Nr. 163 43. Jahrg. Ausgabe A nr. 83
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Amendolas Tod bestätigt.
vorgezeichneten Wege vorwärts marschiere. Kein Ereignis und tein Mensch werde den unwiderstehlichen Vormarsch des fieghaften Faschismus aufhalten. Mussolini forderte zur Ruhe auf und befahl, daß die Ordnung aufrechterhalten werde.
Die Tat einer geisteskranken Engländerin. Rom , 7. April. Die Agenzia Stefani meldet: Heufe vormittag um 11 Uhr hat auf dem Platz des Capitols eine alte Frau aus nächster Nähe einen Revolverfchuß auf Mussolini abgefeuert in dem Augenblid, als er beim Berlaffen des Internationalen Chirurgischen Kongreffes die ihm zujubelnde Menge durchfchritt, um sich in sein Auto zu begeben. Mussolini wurde nur ganz leicht verletzt. Das Geschoß durchschlug die Nafenflügel.
Muffolini bewahrte vollkommene Ruhe und Kalfblütigkeit; er
Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er die Wahrheit spricht." Wer einmal ein Attentat auf sich selbst dem traut man zumindest auch ein zweites zu.
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Verwahrloste Justiz.
Nachwort zum Prozeß Kußmann- Knoll.
Die beiden Angeklagten", die gestern vor dem ermeiterten Schöffengericht Berlin- Mitte paradierten, sind freigesprochen worden. Das Schöffengericht hat nicht finden können, daß ihnen eine strafbare Handlung nachgewiesen werden könne, und die Staatsanwaltschaft hat sich, soweit die öffentliche Verhandlung ein Urteil ermöglicht, bemüht, nicht zu tief in die Zusammenhänge hineinzuleuchten, die, so oder so, doch nur die völlige Verwahrlosung bei der Staatsanwaltschaft I aufzeigen mußten. Knoll find also m angels Beweises freigesprochen worDer Assessor Kußmann und der Hauptmann"
traf sofort die notwendigen Anordnungen, um Störungen der öffent- Jeder, der die ersten dürftigen Nachrichten von dem Revolver - den. Das ist schon ein Ergebnis, über das sich alle Anbeter durch dem
zu vermeiden. Die Täterin, die man nur mit größter Mühe vor der empörten Menge in Sicherheit bringen konnte, wurde ins Frauengefängnis eingeliefert.
Rom , 7. April. Die Agenzia Stefani meldet weiter: Die Urheberin des Attentats gegen Mussolini heißt Biolet Albina Gibson . Sie ist 50 Jahre alt, englischer Staatsangehörigkeit und gebürtig aus Dalfev( Grafschaft Dublin).
Rom , 7. April. Die Agenzia Stefani berichtet: Die Nachricht von dem Attentat auf Mussolini verbreitete sich in Rom mit großer Schnelligkeit und rief in allen Schichten der Bevölkerung tiefe Er regung hervor. Besonders im Zentrum der Stadt sammelten fich riefige Menschenmassen an, die die schärffte Entrüstung über das Verbrechen zum Ausdrud brachten. Ein Trupp junger Leute 30g nach dem Gebäude der Zeitung Mondo" und demonftrierte
farmend gegen die Opposition. Die Druderei des Blattes wurde beschädigt.
schuß auf Muffolini las, wird an das angebliche Komplott gedacht haben, über das im Oktober vorigen Jahres die offiziösen Nachrichtenagenturen des Faschismus passendgemachte und unkontrollierbare Nachrichten verbreiteten. Auch jetzt wurde zunächst der amtliche Apparat zur Unterdrückung aller nicht abgestempelten Nachrichten in Bewegung gesetzt. Aber die nach Aufhebung der Telephon- und Telegraphensperre nach Deutschland gelangten Privatmeldungen lassen erkennen, daß es sich diesmal weder um ein Manöver Mussolinis noch um eine politische Tat gegen den Faschismus gehandelt hat. Miß Gibson, die den Schuß auf Mussolinis Nasenspitze abfeuerte, ist keine Irländerin, die aus dem solidarischen Bewußtsein eines jahrhundertelang unterdrückten Boltes etwa Italien von dem obersten seiner Tyrannen befreien wollte; sie ist vielmehr die Tochter eines Mannes, der die irische Freiheitsbewegung mit reaktionären Gewaltmethoden bekämpfte. Es liegen an Scheinend feine politischen Motive vor. Wie die Mitteilung Es sind strenge Befehle ergangen, alle Ausschreitungen zu unter: Gottes" vor einem Jahre unternahm, erkennen läßt, handelt es von dem Selbstmordversuch, den die Attentäterin zum Ruhm sich um eine vermindert, wenn nicht zurechnungsun fähige Person.
brücken.
Die Attentäterin geistesgestört.
Condon, 7. April. ( WTB. Reuter.) Miß Gibson, die den Attentatsversuch auf Mussolini gemacht hat, ist die dritte Tochter des verstorbenen Barons Ashbourne, ehemaligen Lord fanzlers von Irland , und die Schwester des gegenwärtigen Lord Ashbourne, der in Frankreich ansässig ist.
Rom , 7. April. ( Agenzia Stefani.) Auf die ersten Fragen nach der Berhaftung antwortete die Urheberin des Attentats auf Musso lini , Miß Gibson, mit einigen unverständlichen Worten.
Es wurde festgestellt, daß sie am 27. Februar 1925 in der Benfion, die sie in Rom bewohnte, einen Selbstmordversuch unternahm, indem sie sich in die Brust schoß. Auf ihren Wunsch hin wurde damals ein protestantischer Pfarrer gerufen, dem gegen über sie erklärte, fie habe sich zu Ehren Gottes umbringen
wollen.
Nachrichtensperre über das Ausland.
Rom , 7. April. ( EP.) Innenminister Federzoni hat unmittelbar nach dem Attentat auf Mussolini , das heute früh um 11,10 Uhr stattfand, die Telegraphen und Telephon. Sperre nach dem Ausland verhängt. Die Sperre ist aber am späten Nachmittag wieder aufgehoben worden.
Kühle Zurückhaltung in England. London , 7. April. ( TU.) Das Attentat auf Muffolini hat in England größtes Aufsehen hervorgerufen. Alle Blätter erinnern an die bisherigen Attentate und geben eine Uebersicht über die politische Laufbahn Muffolinis, in der die Worte Dittatur, Despotismus, Tyrannei und Autokratie sehr oft wiederkehren. In feinem Blatt findet sich ein Wort der Anerkennung und selbst die menschliche Teilnahme fommt nirgendwo fühlbar zum Ausdrud. Ob Muffolini ein Beileidstelegramm der englischen Regierung erhalten wird, steht noch nicht fest. Die Tatsache, daß die Attentäterin britischer Untertan ist und den besten Kreisen der englischen Gesellschaft entstammt, erschwert die amtliche Stellungnahme.
Dennoch scheint selbst dieser gänzlich sinnlose, aus dem Hirn einer Ueberspannten oder einer Irren entstandene Schuß einer inneren Gefeßmäßigfeit zu gehorchen. ist nicht das erstemal, daß ein anormaler Herrscher die Waffe Es einer Anormalen auf sich zieht. Auf einen anderen Narren flog auch einmal das Geschoß einer Irrsinnigen. Vor einem Vierteljahrhundert entging in Breslau Wilhem II. mit genauer Not dem Messerwurf der Irren Selma Schnapte. Aehnlich hat gestern der Wort- und Blutrausch, der Mussolini umgibt, die Hand einer Irrsinnigen zur blutigen Tat gelockert.
Aber hierin erschöpft sich auch die Aehnlichkeit der beiden Attentate. In ihren Wirkungen waren sie gänzlich verschieden. Und an dem Vergleich der Auswirkungen erkennt man so recht den Grad der Narrenherrschaft in dem einstigen Deutschland und in dem heutigen Italien . Damals gab es feine politische Aufregung; fein monarchistischer Haufe zer störte oppositionelle Zeitungen, fein schwülstiger Aufruf feierte Wilhelm als von Gottes Hand gerettet. Im Land des Faschis mus aber löst der Schuß einer Irren Demonstrationen vor fremden Gesandtschaften aus, oppofitionelle Blätter werden zerrissen, eine Druckerei zerstört und die regierende Kaste erfennt in dem Fehlschlag des Schusses auf ihren Herrn und Meister die wunderbare Hand Gottes.
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Die Meldung über den Tod Amendolas wird bestätigt. Eine Die Meldung über den Tod Amendolas wird bestätigt. Eine Würdigung der Laufbahn des fapferen Freiheitskämpfers bringen mir auf der 3. Seite.
Paris , 7. April. ( Eigener Drahtbericht.) Ueber die Lage in Marotto und den Stand der angeblich geführten Friedensverhand. Amerika und das Mussolini- Attentat. lungen mit Abd el Krim liegen in Paris die widersprechendNew Yort, 7. April. ( TU.) Die New- Yorker Blätter berichten jede Auskunft. Es scheint jedenfalls festzustehen, daß Spanien , sten Meldungen vor. An den zuständigen Stellen verweigert man über das Attentat auf Mussolini in großer Aufmachung. Sie ver- demgegenüber sich Frankreich verpflichtet hat, teinen Sonder. urleilen zwar das Attentat an fich, heben jedoch hervor, daß Muffo- frieden mit Abd el Krim zu schließen, plöglich den Augenblick lini Diktator sei und daher mit Attentaten rechnen müsse. nicht für geeignet hält, offizielle Friedensverhandlungen zu erDie meisten Blätter üben bei dieser Gelegenheit wieder eine iharje öffnen. Andererseits dürfte auf französischer Seite die Krifit an Mussolini und weisen darauf hin, daß seine Machtpolitif Neigung zur Beendigung von Feinseligkeiten gewachsen sein, nachEuropa in neue Kriege ftürzen fönnte. Verschiedentlich wird an das dem es den Truppen gelungen ist, die französische Zone zum größten Attentat die Hoffnung gefnüpft, daß es Muffolini als eine ernste Teil von den Riftabylen zu säubern und die aufständischen Stämme Marnung ansehen werde. zu unterwerfen. Dagegen steht noch ein großer Teil der spanischen 3one außerhalb des spanischen Einfluffes. Gegenwärtig finden zwischen Frankreich und Spanien Berhandlungen über die gemeinsame Haltung gegenüber Marotto statt; von ihrem Ausgang wird die weitere Entwicklung der Ereignisse abhängen.
Narrenrede nach dem Narrenattentat. Rom , 7. April. ( Stefani.) Mussolini hielt vom Balkon des Balazzo Chigi eine Rede an die ungeheure Menschenmenge, die ihm ftürmisch zujubelte. Er sagte unter anderem: Ihr sollt für einige Minuten meine Stimme vernehmen, damit ihr euch überzeugt, daß ihr Klang fich nicht geändert hat. Ebenso wie ich euch ver fichern tann, daß mein Herz nicht schneller schlägt.( Beifall.)
Mussolini erklärte, er fei stolz, einer Generation anzugehören, bie niemals zittere, sondern stets auf dem vom Schicksal
Der französische Ministerpräsident hatte am Mittwoch eine längere Unterredung mit bem spanischen Botschafter. Diesem hat er, wie halbamtlich mitgeteilt wird, den Wunsch ber franzöfifchen Regierung nach einer Einigung über sichere Garantien für einen dauerhaften Frieden in Marotto zum Ausdrud gebracht.
der preußischen Justiz freuen dürfen. Deshalb nimmt es auch faum noch wunder, daß sich im Gerichtssaal eine große Zahl von Richtern und anderen Juristen eingefunden hatte, die dem freigesprochenen Kußmann begeistert gratulierte. Es nimmt kaum noch wunder, daß sich unter diesen Gratulanten auch der Landgerichtsdirektor Schulze befand, der bestellt ist, demnächst im großen Barmat- Prozeß den Vorsiz zu führen. Eine wunderbare Unparteilichkeit zeichnet nach der Sage den deutschen Richter aus. Deshalb unterhält sich Schulze leutfelig mit demselben Kußmann, der eben noch als Angeklagter por Gericht stand, der aber gerade in dieser Rolle sich rühmte, daß er sich bei seinen Aussagen immer so weit als möglich von der Wahrheit gedrückt, planmäßig und vorfäglich mit der Wahrheit 3urüd gehalten" habe!
Es ist für die Geschichte der deutschen Justiz freilich herzlich gleichgültig, ob dem Staatsanwaltsassessor Kußmann ein Bergehen oder Verbrechen gegen irgendeinen Paragraphen des Strafgesetzbuchs nachgewiesen werden kann. Viel schlimmer aber ist für die deutsche Justiz, was in diesem Prozeß an moralischer Verwahrlosung nachgeDa ist der frühere Hauptmann Knoll, der sich auch Kluge wiesen und mit zynischer Offenheit zugestanden wurde. nennt. Einer, der noch aus der alten deutschen Armee stammt hört. Er rühmt sich, bei allen seinen Vernehmungen die verund deshalb zu der Rafte mit dem besonderen Ehrbegriff genehmenden Beamten angelogen zu haben. Er hat lauter Schmus" erzählt, er hat nach eigener Angabe Behauptungen vorgebracht, die er„ absichtlich irreführend" angelegt hatte und die alle unrichtig" waren, er hat„ absichtlich die Wahrheit zurüdgehalten", und er rühmt sich dieser Verlogenheit offen vor den Richtern.
Die Richter aber, die sonst jeden Angeklagten auf eine ungenauigkeit in einem früheren Brotokoll festzunageln lieben, die jede andere Aussage vor dem erkennenden Gericht als eine nachträglich erfundene Ausrede zu werten pflegen, glaubten diesem Hauptmann", als er alle früheren Bekundungen als gewollten und überlegten Schwindel erklärfe!
Und der Kußmann, der ruhmredig davon spricht, daß er die Hand an der Gurgel der Korruption" hatte, prahlt damit, daß er sich vor der Wahrheit so weit als möglich gedrückt", daß er nicht die volle Wahrheit gesagt" habe, prahlt jetzt, daß er vor dem Untersuchungsausschuß des Landtags nicht ganz offen" gewesen sei, wie er vor dem Untersuchungspolizei ,, ein ausgemachtes Theater vorgemacht" ausschuß damit renommiert hatte, dem Leiter der Kriminalzu haben.
Dieser Mann, der nie den Mut zur Wahrheit fennt, der immer schwindeln muß, wo er auch zur Berantwortung gezogen werden soll, war derselbe, der die Hand an der Gurgel der Korruption" hatte, der ,, alle einsperren" und damit den Fall erledigt" sein läßt, dieser Mann ist derselbe, der von deutschen Richtern ob seines Freispruchs beglückwünscht wird! Kann man sich eine größere Berwilderung der Sitten denken?
Doch, denn der Kußmann und der Caspari und der sie den Knoll als, Bertrauensmann der Staats Staatsanwalt Pelzer müssen übereinstimmend zugeben, daß nahme übergeben haben. Denselben Knoll, der das von dem anwaltschaft" benutzt und ihm Aktenstücke zur Einsicht= Bölkischen Bacmeister und dem Deutschnationalen Leopold geldlich unterhaltene Bureau zur Berleumdung der Sozialdemokratie und zur Versorgung der Rechtspresse mit Standalnotizen leitete. Denselben Knoll, der im Auftrage der Bereinigung der Arbeitgeberverbände"- wahrscheinlich 3engen und meiẞinger die Rorruptions. fartothet" anlegte und aus dieser Anlage ein gut gehendes Höfergeschäft mit Standalnotizen machte! Die Korruption des christlichen Landarbeiterverbandes durch Unternehmergelder war ihm wahrscheinlich verschwiegen worden.
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