Kr. 139 ♦ 43. �ahrgasg
2. Heilage öes vorwärts
Mtttwoch. 54. MLe» 1926
Völkerbunü-Vebatte im Reichstag. Luther gegen Tirpitz.- Stresemann gegen„Lokal-Anzeiger".- Annahme des Billigungsantrages.
In feiner Reichstagsrede am gestrigen Dienstag, deren Haupt- teil wir bereits im Abeiedblatt wiedergeben tonnten, wies /ibg. Dr. Sreitscheiü lSoz.) weiter nach, wie falsch die Behauptung ist, als ob die deutsche De- legation wie ein Bettler mit dem Hute in der Hand auf Einlaß gewartet hätte, und erklärt dann bei aller Anerkennung des unleug- baren Friedens- und Verständigungswillens Briands, daß das heimliche Versprechen eines Rotsiges an Polen und andere Mächte ohne gleichzeitige Verstäichigung Deutschlands auch von den deutschen Sozialdemokraten als inkorrekt und illoyal be- zeichnet werden müsse. Es war auch höchst unvernünftig, denn man hätte sich sagen müssen, daß ein solches Versprechen auch noch weitere Mächte veranlassen würde, Ansprüche auf einen Ratsitz zu erheben. Fest steht aber, daß seit dem 5. Mai 1924. wo die letzten französischen Kammerwahlen Poincarä gestürzt haben, die große Mehrheit des französischen Volkes, insbesondere des werktätigen Volkes, klar und deutlich Verständigung und Frieden mit Deutschland haben will. Wir billigen den Standpunkt der deutschen Delegation, daß sie vor dem Eintritt in den Völkerbund über die Zusanmrensetzung des Rates nicht mit- entscheiden könne. Wenn aber die Rechte verlangt, die deutsche De- legation hätte abreisen, ein Ende machen, den anderen alles vor die Füße werfen sollen, ko ist ein« solche Forderung allerdings aus dem Gerzen zahlloser Stainmtischpolitiker gesprochen. Für den deutschen Spießer gibt es in solchen Konflikten immer nur eine Lösung: mit der Faust aus den Tisch schlagen, daß die Tintenfässer in die Höhe springen, was dann kommt, ist gleichgültig. Kommt es zu einem bewaffneten blutigen Konflikt, und siegen wir, dann schreit der Spießer hurra! und hängt die Fahnen heraus— werden wir ge- schlagen, dann sind die Spießer stets bereit, den Verräter zu suchen und eine Dolchstoßlegende zu glauben. Richtig war es. sich nicht direkt gegen die Ansprüche eines anderen Slaakes zn wenden, zumal doch damit gerechnet werden muß. daß dem Völkerbund neben dem ftöndlgen Mitglied Deutschland auch das nichtständige Mitglied Polen angehören wird, zumal ja Über die Besetzung der nichtständigen Posten nur die Völker- buadversammlung und nicht der Rat entscheidet. Der Redner wendet sich dann dagegen, daß der volksparteiliche Abgeordnete v. Rheinbaben tags zuvor mündliche Der« sprechen der Reichsregierung als nicht vollgültige Ver» einbarungen hingestellt hat. Es ist ungeheuer gefähr- ltch, mündliche Zusagen der deutschen Regierung derartig zu ent- werten. Herr v. Mzeinbaben hat ja dann auch oerlangt, daß wir mit Polen erst dann uns in den Rat zusammensetzen sollen, wenn es stch uns gegenüber auf den Rechtsstandpunkt stellt. Gang abgesehen davon, daß wir nicht finden können, daß Polen den Rechtsstandpuntt in seiner Politik verlosten hat, müsten wir doch sogen: wenn man mit einem Staate nicht zu einem Bertrag kommt, wobei es noch gar nicht feststeht, auf welcher Seite die Schuld liegt, dann kann man nicht behaupten, daß dieser Staat den Rechtsstandpuntt ver- lasten hat. Es steht eine ganze Reihe von Fragen zwischen uns und Polen , aber sie kommen in erster Linie aus der Vergangenheit, sie sind die Folgen einer mchr als hundertjährigen Geschichte. Sie sind eine Folge der Tatsachen, daß eine Nation lange Zeit zwangsweise mit einer anderen Nation zusanunenleben mußte. wir hoffen und wünschen dringend, daß wir endlich zu einer Verständigung mit Polen gelangeu uud wir hoffen auch, daß Polen die widerstände aufgibt, die aus seiner hundertjährigen Vergangenheit verständlich find. Es wurde ja auch gesagt, daß wir niemals mit Frankreich zu einer Verständigung kommen würden und doch sehen wir, daß es möglich ist, auch mit diesem Lande sich politisch zu verständigen. Wenn wir erst mit Polen zusammen im Rat« sitzen, dann wird sich manche Streitfrage leichter lösen lassen, als wenn wir draußen stehen. Der Eintritt Deutschlands in den Völkerbund ist doch in Genf nicht an Polen , sondern an Brasilien gescheitert. Ich halte es im Sinne des deutschen Ansehens in der Welt allerdings für bester, daß die Lnige so gekommen sind, als wenn wir auf Grund irgendwelcher Schiebungen doch noch in den Bölkerbund eingetreten wären. Ich sehe gerade darin einen Erfolg für das deutsche Ansehen in der Welt. Sie(nach rechts) teilen die Meinung der Ba y e r i s ch e n Staats- zeitung. wonach die Haltung der deutschen Delegation in Genf nicht der Würde Deutschlands entsprochen habe. Die bayerische Regierung hat zwar erklären lassen, daß sie mit dieser Schreib« weise nicht einverstanden sei, aber ich wart« noch darauf, daß sie einen Redakteur zum Teufel jagt, der in ihrem Blatte der Regierung des Reiches in solcher Weise m den Rücken fällt.(Der Vertreter Bayerns Herr v- Preger ruft dazwischen, daß die amtlichen Mit- teilmren in der Bayerischen Stoatszeitung mit drei Sternen gekenn- zeichnet seien). Es hält doch für einen politischen Laien ungeheuer schwer festzustellen, was von der Regierung kommt und was nicht von ihr stammt, trotz der Sterne. Es sollte doch ober in einem solchen Organ unmöglich sein, Artikel hiaieinznbringen. die sich gegen die Absichten der Reichsregierung wenden. Der Redakteur der Bayerischen Stoatszeitung hat auch Pflichten gegenüber der Regierung zu erfüllen, selbst wenn sie nicht mit 2 oder 3 Sternen gekennzeichnet sind.(Sehr wahr bei den Soz.) Der kommunistische Redner hat mir den Rat gegeben, in ein tibeta« nisches Kloster zu gehen, well dort Gebetsmühlen gedreht werden. Das ist ein sehr gewagtes Unternehmen, weil ich bei dem ständigen Vordringen des Bolschewismus in Asien nicht sicher bin, auch auf dem Himalaja auf einen kommunistischen Lama zu stoßen, der dort dieselben Gebete herunterleiert, die wir hier anhören müssen. (Stürmische Heiterkest). Uns braucht man nicht zu sagen, daß der Völkerbund noch eine kapitalistische Institution ist. weil die Re« gierungen, die ihn bilden, kapstalistisch sind. Wir müsten aber dafür sorgen, daß die Regierungen anders werden, dann wird auch der Völkerbund anders sein. Wir hoben stets betont, daß der Völker- bund in seiner heutigen Form kein Ideal für uns ist, daß«r nur eine Notbrücke bildet, bis uns eine Reform etwas Besseres bringt. Borläufig ist der Völkerbund nur eine Vertretung von Re- gierungen und nicht von Völkern. Es sitzen in ihm noch die Staats- männer, die wohl die Fähigkeit besitzen, Kriege zu entfachen, aber noch nicht die Fähigkeit, den Frieden zu organisieren. Erst wenn die Vertreter von Völkern in ihm sind, dann wird er sich nicht nach Mächtegruppen orientieren, sondern vielleicht nach Parteien. Der Völkerbund krankt vor allem daran, daß er die Souveränität der einzelnen Staaten unemgeschränkt läßt, wir werden demgegenüber aus ihm eine Art Oberstaat machen müssen. Einen europäischen Völkerbund lehnen wir ab. Wir müssen jeden Verdacht oermeiden, ol» ob wir eine Organisation schassen wollten, die ihre Spitze gegen Amerika oder gegen Asten richten soll. Trotzdem der Völkerbund heute noch viele Mängel hat. hatten wir an diesem Gedanken fest. Wir wünschen freundschaftliche Beziehungen zu Ruß- l an d. aber Rußland kann uns keinen Ersatz für die etwaige Zerreißung der Faden gegen den Westen bieten. Der Tag wird kommen, wo auch Rußland in den Völkerbund eintritt und dann «erden allerdings die deutschen Komrmmisten ihre heutigen Ma. puslripte verbrennen müssen.
Der Redner richtet an den Reichsaußenminister die Anfsorderung, dafür zu sorgen, daß die Außenpolitik der Regierung von ihren sämllichen Organen unterstütz« werde. Es gehe nicht an. daß einzelne Botschafter ertlären. sie seien Gegner des Eintritt» in de« Völkerbund. Wenn wir Pazifisten sind, so nicht deshalb, weil wir glauben, durch gutes Zureden Kriege verhindern zu können, sondern weil wir glauben, daß der Krieg das größte Uebel auf der Welt ist und daß wir alles zu tun haben, um den Krieg als Mittel zur Lösung der Gegensätze zwischen den Völkern zu beseitigen. Dos ist unsere real- politische Einstellung, trotz allein, was in Genf sich ereignet hat, dafür werden wir wirken. Und wir erwarten von der Regierung, daß sie alles tut, um den Weg zum Völkerbund offen zu hallen. (Lebh. Beifall b. d. Soz.). Der Präsident teill mit, daß von den D e u t f ch n a t i o n a l e n ein Antrag eingegangen ist: „Der Reichskanzler und der Reichsaußenminister besitzen nicht das Vertrauen des Reichst» gs.' (Lochen links.) Von den Regierungsparteien ist Uebergang zur Tages- ordnung über den völkischen Vertrauensantrag beantragt worden. Abg. v. lirpih(Dnat.) wirst die Frage auf, ob die Politik des derzeitigen Reichskabinetts trotz des Genfer Zusammenbruchs in der beabsichtigten Fonn fort- oeführt werden dürfe. Es liege in der Beantwortung eine Ent- scheidung für die Zukunft des Deutschtums überhaupt. Deshalb müsse die dungende Bitte an alle Parteien gerichtet werden, einmal den inneren Parteistandpunkt zurückzustellen und nur das große Gesamt- interesse Deutschlands gellen zu lassen. Unsere Unterhändler hatten leider in Locarno unterlassen, uns grundsätzlich die unveränderte Zusammensetzung des Völkerbundsrats bis nach unserem Eintritt zusichern zu lassen. Vor dem glatten Siege Frankreichs über uns hat uns der Vorstoß Brasiliens gerettet. Durch das Koni- in u n i q u c haben wir uns mit den Mächten identiilziert, deren illoyales Spiel in der ganzen Welt klar geworden ist. Die Zurück- Ziehung des Aufnahmeantrags ist um so notwendiger, als wir gar nicht übersehen können, was alles in der Zeit bis zum September geschehen kann. Wir machten dann auch deutlich, daß das deutsche Volk die Verantwortung für das Genfer Chaos ablehnt. Diese Stellungnahme würde das Ansehen Deutschlands in der ganzen Welt mit einem Schlage herstellen. Das ist derselbe Standpunkt, den Nordamerika einnimmt. Es kommt darauf an, jetzt wieder die Handlungsfreiheit zu erlangen, dazu bedarf es eines politischen Akte». �Beifall rechts.) Reichskanzler Dr. Luther: Der Rede des Abg. v. Tirpitz habe ich zwei Gesichtspunkte ent- nommen: erstens handelt es sich nickst darum. Locarno nach rückwärts zu revidieren, zweitens solle Deutschlands Eintrittsgesuch in den Völkerbund zurückgezogen werden. Es ist ein schweres Problem, diese beiden Gesichtspunkte zu vereinbaren. Der Gedanke. Deutsch- land habe seine Freiheit verloren, das Eintrlttsgcsuch zurückzuziehen, ist völlig irrig. Deutschland hat diese Freiheit, und daran ist auch nichts geändert worden durch das Kommunique. Wir wollen Locarno nicht nur nicht rückwärts revidieren, sondern wir wollen es ausgestalten. Locarno ist heute die Grundlage unserer Außen- Politik. Gewiß ist vielerlei noch nicht erfüllt, aber andererseits kann doch nicht behauptet werden, daß Locarno wirkungslos gewesen sei. Wir haben doch vieles erreicht, was ohne Locarno nicht erreicht worden wäre.(Lebhafte Zustimmung.) Daß die Locarno -Politik fortgesetzt und ausgebaut werden soll, ist in dem Kommunique ausgesprochen. Ich bekenne mich dazu, daß das Kommunique in seinen Grund- gedanten unserer Initiative entsprungen ist. (Lebhaftes Hört, hört! rechts: Beifall links und in der Mitte.) Einen anderen Weg gab es gar nicht, um festzustellen, daß trotz des vor- läusigen Richteintrllts in den Völkerbund die Locarno -Politik fort- gesetzt werden soll und die Locarno -Abmachungen auch juristisch m Kraft treten sollen.(Unruhe rechts.) Es muß doch festgestellt werden, daß nach den Parlamentsbcschlüssen Locarno die a n e r t a n n t e Grundlage unsererPolitik ist. Es wird ganz zu Unrecht der Anschein erweckt, als sei die Meinung der Welt seit Genf gegen Deutschland . Es läßt sich umgekehrt feststellen, daß in der Pretzc der ganzen Welt, vor allem Amerikas , die Art des deutschen Vorgehens in Genf als richtig vom deutsche » Standpunkt aus bezeichnet wird. Eine Zurückziehung des deutschen Eintrittsgesuchs in den Völkerbund würde dazu führen, daß die Meinung der Welt sagen würde: Deutschland hat nicht bis zum Ende für Locarno gekämpft, sondern die deutsche Politik würde dann nicht mchr als die des Friedens und der Verständigung angesehen werden, die wir brauchen. Noch etwas Persönliches: Ich hatte die Ehre, eine Regierung zu führen, der die Deutschnationale Volkspartei ange. hörte. Ich habe niemals, wie Sie wissen, irgendeine b e- stimmte parteipolitische Stellung eingenommen. (Lautes Gelächter rechts und auf der äußersten Linken.) Und wenn das ganze Haus lacht, ich bekenne mich doch mll allem Nachdruck zu dem Standpunkt: Es gibt neben den einzelnen politischen Parteien das Einhalten einer einfachen, klaren vaterländischen Richtung, und das ist mein Programm.(Beifall.) Gerade in dieser Stunde, wo gegen meine Person von Deutschnationolen. mit denen ich ver- trauensvoll zusammengearbeitet habe, ein Mißtrauensvotum ein- gebracht worden ist, bekenne ich mich erneut zu dem Standpunkt, daß für mich nur dos gerade vaterländische Arbeiten das politische Programm ist. Ob ich in der Lage bin, diese Arbeit weiter zu führen, darüber entscheiden die zuständigen Stellen.(Beifall.) Abg. ZNüller-Franken(Soz.): Es ist nicht klar, was die Deutschnationolen damit beabsichtigten, als sie der Rede des Grafen Westarp heut« einen zweiten Teeaus- guß folgen ließen. Irgend etwas Neues war darin nicht enthatten. Als gestern Graf Westarp den Reichsaußenminister dringend bat. abzutreten, habe ich gefragt, wen er an diese Stelle setzen wolle. Ich habe erwartet, daß der Mann heute kommen würde. Statt dessen haben wir den Herrn v. Tirpitz als letzten Wann der deutsch - nationalen Mannen auf dieser Tribüne erlebt. Tirpitz hat sich mehr. fach auf die Bereinigten Staaten von Amerika und insbesondere auf den jetzigen Botschafter in London , früheren Botschafter in Berlin , Mr. Houghton, bezogen. In dem Bericht der„Times" über die amerikanische Stellungnahme kommt der Satz vor:„Der europäische kontinent hat. soweit seine Slaat-nnänuer in.Troa« kommen, von dem Kriege uichl» gelernt." Bildet sich Herr v. Tirpitz ein, daß Houghton ihn zu den Staatsmännern rechnet. die aus dem Kriege etwas gelernt haben?(Sehr gut! links.) Das schönste an der Rede des Abg. o. Tirpitz war. daß ausgerechnet e r uns ermahnte, einig zu sein, die innere Parteiklüftung zu lasten und uns in wahrer Volksgemeinschaft zu verbinden. woher nimmt Herr v. Tirpitz den Mut. über die deutsch « vartcizertlüstuug Sonntags nachmittags Predigten zu halten. da er doch in der schwersten Heit des deutschen Volkes mit leiner Vaterlandspartei eine Zerklüstuu.q in das deutsche Volk hinein- gebracht hat. die sicherlich zur Herobdrückuug der deutschen Sktmmrmg in den Zähren 1S17 und 1915 am meisten beige- trage» hat?(Lebhafte Zustimmung link».)
Selbst Konservative haben in schärfster Weis» gegen diese Dolkszerreißung Stellung genommen, wie sie mit dem Gelbe der Schwerindustrie dan.al» in Deutschland hervorgerufen wurde. Der Abg. v. Tirpitz hat die Behauptung aufgestellt, daß zum«rstenmol seit 1918 jetzt der Versuch gemacht würde, eine positive Politik zu treiben. Ich will feststellen, daß seit 1918 diejenigen Parteien, die von den Lentjchnolionalen bekämpft und verleumdet werden. die Einheit de» Reiches erhallen haben, daß ohne sie wir heute nicht aus dem Punkte wären, auf dem wir tatsächlich stehen.(Lebhast« Zustimmung links.) Es kann nicht die Rede davon sein, daß das Gesuch Deutschlands zum Eintritt in den Bölkerbund zurückgezogen wird. Bis in die Reihen der Rechten hinein sind wir doch darüber klar, daß auf die Dauer der Eintritt nicht zu umgehen ist. Wollen Sie(zu den Deutschnationalen ) etwa auch in der Außen- Politik, diejenige Politik haben, die Sie so oft in der Jnnenpotttik empfehlen, wollen Sie die notwendigen Reformen im Völkerbund vornehmen lasten, ohne daß wir dabei sind und nachher dem Völker- bunde beitreten? Ich glaube, daß wäre die schlechteste Politik, die Deutschland überhaupt empfohlen werden kann. Wir wollen eine Diplomatie, die mit offenen Karten spielt, aber nicht einen Politik, die Herr v. Tirpitz am 29. A u g u st 1924 ge- trieben hat, als die roten Karten offen in die Höhe gingen und die weißen Karten verdeckt abgegeben wurden. Der Abg. v. Tirpitz hat sich auf Bismarck berufen, aber wir wissen, wie Bismarck dar- über gedacht hat, daß Sie eines schönen Tages eine Koalition finden könnte, die das Werk von 1871 vernichtete. Er hat es nicht mehr erlebt, er hat nur Frankreich und Rußland in immer innigere Verbindung kommen sehen. Aber Herr v. lirpih hat es serlig gebracht, auch noch England dazu zu gesellen, und damit den Grundslein für die Politik zu legen, die zum Zusammenbruch Deutschlands führen mußte. Man mag noch so voreingenommen den Genfer Verhandlungen gegenüberstehen, dos eine muß doch festgestellt werden, daß die deutschen Delegierten dort von den anderen Staaten geradezu umworben worden sind. Bismarck ist es niemals eingefallen, Machtpolitik zu empfehlen, wenn die dahinter stehende Macht nicht da war. Hätten die deutschen Delegierten in Gens stcki vielleicht Knrassierstiefeln anziehen und einen Kürassierhelm oui- setzen sollen?(Heiterkeit.) Glaubt jemand, daß dadurch ein größeres Entgegenkommen von den Ententemächten zu erwarten gewesen wäre? Die vorsichtige Form, in der die Herren W e st a r v und Tirpitz gesprochen haben, ist mir gewählt, um die wahre, innere Stellungnahme der Deutschnationalen Partei noch außen hin zu verbergen. Nach den Aussühnmgen des Abg. v. Freytagh- Loringhoven im völkischen Ausschuß der Deutschnationalen der in diesen Tagen wieder einmal beisammen war, steht die veutschnalionale Partei heute noch auf demselben Standpunkt unbedingter Gewaltpolltlk. den in früherer Zeit ihre vorläuserin. dl« deutsch-konservative Partei , vertreten Hot. Deshalb ist es uumöalich. daß irgendeine Einigung mit dieser Sorte Außenpolitik erfolat. (Sehr richtig bei den Soz.) Wir sind olle einig dariiber, daß der Bölkerbund durch die Verhandlungen in Genf einen schweren Stoß erlitten Hot. Aber ein Ideal wird deshalb nicht falsch, weil diejenigen verlaol hoben, die zu seiner Vertretung verpflichtet gewesen sind. Wir sind deshalb nach wie vor für den Eintritt Deutschlands in den Völker- bund, und daß der Sommer benutzt werden muß, um die Hinder- niste zu beseitigen, die dem noch entgegenstehen. Kommunisten und gewisse Rechtsbolschewisten empfehlen für Deutschlands Außenpolitik die unbedingte Option nach dem Osten. Wir dagegen ver- langen Völkerbundspolitik, die nicht im Gegensatz zu einer deutsch - russischen Verständigungspolitik steht. Wir verlangen die U n i o e r- salität des Völkerbundes, wenn Deutschland im Völker- bund sein wird, wenn wegen der europäischen Zusammenhänge früher oder später auch Rußlontrin diesen Bölkerbund hinein muß, dann wird der Augenblick kommen, wo auch die Ver einigten Staaten von Nordamerika ihre Vülkerbundspolitik ändern werden. Venn Herr v. Tirpitz heute an den drethundertjährigcu Gegensatz zwischen Frankreich und Deutschland erinnert hat. so scheint er nicht zu wissen, daß nicht nur tn Südsrankreich, sondern auch in Rordsrankreich und in der Milte Frontreichs die Zahl der- jenigcn fortwährend wäÄst. die dieienigen Frauzosm bekämpfen, die den Deutschen haß predigen. Es gibt vielleicht noch Ausnahmen in Frankreich , in den während des Krieges besetzten Gebieten, aber die Deutschnationalen, die für die damalige Volitik verantwortlich sind, haben kein Recht, sich über solche Rückstände von Haß aufzuhalten. Solange die Reichsregierung in den kommenden Monaten der Politik treu bleibt, die sie in Gens betrieben hat, und die der Reichsaußenminister gestern, und der Reichskanzler heute hier vertreten haben, solange wird die Reichs- regierung in ihrer Außenpolitik die U n t e r st ü tz u n g der Soziallremokratischen Partei finden.(Lebhafter Beifall bei den Soz.) Abg. v. Rheinbaben(DBp.) weist die Auefühnmgen des Abg. Dr. Breitscheid über Polen zurück. Abg. Münzenberg(Komm.) bestreitet, daß die Völkerbunds- politit der einzioe Weg sei, den Frieden zu erhatten und Deutschlands Sicherheit zu schützen. Deutschland könne sich gegen die Unter- drückungsbcstrebungen der Entente nur durchsetzen im Bunde mit Scwjetnißland. Abg. Graf Westarp(Dnat.) erklärt unter Hinweis auf das Stenogramm, der Abg. v. Tirpitz habe nicht, wie der Reichskanzler sagte, sich gegen eine Rückwärts- reoidierung von Locarno ausgesprochen. Das Lob des Auslandes dürfe für die deutsche Außenpolitik nicht entscheidend sein. Die Linie der Lacarnopolitik finde nicht die Zustimmung der Deutschnationalen . Diese Politik habe sich als wir- tiingslos und rückwirkungslos für Deutschland erwiesen. Dir haben im vorigen Jahre vertrauensvoll mit dem Reichskanzler zusammen- gearbeitet. Wir denken gern daran zurück und leugnen keineswegs den ehrlichen vaterländischen Willen von Dr. Luther. Uns trennen von Ihm nur nüchterne, sachliche Gegensätze. Wir erwarteten ein ausdrückliches Vertrauensvotum. Do es ausgeblieben ist, muhten wir selbst ein Mißtrauensvotum«inbringen, dos sich nach der Natur der Sache gegen die beiden Herren richten mußte. (Beifall rechts.) Reichskanzler Dr. Luther erklärt, er habe den Abg. v. Tirpitz so verstanden, daß an der Locarnopolitit festgehalten werden solle. Jedenfalls sei dieses Festhalten notwendig, denn Locarno müsse als obgeschlostcner Tatbestand der deutschen Politik betrachtet werden. die Abstimmung. Damit schließt die Aussprache. Vom Abg. Dr. Bredt(Wirtsch. Agg.) ist zur Billigungsfvrmel ein Zusatzantrag eingegangen: Der Reichstag erklärt sich mit einem Eintritt Deutschland » in den Bölkerbund e r st dann einverstanden, wenn er erfolgen kann unter den in Locarno gegebenen Voraussetzungen, nämlich der Erteilung eine» ständigen«atssihe, ohne«eitere Vermehrung der Rat»flh« und ohne Durchbrechung de» Grundsätze, der EI»- iz»»...... i ,« ,♦« IMmratgreu»..>-....