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1. Seilage ües Vorwärts
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Mttwoch, Z1.MÄZ 1456
Herlins Junfzigmillionen-Anleihe besihlossen. Die Deutschnationalen verweigern der Stadt zu ihren Arbeite« die Mittel.
Die Berlin «' Stadtverordnetenversammlung hat sich gestern mit der vom Magistrat beabsichtigten Aufnahme einer Inlandsanleihe von 20 Millionen Mark einver- standen erklärt. Nur die Deutschnationalen versagten ihre Zustimmung, weil der Verwendungszweck nicht in allen Punkten ihren Beifall hat. Es sind nämlich auch Arbeiten dabei, die gegen die Stimmen der Deutschnationalen beschlossen worden sind. Darum mühten, wenn's noch ihrem Willen ginge, olle notwendigen Ar- beiten unausgeführt bleiben, deren Kosten aus der Anleihe gedeckt werden sollen. Nun, es geht in Berlin glücklicherweise nicht nach dem Willen der Deutschnationalen. Auch die Kommunisten er- klärten sich mit der Anleihe einver st anden. Sie, die sonst gerne jede Bosheit der Deutschnationalen mitmachen, waren diesmal oer- nünftiger. « Die wegen der Osterfeiertage ausnahmswesse gestern, am Mens- tag, abgehaltene Stadtverordnetenversammlung uberwies zunächst einen Dringlichteitsantrag Gäbet(KPD. > dem Erwerbs- lofenausschuh. Der Antrag stellt fest, daß der Magistrat immer noch nicht die Papiere der wegen des Streik, ausdenRehbergen entlassenen Notstandsarbeiter geändert Hab«, so daß die nunmehr erwerbslos Gewordenen immer noch keine Unterstützung erhalten können. Der Magistrat wird ersucht, sofort die Aenderuna vorzunehmen. Zur Frage der Vorlegung einer Dienstvorschrift für Schulhausmeister sprach der Kommunist M e n z. Ge- nosse kreuziger kam als Redner unserer Fraktion zunächst noch ein- mal auf den Z w i s ch e n f a l l, der durch da» mehr als eigenarüge verhalten der deukschnatioaaleo SladträÜo Fron kraußter in der geuamüen Angelegenheit Hervergerufe« wurde, arrück. Frau Kraußler hatte sich in Vertretung de» Stadtrat» Benecke in der letzten Sitzung zu einer Stellungnahme außerstande erklärt, weil sie von einem»den Sozialdemokraten nahestehenden Magistratsbeamten bei der Heronschaffung des Materials im Stiche gelassen worden sei". Damit tonnte nur unser Genosse Magistrcilsoberschulrat 31 pH dal gemeint sein und Frau Kraußler nahm die Gelegenheit wahr, sich an ihm zu reiben. Ge- nosse Kreuziger konnte feststellen, daß es bisher noch nicht vor- gekommen ist, daß sich ein M a g i st r a t» m i t g l i e d h i n t e r d e n Beamten versteckt. An den Genossen Nyhdal oder sein Bureau ist auch keine Aktenanforderung ergangen. Frau Krauß- ler hüllte sich bezeichnenderweise in Schweigen.— Im übrigen setzte sich unser Redner mit aller Wärme für die Neuvorlegung einer Dienstordnung für die Schulhausmeister ein. Nach einem kurzen Schlußwort von M e n z war die Anfrage an den Magistrat erledigt. — Der Magistrat ist der Erhöhung des Schulgelde» für die höhereu Schule» durch den Staat gefolgt und will den Jahresbetrag für die städtischen .Anstalten aus 132 M. festsetzen.(Der Staat nimmt 200 M.: die 1-Stadt will der leichteren Teilbarkeit durch 12 Monatszahlungen ""wegen schon nur 132 Dt. nehmen!.) Stach einer längeren Debatte wurde die ganze Angelegenheit an den Haushaltsausschuß verwiesen. — Eingegangen Ist ein« Anfrage des Pfarrer» Koch (Dnatl.). der den Magistrat fragt, wa» er zu tun gedenke, um eine Verdrängung der Atellerbewohner des chauses Siegmundhof 11 aus ihren Woh- nunflen durch die Benutzer einer im gleichen Hause untergebrachten Svnaaoae zu verhindern. Die S P D.-F r a k t i o n stellte dazu folgeren Dringlichteitsantrao: Wir beantragen, die Stadtverordnetenversammlung wolle beschließen, den Magistrat zu ersuchen, unverzüglich durch das zuständige Wohnungsamt die nötigen Schritte unternehmen zu lassen, um den Künstlern, die im Haus» Sregmudshof 11 jahrelag ihre Ateliers haben, die Weiter- benutzung zu sichern. Die Sache wird den geschästsordnungsmäßigea Weg gehen.
Zu dem Antrag noferer Fraktion wegen der Eiuführuag des Kostzwanges für das Personal im Krankenhaus Moabit erklärte Swdtmedizinalrat Prof. v. Drigalski. daß die Angelegenheit von der Bezirksversammlung Tiergarten geprüft und bearbeitet wird. Er habe zu der Bezirksversammlung und zu dem mitwirkenden Di- rektor des Krankenhauses das Vertrauen, daß sie zu einer das Per- sonal befriedigenden Lösung kommen werden. Die Versammlung beschloß, den Magistrat zu ersuchen, dafür zu sorgen, daß sofort Abhilfe geschaffen wird und die verantwortlichen Personen zur Rechenschaft gezogen werden.— Bei der Verabschiedung der geplanten So.Mllioaen.Anleihe betonte Stadtv. Lüdicke(Dnatl.), daß feine Fraktion der Anleihe nicht zustimmen könne, weil sie mit einzelnen Verwendungszwecken nicht einverstanden sei.<!> Trotzdem stimmte die Mehrheit der Aufnahme der Anleihe zu.— Der Antrag der Kam- munisten betreffend Errichtung und Bervollständigung der Sport- plätze als Notstandsarbeiten und die Vorlag« des Magi> strats betreffend Notstandssmaßnohmen auf den Spiel-, Sport» und Dolksparkanlagen werden nach der Ausschußbericht. erstattung durch den Genossen hossmann in der Ausschußfassung a n- genommen. Die Deutschnationalen hatten den Antrag gestellt, daß Hypotheken au» der Houszinssteuer nur an solche Personen abgegeben werden dürfen, die die Arbeiten für den Neu- bau in Berlin anfertigen lassen. Der Ausschuß hatte mit großer Mehrheit diesen Antrag abgelehnt, wa» auch nach langer Diskussion die Stadtverordnetenversammlung tat.—- Me nächste Sitzung der Stadtverordneten findet erst am 1Z. April statt. Wegen der Etats« beratung beginnt sie ausnahmsweise schon um 4 Uhr.
,Chret öas Merl�
Still sitzt der kleine Junge auf seinem Platz in der Straßen- bah». Er ist ungefähr zwölf Jahre alt, steht aber jünger aus, es ist ein unterernährte», bleiches Bürfchchen mit müden Augen, die schläfrig auf die Straße blicken, ohne die Bilder za erfassen. Der Junge träumt vor stch hin. Er kommt aus der Schule, auf dem Rücken trägt er einen schweren Tornister. Allmählich füllt sich die Straßenbahn. E» ist 1 Uhr mittags, und der Wagen fährt nach Spandau . In der Kleiststraße steigt eine jüngere Dame von stabilem Aussehen ein, vergebens sucht sie einen Sitzplatz. Nachdem sie die Leute mit vorwurfsvollen Blicken gemustert hat, bleibt sie vor dem kleinen Jungen stehen. Nervös zerrt sie an ihrer Pelzjacke und trommelt mit den Fingern auf die Lehne des Sitzes. Dem Jungen gegenüber sitzt ein Herr mit gestraffter Haltung. Lebensernst ballt sich um seinen Mund, er liest interessiert ein« Mittagszeitung. Als die Dame vor ihm verärgert hüstelt, steht er auf. Er macht An- statten, aufzustehen. Da fällt sein Blick auf den kleinen Jungen. Seme Sttrne furcht sich noch tiefer. Er sieht nun aus wie das fleischgewordene Prinzip der Ordnung. Er schüttelt ärgerlich den Kopf und sogt zu der Dom«.Das ist die moderne Erziehung! Wo sollen auch die Kinder heute etwas gelernt hoben/ Die Dame improvisiert«in Lächeln und nickt zustimmend. Der kleine Junge ahnt nichts von den Gewitterwolken, die stch drohend um sein Haupt zu« sammenziehen. Er träumt weiter vor sich hin. Der Wagen hat stch inzwischen beängstigend gefüllt, lleberall werden Mißfallens- äußerungen über den kleinen Jungen laut. Der lebensernste Herr, im Gefühl, die absolute Mehrheit Pnter sich zu haben, schmettert kurz und wuchtig heraus:.Ich sollte sein Vater sein." Er blickt sich wie ein Held um, alle bewundern im stillen diesen Mann von allem Schrot und Korn. Me Dame äußert spitz:.Wer weiß, wo der herstammt!" Allgemeine Erörterungen über Kindererziehung
und Abstammung knüpfe« sich daran. Schließlich reißt dem Herrn die Geduld, er packt den Jungen an den Arm und schüttelt ihn: �Lünnnel, stehst du denn nicht, daß ältere Leute stehen müsse», und du sitzt hier herum? Weißt du denn nicht, was sich schickt? Steh' sofort auf, na, ich sollte dein Vater sein!" Alle blicken z« dem Herrn bewundernd herunter, er wächst zur Größe eine» antiken Helden. Der kleine Junge ist unsanft erwacht, fühtt sich Plötzlich von seinem Platz gestoßen, den die stabile Dame, der man ja ansieht. daß sie sehr gut bis Spandau stehen könnte, empört einnimmt. Aus allen Augen treffen ihn strafende Blicke. Wie ein müder, ge- prügelter Hund schleppt er sich zum Ausgang und steigt bei der nächsten Haltestelle aus. Im Wagen jedoch herrscht ungetrübte Zu- friedenheit darüber, daß Ordnung den Sieg errungen hat.
5erienbegiml. Heute mittag beginnen in Berlins Schulen die Osterseriett. Ein trittscher Augenblick gewiß. Denn es geht um die Versetzung. Das Resultat ist von Wichtigkeit nicht nur für den Jungen oder das Mädel, denen gegebenenfalls neben anderem Unangenehmen die dra- matische Auseinandersetzung mit den maßlos enttäuschten Ellern winken. Aber das allein ist es auch nicht. Reue Schulbücher sind anzuschaffen und mit dem Eintritt der Jüngsten in den so oft zitterten Ernst des Leben» erwachsen vermehrte Ausgaben. Besonders be- schwerlich dann, wenn der Vater, heute wahrlich keine Seltenheit, sondern fast bittere Alltäglichkeit, arbeitslos ist. Für jene aber, die dic leidige Schulbank drücken, ist e» nicht die schlechteste Zeit! 14 Tage unbeschränkter Freiheit. 14 Tage ledig sein der Fesseln der schwer- fälligen Schulmaschinerie scheint das Paradies. Man lernt sehr viel in diesen Ferientogen, zuviel fast, so daß die Wochen und Monate der Schulzeit dem Kinde ein beinahe erfreuliches Gegengewicht bieten. 300 Lebensstunden, mit Sonne und Frühling, mit 3ta«ht und Sternen, mtt Regen und jagenden Wolken, mit Feld. Wald und rastlosem Spiel, sind ungeheuer viel Zeit. Und wie versteht da? Kind die Frist zu nutzen! lllachher allerdings,,,»
DaS Geheimzeich«« der HSchstea Skat. Der angeblich« Obermaschinist Gottfried Fischer reist als falsche« Logenbruder umher und brandschatzt die Freimaurer « logen. Fischer ist eine dunkle Existenz und als Seemann in d« Wett herumgekommen. Sein Strafregister weist viele Vorstrafe» wegen der verschiedensten Vergehen aus und auch im Auslande ist Fischer n. a. wegen Spionage mit schwerem Kerker bestraft worden. Vor zwei Iahren trieb nun hier ein Mann sein Unwesen. der offenbar die Geheimnisse und Gebräuche der Frei- maurerlogen sehr gut kennen mußte. Dieser Mann erschien bei den Vorstandsmitgliedern mehrerer Logen, darunter der Loge zur„aufgehenden Sonne" und wies sich durch das Geheimzeichen als Freimaurer aus. Dann erklärte er, auf einer Reife in Not ge- raten zu sein, und bat um eine Unterstützung, die ihm auch ge- währt wurde, da er das freimaurerische Geheimzeichen der höchsten Not gleichfalls geben tonnte. Auf diese Weise erbeutete er etwa S00 Mark. Erst nach zwei Jahren konnte der Schwindler durch das Verbrecheralbum in Bremen entlarvt und festgenommsn werden. Gestern bestritt Fischer vor dem Schöffengericht Schöneberg. der falsche Logenbruder gewesen zu sein und suchte es durch die Be- hauptung zu beweisen, daß er in der fraglichen Zell im Paris « Zentralgesänonis gesessen hätte. Er gab allerdings zu. selbst früh» einer ungarischen Loge angehört zu haben. Die ihm gegenüber ge- stellten Zeugen erkannten jedoch an seinem auffallenden raub- tierartigen Gebiß den Angeklagten mtt positiver Gewißheit wieder, und so wurde der offensichtlich mit allen Wassern gewaschene und vor Gericht äußerst dreist austretende Fischer, der alle möglichen Dialekte der Wett spricht, wegen Betruges zu 0 Monaten Gefängnis verurteilt._ Inbetriebnahme der neuen Ilord-Süd-Bahnsirecke am IL. Lprtl. Me Berlin« Nord-Süd-Bahn°A.-G. teilt mit: Di« landespolizeilich« Abnahme der neuen 3!ord°Süd-Bahn- Untergrundbahnstreck« Hasen- Heide— Hermannplatz— Rathaus Neukölln— Bergstraße ist für Don- nerstag, den 8. April angesetzt. Die Betriebserösfaung erfolgt am IL April mtt Betriebsbeginn.
4S]
Gnkel Moses.
Roman von Schalom Asch . Sie sprang auf, raffte den Schmuck zusammen, den der Onkel ihr geschenkt hatte, die Perlen, die Diamanten, die Saphire, dies, was sie an Geld und Schmuck zusammenraffen konnte, band sie in ein Paket, kleidete sich ganz einfach an und trat ins nächste Zimmer. „Mascha, es ist nicht meine Schuld, ich habe es nicht gewollt. Ich kann nichts tun!* Der Onkel sah sie flehend an. Derachtuna vor dem Onkel faßte sie. In ihrem Herzen fühlte sie für ihn gar nichts, nur Koche, das süße Gefühl, daß das Leben an ihm Rache nahm. Sie sah ihn verächtlich an und rief:'■ „Ich haste dich: ich hasse euch alle." „Warum?* Der Onkel streckte ihr die Hand entgegen. „Wohin gehst du. Tochter?* Die Mutter lles ihr uach. Mascha antwortete nicht. Der Onkel blieb allein. In der Dämerung kroch die Einsamkeit aus den Winkeln des Zimmers auf ihn zu. Er erschrak vor etwas und wußte nicht, wovor er erschrak. Etwas schien immer näher auf ihn zuzukommen. Da erklang im Kinderzimmer des Kindes Weinen und der Singsang der Amme, und Onkel Moses ging hinein, um Trost und Freude bei seinem eigenen Fleisch und Blut zu finden...- 7. Am anderen User. Mascha suchte Charlie in seiner Wohnung bei der Tante. Charlie war nicht zu Hause. Die Tante, welche Mascha»mn erstenmal seit der Hochzeit wiedersah, empfing sie mit kühlem Schweigen. Mascha verstand nicht, warum das geschah. Von der Tante erfuhr Mascha, daß sie Charlie im Streiklokal in der Congregation Schulchan-Aruch Ansche-Kusmin" finden könnte in der Chewra. deren Borsteher der Onkel war. Mascha aing mit dem Schmuckpatet, das sie den Streikenden brachte zur Congregation. Beim Haufe traf sie die Frauen, ihre kleinen Kinder auf den Armen, die herbeigelaufen waren. als sie gehört hatten, was sich vor des Onkels Werkstätte be- geben hatte. Mit den Frauen der Kusminer Landsleute war eine Veränderung vorgegangen. Ihre Kampfeslust war gestiegen nach dem. was sich vor des Onkels Werkstätte ereignet hatte. Ws sie sahen, wie ihre Männer vom Schlachtfeld heimkehrten, der eine mtt blutigem Kopf, der andere mit ausgerissenem Bart, da erwachte in ihnen so stark der Geist des Aufruhrs. daß sie berett waren, augenblicklich zur Werkstätte des Onkels zu laufe» und den Kampf auf der Mahlstatt wieder aufzu-
nehmen, von weicher ihre Männer fo schändlich vom„Feind* vertrieben worden waren. Sie schickten ihre Männer nicht mehr zur Arbeit beim Pharao zurück und befahlen ihnen nicht mehr, dem Onkel zu Füßen zu fallen und Sam» Hände zu küssen— im Gegentell, sie drohten ihren Männern, ihnen Töpfe mit heißem Wasser über die Köpfe zu gießen, wenn sie es wagen sollten, des Onkels Schwelle zu betreten. „2)u kannst dir gleich ein anderes Haus und eine andere Frau suchen, wenn du es mir wagst, zum Onkel zu gehen,* drohte eine Frau mit erhobenem Finger ihrem Manne. „Und alles, was Charlle dir befiehlt, das hast du zu tun, hörst du? Charlie weiß, was er zu wn hat. er weiß es schon, lang leben soll er!* Und Charlie wurde wieder der Moses, welcher hinging, um die Juden von Pharao dem König von Aegypten rnid seinem schweren Joch zu befreien. Charlie wurde wieder der Erlöser und der Befreier der Landsleute von Kusmin . Als man hörte, daß ein«„Dame* noch den Landsleuten von Kusmin fragte, da erhob sich Erregung: die Frauen um- ringten Mascha: bald wurde sie erkannt. .O, das ist doch des Onkels junge Frau, Mascha, die Tochter Aaronsl* „Du verstehst, sie ist gewiß hergekommen, um für den Onkel zu sprechen, daß sie zur Arbeit zurückkehren: du verstehst, wozu braucht sie denn sonst Charlie?" „Da sie sich dem Onkel verkauft hat. glaubt sie, daß wir alle uns auch verlausen werden." „Warum nur dem Onkel, und wo bleibt Sam?* warf eine Stimme höhnisch ein. daß es schrill alle Geräusche übertönte. Maschas Gesicht glühte vor Scham. Sie wußte nicht, wie sie sich aus dem Ring der erregten Frauen retten sollte; sie fühlte, daß sie der„Feind* der Landsleute war. ob sie wollte oder nicht. Und in diesem Augenblick dachte sie nur daran, wie sie sich vor ihnen retten könnte. „Weiber, Weiber, beruhigt euch koch, was schrett ihr so?* Ein paar Männer suchten die Frauen zu beruhigen und halfen Mascha aus dem Ping heraus.„Charlie ist nicht hier, er ist auf der Polizei, um die Landsleute loszukriegen, die man eingesperrt hat, er wird bald zurückkommen, nehmt Platz, Mrs. Melnik, er wird bald zurückkommen.* „Wer ist sie denn, wer? Schau nur her. wie sie mtt ihr reden, was für ein Wesen sie aus ihr machen! Es ist nicht so weit her, da hat ihr Vater auch Hosen beim Onkel genäht und war derselbe Arbeiter wie alle, und dann ist das Glück zu ihm gekommen, der Onkel hat sich in sein Töchterchen verliebt — schau nur, was sie mit ihr treiben!* „Närrin, wir alle hätten dasselbe Glück haben können, wenn wir Töchter hätten mtt alten Leuten verheiraten wollen.* Ihretwegen zerschlägt er unseren Männern die Schädel,
damtt er seinem schönen Weibchen mehr Schmuck um den Hals hängen kann.* Mascha blickte die Frauen mtt bittenden Augen an. Sie wollte ihnen sagen, daß sie ebenso unglücklich war wie sie, daß auch sie beim Onkel„arbeitete*, der Firma„Moses Melnik and Company* ebenso Sklavendienste leistete und daß sie hergekommen war, um zusammen mit ihnen zu streiten. zusammen mit den Landsleuten sich vom Joche des Onkels zu befreien. Doch die Frauen konnten und wollten nicht das lesen, was in den großen, tränenfeuchten Augen der junge« Frau lag. Sie sahen in ihr den„Feind*, an dem sie Rache nehmen wollten für die jahrelange Plage, für die jahrealle Erniedrigung und für die blutigen Köpfe ihrer Männer. „Schau nur her. was sie mtt ihr treiben! Der Onkel ist gescheit, er will sie wieder in die Werkstätte locken, da hat er ihnen da» junge Weibchen da geschickt. Schau nur, wie sie still geworden sind, wie sie Angst vor ihr haben!* „Der Onket hat sie geschickt? Sam hat sie hergesckpckt.... Sie weiß schon, wem sie zu gehorchen hat!* Mascha fühlte die stechenden, brennenden Worte, welche die Frauen ihr zuschleuderten und nahm sie wie eine Strafe auf. In diesem Lugenblick war sie zu allem bereit— bereit. alles von sich zu werfen, die Schande und die Fron, die über sie geworfen worden war, und hier in der Kongregatton mit den Landsleuten zusammenzubleiben, ihr Los zu teilen. Und Sie wartete auf Charlie, damtt sie ihm alles, alles sagen önnte.... Ihr Verbleiben wurde nach und nach unmöglich. Die Frauen waren in so wilde Erregung geraten und ihre auf Mascha gemünzten Worte wurden so beleidigend, daß Mascha es nicht länger aushallen tonnte— und Gott weiß, wie diese Szene geendet hätte, wäre nicht Charlie erschienen. „Hollo, Mascha!* begrüßte sie Charlle mit seinem gewöhn- lichen Lächeln, als hätte er sie gestern gesehen,„was tust du hier?* Mascha sah ihm in die Augen. In den drei Iahren. da sie ihn nicht gesehen hatte, hatte sich Charlie wenig verändert. Er y>ar ebenso kindlich wie damals am Meeresufer in Coney Island , und unwillkürlich zog sie eine Parallele zwischen sich und ihm; es schien ihr, daß sie in den drei Iahren seine Mutter geworden war: doch er war das gleiche Kind geblieben. Die schwarzen Härchen, welche dem Rasiermesser zum Trotz auf seinen Wangen standen, bildeten einen schmalen Backenbart, der wie zwei schwarze Schläfenlocken aussah. Das war die einzige Aenderung, welch« Mascha an Cl�arlie bemerkte, und die machte ihn in ihren Augen zu einem Schuljungen, welcher einen Bart vortäuschen will und sich deshalb mtt Ruß ein- schmiert.'. Z"■■(54hch(atgt)