Sonnabend
20. März 1926
Unterhaltung und Wissen
Der General.
Bon P. Beiland.
Jeben Morgen um 8 Uhr tommt ein mittelgroßer, dunkler Herr aus der Stadt den Promenadenweg hinauf, der am Kopen hagener Hafen entlangführt. Er ist wohl an die Fünfzig, feine Züge ſind ſcharf geschnitten wie die eines Militärs, fein Gang ift mürdevoll, straff, wie jemand, der sich seines Wertes bewußt ist. Er fommt bei jedem Wetter, im Winter wie im Sommer. Und er trägt immer denselben Mantel, einen langen, unmodernen Bela mantel, der immer mehr und mehr verschleißt. Er geht den Weg am Hafen entlang, bis hinauf zum Leuchtfeuer, feßt sich auf die Bant am Turm und schaut über das Meer. Schaut auch auf das Fort Trekroner, fritisch und oft mit einem verächtlichen Lächeln um den Mund, wirft auf dem Rückwg einen Blid auf die paar alten Eifenfähne im Kriegshafen. Aber um 11 Uhr ist er zu Hause.
Sein Zuhause ist ein breiftödiges Mietshaus im Often Ropenhagens, wo der ehrbare dänische Mittelstand sonst wohnt. Das ist ein Haus wie jedes andere, drei Nielsens wohnen drin, drei Jensens, aber im dritten Stod, neben dem Postassistenten Jensen( mit der Aussicht auf die Beförderung zum Oberpoftaffiftenten) wohnt der so ganz undänische Herr, Herr Tscherbatoff, Mit seiner Tochter.
Die Dänen find sehr wohlerzogen. Sie sind auch demokratisch. Sie reden nie über ihre Nachbarn. Und sie laffen sich absolut nicht von, irgendwelchen Titeln imponieren. Über die Mieter im Hause missen alle, daß der Herr Tscherbatoff ein ruffischer General mar, und die Frauen, menn sie dem Herrn General auf der Treppe begegnen, grüßen zuerst mit ihrem untertänigften Lächeln, und die Männer reißen die Haustür auf und lassen den Herrn General zuerst pajfieren, wenn sie ihm begegnen. Aber das tommt felten vor, denn wenn Herr Tscherbatoff um 11 Uhr nach Hause tommt, verläßt er feine Wohnung gewöhnlich nicht mehr vor dem nächsten Morgen gegen 8 Uhr.
Das bedeutet aber nicht, daß der Herr General nichts täte, Im Gegenteil. Er arbeitet sehr fleißig. So fleißig, daß seine Tochter von früh bis abends auf die Sprachschule gehen und ehrgeizigen Kontorjünglingen Russisch beibringen muß, um fie beide zu ernähren. Denn der Herr General hat seine befondere Aufgabe, sein Lebens. ziel. In dem größten Zimmer der Wohnung steht ein riesiger Tisch. Darauf eine Karte von Rußland . Stundenlang steht der Herr General über diese Karte gebeugt, stedt grüne, rote, blaue, gelbe Fähnchen, zirkelt Entfernungen ab, fommt in Eifer dabei, flucht, feuert an, seine Augen lodern er hat wieder einmal die Bolsche miten geschlagen. Andere Stunden fißt er an dem als Schreibtisch Und schreibt, rechnet, eingerichteten fleineren Tisch in der Ede. mälzt militärische Schriften und Bücher. Und schreibt wieder. Und rechnet.
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Es war nicht immer so. 1919, als modh bie englischen Dreadnoughts schußbereit im Kopenhagener Hafen lagen, auf den Befehl zum Bombardement Petersburgs wartend, als rullische Ligen wie Bilze aus der Erde fchoffen, gefördert von englischen und franzöfifchen Staatsmännern und Generälen, als die bänischen Kriegsspekulanten Waren und Kriegsmateriallager einfauften für die Heere, die in Eftfand, in Finnland , in Bolen aufgestellt werden sollten zur Befreiung Ruß lands vom bolichemistischen Regiment, da war General Ticherbatoff ein vielumworbener Mann. Da wohnte er draußen im Strand billenquartier in prachtvollen fieben Zimmern, bie ihm ein ge schäftstüchtiger Exportlaufmann eingeräumt hatte, da drängten sich um ihn ehrbare und zweifelhafte Eriftenzen. Sie sprachen von deutschen zurückgelaffenen Kanonen, Maschinengewehren und Munitionslagern in Belgien und Frankreich , bie fie an der Hand" hätten, fie mollten ihm Pferde verschaffen, Uniformen, sogar Kriegs. Schiffe nur mitziehen in den Krieg wollte niemand. Und russisch dänische und franzöfifch- dänische Vereinigungen riffen fich um die Borträge des Herrn Generals über die ruffische Schreckensherrschaft und die Notwendigkeit der Befreiung Rußlands vom Balschewismus. Ind Bankleute versprachen dem Herrn General Kredit für den Fall, bak Dann aber fam ein Windzug, Non Paris , non London , von New Dort, mer weiß das beftimnit? Bestimmt ist nur, daß es ein fehr, sehr fühler Bindzug war, der die englischen Schiffe aus der Ditsee heraustrieb, der den weißen Armeen in Rußland die Stüßen fortblies. Da sprach der Großlaufmann, der dem Herrn General ehrenhalber Quartier gegeben, plöglich davon, daß er die Zimmer für sich selbst brauche, da verschwanden die Offerierenden, und die Bantfeute machten einen großen Begen, wenn fie aufällig bem Herrn General begegneten.
Zähnefnirschend über die Schändlichkeit der Welt räumte der General die Luruswohnung, still und ergeben begann feine Tochter ihren Sprachunterricht. Der General aber fist und rechnet, plant und zeichnet wie ehedem. Sein Haß, feine Bitterfeit ist unerschütters lich. Und in jedem Jahr einmal steigt er hinauf zu dem französischen Militärattaché, zu der englischen Gesandtschaft, und gibt einen neuen Aufmarschplan gegen Petersburg ab. Und geht nach Hause, am nächsten zu arbeiten.
Die Herren auf den Gesandtschaften find sehr höflich, sehr entgegenkommend und legen die Pläne zu den Aften.
Und denken achfelzudend: Alter Marr... aber, vielleicht fann man ihn doch noch einmal brauchen..
Rationelle Elektrizitätswirtschaft
Bon Dr. Rudolf 2ammel.
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Freilich find es nur die erften Trompetensiöhe auf dem langen Weg, der zur technisch- wirtschaftlichen Bernunft führt aber mir frellen mit Freuden feit, daß nun doch wenigftens an einer Stelle im abendländischen Kulturbereich die entscheidende Wichtigkeit der Elef: trizität erkannt wird. Reichliche Lieferung von sehr billiger Elek trizität ist die ordering, um die es fich hierbei handelt. ne teste Haus des fernsten Dorfes foll Licht und Krait gebracht werden, dies ist das Brogramm des Minifterpräsidenten, natürlich nicht des deutschen , sondern des englischen! Herr Baldwin hat also neben feinen vielen außen und innenpolitischen Sorgen doch noch die Zeit gefunden, fich mit der Frage der Elektrowirtschaft seines Landes zu befallen. Es muß alfo dort im glüdlichen Athion tren der schweren fozialen Kämpfe, die unter der deinbar ruhigen Oberfläche toben, verständige Menschen geben, die an maßgebender Stelle fizen und die ihrem Landeschef die tulturelle Wichtigkeit der Angelegenheit begreiflich machten.
Welch ein Unterschied gegen Deutschland , wo der Staat und die Länder die Elettrowirtschaft nur als eine tommene Quelle für indirekte Steuern ansehen, wo an den„ maßgebenden Stellen" auch
Bellage des Vorwärts
nicht der Schimmer eines fozialen Berſtändniffles für die Angelegen. Das wiedererstandene Babylon.
heit besteht. Wir lefen fast täglich von neuen Beteiligungen des Etaates an fleineren und größeren elektrischen Unternehmungen. Da übernimmt beim Ostpreußenwert A.-G. in Königsberg der Staat 2 Millionen, bei der Rheinisch- Westfälischen Elektrizitäts- 2.- G. Effen 11,7 Mill, bei den Preußischen Kraftwerken Oberwefer A.-G. Kaffel, 12,9 Millionen Mark, und diese fleinen, nur so nebenbei und in Breußen allein im März 1926 angeforderten Beträge machen etwa Beteiligungen Kleinigkeiten sind gegen die bereits bestehenden Be 75 Millionen Mart aus. Man weiß aber, daß alle diese neuen
Mussolinis Flötentone.
Musson
Ja, Frau Juffiz, ich pfeife auf Instanzen! Auch hier mußt du nach meiner Pfeife tanzen! Hier hab ich dir ein Liedchen vorgeflötet, Wie Matteotti fich von selbst getötet: Er hatte sich beim Ausflug falsch benommen, Und dabei ist er leider umgelommen. Was ist ein fleiner Dolchftoß in den Magen? Er fonnte eben feinen Scherz vertragen! Jhn traf die Schuld, wenn man zu tief gestochen. Die Angeklagten werden freigesprochen!
teiligungen an großen Werfen und Konzernen. Reich und Länder betreiben diese Finanzierung feineswegs etwa zu dem sozialen 3wed, einen kräftigen Einfluß auf die Preisgestaltung zu erlangen, nein, im Gegenteil: fie wollen an dem großen Profit mit teilhaben, der aus dem glänzenden Geschäft des Berkaufs der Elektrizität zu übertriebenen Breijen erfolgt! Die öffentliche Hand bis herab zu den Kreisen, Städten und Gemeinden hat die große Aufgabe nicht erfannt, bie in der modernften Energieform den Menschen entgegen. tritt. Es ist nicht nur die Sache selbst: elektrisches Licht und eiet trische Kraft- fondern auch das Symbol: eine Naturfraft, die in hygienische Formen gebunden ist und die Licht in den letzten Winter" bringen soll.
England hat noch große Kohlenvorräte, die unberührt in der Erde schlummern. Sie sollen nun angegriffen werden, ihre Energie in Elektrizität umgewandelt und der 7- Millionen- Stadt London zugeführt werden. Man will die Kraft für einen Benny ( 8% Pfennige). pro Kilowattstunde abgeben und das Licht nur ein wenig teurer. Die gegenwärtigen Preise sind als zu hoch erkannt: 25 bis 75 Bf. pro Kilowattstunde, ähnlich wie in Deutschland . Dabei hitt ein ganz großartiger Plan der Kombination zwischen Kohle und Gezeiten mieder in den Vordergrund. Bor einigen Jahren hatte das Arbeitsministerium einen Kredit für Borarbeiten am Severn mert bewilligt. Dort soll ein Flut- und Ebbewert errichtet werden, das wegen der günftigen Lage an der Mündung des Severnfluffes Ausfibt auf gute Rentabilität hat. Es blieb aber dann still. Offen bar standen einflußreiche Kreise dem Plane mißgünstig gegenüber. Die dauernde Kohlefrisis( Ueberschuß an Kohle) machte den Plan geradezu unbeliebt. Dazu tam das Mißtrauen und Vorurteil der Leniter. Denn gerade die Technit ist genau wie irgendein anderes menschliches Forschungsgebiet den Vorurteilen und Schlagworten des Zeitgeistes unterwarfen.
Dorman und Bearfon verbündet. Die Regierung wird für Baldwin hat sich mit den befannten Rolonialorganisatoren die erste Bauetappe 40 Millionen Mart geben, die Unternehmer 60 Millionen. Man sieht, auch dort ist die Regierung nur in der Form eines gemischt wirtschaftlichen Betriebes beteiligt, auch dort bat fie nur 40 Bros. des Kapitals in Befiz. Aber der Unterschied gegen die deutschen Regierungsbeteiligungen ist in die Augen sprin. gend: die Regierung verlangt von vornherein die Einstellung des ganzen Unternehmens auf den Preisabbau. Wann hat man in Deutschland davon gehört, daß die Regierung die Elektrizitätspreise abbauen will? Daneben besteht der Plan, die ganzen Bahnen im Süden und Südosten Englands zu elektrisieren. Dadurch wird der Betrieb billiger, wenngleich bemerkt werden muß, daß dieser Uebergang nur langsam erfolgen darf, weil sonst wegen der vielen auszuschaltenden Lokomotiven ein zu großer Berlust erfolgt es wird aber auch die Leistungsfähigkeit der Bahnen größer, weil die Bugsfolge dichter wird und der Eigentransport von Kohle für Bahn awede fortfällt. Man hat in dieser Hinsicht in der Schweiz günftige Erfahrungen gemacht, Gegenwärtig fann es als ausgemacht gelten, daß der elektrische Betrieb der Bahnen in einem Kohlenland ebenso norteilhaft ist mie in einem Wafferkraftland vielleicht sogar noch günstiger, wenn nämlich der llebergang in einem Seitpunkt erfolgt, wo andernfalls größere Neuanschaffungen von Lokomotiven erfolgen müßten. Gebiet von Groß- Lonbon( etwa die Grafschaft London umfaffenb) tann mit feinen 10 millionen Einwohnern, alfa der zweieinhalbfachen Berliner Bevölkerung, eine ungeheure Menge Elektrizität aufnehmen. Die Gesellschaften, eine große Anzahl meist Heiner Firmen, vermögen den Bedarf auch nicht annähernd zu be friedigen. Die Ausschließung der Kohlenlager in Kent, ihre groß zügige Berwertung für die Herstellung billiger Elektrizität mit madernften Maschinen in einigen Riesenwerken, die Verwertung der Abwärme für neue chemische Industrien und für Zentralheizungen von Städten, das ist der Plan der englischen Regierung bei der Einführung einer neuzeitlichen Energiewirtschaft in Großbritannien , Bie lange, fo fragen wir, wird es dauern, bis man in Deutschland begreift, daß man die großen natürlichen Energiequellen, über die wir verfügen, nach einem einheitlichen Plan zusammenfaffen und permerten muß? Und wann wird man in Deutschland begreifen, daß die hohen Elektrizitätstarife eine unfoziale indirekte Steuer sind, die den tleinen Mann tausendmal stärker trifft als die wohlhabenden Beute?
Das
In diesen Tagen, wo Amerita, England, Frankreich und andere Länder die Früchte ernten, die Deutschland angesichts seiner beengten Lage nicht bergen tann, tut es doppelt not, auf ein Wert hinzuweisen, das das Ergebnis einer langen Lebensarbeit ist, die sich ein flares Biel von elementarer Bedeutung gesezt hatte und ihm über handelt sich um die letzte Zusammenfassung der Lebensarbeit des im alle Schmierigteiten und Hemmungen hinweg treu geblieben ist. Es Februar 1925 gestorbenen Archäologen Robert Koldewey . Die vierte Auflage seines Wertes über das miebererstehende Babylon , das alte Babel, auf das nahezu alles Forschen nach den Grundlagen unseres geschichtlichen und fulturellen Werdens zurückgeht, birgt nunmehr die gesamten Resultate einer nahezu vierzigjährigen mit eiserner Konsequenz durchgeführten Arbeit. Zwar ist diese Veröffentlichung ( erschienen bei Hinrichs, Leipzig , 1925) ihrer ganzen Anlage nach in erster Linie für Spezialinteressenten gedacht, gibt aber auch dem Laien dank ihrer ausgezeichneten Bildausstattung bereits einen überwältigenden Begriff von der Größe der von Koldemen zu neuem Leben erweckten Welt und wird überdies demnächst durch ein gemeinverständliches Wert ergänzt werden.
Man muß fich vergegenwärtigen, daß das Gebiet des alten Babylon , bevor Koldewens Arbeit es dem Lichte der Gegenwart wiedergab, eine große Sandmüste am Euphrat darstellte, in der nur einige geologisch nicht motivierte, fandbedeckte Hügel den Forscher darauf aufmerksam machen fonnten, daß sich unter der Sanddecke Ruinen befinden müßten. Heute tennen wir das Straßennez der alten riesigen Königsstadt, ihre Einteilung in fönigliche, bürgerliche und proletarische Quartiere, die Grundrisse der meisten repräsenta tiven Gebäude, der Schlösser und Tempel, in denen das Geschlecht saß, von dem Jahrtausende lang das Schicksal der damaligen Welt gelenkt wurde.
Die ältesten Funde, in ber Hauptfache Steingeräte, laffen mit Sicherheit die Existenz der Stadt bis in das 6. Jahrtausend v. Chr. zurückführen. Die ältesten Ruinen gehören der Zeit Hammurabis an ( 2250 v. Chr.). Schicht um Schicht häuften sich über sie die Reste der faffitischen, der assyrischen, der neubabylonischen, persischen und griechisch- parthischen Zeit. Eine gewisse Erleichterung der Ausgrabungsarbeiten bedeutete die Tatsache, daß alle diese Schichten mil ihren Neuanlagen, Erweiterungs- und und Berschönerungsbauten burchweg den ursprünglichen Stadtplan respektiert hatten. Die größte Masse wertvoller Ueberlieferungen verdanken mir Nebukadnezar ( 604 bis 561 v. Chr.), der feiner Residenz unerhörten Glanz verlieh und jeden Ziegel, der unter seiner Regierung verbaut wurde, mit feinem Namenszug fignieren ließ. Auch finden sich Spuren von Alexander dem Großen, nach dessen Zeit der allmähliche Stillstand und Rüdgang Babylons einseht, bis die Zeit der Sassaniden den endgültigen Niedergang der Stadt einleitet, um sich erst in der Araberzeit( 1200 n. Chr.) völlig zu verlieren.
Dank eines unwahrscheinlichen Glüdsumftandes begann man mit den Grabungen an einer Stelle, die unmittelbar auf das sogenannte Ischtar- Tor führte und damit zugleich den Zug der großen Brozessionsstraße freilegte, die vom Ishtar- Tar an der Sübbura porbei zu allen bedeutenden Bauten der Stadt führte. In ihnen spricht fich eine faum mehr faßbare Selbstherrlichkeit und zugleich doch auch Diszipliniertheit des Schaffens aus. Die öftlichen Torpfeiler des fchtar- Tores erweisen in der grandiosen Bucht ihrer polltommen unkomplizierten viereckigen Auftürmung eine Fähigkeit aur Maffengestaltung und Raumbezwingung, vor der man heute, gewöhnt an allzu eng umschriebene medmonumentalität, erschüttert und erhoben steht. An dieses gewaltige Tor schließt unmittelbar die babylonische Südburg an, in deren eigenartiger und im ganzen Bereich asiatischer Architektonit durchaus einmaligen Gewölbe tonstruktion Koldewey das Fundament des Weltwunders der hängenden Gärten des Semiramis zu sehen glaubt. Ihr Grundriß tonzentriert sich um brei riesige Höfe, um die fich die mächtigen Säle gruppieren, in deren größten vermutlich das berühmte Goftmah! des Belfazar au perlegen ift.
Bon tausend anderen nicht viel weniger wesentlichen Funden fann in diesem Zusammenhang nicht gefprochen merden. Erwähnt fei mur noch das Gegenstück zur Südburg: der große Turm bes Etemenanti, das Haus des Fundamentes Himmels und der Erden". Der Rest des Turmes zu Babel", umgeben von einer taufenb türmigen Mauer, in unmittelbarer Berbindung stehend mit dem Mardukt- Tempel, dem zentralen Heiligtum des Reiches.
Was von der Auswertung der Koldewenschen Arbeiten noch zu erwarten ist, fann nur turz angedeutet werden, durch den Hinweis auf die Tatsache, daß die Babylonier mit dem Eifer und der Sorgfalt zünftiger Archivare, die vollständige Geschichte ihres Reiches unvergänglich und unauslöschlich, vorläufig allerdings nur zum geringsten Teil entziffert, in den Ton ihrer Bauziegel eingebrannt haben. Roldewen hat sich mit der Bergung und Berarbeitung dieser Einzelheiten nicht befaffen fönnen. Ihm ging es darum, die großen Grundlinien einer vergangenen und doch in allen Wurzeln unseres gegenwärtigen Daseins immer noch lebendigen Kultur flarzulegen.
Wilhelm Renner.
Auch ein Jubiläum. Als während der großen Seit das Brot immer inapper und allmählich zu einer plastischen Maffe wurde, die, auf die Hauswand gedrückt, fich mühelos zu einem Seif um das ganze Haus herum ausziehen ließ, häuften fich eine Zeitlang Melbungen über den gewaltigen, unausgeschöpften Nährwert des Baumholzes! Es fönne feingemahlen unbedenklich dem Brotkartenbrote und was sich so nannte, zugeführt werden und so die Kauration pro Kopf vergrößern helfen. Der Krieg dürfe dann ruhig bis zum jüngsten Tage dauern( aber nicht länger als bis zur Umwandlung Europas in eine hohenzollerniche Krondomäne-): die riesigen Holzporräte Deutschlands mürben die Boltsernähruna sichern. Voltsernährung hieß es, well im Großen Hauptquartier und im Kaiserlichen Schloß zu Berlin tein Mehlmangel herrschte, wie die Speifentarten aus der Kriegszeit ausweisen.
Daß der Plan einer Brotmehistredung mit gemahlenem Holz ernsthaft diskutiert wurde, ist noch in schaudernder Erinnerung, ebenso wie die Blamage gewiffer föniglich- preußischer Wissenschaftler, als sich herausstellte, daß ihre an der Borstellung des Holzbrotes be flügelte Durchhaltephantafie nicht genügte, den menschlichen Magen zu einem Wiederkäuerverdauungsapparat zu machen. Weniger befannt wird aber die Tatsache sein, daß über das Problem der Nahrungsmittelbereitung aus Holz schon eine wissenschaftliche Denkschrift eriftiert, die im Jahre 1816 erstmalig erschien. Sie hat zum Berfaffer den Tübinger Universitätskanzler 3. 5). Autenrieth und führt den schönen, verheizungsvollen Titel„ Gründliche
nleitung zur Brotbereitung aus Holz". Wie im Kriege der Nahrungsmittelmangel zur Heranziehung aller möglichen pegetabilischen Stoffe zwang, fo waren auch Autenrieths Verfuche, die Holzfafer als Weizenerfaß zu benußen, eine Folge der napoleonischen Kriege und ihrer wirtschaftlichen Verwirrung. Sicher ist nur, daß sie wieder vergessen wurden, als wieder genügend Getreide vorhanden war: und daß fie erst 100 Jahre später im Weltfriege neu auflebten.
Auch von den modernen Holzbrotversuchen vor zehn Jahren will man jeßt nichts mehr wiffen. Die Auswirkungen ihrer zeitlichen Ursache sind jetzt in voller Schwere spürbar, so daß man an die Torheiten in ihrem Gefolge zu denken menig Neigung hat. Immerhin sollte man sich von Zeit zu Zeit ihrer erinnern, als Beispiele dafür, wessen man sich von der sozusagen voraussetzungslos. bürgerlichen Wissenschaft zu verfehen hat.