Sonntag
4. April 1926
Unterhaltung und Wissen
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Bon Mag Pflieger.
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Am Oftersonntag ist's. Aus dem jämmerlichen Grau von Mietfafernen, Geschäftshäusern und langen Straßenzügen stechen große grüne Flede. Baldähnliche Gebilde Anlagen und Lungen der Großstadt hat man sie genannt. Der Berkehr ist sorgfam um fie herumgeleitet; Bänke in der Mitten, oftmals mit dem Schild:„ Bor. ficht, gestrichen!" Abfallkörbe voll Papier und Orangenschalen. Wiesen und Beete sind vorsichtig eisern umrandet und eine Tafel warnt vor Betreten. Da lärmen Kinder, Hungrige sigen zur Mittagszeit auf den Bänken, stieren in all das Grüne und vergessen vielleicht Magenwehen und gefährliche Gedanken. Beteranen mit Etöden und bösen Blicken vollziehen Aufseherpflichten, und helm, bewehrte Schuhleute fahnden nach schlecht angezogenen Menschen.
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Rings um den grünen Rand legt sich ein steinerner Gürtel von prunkhaften Häusern und Villen. Mit Gärten, hohen Gittern, Autogaragen und gewichtigten Namensschildern: Freiherr Direttor -Kommerzienrat.
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Da suchen drei Kinder durch den Bart. Ein Knabe und zwei Mädchen. Ihre blassen Gesichter, die billigen Rattunrödchen und die oft gestopften Strümpfe find nicht aus dieser Umgebung gekommen. Alles Aermliche ist überreich auf die drei gehäuft, nur aus den fehnsüchtigen Augen springt eine Fülle des Ueberschwenglichen.
Ostern. Aus Schulfibeln und farbigen Postkarten grüßen Oster. hafen mit roten und blauen Eiern und ziehen ein in die jungen Seele. Und als zu Hause nichts geschah, was nicht alltäglich, und als die fleinen Schnäbel endlich nach dem Märchenhaften fragten, da hat man sie fortgeschickt mit einer Gefte des Bedauerns und den billigen Worten:" Sucht fie doch, diese gütigen Hasen, fie find vielleicht in Wiesen und Wäldern; auf unsere schmutzigen Hinterhöfe und zu uns Armen sind sie noch nie gekommen."
So irren sechs Augen über das Gras, fuchen hinter Büschen und Bänken, und als das Ersehnte fich noch immer verbirgt, steigen die fleinen Füße über den eisernen Steg und betreten Verbotenes.
Musterhaft ist der Staat und musterhaft ist die Ordnung. Raum haben die Kinder in Entdeckerfreude den ersten Strauch mit zittern. den Händen niedergedrückt, da tommt der Helmbewehrte. Mit einem Saz über das Hindernis, die Linte greift nach dem Säbel und im Sturmschritt zu den Kleinen. Die Stiefel dieses Einzigen zerstören mehr als Hunderte von diesen kleinen Tripplern verderben könnten, aber was macht es die Staatsraison will es.
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Eine Flut von Flüchen fauft. Die Kinder jagen, Buffe und Herzen hämmern, und fast ist es so wie im Kino: Berfolgung der Bankräuber".
Endlich Ruhe. Eine Farst ballt fich noch einmal in der Luft, als leifte fie den Schmur der ewigen Rache, die Berbrecher find entfommen. Sie stehen am Ende des Parks und bliden wehmütig nach dem verlorenen Paradies.
Eine breite Straße liegt vor ihnen. Drüben eln stolzer Bau mit großem Garten. Und plöglich bringt ein heller Kinderschret in die verängstigten Gemüter und macht alles vergessen.
Schon sind sie über den Fahrdamm, flettern auf den niederen Bementsodel und pressen die Gesichter an die eisernen Stäbe. Nieerfülltes wird Ereignis. Groß starren bie Augen auf das Wunder, die Finger umspannen das Eisen, meit sperrt sich der Mund und all die kleine Leiblichkeit ist abgetan.
Unglaubliches
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Was ist? Dort in dem Garten, ein Knabe und ein Mädchen, gut gekleidet, die Kinder verstehen feine Leute und im Gras, im Gras ein nein, zwei, drei echte lebendige, leibhaftige Halen und hier und dert ein Restchen mit blauen, gelben, grünen und roten Ostereiern.
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So findet ihre Sehnsucht späte Erfüllung, eine Freude ohne. gleichen reißt die Armen zu einer gewaltigen Berzüdung.
So hören fie nicht den Ruf, der sie gehen heißt. Drinnen wird man mütend, ein dides Geficht taucht auf und befiehlt.
Türen Inarren, der Hausmeister geht um das Haus und im Eiltempo zu den gaffenden Kindern. Seine Hände greifen nach den Geniden.
Tränen rieseln über junge Gefichter. Und Ostersonntag ist's!
Ostern in Maderno.
Ich hatte in Gardone in einer Beinschenfe für acht Tage ein 3immer gemietet. Als ich am ersten Morgen von meinem Spazier. gang zurückkehrte, wurde mir zu meiner Ueberraschung gekündigt. tommt aus Mailand ."
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Il filio Das Gesicht der Wirtin verzerrte sich wie das schmerzüber. strömte Antlig der Maria auf dem Tafelbild in der Hauptkirche von Riva. Ich ging ein paar Häufer meiter, um eine andere Unterkunft zu fuchen, aber stets erflärte man mit Bestimmtheit:
" Sie sind frant. Ich kann Ihnen kein Zimmer vermieten." Da fiel mir ein, daß ich am vergangenen Tage auf der Fahrt über den Gardasee mir einen Schnupfen geholt hatte, der in der Nacht von einem leichten Rasenbluten begleitet war. Meine Wirtin mußten die Blutflecken in dem Eimer der Waschtoilette in Schrecken gesetzt haben. Man hielt mich für schwindsüchtig. Nichts fürchten tie fleinen Hotelbefizer und Zimmervermieter in Garbone fo mie die Tuberkulose.
Da sie alle von meinem Zustand bereits unterrichtet waren und fich topfschüttelnb weigerten, mir ein 3immer zu vermieten, führ ich mit der elektrischen Bahn nach Maderno hinüber. In Maderno wohnen die Fremden, die das warme Klima der Riviera am Garda see genießen wollen, ohne die teuren Preise von Gardone zu bezahlen. Aber für den, der die einheimischen Gasthäuser benutzt, spielt diese Frage eine geringe Rolle. La Trattoria dell Europa " war ein schmales, zweistödiges Gasthaus in einer engen Gaffe gelegen, die in spigem Winkel in die Berge hinaufführt. Eine richtige alte Schänke mit Kaminfeuer und Zinnfrügen wie in roman tischen Theaterſtüden. Schwere eingelegte Kommoden, seltsam ge wundene Sofas und die Betten hoch bepadt, mit gehäkelten Deden überzogen, an denen leine goldburchwirkte Troddeln baumelten Unten im Erdgeschoß war die Schanfftube gelegen, die betäubend nach Chianti duftete wie ein frisch geteertes Faß, und aus der jeden Abend Harmonitaflänge und das Schreten der Morraspieler bis tief in die Nacht herübertōnte.
Gleich am ersten Abend, es war an einem Karfreitage, gab es eine große nächtliche Prozession.
Nach Sonnenuntergang, als die braune Nacht sich über die permitterten Dächer sentte, öffnete sich das Tor der Kirche. Drei Chor
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Studenten und Soldaten am Brandenburger Tor . Ein starkes Bier, ein beizender Tobad
Und eine Magd im Puh ist dieser Herra Geschmad, Und jene dort? 3ch finde nicht die Spur Bon einem Geist, und alles ist Dreffur.
Königsplay.
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KÖNIGS PLATZ
Malt endlich Platz der Republit uns dran, Mag auch der Rüdschrift wütend fauchen. Ob wohl der neue Name, hoffen taun, Je aus dem Meer der Aemter aufzutauchen?
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Hier hat man einst mit üblen Puppen, Mit schauervollen Marmorgruppen
Beilage des Vorwärts
Einladung eines Schwarzweißroten:
Kommt zur Wilhelma mit. 3war findet ihr Sehr teuer dort die Speisen und das Bier, Doch Händel von der ersten Sorte.
Ein Verständiger:
Ich mag nicht hin, mir graut es vor dem Orte.
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Reichstag.
Es ist nicht jedem eingeboren,
Daß sein Gefühl hinauf und vorwärts dring
Wir hören, adh, so manchen Toren,
Der schmetternd zwar, doch nicht wie eine Cerche fingt.
Siegesallee.
fnaben mit bunten Laternen traten heraus und eröffneten den Zug. Eine Schar zehnjähriger Knaben folgte, Mädchen in hellen Kleidern und mit weißen Schleiern im Haar. Daran schloß sich ein Zug von Kindern, die ganz in Schwarz gefleidet einherschritten; wieder trugen die Mädchen schwarze Schleier im Haar. Dann tamen die alten Mütter, viele, viele, alle mit langen weißen Kerzen, die bis auf die Erde reichten. Ihre Gesichter waren faltig und ganz vertrocknet, als hätte man die greifen Mumien aus den Gräbern geholt, und sie stüßten sich im Gehen auf ihre Kerzen, wie wenn sie an leuchten den Stäben dahinschritten. Männer in großen schwarzen Bollperüden trugen einen gläsernen Sarg, in dem der blutbespritzte Leichnam Chrifti aufgebahrt lag. Unter einem Baldachin zogen langfam die Priester in ihren roten Röcken vorüber wie wandelnde Flammen.
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Weit schlimmer als die Pest getobt. Borbei die Zeit, daß man den Unsinn lobti
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Männer, halb betrunken, und fuchtelten mit den Kerzen wie mit brennenden Peitschen in der Luft. Ab und zu blieb einer stehen und lehnte fich an die Mauer. In den Fenstern der Hütten brannten Lichter, die Häuser hielten ihr Herz geöffnet mit bunten Heiligen. bildern in den steinernen Fluren, von bunten Lämpchen und ge wundenen Drahtkränzen geschmüdt.
Der Zug schwankte die unendlich schmale Gaffe hinauf. Das fladernde Licht tropfte von den Wänden, rauschte wie ein Regen die Gasse hinunter, rieselte an den Scheiben entlang und stand in fleinen goldenen Pfützen auf dem Pflaster. Die Balkone an den Fenstern beugten sich neugierig hinab. Die Häufer lehnten die Stirn aneinander, drängten sich bichter und dichter an den Weg und taumelten die Gaffe hinab. Nun schien es, als wenn sie sich mit einreihen wollten in den wandelnden Zug der Sichter, der singend
Die Kapelle schrie. Die Glocken läuteten. Zuletzt famen die hinaustrat auf den Plaß unter bas weit geöffnete Tor der Nacht.