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1* Seilage öes vorwärts

Soüüabenö, so. März 1026

vniir dem

.Der Krieg ist parterre." sagte der Militärarzt zu dem Stellungs- Pflichtigen, der ihm davon sprach, daß das Treppensteigen ihm be- schwerlich falle. Der alljährlich im Frühling sich einstellende Kampf mit dem Boden ist auch parterre: beim Graben. Hacken, Pflanzen zieht die Erde den Menschen zu sich herab. Mancher Rücken hat ge- schmerzt, bis er sich an das Bücken gewöhnt hatte. Das soll jetzt anders werden: die Maschine ersetzt den Menschen. Neue Methoöea.* Der Laubenkolonist wird sich aus seinem kleinen Besitztum zu- meist nur mit Gemüsebau beschästigen: für den Siedler aber, der ein paar Morgen Land sein eigen nennt, muß es von größter Be- dsutung sein, wenn er ohne Mehrarbeit, ja vielleicht auch unter Er- sparung der Arbeit, von seinen, Boden bedeutend größere Erträge erzielt. Die landwirtschaftliche Technik diese in weitestem Sinne genommen ist nun seit dem Kriege dazu übergegangen, das Problem der Mehrerzeugung zu studieren. Entdeckungen und Er- findunaen wurden gemacht, die in gewisser Hinsicht geeignet sind, die Bestellung des Ackers zu revolutionieren. Sehen wir ganz von der Methode der Verwendung des künstlichen Düngers ab, so sind Hie Konstruktion der Fräsen zur energischen Bearbeitung des Bodens, die Beizung des Samens zur Abtötung von Ungeziefer. die Reizung des Samens nach der Popowschen Mechode zur Er- zielung größerer Ertröge und die Reihensaat der Getreidekörner in weiten Abständen, die ein Hacken des Bodens ermöglichen, so bemerkenswerte Erscheinungen, daß man von ibrer Bereinigung das Beste für eine nade Zukunft erhosfen darf. Und nun kommt ein Landsmann und stellt eine Theorie auf. aufgebaut aus tausend- jähriger Praxis in Ostasien ! Sehen wir zu, was er uns zu sagen hat. Oer abgesetzte Sämann. Mit der Pflanzensehmnschlue(.Fortuna" genannt) will Herr D. Trietsch das Problem lösen, vor allem den deutschen Getreidebau ertragreicher machen. Was der Japaner und Ehtnese durch die mit der Hand vorgenommene Umpflanzung der im Saatbeet heran- qezogenen Getreidepflänzchen auf breite Reihen erzielt, ist in der Tat höchst bemerkenswert; der Getreide- und Reisanbau Ostasienz ist ein.gärlnerislerter" körnerbau und bringt das Siebenfache einer amerikanischen Kultur. Daher ermöglicht der Besitz von nur einem Morgen die Existenz einer Asiatenfamilie. Die Erkenntnis. daß die in Reihen gepflanzte, alleinstehende Getreidepslanze Hinsicht- lich Anzahl ihrer Halme und der Körnerzahl ihrer Aehren weit höhere Erträge, als die nach alter Manier breitwürfig ausgesäte Pflanze liefert, hat nun ja bereits zu der oben erwähnten Reihen- saat geführt. Daß eine unter günstigen Verhältnissen ausgeführte Bestellung des Ackers mit Pflänzchen, die im Saatbeet herangezogen find, in breiten Reihen dieses Mehr an Erträgen noch zu steigern vermag, liegt auf der Hand. Es fragt sich nur, wie ist eine solch« Verpflanzung praktisch zu machen? Mit Handarbeit schwerlich, da

hier die Notwendigkeit, den Umpflanzungsprozeß in kurzer Zeit zu vollenden, eineMenschenmasse zurVorausfetzung hätte, die nicht vor- Händen ist. Wenn nun die neue Pflanzensetzmaschine, über die jüngst in einer Versammlung der Berliner.Landhilse" diskutiert wurde, und deren Konstruktion namentlich von dem Gedanken, als solche Umpflanzmaschine zu dienen, beeinflußt wurde, die Hoff- nungen erfüllt, die ihr Konstrukteur hegt, so wäre es in der Tat möglich, den bisherigen landwirtschaftlichen Hauptprozeß: die Herein- bringung von Getreide aus eine ganz neue Basis zu stellen. vie vorteile üer Umpflanzung. Wie schon von den Verfechtern der Reihensaat bemerkt wurde. ist mit der Einzelstellung der Pflanze eine große Ersparnis von Saatgut verbunden. Diese Ersparnis ist beim Umpflanzverfahren noch verstärkt, da man für den Hektar etwa S bis 7 Kilogramin Saatgut für 100 000 Pflänzchen zu rechnen hat. Es ist also mög- lich, bestes, daher teuerstes Saatgut zu verwenden, und man wird trotzdem noch ersparen gegen früher, wo brcitwürfige Saat zirka 170 Kilogramm pro Hektar erfordert. Ein anderer Borteil ist, daß man in der Lage sein wird» für die Zeit des Umpflanzens die klimatisch am besten sich eignende Periode auszusuchen, da

Die Arbeit am Frühbeet.

naturgemäß die Bedingungen, unter denen die Pflänzchen durch die Maschine in den Loden gebracht werden, die denkbar günstigsten sein sollten. Die Maschine ähnelt einigermaßen den komplizierien Handsämaschinen: sie senkt die Pflanze in die Erde und drückt sie

an, bekanntlich eine Hauptsache beim Pflanzen. Sie bedarf zweier Personen: die eine schiebt den Apparat vorwärts, die andere steckt die sachgemäß aus dem Saatbeet genommenen Pflänzchen eine nach der anderen in einen Trichter, von dem aus die Fort- bewegung nach unten erfolgt. Die angegebene Leistungsfähigkeit: Pflanzung von S000 Pflänzchen in der Stunde erscheint reichlich hoch aber selbst eine Kürzung um ein Drittel oder gar die Hälfte ergäbe immer noch eine gute Leistung. Wie wir erfahren, werden zurzeit kombiniert» Versuche an- gestellt: Umpflanzung von Pflänzchen, die nack Popowschcr Art stimuliert sind, durch die Maschine. Die Iorüerung üer Stunde. Wenden wir uns nach diesen Zukunftsbetrachtungen dem heu- tigen Tage zu. so wird jeder Gartenbesitzer seiner Freude über die milde Witterung durch sleißigeBorarbeit im Boden Ausdruck gegeben haben. Der Winter, der so früh recht grimmig einsetzte, hat uns zwar nicht allzu viel Schnee, aber doch reichlich Feuchtigkeit ge- bracht, nur die Sonne fehlte, die der mit Glasfenstern operierende Gärtner jetzt so sehnsüchtig herbeiwünscht. Wie anders entwickeln sich im Mistbeet oder in den Schalen auf den Hängebrettern der Gewächshäuser die jungen Gemüsesaaten, wenn«in paar Sonnen-

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Bewurzelung der Pffaazen bei in Ifeiheasetzen bei Brehsast stunden zu verzeichnen sind. Zehl kann man aber auch schon ohne teure hcizmlttel zur Auesaalim Frühbeet schreiten, wobei Reihen- saat sehr zu empfehlen ist. Daß man Mohrrüben und Erbsen schon dem Boden anvertrauen kann, ist bekannt: als erste Frucht zeigt sich bereits der gedrungene Keim des aus dem Boden brechenden Rhabarbers. Fleißiges Bearbeiten des Bodens, fleißiges Düngen. Entfernen von Schutzdecken, Beseitigen alles Schlechten, Faulenden. Morschen im Garten und an der Umzäunung erhöht Auslehen und Ertrag: Wenn auch dieWettermacher" das Äuftreten neuer winter- sicher Temperaturen nicht für wahrscheinlich orilären, wird der ge- witzigte Landmann doch nicht allzu sorglos fein und die Schutzdecken so legen, daß sie sofort wiedergreifbar" sind, wenn die Tem- peratur heruntergeht. Wo neue Saaten und später neue Psion- zungen zu schützen sind, schlage man gleich ein paar Pfähle ein, die, mir Latten verbunden," zur Auslage von Decken, Stroh- matten usw. dienen können. Vor ollem sorge man für gut ob- gehärtete Pflänzlinge, die einen leichten Kältepuff aushalten können. » Kehren wir noch einmal zum Ausgangspunkt unserer Be- trachtung zurück: alle Bestrebungen, die deutsche Ernte zu steigern. dienen der Gesamtheit des Aolkes. Je mehr der einzelne aus seiner Besitzung herausholt, desto unabhängiger wird er von der Markt-

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Gnkel Moses. Roman von Schalom Asch .

Venl' vvcls, please, sprich nicht so. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich bin ein närrisches Mädel. Du host recht, du hast mir, Po, Ma so viel Gutes getan, und ich bin so schlecht, so dumm. M.v good, good uncle." Sie barg ihren Kopf an seinem Halse, und heiße Tränen, ein kindlicher Kuß, welche von Hilflosigkeit und Trauer herkamen, wärmten des Onkels alte, harte Haut. Einen Augenblick lang tat es ihm wohl, und er ließ sich küssen. Doch bald protestierte sein Mannesstolz gegen die un- schuldigen kindlichen Küsse. Er wollte Mascha umfassen und auf den Mund küssen, wie ein Mann eine Frau küßt, doch ihre Tränen hielten ihn zurück, denn die Tränen machten sie kindlich, und er begehrte danach, die Frau in ihr zu küssen... So löste er ihre Arxne von seinem Nacken und schob sie sanft fort. Du vergißt, Mascha, daß du kein Kind mehr bist: du bist ein erwachsenes Mädchen." Mascha wurde rot vor Scham. Ihre Tränen blieben in den Augen hängen, und sie blickte unschlüssig und hilflos mit feuchten Augen den Onkel an. Willst du nach Hause gehen?" fragte sie der Onkel. Ja." Mascha nickte»mit dem Kopf. Der Onkel löschte das Licht aus, verschloß sorgfältig die Türen und ging, ohne sich um Mascha umzusehen, als wäre sie gar nicht hier. Bevor er sie vor ihrem Hause absetzte, sprach er: ..Sei unbesorgt, Mascha, was ich für dich tun kann, werde ich tun wie für alle meme Landsleute und Verwandten." Damit fuhr er fort. Zu Hanse wartetenPa" undMa" in Angst und Dangen auf Mascha. Doch Mascha beantwortete ihre fragen- den Blicke nicht und ging sofort in ihr Zimmer. Aaron rief sie, um sie nach dem Ergebnis der Unterredung zu fragen, doch feine Frau zog ihn beim Aermel und flüsterte ihm zu: Laß sie gehen, heute frage sie nicht!" Aaron sah ein. daß seine Frau recht hatte wie immer. Mascha lag die ganze Nacht schlaflos. In der Nacht wurde ihr klar, daß sie kein Recht mehr auf Glück hatte, daß Line Schnur um ihren Hals lag, daß sie verkauft war, als

sie noch Kind war, verkauft für die Behaglichkeit der Eltern und aller ihrer Verwandten. Sie erinnerte sich an die Zeit in der Hopkinsstreet, ehe sich der Onkel ihrer angenommen hatte, als sie noch dasHausmülterchen" gewesen war. Sie lächelte, als sie sich erinnerte, wie sie den Delikatessenhändler und den Fleischer mit dem ZauberwortPapa arbeitet" be- trogen hatte, als er vom Haufe fortgelaufen war. und anderer ähnlicher Szenen. Sie sah ein. daß sie bis heute nicht auf- gehört hatte, die Rolle des Hausmütterchens zu spielen. Und diese Rolle durfte sie nicht mehr aufgeben. Sie sah dasSchafott" das Schlafzimmer mit dem blauen, roten und gelben Licht: vielleicht war es das Schafott, der Opferaltar, der sie anzog... Sie hatte Furcht vor dem blauen Schlafzimmer, und es zog sie doch zu dem blauen Schlafzimmer. Sie konnte nicht ablassen, an das blaue Schlafzimmer zu denken. Es zog sie mit derselben Kraft an wie der Tod den Schwerkranken. Am Morgen sagte sie zur Ueberraschung aller dem Vater, er möge dem Onkel sagen. daß sie ihre Worte bedauere und... Doch der Onkel'ließ nicht mit sich reden. Er wollte nichts hören und nichts wissen. Aaron Melnik und feine Frau kamen und flehten ihn an, er möge mit ihrem Kinde Mitleid haben und ihr junges Leben nicht zerstören doch der Onkel wünschte, daß Mascha selbst zu ihm komme und ihm sage, was sie zu sagen habe. Dann werde er sehen, was zu tun sei. Und er fügte hinzu: Please, tut mir den Gefallen und zwingt sie nicht um eures Stückchens Brot willen, etwas zu tun, was sie nicht will." Mascha fühlte die Erniedrigung, welche der Onkel ihr antat, indem er wünschte, daß sie selbst ihn bitten komme. In den wenigen Tagen war jedes Gefühl von Achtung und kind- licher Liebe, das in der Zeit, da der Onkel sich mit Mascha abgab, in ihrem Herzen gewachsen war. in ihr erstorben. Sie empfand nur mehr Verachtung, Ekel gegen ihn. Doch sie konnte den bittenden, bettelnden Blicken von Pa imd Ma, ihrer Brüder und Schwestern nicht widerstehen, welche stumm flehten: Tu etwas für uns. Sie war dasMütterchen" und hatte keine Kraft, das Gefühl ihrer Mütterlichkeit zu besiegen. welches seit ihrer Kindheit in ihr lebte. In dieser Zeit suchte sie Charlie auf: sie erwartete nicht, von ihm ein Wort zu hören, das ihr Kraft gäbe, den Kampf zu bestehen, sondern sie wollte sehen, ob ihr vielleicht sein An- blick mehr Kraft und Hoffnung geben könnte. Sie verab-

redete mit ihm ein Zusammensein, und wieder gingen beide den ganzen Tag auf der Fünften Avenue und im Zentral- park spazieren, wieder sprach Charlie-unaufhörlich von großen Dingen, von der Befreiung der Welt, vom Sinn des Lebens. erzählte von seinem Plan, einen Streik beim Onkel zu orga- nisieren. Doch für sie, für ihr Leben, für ihre Interessen hatte er kein Wort. Genau so wie das erstemal interessierte sich Charlie für die ganze Welt, nur nicht für Mascha, genau wie früher sah er nicht sie. Mascha war schon bereit, ihm alles zu erzählen und ihn zu bitten, er möge ihr helfen, stark zu fein, daß sie Kraft finde, ihr Leben auf eigene Verantwortung zu beginnen, er möge ihr helfen, sich auf eigene Füße zu stellen. Doch.Charlie war mit so großen Weltprablemen be- schäftigt, daß Mascha nicht wußte, wie sie eigentlich mit ihm über sich und über ihr kleines Leben sprechen sollte. Es schien ihr, als sei es für Charlie zu geringfügig, sich mit so kleinen privaten Angelegenheiten abzugeben. Von dem Spaziergang mit Charlie kam sie noch verlasse- ner und einsamer heim, als sie gegangen war. Sie hatte kein Wort über sich mit ihm gesprochen, und Charlie war es gar nicht aufgefallen. Dann versuchte Mascha, sich allein selb- ständig zu machen: sie ging auf Grund eines Zeitungsinserates eine Stelle suchen. Zu Hause herrschte traurige Stimmung, die stummen Blicke der Schwestern und des Vaters bebten hilflos. Was lag daran längst schon liegt die Schnur um den Hals. Mit der Schnur um den Hals war Mascha geboren worden. Sie ging zum Onkel. Nur Ekel und Verachtung empfand sie gegen ihn doch sie ging. Sie verstand und empfand deutlich, was dieser Gong bedeutete und was er für ein Er- gebnis haben würde. Sie sah das blaue Schlafzimmer mit dem Bett auf dem Piedestal... Und vielleicht war es das blaue Zimmer und das Bett auf dem Piedestal, welche sie dazu brachten, alle Erniedrigung und alle Gefühle zu verbergen und selbst zum Onkel bitten zu gehen, daß er sie heirate. Es war, als hatte sie das blaue Zimmer verzaubert. Fürwahr, sie hatte Sehnsucht nach dem blauen Zimmer, insgeheim, in der Stille, tief in sich hatte sie Sehnsucht nad> dein blauen Zimmer mit allen seinen geheimnisvollen Lichteffekten. Ihre Phantasie webte um das blaue Zimmer und gaukelte ihr ver- schiedenartige Schreckbilder vor. Und das blaue Zimmer zog sie an wie der Tod den Kranken... ______(Fortsetzung folgt.)