort von den Beilen, die aus dem Liktorenbündel gelöst" werden sollten, um die harte Arbeit der Justiz zu tun. Als dies Wort fiel, hat man sich den Augenblick der Rechenschaftsablegung wohl anders vorgestellt, als ihn die Stadt Chieti gestern zu empfinden schien. Wer gestern das Abbruzzen st ädtchen betrat, das eine fo großartige Bergfette einrahmt, der mußte den Eindruck empfangen, daß es gälte, ein Boltsfest zu feiern. Es mutete an, wie wohl eine spanische Stadt am Borabend einer Corrida: Neugier und Lärm und festliches Treiben, Mißtriumphartige Aufnahme der Verteidiger. Offenbar sehen Biele in diesem legten Att eines furchtbaren Geschehnisses nichts anderes als Turnier, in dem man Geschicklichkeit zeigt und ohne Gefahr des Lorbeers sicher ist.

Ist die Reichsregierung bereit, angesichts des fatastrophalen Zusammenbruchs der Völkerbundspolitit in Genf sofort das Ein trittsgesuch Deutschlands in den Völkerbund zurüdzu ziehen?"

Ferner hat die fommunistische Reichstagsfraktion beschlossen, bei der bevorstehenden Debatte über den Außenetat einen trauensantrag gegen das gesamte Kabinett einzubringen.

Külz siegt über Westarp.

Die Kommunisten enthalten sich. Gestern tam endlich der deutschnationale Mißtrauens antrag gegen den demokratischen Reichsinnenminister Dr. 13 zur Abstimmung. Er wurde mit 252 gegen 97 Stim men bei 41 Enthaltungen abgelehnt. Geftellt worden war er, weil Rülz fich als Republikaner bekannt und dem Ertaiser feine Flucht nach Holland vorgeworfen hatte.

pielbeachtete Erklärung ab, in der er auseinandersetzte, der Vor der Abstimmung gab der Kommunist Stoeder eine Daraus folgerte er aber nicht, daß er abzulehnen sei, sondern Mißtrauensantrag fei aus monarchistischen Motiven gestellt. daß sich die Kommunisten der Stimme enthalten müßten, um für einen eigenen Mißtrauensantrag zu stimmen.

Diese Erklärung wurde allgemein mit Heiterfeit und dem Ruf Eiertanz!" aufgenommen. Danach trat der, völlische Herr v. Graefe auf, um zu erklären, das deutschnationale Mißtrauensvotum habe doch keine nähere Begründung gehabt und durch ihre Weigerung, dafür zu stimmen, hätten sich die Kommunisten als derzeitige Stüßen des Reichsinnen ministers" erwiesen. Herrn v. Graefes Erklärung fand über­all, außer bei den Kommunisten, heitere Zustimmung.

Die Sozialdemokraten haben natürlich gegen den Miß trauensantrag geftimmt. Das war jedenfalls logischer und fonfequenter als das Verhalten der Kommunisten. Neben diesen hatte sich auch die Wirtschaftspartei, also eine Regierungspartei, zum größten Teil enthalten.

Ministerpräsident Bechynje( Tschech . So3.) hat seine Miffion, wie er mitteilt, deshalb zurückgelegt, weil er zu der Ueberzeugung ge­tommen war, daß er Schiffbruch erleiden müsse, da die Agrarier die ultimative Forderung auf eine Berordnung, durch die die feften statt der gleitenden Getreidezölle binnen drei Wochen eingeführt werden sollten, gestellt haben. Die tschechischen Sozialdemokraten gehen zur kommenden Regierung feinerlei Bindung ein und werden die Einführung dieser Zölle bekämpfen. Wie die neue Regierung eine Mehrheit im Parlament finden soll, ist vorläufig unflar. Inter­effant ist es, daß der abtretende Ministerpräsident, der am Freitag auf einige Monate nach dem Süden fährt, eine längere Unterredung mit der Obmann der Deutschen Agrarierpartei, Senator Krzepet, hatte. Dieser Unterredung wird in politischen Kreisen großes Gewicht beigemeffen. Sie wird in Zusammenhang gebracht mit einem Antrag des deutschen Bizepräsidenten des Abgeordnetenhauses, die Regierung möge fämtliche Regierungsvorlagen auch in deutscher Uebersetzung vorlegen und auch alle Regierungserklärungen burch Dolmetscher ins Deutsche überlegen lassen, um den deutschen Ab­geordneten ihre Mitteilungen verständlich zu machen. Es ist inter effant, daß dieser Antrag nicht, wie bisher fiblich, abgelehnt, vielmehr seine weitere Prüfung zugesagt wurde.

Fällt Cerny?- Das neue Kabinett. Prag , 18. März.( WTB.) Das neue Ministerium ist folgender. maßen zusammengefeßt:

Johann Cerny, Präsident, Chef der politischen Landesvermal tung Mährens, Präsidium und Inneres; Dr. Benesch, Aeußeres; Profeffor Dr. English, Finanzen: Brofeffer Dr. Krtich mar, Unterricht; Dr. Haußmann, Justiz und Verpflegung; Dr. Be routta, Handelsminister; Dr. Riha, Eisenbahnminister, In genieur Reubit, Deffentliche Arbeiten; Dr. Slavit, Land­wirtschaft und Unifizierung: Generalftabschef Syrovy, Landes: verteidigung: Dr. Schiel, Soziale Fürsorge; Dr. Fatta, Post; Rallan, Slowakei .

Eine Ohrfeige für Mussolini .

Wien , 18. März.( WTB.) Wie eine Zeitungstorrespondenz er fahren haben will, wurde infolge Einspruchs der Familie Cesare Battistis von der Errichtung eines Battisti Dentmals in Bozen abgefeben. Dafür soll ein Gedenkstein für Groß Italien in diesem Sommer zur Enthüllung fommen.( Eine Be­stätigung dieser Nachricht von italienischer Seite liegt nicht vor.)

Der Saal des Geschworenengerichts ist klein, die Be­teiligung des Publikums gering, weil allein die Räumlich­feiten die Zulassung einer größeren Menge verbieten. Bon der italienischen Oppofitionspresse ist einzig und allein der Avanti" vertreten, von der auswärtigen Presse die ,, Times", Arbeiter- Zeitung "," New Leader", sowie einige französische der Manchester Guardian"," 3ürcher Zeitung"," Borwärts", hat, ben frappiert die politische Kühle und die über die scharfe und amerikanische Blätter. Der Ordnungsdienst ist muster­gültig. Wer ähnliche Prozesse in der Romagna mitgemacht digkeit der Abruzzesen, Eigenschaften, die die Zuspitzung der hat, den frappiert die politische Kühle und die über die scharfe Barteitrennung hinausreichende Urbanität und Liebenswür­politischen Gegensäge in Oberitalien schon zum Teil zum Ber­schwinden gebracht hat.

bedeutenden Bersönlichkeit. Nichts von Renaissancemenschen Keiner der Angeflagten erweckt den Eindruck einer und großartiger Delinquenz, sondern Individuen, die die Belle des Lebens ausspült, Schmaroger am Leibe der Gesell­schaft, Leute, die auf ein Dasein voll Genuß ohne Arbeit ab­zielen, diesem Ziel mit allen Mitteln und ohne Strupeln zu­streben, ein fleinkalibriges fümmerliches Gesindel. Wer hier etwa mit dem im Ausland. beliebten Vorurteil der südlichen Leidenschaft und dämonischen Heißblütigkeit an die Sache herantritt, der sieht mit Enttäuschung ein Gesindel, wie es alle Länder und alle Klimen produzieren, glattrajierte fette Kerle, die man leicht übersehen könnte und die kaum einen Eindrud hinterlassen.

Dumini, mehr als mittelgroß, fräftig gebaut, asch blond, mit start vorstehenden Kinnbaden, fleiner Schädel­ist anscheinend wenig Herr feiner Nerven. Er ist dreift, aus­portie und großem Gesicht, starker Nase und winzigen Augen, fallend, hat seine Rede auswendig gelernt, und wirft, menn Berteidiger Farinacci hilfeflehende Blicke zu. Gelegentlich ihn der Präsident durch einen Einwurf unterbricht, seinem fällt er aus dem Ton, der ihm im Schwurgerichtssaal zusteht, wird aber vom Präsidenten in seine Grenzen zurückgewiesen. mir scheint, der erste Verhandlungstag hat bewiesen, daß Dumini sich selbst nicht in der Gewalt hat und seine Ver­

teidiger ihn auch nicht.

vorbestraft, ist did, blond, flogzig und nichtssagend, unsicher Albino Bolpi, wegen Diebstahls und Fahnenflucht und wenig redegewandt. Nichtssagend, wenn auch mit einem starten Einschlag von Brutalität, ist auch die Gestalt Biolas, ebenfalls wegen Fahnenflucht vorbestraft und augenblicklich wegen Bankrotts unter Prozeß. Während diese Belden der Situation nicht gewachsen sind, haben wir in dem Mailänder Poveromo ein beinahe typisches Produkt des Großstadt­verbrechertums, ein fümmerliches, freches Bürschchen, schwarz­haarig, mit kleinem Kopf und riesigen Händen, sehr pronun ziertem Profil und schauspielerisch dreister Haltung. Er ist der einzige Arbeiter unter den Angeklagten er war Fleischer, während Dumini als Journalist auftritt, die anderen als Kaufleute. Der Lehte, Malacria, groß, träftig, wohlgebaut, blond, mit scharfen distinguierten Zügen, fieht mehr aus wie ein Banfier als wie ein Mann der blutigen Gewalttat. Er ist Sohn eines Generals, hat sein Vermögen in Geschäften verloren und steht unter Anklage wegen betrügerischen Bankrotts.

Was die Verteidigungslinie betrifft, die die Angeklagten einhalten, so ist sie diametral entgegengesetzt; Dumini hat die feine, die vier anderen die ihre.

Dumini sagt, wie ja weidlich bekannt ist, daß er Mat­ teotti nicht töten, sondern ihn zum Bekenntnis seiner Mitschuld an der Ermordung der Faschisten Tieri, Lombardo und Bon­fervizi in Frankreich zwingen wollte. Während er das Auto führte, wäre Matteotti einer spontanen Lungenblutung er legen. Borsichtsmaßregeln hätte er, Dumini, deshalb nicht angewandt, weil er sicher gewesen wäre, Matteotti der Mit­fchuld zu überführen und ihn mit Turati, Treves und Modi­ gliani als Mandanten der Mörder der drei Faschisten auf die