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Dr. Reinhold. hat ferner entsprechend den sozialdentofrati schen Wünschen erklärt, daß er den weiteren Abbauber Umfagsteuer bei der Lage Deutschlands   als Exportland für vordringlich halte. Auch darin haben ihm die Re­gierungsparteien ausdrücklich zugestimmt.

Deshalb kann die Arbeiterklasse sowohl aus sachlichen wie aus politischen Gründen mit dem Ergebnis der Arbeit der Sozialdemokratie im Reichstag, insbesondere bei dem Steuer­milderungsgesetz, zufrieden sein.

Deutschnationale Mieterfreundlichkeit".

Ein unehrliches Manöver.

Regierung und Regierungsparteien haben während der Bera­tungen über das Steuermilderungsgesetz auch mit den Deutschnatio­nalen verhandelt, um die Schwierigkeiten, insbesondere die formellen, cus der Welt zu schaffen, die sich der rechtzeitigen Berab= schiedung dieses Gesetzes am 1. April entgegenstellen. In diesen Berhandlungen erhoben die Deutschnationalen zunächst die Forde­rung auf Ermäßigung des Einkommensteuertarifs und auf Anrechnung der Rentenbankzinsen und der Industriebelastung auf die Einkommensteuer. Es tam ihnen alfo in erster Linie auf weitgehende Besigentlastung an. Diese Forderungen wurden jedoch abgelehnt.

Inzwischen trat eine überraschende Wendung in der Haltung der Deutschnationalen ein. Die deutschnationale Reichstags: fraftion trat plöglich mit dem Antrag hervor, an Stelle der Gentung der Umfassteuer eine Sentung der Haus zinssteuer verzunehmen. Die Senkung der Hauszinssteuer follte 6 Proz. der Friedensmiete betragen, movon aber 3 Broz. zur Erhöhung des Anteils der Bermieter dienen sollten. Tatsächlich konnte mur eine Sentung der Miete um höchstens 3 Pro 3. eintreten. Während die Sentung der Umfaz­Steuer auf 0,75 Broz. eihe Entlastung von rund 300 Millionen be deutet, würde bestenfalls eine solche Sentung der Hauszinssteuer für die Mieter nur eine Entlastung von 150 Millionen zur Folge haben tönnen.

Vor allem sollten aber auch nach dem deutschnationalen Antrag die Länder in der Gestaltung der Mietsteuer frei sein, so daß das Reich feinen 3wang auf entsprechende Ermäßigung der Miete ausüben fönnte. Tatsächlich würde also überhaupt ta u m eine Entlastung der Mieter eintreten. Daraus ergibt sich klar, daß der einzige Zweck des deutschnationalen Antrags die Begünstigung des Hausbesiges mar. Dadurch follte Dadurch foilte gleichzeitig die Aufhebung der 3wangswirtschaft be. schleunigt werden. Das gibt die deutschnationale Bresse auch offen au. Der Lokal Anzeiger" schreibt:

" Man wollte ferner die Aufhebung der 3wangs. mirtschaft, die von den Gemeinden ausgeübt wird, durch die Behebung der Wohnungsnot erreichen."

Der Mieterschutz sollte also abgebaut werden, während von einer Förderung des Wohnungsbaues teine Rede sein fonnte. Es ist eine glatte Fälschung, wenn die Deutschnationalen es fo hinstellen, als ob bei ihrem Antrag ein erhöhter Teil der Miete zu Wohnungsbauzwecken Verwendung finden sollte.

Ein wirklicher Borteil für die Mieter ist der sozialdemokratische Antrag, die Miete für ein weiteres Jahr bis zum 31. März 1927 auf 100 Pro3. der Friedensmiete zu begrenzen. Dieser Antrag, der schließlich im Steuerausschuß einstimmig angenommen murde, bedeutet einen viel größeren Schuh der Mieter. Während nach dem deutschnationalen Antrag nicht verhindert werden konnte, daß die Miete schon in den nächsten Monaten auf etwa 130 Broz. der Friedensmiete stieg, sichert der sozialdemokratische An­trag die Mieter vor einer solchen Mietsteigerung und bedeutet daher gerade während der Dauer der Wirtschaftskrise eine weitere Siche rung des Reallohns.

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Merifo und Japan  . Die meritanische Regierung hat einem japanischen Kautschukgewinnungssyndikat einen 100 Meilen langen und 40 Meilen breiten Landstreifen verpachtet.

Johann Heinrich Voß.  

( 3u feinem 100. Todestag am 29. März.) Bon Hermann Wendel  .

Bon allem, was Johann Heinrich Boß in einem mit Arbeit gesegneten langen Dasein geschrieben und geschaffen bat, ist ein Jahrhundert nach seinem Hingang zur Not nur noch die metrische Ueberlegung von Homers Odyssee" und" Ilias  " lebendig, mit der für die Deutschen   eine neue Aera im Berständnis des Hellenentums begann. Seiner Luise", der weitschweifigen Idylle von der Tochter bes redlichen Pfarrers von Grünau, die den Zeitgenoffen ein au Tränen rührendes Gipfelwerk war, gedenkt die Literaturgeschichte unferer Tage nur mehr nebenbei; auch den Siebzigsten Geburtstag":

Auf die Postille gebückt, zur Seite des wärmenden Ofens Saß   der redliche Tamm   in dem Lehnstuhl, welcher mit Schnitzwerk Und braunnarbigem Jucht voll schwellender Haare geziert war." liest im Zeichen des Jazzband niemand mehr, und nicht minder find feine Oden und Lieder, die, etwas strohern und duftlos, die kleinen Freuden und Leiden eines fleines Lebens befangen, längst verhallt. Aber ob anderen Poeten äußere Harmonie auf die Lippen gelegt mar, heftigere Revolte als in seinem Herzen bäumte sich in feines Brust: worin immer ihn die übrigen übertrafen, an aufrechter Ge­finnung überflügelte er sie alle; in einem unpolitischen Jahrhundert stand er geradezu als ein politischer Dichter da.

Bas eine lange Kette seiner Vorfahren schweigend getragen hatte, bradh eben in ihm als Auflehnung gegen mittelalterlichen Druck auf, denn sein Großvater war Leibeigener gewesen, und einen Leibeigenen nannte der am 20. Februar 1751 zu Sommersdorf Geborene Better. In seiner Heimat, dem Junterparadies Medlen burg, das erst 1820 und auch dann nur auf dem Papier die Hörigkeit aufhob, gewahrte schon der helläugige Knabe mit Zähnetnirschen, mie der Grundadel seinen zinsenden und frohnenden Bauern auf dem Maden ritt; das Herz preßt es ihm ab, neben dem prächtigen Hof in öden Behausungen sparsam Menschen zu sehen, mie ent menscht durch so unmenschuche Herrschaft, Wildlinge, bleich und zerlumpt und wie Adergäule perhagert. Er selbst mußte, nach Besuch der Lateinschule, als Hauslehrer zum Gesinde eines Junters von Dergen gehörig, Demütigungen schlucken und wandte sich mit einem Fluch von seiner Heimat: Was geht mich Mecklenburg   an und alles hochadelige Geschmeiß!" Auch sah er, ehe er 1805 mit der Niederlassung in Heidelberg   in sanftere füddeutsche Gefilde ein zog, als Reftor des Gymnasiums in dem holsteinischen Eutin  , der Residenz des protestantischen Hochstifts Lübeck  , zwanzig Jahre lang den hochfahrenden Dünkel der Hofjunker und die hutabziehende Demut des Bürgertums aus der Nähe an. Allezeit schäumte dann in seinem roten Bauernblut ein unbändiger Haß gegen alles Junter­liche. Wie eine zadige Geißel traf seine Boefie den unbarmherzigen adligen Frohnherrn.

Der, rait Diensten des Rechts( fei Gott   es geflagt) und der Mitfür Uns wie die Pferd' abquält und faum wie die Pferde beföftigt, Der, menn darbend ein Mann für Weib und Kinderchen Brotforn

Halb und halb.

Auch Tirpik unten durch.

Großadmiral Tirpik, bisher die stille Hoffnung der Böltisch Nationalen, hat bei der Genfer   Debatte zum erstenmal gesprochen, feit er Reichstagsabgeordneter ist. Ein Ereignis" nannte das die deutschnationale Presse. Ein Ereignis" bestätigen jezt die nöllischen Blätter. Aber ein Ereignis, über das nur unter Trauerrand berichtet werden kann. In der nationalsozialistischen Wedlenburger Warte" heißt es:

Es paßt durchaus in diesen Rahmen, wenn Herr Luther es für angebracht hielt, das deutschnationale Mißtrauensvotum als persönliche Kränkung zu bezeichnen, weil er doch mit ihnen so lange zusammengearbeitet habe. Er fannte sie aus dieser Zeit der zu fammenarbeit und durfte sich von seinem Appell daher den ge­münschten Erfolg versprechen, denn es handelte sich eben nur um Fragen der Tattit, nicht aber um solche des Grundsages. Darüber helfen auch die Ausführungen des Admirals Tirpih nicht hinweg, der an einer Stelle seiner Rede sogar betonte, daß es jetzt gar nicht darauf ankomme, die Politik von Lecarnp rüdwärts zu revidieren". Danach war es denn auch teine Ueberraschung mehr, als die Deutschnationalen schließlich bewilligten, denen fie foeben noch ihr Mißtrauen ausgesprochen halten. Und das nennt man dann nationale Opposition"!

den Etat desselben Herrn Luther   und desselben Herrn Stresemann  

Daß die nationale Opposition der Deutschnationalen   nur eine demagogische Geste ist, haben die Bölkischen bis ins Lager der Deutschnationalen   hinein seit langer Zeit eingesehen. Aber als Führer der nationalen Opposition" trat diesmal der Balkenbieger Tirpitz   auf! Auch erhalb und halb nichts als deutschnationaler Ballenbiegerman versteht, wenn der Schrei nach dem Führer bei den Deutschnational- Böltischen nicht verftummen will.

Schlieben und Behrens.

Der chriftliche Landarbeiterverband nimmt, wo er fann! Als die Besagungstruppen nach dem widerrechtlichen Einbruch in das rheinisch- westfälische Industriegebiet mit allen Mitteln den passiven Widerstand zu brechen versuchten, war es selbst per ständlich Pflicht der Reichsregierung, allen Schichten der Bevölkerung finanziell zu helfen. Die Parteien des Reichstages be­willigten zu diesem Zweck wiederholt die erforderlichen Mittel, und es ist kein Geheimnis, daß im bejeßten Gebiet außer den verschiedensten Beitungen aller Richtungen auch die wirtschaftlichen Organisationen die finanzielle Stügung durch das Reich in Anspruch nahmen. Das war berechtigt, weil die Opfer der Organisationen ja wesentlich im Interesse des Reiches gebracht werden mußten.

Der Zentralverband christlicher Arbeiter, dessen Vorsitzender immer ein Herz für milde Gaben" gehabt hat, ist damals ent­fprechend seiner Mitgliederstärke in den befeßten Gebieten mehr als ausreichend für die ihm durch die Besagung entstandenen Schäden abgefunden worden. Aber das hat dem christlichen Landarbeiterführer Behrens noch nicht genügt. Die Konjunktur des Jahres 1925 mit seiner deutschnationalen Regierung ließ es ihm angebracht erscheinen, nachträglich mit Erfolg weitere Ansprüche an die Regierung zu stellen. Das Beispiel der 700- Millionen- Abfindung für die Industrie fand er nachahmenswert, und so richtete er an den deutschnatio. nalen Reichsfinanzminister fast 1% Jahre nach dem Ab bruch des passiven Widerstandes das Ersuchen um die 3ahlung eines weiteren Betrages. Sein Parteifreund Schlieben  , mit Behrens sonst ein deutschnationaler Borkämpfer gegen die Korruption", entsprach der Forderung des Zentralverbandes christ­licher Landarbeiter und überwies ihm außer den bereits erhaltenen Geldern einen weiteren Betrag von 150 000 Goldmart.

Im Dezember 1925 erfuhr der Reichstagsabgeordnete Genoffe Georg Schmidt von diesem Skandal und richtete an das Reichsfinanzministerium eine entsprechende Anfrage. In der Ant­wort heißt es, daß der Zentralverband der Landarbeiter während des passiven Widerstandes zur Verhinderung der von den franzö fischen Befagungstruppen angeordneten Waldverwüstungen er hebliche, ihn finanziell schwer belastende Aufwendungen gemacht hat, die er wesentlich über 200 000 m. beziffert".

Heischt vom belasteten Speicher, ihn erst mit dem Prügel bewillkommt, Dann aus gestrichenem Maß einschüttet den färglichen Vorschuß. Der auch des bittersten Mangels Befriedigung, welche der Pfarrer Selbst nicht Diebstahl nennt, in barbarischen Marterkammern Züchtiget und an Geschrei und Angstgeberden fich figelt, Der die Mädchen des Dorfes mißbraucht und die Knaben wie Lastvieh Auferzöge."

Mit dem gleichen grimmen   Behagen malte Boß in feinem Junker Kord" ,, eine", wie er es nannte, gereimte Junter­idylle, die den Juntern wie englischer Senf in der Nase tribbeln wird" ein Urbild der Gattung:

Durch Brennen und durch Brau'n und städtisches Gewerbe Bermehrt sich sein Ertrag, ob nahrios auch ersterbe Die hartbeschatte Stadt er schüßt in alter Kraft Freiheit von Boll und Schoß als Recht der Ritterschaft. Der Bau'r und Bürger wird Kanali' und Back betitelt. Und seinem Anwachs früh die Menschheit ausgefnittelt! Schulmeister, spricht er, macht die Buben nicht zu flug! Ein wenig Christentum und Lesen ist genug!

Als sich Voß   1772 an der Universität Göttingen   einschrieb, fand er sich, bald als Glied eines Kreises dichterisch entflammter Jüna­Linge, die, Klopstock   begeistert auf den Schild hebend, Deutschland  umfrempeln und neuschaffen wollten. Da sie allen welschen Tand verabscheuten, sich so deutsch, so glühend deutsch fühlten, Republik  riefen, von Tyrannenmord schwärmten und die Losung: Freiheit und Baterland! ausgaben, erschienen diefe jungen deutschen   Jato­biner des Hainbundes" als Vortrupp der bürgerlichen Revolution in Deutschland  . Nie ward Voß   den Sternen untreu, die ihm an diesem Himmel aufgingen. Der Lessings" Nathan" als Evangelium der Geistesfreiheit über alles verehrte, gut Handeln als Kern aller Religion ansah und als Reftor schon durch seine nie schwarze Kleidung die Unabhängigkeit der Schufe von der Kirche unterstrich. mußte auch im Politischen die Erfüllung nahe wähnen, als die Beitenuhr 1789 schlug. Hingeriffen fang er eine deutsche Marseillaise  , verkündete, daß jest oder niemals die große Angelegenheit Europas  unter allerlei Form und Gestalt verhandelt werden" müsse, und schaute dem gegenrevolutionären Kreuzzug der Feudalmächte gegen Frankreich   ohne Bangen zu: Es wird doch ein erwünschtes Ende nehmen, doch! Und wenn die Welt voll Breußen wär und wollten fie verschlingen." Selbst als 1794 der Terror des Konvents die meisten deutschen   Schwärmer für die französische   Boltserhebung wieder ins Maulwurfsloch ihrer Spießbürgergefühle zurückgescheucht hatte, hielt er aufmunternd seinen Landsleuten das Beispiel der westlichen Nachbarn vor und feierte in einem Lied an das Ober­amt" fräftigen Tons die unverfälschte Demokratie:

Wann vielfach ungeſtaltet Der Geist des Boltes strebt, Dann schüge nicht, mas altet, Noch dämpfe, was sich hebt! Die Mehrheit fenfet und erhöht: Der Mehrheit Schluß ist Majestät.

So war der Dichter auch Napoleon   nicht gram, als er bei Jena  und Auerstädt die preußische Despotie zerschlug, und grüßte mit gutem Instinkt den Korfen als Würgeengel der Hochgeborenen".

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Im Gegensag hierzu aber erklärte der Vorsitzende des christlichen Bandarbeiterverbandes in der Freitagfizung des Reichstages, daß die 150 000 m. für Wirtschaftsbeihilfen", die von seiner Organi­sation während des Ruhreinbruchs an die Mitglieder gezahlt wurden, zurückerstattet worden sind.

Was ist nun wahr? Die eine wie die andere Austunft entspricht nicht den Tatsachen! Einen Ersatz für die erlittenen erheblichen" Schäden und für die gezahlten Wirtschafts beihilfen hat der christliche Landarbeiterverband mährend des Ruhrkampfes erhalten. Im übrigen aber ist festzustellen, daß diefe Organisation eine nennenswerte Abwehr überhaupt nicht geleistet hat und niemals leisten fonnte, weil sie im belegten Gebiet nur 300 Waldarbeiter als Mitglieder zählte. Sie dürften wahrscheinlich niemals in den Besiz größerer Geldsummen gelangt sein und es ist anzunehmen, daß die an sie gezahlten Beträge zu den Forderungen des christlichen Landarbeiter­verbandes an das Reichsfinanzministerium nicht in dem geringsten Berhältnis stehen. Außerdem aber fann nachgewiesen werden, daß in dem wichtigsten Gebiet, dem Bienenwald, wo starke Abholzungen erfolgten, der Deutsche   Landarbeiternerband aus­fchlaggebend war und Widerstand geleistet hat, während Mit­glieder des christlichen Landarbeiterverbandes gearbeitet haben!

Aus allen diesen Gründen wird es verständlich, warum die Reichsregierung bis heute auf die an sie schon vor Wochen von der Sozialdemokratie gerichteten Fragen über den neuesten Stan dal bisher noch keine Auskunft gegeben hat und auch am Freitag im Plenum sich wieder in Schweigen hüllte. Das Geschäfts­gebaren des christlichen Landarbeiterverbandes ist trotzdem genügend gekennzeichnet. Seine führenden Mitglieder sind nicht nur für Arbeitgebergelder empfänglich! Sie haben darüber hinaus die Kasse ihrer Organisation ohne jeden Anlaß um 150 000 m. auf Kosten der Steuerzahler bereichert. Das war möglich in einer Beit deutschnationaler Regierungsherrschaft und so erweist fich der neueste Stanbal im chriftlichen Landarbeiter. berband gleichzeitig als ein Standal der deutschnationalen Korruptionsschnüffler!

Die Neuordnung des Strafrechts. Verbrechen und Strafe in sozialistischer Auffassung.

Im Rahmen der Sozialistischen Hochschule fpram der Reichsjustizminister a. D. Genosse Prof. Dr. Radbruch über Verbrechen und Strafe in sozialistischer Auf­faffung". Hier nur ein furzer Borbereicht über seine fesselnden und tiefgründigen Ausführungen. Nachdem Genosse Radbruch   das Strafrecht der tapitalistischen Gesellschaft als solches geschildert hatte, dessen Vorteile allein den Befizenden zugute fommen und deffen Lasten allein auf die Besiglosen fallen, als Strafrecht, das mit mannigfaltigen Bällen das Bermögen umgibt, die Bersönlichkeit verhältnismäßig wenig schüßt, und den einzigen Befis der Befiz­lofen, die Arbeit, schuplos läßt, warf er die Frage auf, wohin diefes Strafrecht steuere. Er zeichnete dann mit großen Strichen die Entwicklung des Strafrechts über die Leibes und Lebensstrafen der Carolina hinmeg zu Freiheits- und Geldstrafen und über die Freiheitsstrafe hinweg zum Aufbau von Besserungs­und Sicherungsmaßnahmen, die legten Endes eine e bermin­dung der Strafe überhaupt bedeuten. Endgültig wird aber die Bergeltungsstrafe, die auf den beiden Grundsäßen feine Schuld ohne Strafe" und feine Strafe ohne Schuld" erft über­wunden sein, wenn die Menschheit die Bergeltungsinstinkte in fich munden haben wird. Die sozialistische Gesellschaft wird keine Strafe fennen, sondern nur Sicherung und Erziehung. Im Augenblick gilt es aber nicht von soziologischen Konstruktionen auszugehen, sondern ein Strafrecht zu schaffen, das durch ein System von Sicherungs­und Besserungsmaßnahmen die Bergeltungsstrafe allmählich zurüd­zudrängen imftande wäre. Das ist deni amtlichen Entwurf zum neuen Strafgefegbuch einigermaßen gelungen. Hier entsteht aber das Problem: ist es möglich, unbeschränfte Strafzumessungsbefug niffe einem Richterstand zu gewähren, dem das Bolt ein so großes Neufchaffung des Strafrechts spiegelt die Doppelstellung der Partei Mißtrauen entgegenbringt. Die Stellung der Sozialbemotratie zur im demokratischen Staat überhaupt wider. Sie ist zu gleicher Zeit regierende Bartei und Oppofiton. So fann sie dem Entwurfe nur unter gewissen Bedingungen zustimmen.

Ein echter niedersächsischer Bauer, war Boß sein Lehtag ein unbequemer, tantiger Charakter, der mur ein Entweder- Oder tannte. mit seiner derbdeutlichen Meinung nie hinter dem Berge hielt und wegen seiner Schimpffreudigkeit übelmollenden Betrachtern als after Krafeeler erschien. Auch seinen Lebensabend verdämmerte er nicht friedlich im Behnstuhl. Wovon er zwischen 1802 und 1805 fchon in Jena   einen peinlichen Hauch verspürt hatte, das fand er in Heidelberg   in voller Blüte: die Romantit, deren fymbolisch- mastisches Genialitätstreiben seinem verstandesklaren Rationalismus ein Greuel war. Was ihn aber gegen die publizistischen, philosophischen and poetischen Wortführer dieser Richtung, die Görres, Creuzer und Brentano  , über die Maßen erbitterte, war ihr Liebäugeln mit dem Mittelalter. Wo er über das Berhältnis der Romantiker au Stunft und Dichtung absprach, war er der verständnislose Banaufe, aber im Recht blieb er, wo er gegen fie als Helfeshelfer der pfäffifchen und junferlichen Reaktion vom Leder zog. In seiner schonungs­lofen Stäupung des zum Katholizismus hinübergewechselten Grafen Friedrich Stolberg  , eines Jugendfreundes im Hainbund" und in Eutin  , steckte die gleiche scharfe Abrechnung mit der ganzen Rüd­wärtserei in Kirche und Staat wie in seiner wissenschaftlichen Er ledigung von Creuzers Symbolik; warnend vor dem Junfertum. das wütender als jemals der Türk" den erleuchteten Bölkern finstere Barbarei drohe, maren es herzerfrischend grobe Streitschriften, die in der Zeit der Burschenschaft   und des Wartburgfestes, der Karlsbader Beschlüsse   und der Demagogenjagd die Geister mächtfa bewegten. Mitten im Lärm dieser Kämpfe ging, am 29. März 1826. der stets Raftlose zum ersten und zugleich letztenmal wirklich aur Ruhe, und noch über sein Grab wurde hin- und hergeschossen.

Keines anderen Dichters Leben jener Beit endete so in Be­wegung, denn ob Johann Heinrich Voß   der Poefie teine neuent Wege zu weisen wußte, um die bürgerliche Freiheit machte er fich wohlverdient. Die Harfe schlug er so gut, wie er fonnte, aber die Schleuder führte er im Kampf gegen die Mächte des Tages meister­lich. Er ist", wie eine es faßte, vielleicht, nach Lessing  , der größte Bürger in der deutschen   Literatur."

3m Karfreitagsfonzert der Boltsbühne am 2. April, abends 7 Uhr, im Theater am Bülowplab mirb Margarete rnbt Ber Schuberts Dem Unendlichen und Die Bettelarie aus Meyerbeers Dver Der Prophet" zum Vortrag bringen. Der Staats- und Domchor unter Leitung von Prof. Hugo Nudel fingt Die beutiche Maffe von Schüt und Berle von Bach und Mendelssohn  . Am Flügel: Artur Arndt.

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Spielplanänderung. Die auf den 29. festgelegte Erstaufführung von Marlborough giebt in ben Ring" im heater am diffbauerdamm wird auf den 30. verlegt. Die zum 29. aus gegebenen Starten behalten ihre Gültigkeit.

Die Ausstellungs tommi fion der Großen Berliner Kunstaus" ellung 1926 hat die Vorarbeiten für die Ausstellung begonnen. Zum Präsidenten der Uusitellung wurde wieder Prof. Carl Langhammer   wie im Vorjahr ge­mählt. Die Ausstellung foll am 22. Mai eröffnet werden. Einlieferung bis zum 15. April.

Wiederaufbau des Shakespeare- Erinnerungs- Theaters. Auf den Aufruf zur Sammlung eines Betrags von 250 000 Biund, bie bazu dienen sollen, Stratford   on Avon einen Neubau au Ichaffen, find am 1. Zeichnungstag an Stelle bes türglich abgebrannten Shalejveare- Gebächtnis Theaters in 5000 Pfund eingegangen Der Aufruf ist von Baldwin, Lord Drford, Ramfah Macdonald und Thomas Hardy   unterzeichnet