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Abendausgabe

Nr. 15243. Jahrgang Ausgabe B Nr. 76

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10 Pfennig

Mittwoch

31. März 1926

Vorwärts=

Berliner   Dolksblaft

Berlag und Angetgenabteilung: Geschäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Borwärts- Verlag GmbH. Berlin   S. 68, Lindenstraße Fernsprecher: Dönhoff 292-292

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Amerika gegen den Faschismus.

45 Senatoren gegen das Schuldenabkommen mit Italien  .

London  , 31. März.( WEB.) Times" zufolge verlautet in| Deutschland   feineswegs von jeder moralischen oder sonstigen den Wandelgängen des Repräsentantenhauses, daß 45 Senatoren Verpflichtung Amerifa gegenüber entbunden sondern es fig verpflichtet hätten, die mit Jtallen abgeschloffene Schulden- wurde eben ein neuer Friedensvertrag abgeschlossen. regelung abzulehnen

Reuter berichtet aus Washington  , die Mitglieder der Schuldenfundierungskommission Hoover und Smoot befonten neuerdings übereinstimmend die ernsten Folgen einer Bereife­lung des italienischen Schuldenabkommens. Smoot erklärte, die Italiener fönnten feinen Pfennig mehr zahlen als das Abkommen fefllege Hoover erklärte, die Nichtratifizierung des Abkommens durch den Senat würde Italien   jeder moralischen Verpflichtung zur Rückzahlung seiner Schulden entheben.(?)

Der Senat zählt 96 Mitglieder. Treffen die Angaben der Times" zu, dann ist schon jest nahezu die Hälfte der Se natoren entschlossen, das Abkommen abzulehnen. Daß die Res gierung im höchsten Grade besorgt ist, geht schon aus der Natur ihrer Argumente hervor: die Behauptung Hoovers, daß eine Ablehnung Italien   jeder moralischen Verpflichtung fünftig ent­binden würde, ist nichts weiter als eine Redensart, denn auch Die Ablehnung der Ratifizierung des Versailler Vertrages hat

Heute Entscheidung in Paris  . Havas   rechnet 20 Stimmen Mehrheit für Briand   aus. Paris  , 31. März.( WEB.) Nach einer Meldung der Agentur Havas   dürfte bei der Abstimmung über das Finanzgefeh das Minifterium 200 bis 220 Stimmen gegen fich haben und 230 bis 250 Stimmen für sich, so daß mit einer Mehrheit von etwa 20 Stimmen zu rechnen wäre.

Chamberlain über Brasiliens   Veto.

Erklärungen vor einem Unterhausausschuß. London  , 31. März.( WTB.) Daily News" berichtet über die gestrige Erklärung Chamberlains vor dem Parlamentsaus schuß für Völkerbundsfragen über die Vorgänge auf der letzten Genfer   Konferenz. Der britische   Außenminister hat eine Reihe von ihm allein oder gemeinsam mit Briand an Brasilien   gerichtete Schriftstüde zur Berlesung gebracht, in denen Brasilien   drin gend um die Zurückziehung des Betos gegen die Aufnahme Deutsch­ lands   in den Bölkerbund ersucht wurde. Chamberlain erklärte auf verschiedene Anfragen, hinter Brasilien   habe weder Italien  noch Frankreich   gestanden, auch deute nichts darauf hin, daß der Batitan oder Spanien   die Opposition Brasiliens   veranlaßt habe. Seiner Ansicht nach sei der einzige Grund für die Haltung Brasiliens   die öffentliche Meinung in diesem Lande und das Herannahmen der brasilianischen Präsidentschafts­

wahlen.

Widerwilliges Geständnis.

Die Anschlußgegner müssen zugeben... Paris  , 31. März.( Eigener Drahtbericht.) Der Besuch des öster­reichischen Bundeskanzlers in Berlin   ist von der französischen öffent­lichen Meinung aufmerksam verfolgt worden und hat zahlreiche Kommentare der Presse zur Folge gehabt. Von diesen Kommentaren,

die in der großen Mehrzahl die alten französischen   Argumente gegen den Anschluß Desterreichs an Deutschland   wiederholen, sind er­wähnenswert die Aeußerungen des nationalistischen ,, Echo de Paris". Das Blatt unterläßt zwar nicht, die Gefahr des Pangermanismus an die Wand zu malen und hält für sehr wahrscheinlich, daß der Anschluß durch eine Anzahl von Sondermaßnahmen, wie Handels­vertrag, Vereinheitlichung der Gefeßgebung, gemeinsame Außen politit usw. eingeleitet werde, unterstreicht aber doch, daß angesichts der gegenwärtigen Lage der Dinge diese Entwicklung als zwangs­läufig erscheine. Man habe alles getan, um Desterreich seiner Unabhängigkeit(!) überbrüssig zu machen, besonders durch die zahlreichen ergebnislos verlaufenen Versuche einer Wirtschafts­annäherung zwischen Desterreich und den anderen Nachfolgeftaaten. Die wirtschaftliche Misere Desterreichs sei ein Dauerzustand ge­worden. Die vom Völkerbund zur Prüfung der Lage Desterreichs entsandten Delegierten hätten im vergangenen Jahre feststellen müssen, daß das Desterreich von heute nur etwa die Hälfte seines Handels mit dem ehemals mit ihm im gleichem Staatsverband stehenden Gebieten habe.

England und die Reise Dr. Rameks. London  , 31. März.( TU) Die Times" widmen dem Berliner  und Brager Besuch Dr. Ramets einen Leitartikel, der anscheinend amtlich beeinflußt ist: In Deutschland   wie in der Tschechoslowakei  hätte die Reise des Bundeskanzlers Verhandlungen in die Wege geleitet, die für Desterreich wegen des Absatzes seiner Erzeugnisse von außerordentlicher Bedeutung seien. Es sei tein Zweifel, daß Defterreichs Lage schwierig sei. Das kleine Land fönne eine für| ein großes Land gedachte Hauptstadt nicht erhalten, aber es gebe feine Möglichkeit, die Entwicklung der Dinge umzukehren. Fort­schritt und das Vertrauen in Mitteleuropa   fönnten nicht wieder her­gestellt werden, ohne daß die österreichischen Nachfolgeftaaten ich endlich des gegenseitigen Mißtrauens entwöhnten. Die Haupt­hwierigkeiten Defterreichs seien durch die hohen 3olltarife

Nach Contarini

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Scialoja? Das große Abfägen.

Paris  , 31. März.( Eigener Drahtbericht.) Aus Rom   wird dem Corriere degli Italiani" das Gerücht gemeldet, daß Senator Scialoja demnächst als erster Delegierter Italiens   beim Bölter­bund zurücktreten würde. Er werde beschuldigt, ein nicht genug orthodoxer" Faschist zu sein. Die faschistischen Staatssenter erbost, die feineswegs den aus Rom   eingetroffenen Instruktionen find auch über einzelne Privatäußerungen Scialojas in Genf   sehr entsprochen hätten.( Daß Scialoja schon in Locarno   und besonders in Genf   nur sehr widerwillig gewissen faschistischen Instruktionen folgte, für beren strikte Durchführung ihm der Unterstaatssekretär Grandi beigegeben wurde, ist bekannt, ebenso, daß das Verhältnis zwischen den beiden am Schluß der Genfer   Verhandlungen sehr gespannt war. Reb. d. Bormärts").

ber Nachbarstaaten hervorgerufen. Jedesmal, wenn bie österreichische Wirtschaft wegen der Undurchdringlichkeit der Tarif mauern Not leide, würde der Anschlußgedante noch populärer. Es wäre gut, sagt das Blatt, wenn diefer Gedanke fallen gelassen würde, da durch den Anschlußgedanken weiter nichts entstände als allgemeine Unruhe(?). Solange aber Defter reich sich wirtschaftlich unsicher fühle, müsse die Versuchung bestehen bleiben, mit diesem Gedanken zu spielen.

Ift Italien   unser Vormund?

Rom  , 31. März.( TU.) Die Tribuna" meint, die Rametreise hätte dem Pangermanismus die Krone aufgefeßt, wenn nicht bas Beto Mussolinis und der Genfer   Mißerfolg Deutschlands   den Ton wenigstens offiziell herdogemilbert hätten. Der Messagero" be dauert, daß das Wolff- Kommuniqué den Charakter der Berhand­Lungen zwischen Deutschland   und Desterreich nicht flarer ertennen laffe Das Giornale d'Italia" sieht schon in der wirtschaftlichen Berbindung beider Länder einen ernſten Schritt zur Borbereitung des Anſchluſſes. Die europäischen   Kabinette müßten, ebenso wie Italien  , diese österreichisch  - deutsche   Aktivität wachsam verfolgen.

Averescus Anfang.

Knebelung der Oppofitionspreffe.

Butareft, 31. März.( Eigener Drahtbericht.) Das Rabinett Averescu   hat in seinem ersten Ministerrat beschlossen, die Neuwahlen am 25. Mai durchzuführen. Die Regierung wird ein Manifest mit der Aufforderung erlassen, die Wahlen geduldig abzuwarten und Ruhe zu bewahren. Die erste Tat des Innenministers Goga war, die führenden Journalisten zu sich zu berufen und sie zu marnen, in der Preffe beunruhigend auf die Bevölkerung einzumirfen. Eine Zeitung ist schon beschlagnahmt worden, weil sie die Berufung Averescus einer Kritik unterzogen hatte.

Die Handelspolitik.

Vorbereitung der Verträge mit Spanien   und Schweden  . Am Dienstag nachmittag empfing der Reichskanzler in Gegen wart des Reichsaußen, des Finanz-, des Wirtschafts- und des Er nährungsministers Bertreter ven Industrie, Handel, Landwirtschaft, Weinbau und der Gewerkschaften zu einer Aussprache über den Abschluß eines Handelsvertrages mit Spanien  . Nach eingehenden grundfäglichen Darlegungen wurde auf Vorschlag des Reichskanzlers ein Ausschuß aus den beteiligten Wirtschafts­gruppen gebildet, der mit der Regierung zusammen das gesamte einschlägige Material überprüfen wird.

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Halbamtlich wird mitgeteilt: Die Berhandlungen zwischen der deutschen   und der schwedischen Delegation über den Abschluß eines Handels- und Schiffahrtsvertrages mit Schweden  , welche bis heute in Berlin   stattgefunden haben, wer­den über Ostern ausgesetzt werden. den über Ostern ausgesetzt werden. Die schwedische Delegation tehrte am Dienstag abend nach Stockholm   zurück.

Bayerische Sorgen.

Held und die Staatspersönlichkeit". München  , 31. März.( BTB.) Die ,, Augsburger Postzeitung" gibt in einem längeren Artifel über die Frage der Verein fachung der Staatsverwaltung in Bayern   zu er tennen, daß Ministerpräsident Dr. Held, wenn er nicht in der Lage wäre, die von ihm als unabweisbar notwendig er­tannte Reform der Staatsverwaltung durchzuführen, nicht zögern würde, die Konsequenzen zu ziehen. Ministerpräsident Dr. Held wolle seinen Namen nicht mit einem Zusammenbruch der bayerischen bayerischen   Staatspersönlichkeit und des Staatsganzen verknüpfen lassen. Wenn die Einflüsse partei­politischer oder lokaler Natur sich stärker erweisen sollten als die Einsicht in die zwingendsten Staatsnotwendigkeiten, dann werde der Ministerpräsident und mit ihm das ganze Rabinett aurüd treten,

Wie lange noch?

Die Not der Invaliden- und Kleinrentner. Bon August Karsten  .

beschlossen, daß den Am 14. Juli v. J. hat der Reichstag   einstimmig leinrentnern bei gleichzeitiger Inanspruchnahme von Invalidenrentnern und Leistungen aus der Invalidenversicherung und der Gemeinde­fürsorge bestimmte Teile der Invalidenrente und der Zins einnahmen auf die Fürsorgeleistungen nicht angerechnet werden dürfen. Der Reichsrat erhob Einspruch. Der Reichs­tag wies diesen Einspruch mit der erforderlichen Zweidrittel­mehrheit zurück. Nunmehr erhoben Reichsrat und Reichs­regierung Einspruch gegen das Verfahren des Reichstags. Die Reichsregierung legte dem Reichspräsidenten das Gesez zur Unterschrift nicht vor. An Stelle des Reichstagsbe schlusses brachte.die Regierung im Einvernehmen mit dem der Bezirksfürsorgeverbände jedoch nicht durchgeführt wird. serungen in der Fürsorge enthält, von einem erheblichen Teil Reichsrat eine Verordnung heraus, die zwar einige Bes­Die Länderregierungen haben von dem ihnen nach der Ver­ordnung zustehenden Rechte, Unterstügungsrichtsäze festzu­legen, ebenfalls feinen Gebrauch gemacht.

Beim Wiederzusammentritt des Reichstags im Herbst lag ein Schreiben der Reichsregierung vor, in dem erklärt wurde, daß der Reichstag   am 12. August den Einspruch des Reichs rats nicht ordnungsgemäß erledigt habe, meil nicht brei Abstimmungen vorgenommen worden seien. Dieses Schreiben wurde dem Geschäftsordnungsausschuß des Reichstags zur Beratung übergeben. Am 10. Dezember hat der Ausschuß auf Antrag des Berichterstatters, Genossen Landsberg  , e in st im mig beschlossen, daß die Auslegung der Reichsverfassung und der Geschäftsordnung des Reichstags durch die Regierung nicht richtig sei, der Reichs tag habe den Einspruch richtig behandelt. Als dieser Beschluß vom Plenum des Reichstags bestätigt werden sollte, forderte die Reichsregierung unter Hinweis auf ihr Reichstags. Dieses Verlangen wurde auch damit begründet, Gegengutachten eine nochmalige Erörterung im Ausschuß des daß die Regierung von der Sitzung des Geschäftsordnungs­ausschusses feine Kenntnis gehabt habe. Das entspricht nicht den Tatsachen. Zu der Sizung am 10. Dezember find das Hauptbureau des Reichsministeriums des Innern, die Politische Abteilung des Reichsministeriums des Innern und das Hauptbureau des Reichsjufti ministeriums rechtzeitig ein­geladen worden. Von diesen Geladenen war jedoch niemand

erschienen.

Am 6. März d. 3. hat nun der Geschäftsordnungsaus schuß des Reichstages wieder getagt. Mit 15 gegen 8 Stim men wurde der erste Beschluß des Ausschusses bestätigt. Dieser Beschluß fonnte noch nicht im Plenum des Reichstags zur Verhandlung fommen, weil der Reichsinnenminister Dr. Külz   namens der Reichsregierung im Ausschuß am 6. März erklärte. daß mit dem Reichstage über die materielle Streitfrage im Sozialen Ausschuß des Reichstages eine Ber ständigung herbeigeführt werden soll.

Am 19. März wurde im Sozialen Ausschuß, nachdem in erster Lesung das Knappschaftsgesek fertiggestellt war, be­schlossen, in der Zeit vom 23. März ab die Für forgefrage zu erledigen. Der Ausschuß trat aber, weil der Borsigende des Ausschusses nicht vorher eingeladen hatte, erst am 25. März zusammen, und zwar nicht mit der Tagesordnung: ,, Beratung der Fürsorge", sondern um über die weitere Arbeit des Ausschusses zu sprechen. Zunächst wurde beschlossen, das Knappschaftsgefeß am 20. April in die zweite Lefung zu bringen. Auf Anfrage von sozialdemokra tischer Seite, wie es mit der Beratung der Fürsorge steht, er­flärte der Borsigende Esser( 3entrum), daß die Beratung feinen Wertmehr habe, weil das Plenum des Reichs­tags sich mit den Ergebnissen nicht mehr beschäftigen könne. Von sozialdemokratischer Seite wurde darauf hingewiesen, daß beim Wiederzusammentritt des Ausschusses das Knapp­schaftsgesetz beraten wird und dann die Fürsorge wieder nicht an die Reihe tommt. Die Sozial­demokratie forderte deshalb die sofortige Beratung, damit alsdann das Plenum schneller dazu Stellung nehmen könne. Auf die Frage, wie denn das Reichsarbeitsministerium zu der Verzögerung steht, erklärte der Vorsitzende, daß das Reichs­arbeitsministerium teinen Wert auf fofortige Beratung legt, wenn das Plenum nicht mehr dazu Stellung nehmen kann. Diese Haltung des Reichsarbeitsministeriums bot der bürger­lichen Mehrheit willkommenen Anlaß, gegen unsere Stimmen zu beschließen, die Fürsorge nicht mehr zu beraten.

Dieser Beschluß bedeutet, daß den Sozialrent nern die Vorteile des Gefeges vom 14. Juli und 12. August 1925 noch weiter vorbehalten werden. Dieser unerträgliche Zustand dauert jetzt schon bald dreiviertel Jahr. Noch am 19. März erklärte eine Ver­treterin des Zentrums im Ausschuß, daß die Beratung der Fürsorge eilt. Am 25. März stimmte das Zentrum gegen die Beratung der Fürsorge.

Die sozialdemokratischen Abgeordneten forderten nunmehr die Beratung ihres Antrages auf Erhöhung der Inva= Iidenrente. Der Vorsitzende des Ausschusses erklärte sich damit einverstanden und setzte die Sizung an. In dieser Sigung beantragte der Abg. Thiel von der Deutschen Volks­ partei  , daß die Beratung nicht mehr vorgenommen werden soll. Die Bürgerlichen stimmten einmütig diesem Antrage zu