2. Beilage zum„Vomiirts" Berliner Volksblatt.Ur. 164.Mittwoch, de» 17. Juli 1895.13. Jahrg.SkrviKs in Spnnien.Der größte Ausstand der letzten Wochen mar der Arbeiterstreik inO r e n s e, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. Zuerst»vurdeu die Steinhauer wegen einer Lohnfrage ausständig.und nach und nach schloffen sich ihnen die organisirten Arbeitermehrerer anderer Berufe an. Die Behörden suchten die bestehendeStreitfrage auf die denkbar einfachste Weise zu lösen: sie v er-hafteten den Präsidenten des Arbeiterverbandes Joss Cuinasund einige andere Arbeiter; weitere Verhaftungen sollten folgen,wenn die„aufgestachelten" Arbeiter sich nicht besännen und zurArbeit zurückkehrten. Aber die Arbeiter besannen sich nicht, eslegten vielmehr noch viele andere die Arbeit nieder und dasNesultat war, daß die ungerecht Verhafteten wieder in Freiheitgesetzt wurden. Der Streik dauert zwar noch fort, aber es istHoffnung vorhanden, daß er bald beendigt wird; und wenn er,was sehr wahrscheinlich ist, mit einem vollständigen Siege derArbeiter endigt, so haben diese es vor allem ihrem einmüthigenVorgehen zu verdanken. Auf Einigkeit ist auch der Sieg derstreikenden Arbeiter in den Werkstätten der a n d a l u s i s ch e nEisenbahnen zurückzuführen. Die Werkstätten befinden sichin Malaga und der leitende Ingenieur hielt es für angezeigt, vierKupferschmiede zu entlassen, weil sie, auf Tagelohn arbeitend,nicht so viel oder mehr Arbeit leisteten, als wenn sie auf Stück-lohn arbeiteten. Sämmtliche Arbeiter der Eisenbahn-Werkstätten er-klärten sich jedoch mit den Entlassenen solidarisch und legten dieArbeit nieder. Das Ende vom Liede war, daß die Entlassenenwieder eingestellt wurden. Im Ausstande befanden oder befindensich noch: die Bauarbeiter und S t e i n h a u e r am Neubaudes Marinehospitals in F e r r o l, die mit dem Bauherrn wegeneiner Verkürzung der Arbeitszeit rechten und überdies für dieZeit, die sie durch unfreiwilliges Feiern verloren haben, Eni-schädigung verlangen; die organisirten Z i m m e r l e u t e in der-selben Stadt, die die Wiedereinstellung von fünf ungerechtfertigt ent-laffenen Genossen forder»; die S t e i n h a u e r in S a n t i a g o,die sich eine geplante Lohnverkürzung nicht gefallen lassen wolltenund nach kurzem Kampfe den Sieg davontrugen; die Kohlen-träger im Hafen von C a d i z, die eine Lohnerhöhung ver-langten und ihren Zweck erreichten, und endlich diemechanischen und die H a n d w e be r in A l c o y. Alcoy isteine bedeutende Fabrikstadt in der Provinz Alicante. Die Wederin den dortigen Tuch-Wollstoff- und Leinwandwebereien ver-dienen fast noch weniger als unsere schlesischen und fächsischenWeber, und das will gewiß viel sagen. Die armen Weber hatte»nun die Kühnheit zu verlangen, daß bei den Lohntarisen für dieHerstellung von Militärdecken und Flauellstoffen eine kleinePreiserhöhung Platz greife; diese unerhörte Bitte wurde natür-lich rundweg abgeschlagen, und die Folge war, daß 2000 Weberdie Arbeit niederlegten. Gegenwärtig arbeiten in Alcoy nurnoch 64 Webstühle. Wenn der Ausstand noch länger dauernsollte, dürste nicht nur die gesammte Tuchfabrikation in Alcoy,sondern auch die mit ihr verwandten oder ihr dienstbare»Geschäftsziveige, wie Baumwollspinnereien, Färbereien, Walk-Mühlen ec., vollständig lahm gelegt werden.Inzwischen ist, wie schon kurz gemeldet wurde, in Madridein großer Bäcker st reik ausgebrochen. Die Ursache warfolgende. Am 4. Juli beschloß die Vereinigung der im Bäckerei-geiverbe beschäftigten Arbeiter(Looieäack äs Odreros Panaderos),von den Unternehmern anstatt der üblichen drei Mahlzeiten eineVergütung von 7 Reales(1,47 M.) zu verlangen. Die Löhneder Madrider Bäcker hatten bisher folgenden Stand: die Schauster,d. h. die eigentlichen Bäcker verdienten 3 bis 4 Pesetas(2,40 bis3,20 M.) täglich, die Teigkneter 1,80—2,40 M. und die Lehr-linge 1,20—1,60 M. Außerdem erhielten, wie bereits erwähnt,die Arbeiter täglich drei Mahlzeiten,„ollas" genannt. Die„olla"ist die Hausmannskost der Spanier und besteht aus einer Mischungvon verschiedenen Fleischsorten und Gemüsen, die zusammen ge-kocht werden. Diese Mahlzeiten waren aber gewöhnlich ganzungenießbar. Nach viele» Unterhandlungen erklärten sichnun die Bäckermeister bereit, die Mahlzeiten wegfallenzu lassen und dafür 2, 3 oder 4 Reales— jenach der Kategorie der Arbeiter— über den gegenwärtigenTagelohn zu zahlen, aber die Arbeiter blieben bei ihrer Forderung einer Durchschniltszulage von 7 Reales. Der MadriderBäckermeister ist unter allen Bourgeois sicher der unsympathischstesmit feinen„Großthaten" hatte sich die Presse, auch die des Ans-landes, schon wiederholt zu beschäftigen. Nicht nur, daß er dieLöhne drückt, wie und wo er kann, er schraubt auch nach Gut-dünken in gewissen Zeitabständen den Preis des Brotes in dieHöhe und vermindert dafür ebenso willkürlich das gesetzmäßigfestgestellte Gewicht dieses wichtigste» Nahrungsmittels. Nachdem,wie vorauszusehen war. alle Einigungsversuche gescheitert ivaren,faßten von den 3000 im Madrider Bäckereigewerbe beschäftigtenArbeitern mehr als die Hälfte den Beschluß, am Morgen des 11. Julinach der ersten Ofenladung die Arbeit niederzulegen. Vorher abersollte noch eine berathende Versammlung stattfinden, welche fürden 10. Juli niittags nach dem„Fronton de San Francisco"einberufen wurde. Um die festgesetzte Zeit war der große Saaldicht gefüllt, und unter den Anwesenden befanden sich außer den,obligaten Beamten in Uniform nicht wenige Geheimpolizisten.Nachdem der Arbeiter A ntelo über die Unterhandlungen mitden Meistern Bericht erstattet hatte, erklärten sich sämmtliche anwesende Arbeiter mit Begeisterung für den Streik. Bis hierherwar die Sitzung in der würdigsten Weise verlaufen; gegen Schlußder Versammlung aber ließ sich ein im Reden unerfahrener Ar-beiter zu einer unbedachten Aeußerung fortreißen, die manbei einigem böse» Wille» als„Aufreizung zu Gewaltthaten"auslegen konnte. Der überwachende Polizeibcamte erklärte dieVersammlung natürlich sofort für aufgelöst, und beim Verlassendes Saales entspann sich zwischen einigen Arbeitern und mehrere»mit blanker Waffe vordringenden Polizisten, die ihren angeblich„bedrängten" Kameraden zu Hilfe eile» wollten, ein kurzes Hand-gemcnge, das von den bürgerlichen Blättern in geradezu unnatürlicher Weise aufgebauscht worden ist, und bei welchem etlichePersonen, Arbeiter sowohl wie Polizisten und selbst einige Frauen,unbedeutende Verletzungen davontrugen. Nichtig ist, daß dieheilige Hermandad etwa zwei Dutzend Dolchmesser und Revolverals fette Beute davonschleppte; da jedoch von zehn Spanier»neun mit Dolch oder Schießeisen bewaffnet spazieren gehen, istdie Waffeneinziehungsgeschichte durchaus nicht so gruselig, als esden Anschein haben mag. Daß auch eine ganze Anzahl Ver-hastungen vorgenommen wurden— man spricht von 60 bis 70— istselbstverständlich; so wurden beispielsweise sämmtliche Arbeiter, diedas Sitznngsbureau gebildet hatten, sowie alle Versammlungs-redner, festgenommen. Damit die Hauptstadt nicht ohne Brotbleibe, hat der Alcalde(Bürgermeister) angeordnet, daß währendder Dauer des Streiks aus deu Nachbargemeinden Brot jederArt verzehrssteuerfrei in Madrid eingeführt werden dürfe; fernerwurden Soldaten, Polizisten, ja selbst städtische Untcrbcainte, diefrüher Bäcker waren, oder vom Brotbacken wenigstens eineAhming haben, zu Zwangsdieusten in den Bäckereien heran-gezogen. Mit diese» Nothbehclfen wird man aber kaum sehrweit kommen, und es ist niehr als wahrscheinlich, daß die Arbeiteraus dem Kampfe als Sieger hervorgehen werden, zumal sichauch die Feinbäcker mit ihnen solidarisch erklärt haben undgleichfalls die Arbeit einstellen wollen, wenn die Forderungender Weizenbrotbäcker, um die eS sich jetzt nur handelt, nicht inkürzester Frist erfüllt werden.Gcviiszks�SeikuttZ.Gelverbegericht.Ein nicht ganz einwandsfreies Urtheil wurdekürzlich von der Kammer VI in einer Sache gefällt, die ihrerPrüfung unterlag. Der Bäckermeister Martens hatte dem BäckerElze eine Bäckerei eingerichtet und ihm außerdem eine kleinereGeldsumme zur Verfügung gestellt. Das Geschäft florirte nicht,und so kam es, daß Martens, um wenigstens etwas zu retten,die Einrichtung verkaufte, natürlich mit Schaden. Elze trat nunbei ihm als Werkmeister ein und verpflichtete sich, die Differenzzwischen den Kosten der fraglichen Einrichtung und dem Erlösaus ihrem Wiederverkauf, sowie seine Baarschuld an Martensratenweise abzutragen, mit der Maßgabe, daß die Raten vomLohne abzuziehen seien. Doch ehe die Schuld abgelöst war, gingdas Verhältniß der beiden in die Brüche. Martens glaubte sichberechtigt, vom Lohn der letzten Woche 16,71 M. einzubehalten,das heißt nicht als Entschädigung, sondern zum theil-weisen Ausgleich der alten Schuld, beziehungsweise des ver-bliebene» Restes derselben. Elze nahm das aber übel undklagte auf Herausgabe dieser Summe. Unstreitig war,daß der Kläger mindestens noch 16,71 Mark demBeklagten schuldete. Elze wurde abgewiesen, mit der Begrün-dllng, das Urtheil bedürfe keiner Begründung. So einfach, wiees hiernach scheinen könnte, liegt aber die Sache denn doch nicht.Vor allem fällt an dem Ausgange des Prozesses auf, daß manso gar keine Bedenken trug, die selbsthilflerische Kompensationeiner privaten Schuld(Schuldtheils) mit dem A r b e r t s-lohn für zulässig zu erachten, während sonst mit allergrößterAufmerksamkeit darauf gesehen wird, ob ein Kompensations-anspruch auch als Anspruch aus dem Arbeitsverhältniß zu be«trachten ist, und ob er infolge dessen überhaupt gegen verdientenLoh» geltend gemacht werden kann. Sicherlich ist gerade im be-richteten Falle sehr zweifelhaft, ob die Konipensation zulässig war,und eine Begründung des vorliegenden Urlheils wäre deshalbnicht überflüssig, sondern erst recht am Platze gewesen.Reichs-Versicherungsamt. Auch die plötzliche Ge-undheitsschädigung infolge seelischer Er-r e g u n g betrachtet das Reichs-Versicherungsamt als Betriebsunfall,wenn jene Erregung ihre Ursache in Vorgängen hat, die mit demBetriebe zusammenhängen. So ist wenigstens aus folgendemFall zu ersehen, der am 10. Juli unter Vorsitz des GeheimenRegierungsrathes Besserer entschieden wurde, und welcher inmehr als einer Hinsicht interessant ist. Die Bogensängerin Groschwar eines Oktobertages des Jahres 1801 in der Berliner Luxus-Papierfabrik von Litthaner n. Boysen emsig bei ihrer gewöhnlichenBeschäftigung, als plötzlich hinter ihr von einigen Arbeitern eineWalze fallen gelassen wurde, die unter großem Gepolter auf demBoden ausschlug. Wenige Sekunden darauf brach die erschreckteArbeiterin zusammen und verlor das Bewußtsein. Sie mußtenach Hause geschafft werden und sich dann, da ihre linke Seite voll-ständig gelähmt war, einer mehrmonatlichen Behandlung im Kranken-Hanse am Friedrichshain unterziehe», von wo sie im März 1892 alsgebessert, aber noch als vollständig arbeitsunfähig entlassen wurde.Der linke Arm blieb unbrauchbar und auch das linke Bein ver-mag die Bedauernswerthe nur mühsam unter Zuhilfenahme einesStockes regieren, wozu auch allgemeine körperliche Schwächekommt. Fräulein Grosch hatte nun bei der Papierverarbeitungs-Berussgenosienschast eine Unfallrente beantragt, indem sie be-hauplete, sie sei infolge des unvermuthete», donnerähnlichen Ge-töses der fallenden Walze so furchtbar erschrocken gewesen, daßsie sofort schwindlig geworden sei und das Bewußtsein verlorenhabe. Die Lähmung führte sie hierauf zurück. Die Genossen-schaft und ihr Schiedsgericht vermochten einen Betriebsunfallnicht in dem geschilderten Vorgang zu sehen, vielmehr nahmenbeide, wobei sie sich ärztliche Gutachten zu nutze machten, dieFolge einer organischen Krankheit an, und zwar eine sogenannteEmbolie. Das Rekursgericht, an welches die Klägerin sich schließ-lich noch wendete, stand einer ganzen Reihe von Gut-achten gegenüber. Da waren zum Beispiel zwei vonAssistenzärzten ans dem städtischen Krankenhause, die sich in-sofern widersprachen, als das eine de» ursächlichen Zusammen-hang zwischen dem Betriebe und der unter dem Bilde des Schlag-flusses eingetretenen Lähmung für wahrscheinlich, dasandere denselben aber für ausgeschlossen erachtetet Ei»weiteres Gutachten, die„Direktion des Krankenhauses" unter-zeichnet, konstatirt ganz einfach nur, daß der zur Charakterisirungeines Betriebs Unfalles erforderliche ursächliche Zusammen-hang fehle. Ter Leiter des erwähnten städtischen Krankenhausesani Friedrichshain, Professor Dr. Fürbringer, reichte auf Ersuchendes Reichs-Versicherungsamtcs ei»„Oberguiachten" ein, in welchemer sich auf das Gutachten der„Direktion" als auf„sein" Gut-achten mit der Bemerkung bezieht, er halte es aufrecht. Zunächstberuft er sich dann auf die Krankengeschichte der Klägerin, welchevon dem Arzte, der ihre Aufnahme ins Krankenhaus vollzogenhatte, niedergeschrieben wurde. Darin sind als frühere Krank-heiten derselben Scharlach und Rheumatismus angegeben.Letzterer sei sicher, meint die Gutachter-Antorität, der Ursachereines bei dem L2jährigen Mädchen festgestellten Herzklappenfehlers,und dieser wiederum habe die auch von ihm(Fürbringer)angenommene Gehirn- Enibolie bewirkt, in der Weise,daß er dos Gerinnen von Bluttheilchen veranlaßte, die durchdie Zirkulation des Blutes in Gehirnarterien gelangten, sich dortsestsetzten, diese verstopften und schließlich als weitere Folge-erscheinung die Lähmung unter der Form eines Schlaganfalleszeitigten.'Halbseitige Lähmungen träten oft ohne jede ficht-l i ch e Veranlassung infolge von derartiger Embolie ein. Auchwenn Snägerin beim Niederfallen der Walze heftig erschrak undgleich darauf zusanunenbrach, so dürste die Rolle des Schreckensals ursächlicher Moment nicht überschätzt werde». Die psychischeEinwirkung des Schreckens könnte nur in der Weise sich geltendgemacht haben, wie etwa ein Tropfen, der ein bereits gefülltesGesäß, dazugelhan, zum Ucbcrlaufen bringe. Die Lähmung hätteebenso gut in jetem anderen Moment, an jedem anderen Orteeintreten können, weil sie in der Embolie begründet sei. Indem Termin, in welchem dies Gutachten zur Kenntniß genommenwurde, bestritt die persönlich anwesende Klägerin, jemals anRheumatismus gelitten zuhaben; sie und ihr Ver-treter machten sich anheischig, die Behauptung zu beweisen. Es wurdedann auch beschlossen, das Vewcismaterial(Krankenkassen-Buch,Arbeitsbescheinigungen w.) einzufordern und es Herrn Fürbringernebst den Akten nochmals zu anderweitiger Aeußennig zu unterbreiten.Im letzten Termin, ain 10. Juli, konnte nun festgestellt werden,daß die Klägerin viele Jahre vor dem Unglück ohne Unter-brechung gearbeitet hatte, von Rheumatismus also kaum die Redesein konnte, an den sie nach der Krankengeschichte vor vier undzwei Jahren(vor der Behandlung im Krankenhause) gelittenhaben sollte. Prof. Fürbringer gab nun zwar in seinen, neuer-lichen Gutachten dre„Möglichkeit" einer irrthümlichen Eintragunghinsichtlich dcS Rheumatismus zu, meint aber, das Fehlen derVoraussetzung des Gelenkrheumatismus stoße die Annahme nichtum, daß der Unfall der Klägerin durch eine Gehirn-Embolie ver-scklckdet sei. Wenn nicht Gelenkrheumatismus den verhängniß-vollen Herzklappcnfehler verursachte, könne es eine andere frühereKrankheit der Klägerin gewesen sein, z. V. Scharlach, der nächstdem Rheumatismus zu den hauptsächlichsten Ursachen von Herz-krankheiten zähle. Fürbringer bleibt dabei, daß der Schreck urreinen ganz winzigen Bruchtheil der vollen Ursache der Lähmungdarstelle, höchstens die äußere Veranlassung dessen, was an sich,so oder so, kommen mußte.— Die Klägerin behauptetediesmal, auch an Scharlach nie gelitten zuhaben, den die Krankengeschichte ebenfalls als frühere Krank-heit der Grosch aufgezählt; ihre mitanwesendeMutter bestätigte das. Bon dem festgestellten Herzfehlererklären beide nichts zu wissen.— Die beklagte Berufsgenoffen-schast wurde verurtheilt, die Klägerin zu entschädigen. DerVorsitzende begründete das Urtheil kurz dahin, daß einBetriebsunfall vorliege und daß die Klägerin nichtinfolge eines organischen Leidens, sondern infolge des Unfallesin ihrer Gesundheit geschädigt sei. Eine ausführlichere Be-gründung wäre wohl gerade in diesem Falle am Platze ge-wesen.Als netter Polizeibeamter hat sich der auf Probeangestellte Polizei-Anwärter Born in Rügenwalde bewährt, wiedie letzte Verhandlung der Strafkammer in Stolp ergab. Beieinem Tanzvergnügen ließ er sich von zwei Leuten freihalten,und als er des Guten genug hatte, bearbeitete er sie ohne jedenGrund mit dem Säbel, verfolgte den einen sogar in dessenWohnung und machte sich des Hausfriedensbruchs schuldig. Erwurde deshalb zu 1 Jahr 3 Tagen Gefängniß verurtheilt undgleich in Haft genommen.— Wegen Unterschlagung im Amtewurde der Polizeikommissar Krüger in Erfurt unter Anrechnungvon zwei Monaten Untersuchungshaft zu einem Jahr Gefängnißverurtheilt. Als strafmildernd kam die mangelhaste Kontrolledes Beamten in betracht.Als BrailUtwein-LiebeSgabenschwindler ist der Ritter-gutsbesitzer Hirschberg aus Lodder von der Strafkammer zu Stolpin Pommern zu zwei Monaten Gefängniß und 600 Mark Geld-strafe verurtheilt worden. Der Angeklagte hatte den Antheil,den er als Brennereibesitzer an der bekannten Vierzigmillionen-Liebesgabe zu beanspruchen hatte, aus unrechtmäßige Weise da-durch zu erhöhen gesucht, daß er im September 1803 bei derSteuerbehörde den Antrag auf Erhöhung seines Kontingentesstellte und denselben mit der Angabe begründete, es seien aufseinem Gute Lodder in den letzten drei Jahren fünfhundertMorgen Neuland geschaffen und bestellt worden. Die Steuer-behörde hatte jedoch die Unwahrheit dieser Angabe festgestelltund gegen Hirschberg Strafanzeige wegen versuchten Betrugeserstattet.Ei« Hexenprozesi i» Irland. Aus Elonmell in Irlandwird der„Vossischen Zeitung" geschrieben: Ein Prozeß vonaußerordentlichem kulturhistorischem Interesse ist dieser Tage hierzur Entscheidung gekommen und hat zur Verurtheilnng der An-geklagten zu schweren Strafen geführt. Denjenigen, die diese»Verhandlungen beiwohnten, muß es zu Muthe gewesen sein, alsseien sie plötzlich in die dunkelsten Zeiten des Mittelalters zurück-versetzt, nur mit dem Unterschied, daß austatt das Geschick irgendeines armseligen, der Hexerei angeklagten alten Weibleins zu ent-scheiden, die moderne Jury über den Ehemann, den Vater unddie Verwandten einer unglücklichen jungen Frau zu Gerichtsaß, die von ihren Angehörigen unter dem Vorwand, sie sei eineHexe, lebendig verbrannt worden war. Der Glaubean Feen und böse Geister ist in Irland sehr verbreitet, undmau findet keinen Landmann, und sei er sonst auch wohl unter-richtet, der nicht vor den„kleinen Leuten", wie sie gewöhnlichgenannt werden, zittert. Ein tiefgewurzelter Volksglaube ist,daß ein Kind, oder eine Frau, die plötzlich zu kränkeln beginntoder von einer schleichenden Krankheit ergriffen wird, von denFeen entführt worden ist, und daß die Person, die anstatt desEntführten in seiner irdischen Hülle lebt, nicht die wirklichePersönlichkeit, sondern eine Fee oder eine Hexe ist, die seineäußere Form angenommen und sich so in die Familie eingeschlichenhat, um diese ins Unglück zu stürzen und zu gründe zu richten.Dagegen giebt es nur ein Mittel: das Feuer. Handelt es sichum ein Kind, so läßt man eine Schaufel glühend werden undberührt damit das Kind, handelt es sich aber um eine älterePerson, dann muß man den Hexendoktor kommen lassen undwenn seine Medizinen durchaus keine Wirkung haben, muh mandas Opfer ans Feuer bringen, ja selbst es lebendig braten:nur um diesen Preis wird die wirkliche Person zurückkehren. Inder Grafschaft Cork, in einiger Entfernung von der Stadt Clonnicll,lebte ein Böttcher namens Michael Cleary mit seiner Frau. Ergalt überall für einen Mustergatten, er war gutmüthig. trank nichtund war ein vorzüglicher Arbeiter. Trotzdem verschlechterten sichseine Verhältnisse seit einiger Zeit und anfangs März wurde seineFrau von einer schleichenden Krankheit befallen. Woher konntesein Unglück kommen? Er fand nur eine Erklärung: es war dasWerk der bösen Feen. Nach und nach befestigte sich in Clearydie Ueberzeugung, daß seine Frau ihm entführt worden fei, unddaß diejenige, die an seine Seite weilte, nur eine Hexe sei,welche die Gestalt seiner Frau angenommen habe. Er beriethsich mit seinem Schwiegervater und drei oder vier feiner Vettern.Alle gaben ihm recht, waren wie er der Meinung, daß maneinen„Hexendoktor" kommen lassen und, wenn dieser die wirk-liche Frau nicht wieder herzuschaffen vermöchte, das äußersteMittel anwenden, und die Hexe verbrennen müsse, die den Platzder verschwundene» Frau eingenommen habe. Am 14. Märzwurde denn auch der Hexendoktor, ein gewisser Demi»gerufen; der Gatte, und der Vater des unglücklichenOpfers, ferner vier ihrer Verwandten und eine alte Frau um-standen das Krankenbett. Ter„Doktor" bereitete aus bitterenKräutern einen Trank und nachdem er allerlei Beschwörungs-foruieln ausgesprochen hatte, wollte er die arme Frau zwingen,das Gebrän zu trinken. Als sie sich mit allen Kräften dagegenwehrte, nahmen ihre Peiniger dies als einen weiteren Beiveis,daß sie nur eine böse Hexe sei. Ihr Man» und ihr Vater hieltensie fest und fragten sie abwechselnd, während der„Doktor" ihrdie Medizin in den Mund goß:„Bist Du Margarethe Boland,die Frau von Michael Cleary? Sprich im Namen des Vaters.des Sohnes und des heiligen Geistes. Im Namen Gottes ant-worte: Bist Du Patrick Boland's Tochter?" Natürlich erfolgte dieAntwort:„Ja, ich bin es." Nachdem diese Tortur mehrere Stun»den gedauert hatte, entfernte sich der„Doktor", indem er erklärte,er könne nichts weiter thun, die Frau sei gar keine wirkliche Frau.sondern ein böser Geist in menschlicher Gestalt. Am Abenddes nächsten Tages versammelte sich die Familie, diesmal ohneden„Doktor", un: das Bett. Nun kamen die Leute zu dem Be-schluß, daß als letztes Mittel nur noch das Feuer bleibe. Clearyüberredete seinen Schwiegervater und seine Vettern, daß seineFrau von den Feen auf den Gipfel des Berges in die Ruinender kleinen Festung Kilnngranah entführt worden sei, und daßes nur ein Mittel gäbe, sie wiederzugewinnen: nämlich die böseFee zu verbrennen, die statt ihrer in sein Haus gedrungen sei.Er fügte ferner hinzu, wenn er dann auf den Berg ginge unddort mit einen: Messer in der Hand die Mitternachtsstundeerwartete, so würde er seine wirkliche Frau auf einem weißenPferde vorüberreiten sehen; gelänge es ihm dann mit seinemMesser die Zügel des Geistespferdcs zu durchschneiden, so würdeihm seine Frau in die Arme fallen, er würde ferner vor allenAugriffen der Feen geschützt und alle seine Unternehmungen vonbesten Erfolge begleitet sein. Sein Schwiegervater sowohl, alsdie Vetter erkannten, daß er recht habe. Man riß also die un-glückliche Frau ans dem Bett und schleppte sie an das KflN�n»