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chem Tiefstand die Bevölkerung bereits an gelangt ist.

Da die Untersuchung nicht erfolgt, müssen wir uns leider meist auf die Statistiken der Stadt- und Kreis­ärzte stügen. Auch diese sind grauenvoll genug, wie aus nachstehenden Schulerhebungen hervorgeht. So ist bei einer schulärztlichen Untersuchung von 6133 Kindern in den Waldenburger Boltsschulen folgendes Resultat festgestellt wor den: 2,5 Proz. aller Schulkinder waren tuberkulos, 30 Broz. litten an Strofulose, 1,9 Proz. hatten Bertrüm­mung der Wirbelsäule, 32 Proz. Vergrößerung der Schild­drüse.

Sehr interessant ist eine statistische Erhebung des Kreis­Medizinalrats Dr. Hübner, Waldenburg, in den Bolts schulen in Waldenburg- Altwasser. Die Fragen erstreckten sich auf 5854 Schüler. Hervorgehoben ist dabei, daß die an die Schüler gerichteten Fragen über ihre sozialen Verhältnisse, im Durchschnitt von knapp 70 Broz. beantwortet wurden. Gerade

auf die schwerwiegendsten Fragen ist wahrscheinlich aus Schamgefühl die Antwort ausgeblieben. So wurde auf die Frage, bei wieviel Kindern fein Hemd vorhanden sei, von den obengenannten Kindern nur von 232, auf die Frage, bei mieviel Kindern gar feine Strümpfe vorhanden seien, von 90 Kindern geantwortet. Die Statistit enthält folgende er­schütternde Zahlen:

380 Kinder müssen verdienen helfen, davon sind 138 noch nicht 12 Jahre alt. Bei 647 Kindern ist die Mutter ge: zwungen, außerhalb des Hauses zu arbeiten. Bei

838 Kindern kommen 5 und mehr Personen auf einen einzigen Wohnraum( 16 Proz.). 2268 Kinder müssen das Bett mit anderen Kindern teilen.( 38 Proz.) 1034 Rinder müssen mit Erwachse nen zusammenschlafen.( 18,2 Proz.) 282 Kinder schlafen überhaupt in feinem Bett, sondern auf der Diele, auf Bänken, Stühlen usw. Von den 5854 Schülern und Schülerinnen hatten Stühlen usw. Von den 5854 Schülern und Schülerinnen hatten

929 Kinder feinen Mantel, 5 Kinder fein Hemd, 281 Kinder

Sagan geschildert wurden, finden im niederfchlefi- lasten follten. Das ist der einzige ,, Erfolg der kommunist fchen Bergrenier ein erschreckendes Gegenstüd. Sollte der Reichstag nicht endlich einsehen, daß er mit dem Versuch, die Fürstenfamilien mit Milliarden auszustatten, während die Kinder des arbeitenden Boltes in Massen dahinsiechen, ein geradezu frevelhaftes Spiel treiben würde!

Der Betriebsunfall im Landtag.

Wer hat die Schuld?

Bei der gestrigen Abstimmung über die Hauszinssteuer im preußischen Landtag fonnte bekanntlich die deutschvölkisch­tommunistisch- volksparteiliche Opposition mit zwei Stimmen Mehrheit einen Zufallssieg erringen, weil die Bänke der Regie­rungsparteien zu schwach befeßt waren. Ueber dieses Versagen schreibt die Germania ":

mitglieder des Zentrums ohne ausreichenden Grund teils Es muß leider festgestellt werden, daß wenigstens sieben zur Abstimmung überhaupt nicht gefommen find, teils sich vorzeitig entfernt haben, trotzdem sie sich klar darüber waren, daß es bei der Schlußabstimmung auf jede einzelne Stimme anfam. Wenn vier von diesen sieben Abgeordneten da waren, war die Annahme des Gesetzes gesichert. Man hält in der Zentrumsfraktion das Ber­halten dieser Abgeordneten für um fo unentschuldbarer, als durch fie die Berantwortung für die Vorkommniffe, deren Folgen wie gesagt noch nicht abzusehen sind, nicht ohne Grund auf die 3en­trumsfraktion gewälzt werden wird.

Leider muß hinzugefügt werden, daß sich die sozial­demokratische Landtagsfraktion mit dem Zentrum in die Schuld teilt. Denn auch von ihr haben bei der entscheidenden Abstimmung fünf Mitglieder gefehlt. Der peinliche Vorfall muß den Fraktionen des Parlaments eine Mahnung die mit Arbeiten für ihr Amt und ihre Partei überbürdet find, ufchärferer Disziplin sein. Gewiß ist es für Leute, mitunter eine harte Zumutung, stunden-, ja tagelang auf eine Abstimmung zu warten, bei der ihre Stimme gebraucht wird. Aber wer ein Mandat übernimmt, muß sich dieser Notwendig­feit fügen. Fort mit Braun! Und dann?

nur 1 Hemd. 1320 Rinder hatten nur ein paar Strümpfe, 3 Kinder gar feine Strümpfe. 2239 Kinder hatten nur ein Paar, 50 Kinder gar keine Schuhe. Bei 125 Kindern ist feine, bei 1038 ist Bettwäsche nur einmal vorhanden. 307 Kinder sind täglich ohne erstes Frühstück, 400 ohne zweites Frühstück. 143 Kinder find ohne warmes Mittagessen, 48 ohne jedes Mittagessen! Die Rote Fahne " begrüßt die gestrige Zufallsent 1870 Kinder sind ohne Besperbrot, 49 ohne Abendbrot. 1169 Kinderscheidung des Landtags mit den Worten: Erst weg mit diesem find auffallend unterernährt, 1622 oder 30,6 Proz. voll Landtag und dann weg mit dieser Regierung!" ständig frant!

Die Säuglingssterblichteit war 1925 mit 19,2 auf 100 Lebendgeborene fast doppelt so groß als in ganz Preußen. Ein ernſter Gradmesser der wirtschaftlichen Not ist die steigende Zahl der Selbstmorde. In dieses Bitb paßt die steigende Zahl der Fehlgeburten. Hier tommt auf fünf normale Geburten eine Fehlgeburt. Das grauenvolle Elend nimmt von Tag zu Tag chärfere Formen an. War der Bergbau Niederschlesiens im Jahre 1925 wenigstens noch leidlich beschäftigt, so daß Feier­fchichten fast gar nicht eingesetzt werden brauchten, so hat die Krise jetzt mit aller Heftigkeit auch im niederschlesischen Stein­fohlenbergbau Einzug gehalten. Zwei und mehr Feierschichten die Woche ist die Regel. Was soll aus der Bevölkerung werden, wenn dieser Zustand längere Zeit anhält? Schon bei normal laufender Arbeitszeit müssen bei der heutigen Bezahlung die Bergarbeiter mit ihren Familien langsam, aber sicher materiell, fulturell, fittlich und moralisch zugrunde gehen. Hält der jetzige Zustand aber längere Zeit an, so muß das natürlich zu ta ta­ftrophalen 3uständen führen. Man darf sich nicht wundern, wenn eines schönen Tages diese Bevölkerung zur

Verzweiflung getrieben wird.

Troß dieser zum Himmel schreienden Zustände wgen die Monarchisten für die Fürsten ungeheure Summen und fulturelle Werte als Recht" zu beansprüchen. Wieviel Leid fönnte durch diese Summen gemildert werden; wieviel er­wachsene Kranke, wieviel elende Kinder könnten in den pracht vollen Schlössern und Wäldern der Fürsten gesund ge pflegt werden! Die Elendszustände, wie sie fürzlich aus

Die elf Scharfrichter.

Auch ein Jubiläum.

Bon Paul Gutmann.

In diesen Tagen vollenden sich fünfundzwanzig Jahre seit der Eröffnung eines Kabaretts, das wie fein anderes eine Bedeutung in der literarischen und geistigen Entwicklung der Zeit hatte. Als damals eine kleine Schar von Dichtern und Künstlern in der Kegel­bahn einer gewöhnlichen Kneipe zu München unter dem Namen Die elf Scharfrichter " ihre Bühne eröffnete, da ahnte man wohl noch nichts davon. Noch war der Aufstand gegen die muffigen und seelenmörderischen Tendenzen der Zeit übermütiges, in Narren­gewänder gekleidetes Spiel, noch war die revolutionäre Gesinnung durch eine verwegene Erotik verhüllt. Dennoch war das, was dort geschah, der blutrünstige Reigen der in scharlachroten Gewändern steckenden Scharfrichter, die symbolisch die Zeit verurteilten, die in das Publikum mit verbissenem Ingrimm geschleuderte Breitllyrif Frank Wedekinds und so manche andere Darbietung bereits der Auftakt zu der später eingetretenen Umwälzung. Wenn Wedefind zur Laute seine von sozialem Mitgefühl durchzogenen Chansons sang, so ahnte der Bürger damals kaum die furchtbare Anklage, die aus jenen scheinbar so leichtfertigen und pikanten Strophen sprach. ,, Böt mir einer, was er wollte, weil ich arm und elend bin, nie und wenn ich sterben sollte, gäb ich meine Unschuld hin", dieses und ähnliche Chansons galten damals noch als mehr oder minder zynische Frechheiten. Es dämmerte erst das Berständnis für die soziale und erotische Befreiung, die sich unter Kämpfen später vollzog. Man war damals mehr dem ästhetischen Genuß als dem Verständnis für die tragischen Hintergründe der Zeit hingegeben. Wenige ahnten das ungeheure Maß von Verzweiflung, das sich zur sozialen Anklage in Karl Hendels Gedicht: Die Hure" gestaltet hatte, von der Diseuse Friederike Umlauft erschütternd vorgetragen. Und wenn Ludwig Scharf , der Zigeunerliterat, stammelte: Ich bin ein Prolet, was fann ich dafür!" so lächelte man noch im Bewußtsein eines größen­wahnsinnigen Glanzes. Die Grundlagen des kommenden Berderbens, das Kaifertum und den Militarismus, wagten auch die Scharfrichter erst ganz schüchtern in einem von Willi Rath mit föstlicher Laune verfaßten politischen Puppenspiel und in einem von dem sogenannten " Schatten", Bohemien und höheern Beamten gefungenen Spottlied auf den Grafen Waldersee anzutasten.

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Genau so die ,, Kreuzzeitung ":" Für die rote Re­gierung Braun- Severing gibt es wenn sie parlamen­tarisch handeln will nur eins von beiden: Rücktritt oder Auflösung des Landtags."

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Die deutschnational- tommunistische Verbrüderung ist wie­der einmal vollkommen.

schen Tattit. Denn daß ein Staat auf einen wesentlichen Teil der Steuereingänge nicht verzichten fann, ohne bankrott zu werden, und daß dem preußischen Staat durch die reaktionäre Reform in der Steuerauswahl die Hände gebunden sind, kann auch den Kommunisten nicht verborgen geblieben sein. Durch ihre Brüderschaft mit Deutschnationalen und Volksparteilern haben die Kommunisten zunächst nur vereitelt, daß die in das Gefeh hineingearbeitete Erleichterung für die Minderbemittel­ten in Kraft treten fann. Dafür mögen sich die kommu nistischen Arbeiter bei ihrer Landtagsfraktion bedanken.

Die Krankheit im Kommunismus. Bucharin gegen Scholem .

Die fommunistische Presse veröffentlicht einen Auffah fau, in dem es heißt: Bucharins über die letzten Auseinandersehungen in Mos­

In Frankreich ist die rechte Abweichung gefährlicher, dort muß man dagegen schlagen. In Deutschland muß man im Gegenteil das Feuer gegen die ultralinken Abweichungen eröffnen, dort ist die ultralinke Abweichung( Scholem und andere) unermeßlich ge= fährlicher. Beide Abweichungen haben trotz ihrer äußerlichen Gegenfäßlichkeit allgemeine verwandte Züge. Die Links" und die Rechts" trantheit in der internationalen tommunistischen Bewegung ruhen durchweg auf dem Unglauben in die Kräfte und Möglichkeiten der KI. , auf dem Steptizismus im Verhältnis zu den Berfpeftiven der Arbeit der eigenen Bartei, auf dem Unglauben in die sozialistischen Möglichkeiten der UdSSR., auf dem Nichtverstehen dessen, daß die UdSER. das Rückgrat des internationalen Sozialis mus ist. Hierauf sind zurückzuführen die Gespräche und das Geschwäh über die afiatischen" Elemente in der Linie der Komintern , die westliche Hochmütigkeit, und die angebliche Vorbereitung zum Ein­überflüffige pfeudorevolutionäre Nervosität, die pseudokulturelle tritt der UDSSR. in den Völkerbund usm. Darauf sind zurückzu­führen die Zickzackbewegungen entweder nach links in der Richtung der blinden linken" Draufgänger eder nach rechts in der Richtung der Uebereinkunft mit den Reformisten.

Das Moskauer Dogma verlangt, daß die Arbeiter für Rußland begeistert sein sollen. Hier erfahren sie aber, daß diese Begeisterung nicht einmal in den Reihen der Kom­munisten außerhalb Rußlands vorhanden ist und daß man mit dem Stock nachhelfen muß, um etwas mehr Liebe zu er zwingen.

Juden raus!

Aber was wird dann aus Quaak?

In derselben Sitzung der Deutschnationalen Partei, in der Graf Westarp anstelle des Herrn Dr. Winkler zum Parteivorsitzenden ge­wählt wurde, gelangte auch ein Antrag zur Annahme, der verlangte, daß niemand Mitglied einer parlamentarischen Fraktion der Deutsch­nationalen Partei sein dürfe, der nicht einwandfrei seine rein arise Herkunft nachweisen fönne. Um diesen Antrag ging vor seiner An­nahme ein ziemlich heftiger Kampf. Die Vertreter des Wahlkreises Chemnitz hatten nämlich verlangt, daß der Beschluß keine rüdwirtende Kraft haben solle. Dies wurde jedoch abge= lehnt, und der Beschluß hat nunmehr rüdwirkende Kraft erhalten. Bertreter des Wahlkreises Chemnitz ist Geheimrat Dr. Quaaß!

Die Deutschnationalen wissen den Dienst zu schäßen, den die Kommunisten ihnen geleistet haben: Die Deutsche Tageszeitung" deutet bereits an, daß die Deutschnatio­nalen die Hauszinssteuer nur in der geplanten Form" abgelehnt haben. Es ist der sozialdemokratischen Landtags­frattion nämlich gelungen, in die Vorlage einen Paragraphen hineinzuarbeiten, der den Minderbemittelten einen weitgehenden Schuh vor Ueberbelastung garantiert. Diefer Baragraph wurde in der Einzelabstimmung angenom­men. Das paßte den Deutschnationalen nicht. Deshalb mußte die preußische Hauszinssteuer ,, in der geplanten Form" fallen. Die Kommunisten wissen nur zu gut, daß sie um einer agitatorischen Geste willen ben Reaktionären einen Liebes­dienst, den Arbeitern aber einen Bärendienst geleistet haben. geblich vorzutauschen, daß die arbeiterfeindliche" Hauszins& üttwiß gegen das Reich angeſtrengt hat, um noch für die bet Die Rote Fahne " versucht in ihrer knalligen Ueberschrift ver­steuer gefallen ist. In der Besprechung muß sie zugeben:

,, Leider ist damit die Hauszinssteuer nicht völlig(!) aufge­hoben, denn es besteht noch die berüchtigte Zwischenlösung, das Ge­feß, das bis 1. Juli 1926 Gültigkeit hat und das ebenfalls schon eine Steigerung der Hauszinssteuerlaft für den Mieter brachte." Nein, die Hauszinssteuer ist nicht beseitigt, beseitigt sind nur diejenigen Bestimmungen, die den Arbeiterent­

und Literaten. In der verräucherten Kneipe vorne, wo man sich nach der Borstellung traf, faßen unter Kutschern und Dienstmännern Mag Halbe, der feinsinnige Eduard von Keyserling , Mitarbeiter der sozialdemokratischen Münchener Post". Hier wurde einmal am Stammtisch festgestellt, daß nur ganz wenige anwesend waren, die noch nicht wegen irgendeines politischen Vergehens, Majestäts­beleidigung, Gotteslästerung oder eines ähnlichen Delikts, in der Haft gesessen hatten. Wenn abends die Soldaten aus der Türkentaserne" herüberkamen, so wurde fleißig gesungen. Die Bayern gaben ihre famosen urwüchsigen Gstanzeln zum besten, worauf die Scharfrichter mit ihren schönen, von Hannes Ruch ver­tonten Liliencron - Balladen antworteten. Es war Deutschlands beste und vielleicht einzige Bohemezeit, von Witz, Laune und echtem Künstlertum beseelt. Noch galt der Stil, wie ihn die Diseuse Marya Delvard ausdrückte, mehr als die freche Zote und unverhüllte Ein­deutigkeit, die heute üblich sind. Nur eine nicht am Geldgewinn interessierte, wenn auch vom Ueberfluß an Geld wahrlich nicht ge­plagte, fünstlerische Jugend, eine Jugend, die den fommenden Schrecken erst ahnend erfaßte, aber noch nicht darunter zu leiden hatte, konnte diesen kurzen Kunsttraum ins Leben rufe.

Hebbel im Staatstheater.

Es

,, 19. April 1849. Herodes und Mariamne" wurde gegeben. Das Spiel war vortrefflich, die Inszenierung glänzend, die Aufnahme im höchsten Grade fühl. Das Bublikum war wirklich nicht imstande, der Komposition zu folgen." Das schreibt Friedrich Hebbel selbst in feinem Tagebuch. Vor 75 Jahren. Ueber die gestrige Aufführung könnte man fast dasselbe sagen. Auch diesmal war das Publikum voll Bewunderung vor so viel tragischer Größe und so hoher Dar: stellungskunst. Es war mitgenommen, aber nicht mitgerijsen. fehlte das Befreiende einer Dichtung, die über die dumpf lastende Stimmung hinauswachsen läßt. Herodes und Mariamne" ist die Tragödie der übermenschlichen Liebe, die noch im Tode leben will. Hebbels Tragit entsteht aus dem Verschweigen. Und deshalb löst der Dichter nicht den Konflikt, sondern beendet ihn nur durch einen Gewaltaft, durch den gewollten Tod der Mariamne. Wir warten auf das befreiende Wort aus dem Munde der Hauptspieler: es wird nicht ausgesprochen.

Dies bewußte Verhüllen des wahren Gefühls reicht für uns nicht aus als Vorwurf großer Tragil. Wir sind er griffen, aber nicht überzeugt.

Und doch war die Aufführung im Staatstheater ein Abend des Erlebens. Kortner gab den Herodes und die Loffen die Mariamne. Dieser Tyrann gewann fich trotz seiner gigantischen Brutalität das tiefe Mitgefühl des Zuschauers. Die Rolle ist auf große Gesten gestellt, auf Bathos und auf den grellen Ausbruch der Leidenschaften. Kortner gab sich nicht von Anfang an aus. In seiner Brutalität lag Bersonnenheit. Seine Wildheit fochte im Innern, sein leises Work So wuchs er von Aft zu Aft zu einem Größeren. Die Lossen gab das Bild einer Königin von einer Reinheit, die etwas lieber­irdisches an sich hatte. Wenn ihr Gesicht im Schmerz fich versteinerte oder in Liebe sich verklärte, oder im Etel verjinsterte, so sahen wir

Die Pension der Putschisten.

Wer ist verantwortlich?

An den Bericht über den Prozeß, den der Kappistengeneral drei Monate nach seinem Putsch voll aufgewertetes Gehalt von der deutschen Republik zu bekommen, hatten wir einige Bemerkungen über die Pensionsrechte des Lüttwizz und ähnlicher Putsch­offiziere gemacht. Nun erflärt mon amtlich, daß für dieje Pensions= fragen nicht das Reichswehrministerium, sondern das Reichsarbeitsministerium zuständig sei!

Was gedenkt das Reichsarbeitsministerium zu tun?

das Gemälde eines Raphael. Die Rolle der Mariamne ist eine der schwersten, die eine Schauspielerin zu verförpern hat. Und doch gelang es der Loffen, zu ergreifen und im Innersten zu erschüttern. Das anfangs reservierte Bublifum rief zum Schluß den Re­giffeur Je ßner, der einen würdigen und eindrucksvollen Rahmen für die Tragödie geschaffen hatte.

Dgr.

Bakunins Beichte . Fast 50 Jahre nach Batunins Tode hat man ein schon längst von der Legende umsponnenes Dokument Bakunins in den Archiven des 3aren gefunden, in denen es seit 1851 geruht hatte. Im Geheimschrank des Kanzteichefs der früheren Zaren wurde die Beichte Bakunins entdeckt, die nicht nur wegen ihrer romantischen Her­funft eines der seltsamsten Dokumente der revolutionären Literatur ist. Auf Verlangen des Baren Nikolaus I. hatte Befunin in der Peter­Pauls- Festung in St. Petersburg die Geschichte seines abenteuer­lichen Lebens in den bewegten 1840er Jahren geschrieben. So ent­stand ein Querschnitt durch die europäische Geschichte jener Zeit. Die Pariser Februarrevolution, die Erhebung der Tschechen Pfingsten 1848 und der Dresdener Maiaufstand 1849 sind die Höhepunkte von Bakunins Darstellung. Das rasche Aufflammen der 48er Bewegung. ihr ebenso jähes Erlöschen, das Nationalitätenproblem Desterreich Ungarns , die schwarzrotgoldene Bewegung in Deutschland , die polnisch- preußische Frage, der Banslavismus stehen im Mittelpunkt der Betrachtungen Bakunins, von denen in Kürze auch eine deutsche, von Dr. Kurt Kersten herausgegebene Ausgabe in der Deutschen Berlagsgesellschaft für Politik und Geschichte in Berlin , erscheinen wird. Sie soll außer der Beichte eine Anzahl bisher nichtveröffent­lichter Dokumente aus russischen Archiven und dem Sächsischen Staatsarchiv in Dresden bringen.

Influenzaepidemie in Amerika . In den Arbeitervierteln zahl reicher amerikanischer Großstädte ist eine Influenzaepidemie ausges brochen, die an Heftigkeit und Ausdehnung die Grippewelle des Jahres 1918 noch übertrifft. Die Hauptherde der Krankheit find frankungen auf die Kohlenarbeiterstreits zurück, da der Brand von Grjagheizmitteln an Stelle des durch den seit vielen Monaten währenden Ausstand unerschwinglich gewordenen Anthrazits offen­bar gefährliche Gase entwickele und die Menschen schädige. Allein in New York wurden in der letzten Woche 87 Todesfälle infolge Influenza und 608 Sterbefälle infolge Lungenentzündung festgesteüt.

Erstaufführungen der Woche. Mont. Th. a. Schiffbauerdamm: Marl­bourough zieht in den rieg". Dienst. Th. in der selosterstraße: Die Baschhoffs". Mito. Th. am Kurfürstendamm : Mieze und Maria". Donnerst. Thalia- Th.: tavalierau. Freit. Th. in der selosterstraße: Veronica". Sonnab. Rammerspiele: Die Nadten leiden". Stünstlertheater: Walzertraum". Boltsbühne aust. Kleines Th.: Groges Steinema dhe n".

Rubicon".

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Tribüne:

Urania- Borfräge. Täglich( 5 u. 9): Hans Schomburg Mensch und ter im Urwald". Sonntag bis Donnerstag: Der Wilberer".

Wenn man heute auf jene zu fröhlicher Satire vereinte Künstler. char zurückblickt, so wundert man sich über die Fülle von Talenten, die sich damals zum ersten Flug anfchidten. Allen voran der damals erst in engsten Streifen bekannte Autor von Frühlingserwachen" Frank Wedekind . Bon dort gingen Robert Kothe , der Lautenfänger, wirfte beängstigender als es pathetischer Aufschrei vermocht hätte Bon Montag an täglich: Das Blumenmunder". cus, die Bildhauer Hüsgen und Hecker, die Dichter Leo Greiner , Eling, Lautenjac, Gumppenberg , der Bühnenleiter Otto Falckenberg . Rings um diese gruppierten fich die Maler und Zeichner der Jugend" und des" Simpliciffimus" und viele sonstige Künstler

8

Uhr: Heitere Dichtungen und 10 Schauspielerporträts.

Ludwig Hardt spricht im Klindworth- Scharwenfasaal am Sonntag, Felig von Weingartner dirigiert in seinem einzigen Konzert am 29. März in der Philharmonie die 1. Symphonie von Brahms und die unvollendete Symphonie von Schubert .