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Nr. 13843. Jahrgang
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Ausgabe B Nr. 69
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Dolksblatt
23. März 1926
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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Das Kompromiß schont die Hohenzollern !
Protest des preußischen Finanzministers. Finanzministers. – Wirkung Wirkung des Volksbegehrens auf den Rechtsausschuß. Heftige Anklagen gegen die Regierung.
In der heutigen Sigung des Rechtsausschusses war der teußische Finanzminister Höpfer- Aschoff erschienen, um auf die in der letzten Sizung vom Genossen Dr. Rosenfeld gestellte Frage Antwort zu geben, welche Wirkung der Fürstenkompromiß auf den Bergleich der preußischen Regierung mit den Hohenzollern ausüben würde. Der Finanzminifter erklärte:
Wir haben den Vergleich unter einem gewissen Drud geschlossen, da die Rechtslage dem Lande ungünstig und da wir mit einer reichsgefeßlichen Regelung nicht mehr rechnen konnten. Immerhin haben wir im Vergleich durchgesezt, daß die Kronfidei. tommiß und die Krondotationsrente ohne Ent fadigung megfiel und daß die historischen Schlösser mit allem Inventar an den Staat fielen.
Demgegenüber versagt der vorliegende Kompromißentwurf. Denn die Renten sollen nicht schlechthin megfallen, fondern nur infomeit, als fie nicht auf Privatrechtfitel beruhen. Ich stehe nicht an, für die preußische Regierung zu erflären:
Wenn diese Bestimmung bleibt, besteht die Gefahr, daß der Sompromiß ungünstiger ist als der Vergleich. Beiter befürchten mir, daß als Privateigentum der Hohenzollern die wertvolle kunstsammlung Solly, der Grundstod unserer Gemäldegalerie und auch die Herrschaft Flatom krojante angesehen wird. Bethes ift burch Sauf, also durch Bertrag, er worben worden, aber nicht mit Privatmitteln, sondern mit Staatsmitteln. Beides wird durch den Kompromiß nicht für den Staat gesichert. Auch die Bindung des Fürstensondergerichts an frühere Urteile ist für uns untragbar, da die Hohen zollern das Eigentum der Herrschaft Schwedt auf Grund von früheren Urteilen in Anspruch nehmen können, die wir als Fehlurteile ansehen müssen. Das Inventar ber Schlösser wird nach dem Kompromiß nicht für das Land gefichert. Die Sachen, die der lezte Kaiser hineingebracht hat, die Klubsessel usw., tann er ruhig bekommen. Aber das alte Inventar muß dem Staate bleiben. Wir wollen die Schlösser mit ihren alten schönen Einrichtungen der Deffentlichkeit dienstbar machen. Es geht auch nicht, daß der Staat die Hohenzollern - Schlösser erhalten joll, ohne daß die Hohenzollern für die Unterhaltung zahlen. Der Kom promiß sichert auch nicht hinreichend vor der Berbringung von Werten ins Ausland. Wenn die Hohenzollern Schlösser und Güter perfaufen, ist feine Bindung für das als Kaufpreis ausgezahlte Kapital gegeben.
Nur bei Berüdsichtigung aller dieser Bedenken ist der Kompromiß für uns erträglich. Sonst führen wir lieber den Bergleich durch.
Es darf unmöglich dahin tommen, daß nach Verabschiedung des Kompromisses und nach einem Urteil des Fürstensondergerichts ein Ergebnis herauskommt, das dem preußischen Staat größere Lasten auferlegt als der Bergleich.
Dr. Rosenfeld:
Wir müssen uns für die General debatte vorbehalten, den Schluß aus diesen Ertlärungen der preußischen Re gierung zu ziehen. So viel fei bemerit: Unsere Kritik an dem Fürstenkompromiß hat in vollem Umfange ihre Bestätigung gefunden. Eine schärfere Kritif als diejenige, die aus den Worten des preußischen Finanzministers heraustlang, ist gar nicht möglich. Insbesondere a n- gesichts des Erfolges des Boltsbegehrens ist der Kompromiß in der vorliegenden Form untragbar. Es ergeben sich aber noch eine Reihe von Fragen an den Finanzminister. Wenn nach seinen Ausführungen die Kronfideitommißrente von 2½ Millionen Talern weiterzuzahlen ist, so würde bei einer Rapitalisierung ein Betrag von 187 Millionen zu zahlen sein. Wenn man hiervon den Teil abzieht, der für die staatliche Repräsentation dienen soll, schäßungsweise zwei Drittei, so würde immer noch ein Drittel, d. h. 62 millionen an die Hohenzollern zu zahlen sein. also dos Doppelte der Eumme, die nach dem Vergleich an die Hohenzollern zu entrichten ist. Wie steht es ferner mit den Besigtümern der hohen zollern im Ausland: Achilleion auf Korfu, Urweiler im Elsaß und die Güter in Polen? Benn diese Besizungen vom Aus. land liquidiert werden, haben etwa die Hohenzollern Schaden erfazansprüche gegen Preußen oder das Reich? Was wird nach dem Kompromis aus der Herrschaft Ka mens in Schlifien, einem großen Besitz von 20 000 Heftar? Was geschieht mit dem Mobiliar, das 3. T. schon nach Doorn geschafft ist, teils bereits verpackt sein soll, um nach Holland trans. portiert zu werden? An wen fallen einzelne Kunstwerte von großem Bert, die nicht unter die Sammlungen fallen, die das Land be fommen foll? Schließlich frage ich, ob die Hohenzollern sich nicht früher für Werte, die zu den Hausfideikommiffen gehören, Gebührenfrei heit in Anspruch genommen haben, die an sich doch mur für Staatseigentum in Frage kommen fann?
Finanzminister Höpker- Aschoff:
Auf diese Fragen habe ich zu erflären: Es besteht in der Tat die Gefahr, daß die Rente von 2% Millionen Talern ent. weder als Rente für ewige 3eiten fortgezahlt merben muß oder ein entsprechendes Kapital von 187 millionen Mart. Bielleicht würde das Gericht zwei Drittel hiervon streichen.
62 Millionen würden aber in der Tat noch übrig bleiben und also den preußischen Staat weit über den Vergleich hinaus belaften.
Das wäre eine unerträgliche Laft für Breußen.
Abg. Wunderlich( D. Bv.): Es geht unmöglich, daß wir bie Be. ftimmungen bes Rompromiffes so faffen, daß fie gerabe zum Hohen
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zollern- Bergleich paffent. Bezüglich der Fideikommißrente haben andere Länder gerade erklärt, daß sie bei dieser Faffung schlecht fahren..
Die Kompromißparteien hoffen, noch eine beffere Lösung zu finden. Lelder unterstüßt uns die Reichsregierung nur sehr wenig.
Die Kompromißparteien haben bei der Fassung des Tertes große Schwierigkeiten. Die Reichsregierung sollte mit den Reichsratsmit gliedern darüber Fühlung nehmen, welche Fassung den einzelnen Ländern paßt.
Dr. Barth( Dnat.): Für meine Freunde muß ich sagen, daß die Fürsten im Gegensatz zur preußischen Regierung jagen, daß fie bei der jezigen Faffung des Stompromisses äußerst schlecht fahren.( Zuruf links: Das ist selbstverständlich!)
Abg. Frid( Bölf.): Es scheint jezt doch so, als ob der Rompromißentwurf nicht mehr eine geeignete Grund lage für die weiteren Beratungen ist. Die Regie: rung des Reichs follte felbst eine Borlage zur Regelung der ganzen Frage machen. Ich möchte beantragen, die Berhand Iungen abzubrechen
frage in Hohenzollern- Sigmaringen. Abg. Neubauer( Komm.) fragt nach der Regelung der Domänen
Finanzminister Höpler- Aschoff: Diese Frage gehört zum Reffort des preußischen Ministerpräsidenten. Einen neuen Bergleich fönnen wir auch noch nach Verabschiedung des Kompromiffes schließen. Biel leicht erreichen wir dann geringere Lasten für den Staat. Der Bergleich fann aber nur günstiger werden, menn die Krone damit rechnen muß, daß sie nach dem kompromit weniger bekommt als nach dem früheren Bergleich. Darauf beruht das große Interesse der preuzi. schen Regierung an der Aenderung des Kompromisses. Das Kompro. miß war nach den Beschlüssen der ersten Ausschuhlösung viel besser als jegt. Er muß wieder günstiger für das Land gestaltet werden. Gegen den Vorwurf, daß wir erst den Vergleich abgeschloffen haben und jezt auf ein besseres Gefeß hinatbeilen, muß ich hervorheben: Ich habe bei den Bergleichsverhandlungen Herrn von Berg immer gesagt, daß ich den Vergleich nur wegen der ungünstigen Gefezeslage schließe. Wenn wir Besseres herausholen fönnen für den Staat, haben wir die Pflicht, es zu tun. Denn wir find Vertreter des Staates und haben die Aufgabe, die Intereffen des Volkes wahrzunehmen.
Abg Richthofen( Dem.): Der Finanzminister Breußens fann feinem Vorwurf ausgefegt jein, wenn er für das Land ein günstigeres Gesetz zu erreichen sucht.
Leider erhalten wir von der Reichsregierung nicht die nötige Unterstützung.
Es genügt nicht, daß fie uns bei der juristischen Formulierung hilft. Bei der Beurteilung der Bedeutung des Kompromisses müssen wir in erster Linie an Preußen denken.
Vors. Kahl: Der Ausschuß würde dankbar sein, wenn das Reichsjuftizminifterium bei den welteren Beratungen in höherem Maße mitwirken würde. Die Stellungnahme des Justizminifteriums zu vielen Zweifelsfragen ist notwendig. Es wäre jogar nötig, daß die Reichsregierung uns einen Gefehentwurf vorlegt, mit dem auch die Länder einverstanden sind. Ich bitte, diese Wünsche dem Justizminifterium zur Kenntnis zu bringen.
Ein Bertreter des Justizministeriums fagt bies zu
Nummehr tritt der Rechtsausschuß in die Fortfehuna der General debatte ein. Merkwürdigerweise verzichten die zum Wort gemeldeten Abgeordneten Bell( 3.) und v. Richthofen ( Dem.).
Abg. Landsberg( Soz.): Die erhebliche Anzahl von Stimmen, des Abg. Lohmann( difch.): Sie haben uns nicht überrascht. die für das Boltsbegehren abgegeben worden sind( Buruf wir hatten so gerechnet), über 13 Rillionen Stimmen( Abg. Loh mann überrascht: Diese Zahl habe ich noch nicht gehört!), der große Erfolg des Boltsbegehrens zeigt, daß in erheblichen Teilen des Boltes die Erkenntnis herrscht:
der jetzige Jufland fann nicht aufrechterhalten werden. Es liegt feine Rechtsfrage vor, sondern eine politische Frage. Aus diesem Abstimmungsergebnis merden Sie den Schluß zichen müssen, daß Sie nicht Babanque fpielen dürfen.
Wenn durch Ihre Schuld ein kompromisantrag angenommen wird, der dem Drange nach Verbesserung des bestehenden 3- flandes nicht entspricht, und den man draußen als unmöglich empfindet, dann werden Sie beim Boffsentscheid Ihr blaues Munder erleben!
Andererfeits mollen auch mir nicht Babanque fpielen. Es ist uns nicht gleichgültig, wie der Kompromis aussieht, für den Fall, daß der Bolksentscheid etwa nicht den vollen Erfolg bringt. Deshalb find wir an eine Berbeffering des Kompromiffes intereffiert und baraus ergibt sich unfer Berhalten gegenüber den vorliegenden Anträgen. Es tommt uns darauf an, bie bestehende Rechtslage au berbeffern. Wenn aber die Wirkung des Kompromisses die wäre, daß Preußen noch größere Opfer bringen muß als im Vergleich, so ist damit der Kompromiß für uns gerichtet. Auch ich bedauere die negative Haltung der Reichsregierung. Ich verstehe fie deshalb nicht, well in der Programmrede der Regierung von einer Cöfung der Fürstenauseinandersehungs frage gefprochen wurde.
Deshalb hätte die Regierung die Führung übernehmen müffen. Sie zeigt aber nur geringes Intereffe für unsere Berhandlungen. Sie hat fogar eine Antwort auf unfere Frage verweigert, ob und inwieweit die vorliegenden Anträge verfaffungsändernden Charatter haben. Freilich, mit dem Borschlag Frid, die Berhandlungen abzubrechen, sind wir nicht einverstanden. Zu den Einzel heiten möchte ich fagen: Da es sich um die Lösung politischer Fragen handelt, müßte ein Gefeß und nicht ein Urteil die Streitfragen lösen. Ich werde persönlich meiner Fraktion bei unseren Beratungen fagen:
Die Uebertragung der Entscheidung an einen Senat des Reichs gerichts ist unannehmbar.
Bei solcher Bestimmung würde ich die Ablehnung des ganzen Ge feges verschlagen. Diefelben Borschläge mürde ich machen, menit man dabei bleibt, lediglich Bermutungen für das Staatseigentum aufzustellen und nicht flar ausspricht, daß gewiffe Werte Staatseigentum find.
Der Ausschuß vertagte sich fedann auf morgen vormittag % 10 Uhr.
Die Deutschnationalen im eigenen Net
Breitscheids Abrechnung mit deutschnationaler Demagogic.
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er eine
Die heutige Reichstagsfizung, in der die außenpolitische Debatte fortgefeßt wird, beginnt vor fast leerem Saal. Präsident& ö be teilt mit, daß, wenn die Tagesordnung bis 7 Uhr nicht erledigt sein teilt mit, daß, wenn die Tagesordnung bis 7 Uhr nicht erledigt sein follte es sind noch allerhand Reste aufzuarbeiten Abendsizung vorschlagen würde. Von der Reichsregierung ist noch eine ganze Weile nach Beginn der Sigung fein Bertreter, weder Minister noch Rat irgendwelcher Klasse anwesend.
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Erster Redner ist Abg. Graf Revenflow( Boll.). Er fritisiert die Haltung und den Nachrichtendienst der deutschen Abordnung, dic von dem Ratssißversprechen der Ententeführer nichts gewußt habe. Freilich, die Locarnesenpresse wie Reventlow jagt- bringt nichts über die B1a magen Luthers und Stresemanns und über Deutschlands Berspottung durch Briand in feiner Rede von Genf, als er sagte, der Rhein fei Deutschlands Grenze. Die Regierung sollte be= kennen, daß sie sich mit ihrer Bhantaftenpolitik vollständig geirrt und Deutschland nur geschadet hat, die müßte von sich aus verSchwinden. Ihre Politik ist die des liftigen fleinen Mannes, der zum Schluß immer selbst hineinfällt. Gerade jetzt sollten wir das Abkommen mit Rußland schließen, das Ischitscherin
angeboten hat
Unmittelbar nach dieser Rede ereignete sich ein Zwischenfall.
Zur Geschäftsordnung beantragte Abg. v. Gräfe( Bölk.) die Sigung auszufezen, bis die Regierung wenigstens in dem Umfange porhanden sei, wie ihn nicht nur der Reichstag, sondern auch der Steuerzahlende Bürger verlangen fönne. Die Regierung höre fich feine der Oppositionsreden an.
Präsident Cöbe: Es ist natürlich unerwünscht, wenn bei einer folchen Debatte die Regierungsbänke vollständig leer find. Aber das augenblidliche Fehlen der Regierung ist
nicht ein Zufall, sondern Absicht.
Ich kann mir diese Abficht nicht anders ertlären, als daß bei früheren auswärtigen Debatten gerade von der Partei des legten Rebners
[ ch were persönliche Beleidigungen gegen die Regierungsmitglieder geschleudert worden sind, bie in einem Falle sogar zur Ausweisung des Abg. Henning aus dem Saale geführt und auch in der gestrigen Debatte zu einer Rüge des Präsidenten Anlaß gegeben haben. Die Partei des letzten Redners hat es selbst in der Hand, diesem Zustand ein Ende zu machen, dadurch, daß sie derartige Beleidigungen unterläßt.( Lebhafte Zustimmung der Mehr heit. Gegenrufe rechts.)
Die Abstimmung ergibt die Ablehnung bes Anirages v. Gräfe gegen die Stimmen der vereinigten Deutschnationalen, Deutschvölkischen, sonstigen Hakenkreuzler und Kommunisten! Während der nun folgenbe Redner
Abg. Dr. Breitscheid( Soz.) das Wort ergreift, erscheint die Reichsregierung wieder im Saate, von lautem Hallo und massiven Zurufen der Bölkischen begrüßt.
Genosse Breitscheid führte aus: Meine erste Pflicht ist,
Herrn v. Gräfe befonders dafür zu danken, daß er sich bemüht hat, mir ein größeres Auditorium zu verschaffen. Ich verstehe es, daß er die Abwesenheit der Regierung bei der Rede des Grafen Revent lom bebauert hat, weil doch seine Bartei ein Bertrauensvotum gestellt hat. Es wäre doch sehr intereffant für die Regierung gewesen, die Begründung dafür zu hören. Aber mir scheint diese Affäre nicht midhlig genug, um längere Zeit dabei zu verweilen. Ich will die Debatte wieder auf den Gegenstand, der uns beschäftigt, zurückführen. Der deutschnationcle Redner, Graf West arp, hat seine Ber mutungen über die Gründe ausgesprochen, die mich zum Berzicht auf das Wort unmittelbar nach Beginn der Debatte bestimmt haben. Er meinte, daß ich nur auf seine und der anderen Oppositionsparteien Bläne gemartet habe, um von ihnen Erleuchtung zu erhalten. Wenn ich wirklich diese Absicht gehabt hätte, dann bin ich bitter ent. tauscht worden. Solche Erleuchtung hat in feiner Rebe gefehlt. Es war tein Bunft in feiner Rebe vorhanden, an ben man mit einer parteipolitischen Bolemit hätte einhaten tönnen. Bas- bie