Nr. 18143. Jahrg. Ausgabe A nr. 92
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Sonntag, den 18. April 1926
Die Reichsregierung in München .
Geheimverhandlungen über neue bayerische Sonderwünsche.
München , 17. April. ( Eigener Drahtbericht.) In den Mittelpuntt des Besuchs des Reichskanzlers und der Minister Külz und Reinhold stand die am Samstag nachmittag zwischen 5. und 8 Uhr im Ministerium des Außeren mit den Mitgliedern der bayerischen Régierung gepflogene Aussprache. Die Basis dieser politischen Ver handlungen, die als streng vertraulich erklärt wurden, bildete die der Reichsregierung schon seit längerer Zeit ausgehändigte zweite bayerische Dentschrift. Die Denkschrift, die auf den Ministerpräsidenten Held zurückgeht, gliedert sich in drei Teile. den Ministerpräsidenten Held zurückgeht, gliedert sich in drei Teile. Sie enthält eine Darlegung über die Verluste Bayerns an eigenstaatlichen Rechten, dann eine Darstellung über bas, was dem Staat Bayern an solchen Rechten zurzeit noch verbleibt und bringt zum Schluß die Forderungen und Wünsche, die im Interesse der Reichseinheit(!) von Bayern und auch von ben anderen deutschen Ländern zur Wiederherstellung ihrer staat lichen Selbständigkeit erhoben werden. Das Wesentlichste dieses dritten Teiles ist die Forderung nach Wiederherstellung der finanziellen Selbständigkeit der Länder. Ueber die in dieser Richtung mit dem Reichskanzler und den Reichsministern gepflogenen Berhandlungen wird von Amts wegen folgende lato nische Auskunft erteilt: In der Aussprache wurden wichtige politische Tagesfragen erörtert. Dabei wurden insbefondere auch die Probleme, die sich aus dem staatsrechtlichen Ber. hältnis zwischen dem Reiche und den einzelnen Staaten ergeben, nach der grundfäßlichen Seite hin eingehend besprochen. Die Erörterung prattischer Eingelfragen wird sich später an fajließen."
Die„ Berhandlungen der Reichsregierung mit der bayerischen Regierung in München vollziehen sich im Stil ältefter Rabinettspolitif. Unter vollkommenem Ausschluß der Deffentlichkeit wird mit einem einzelnen Lande, das nach wie vor glaubt, auf vermeintliche Reservat rechte pochen zu fönnen, verhandelt, als ob man es mit einer auswärtigen Macht zu tun hätte. Die Brobleme der Entwicklung der deutschen Länder, des Finanz ausgleichs, der bei dem Druck unserer finanziellen Nöte längst notwendig gewordenen Berwaltungsverein fachung sind Fragen, die die gesamte deutsche Deffent
lichkeit und alle Länder angehen.
Je mehr sich Bayern in seine furzfichtige und überlebte Sonderpolitik verrennt, um so schwieriger wird feine Stellung im neuen einheitlichen Deutschland bleiben. Bon der Reichsregierung muß entschieden erwartet werden, daß sie über die geheimnisvolle Dentschrift Bayerns so bald als möglich der Deffentlichkeit Mitteilung macht. Wir wollen bei den brennenden Fragen der inner
Dem Gericht vorgegriffen. Der polnische Postscheckpräsident a. D., zuleht Anflagter, von einem Soldaten erschossen. Warschau , 17. April. ( WTB.) Heute nachmittag einige Minufen nach vier Uhr ist der ehemalige Generaldirektor der polniIchen Poftsparkaffe, Hubert Linde, vor seinem Haufe ermordet worden. Linde war, wegen großer Unterschlagungen angeklagt, die er als Generaldirektor in der Poffipartaffe vor einiger Zeit begangen hatte. Sein Prozeß dauerte feit etwa zwei Wochen, das Urteil sollte Montag nachmittag gefällt werden. Als Mörder wurde der Sergeant Wenzel Chielewski von der hiefigen Infanterieoffizierschule verhaftet. Wie aus seinen Neußerungen hervorzugehen scheint, hat Chielewski die Tat aus politi. fchen Motiven begangen. Er fürchtete, daß Linde auf Grund von nationalistischen Einflüffen nur eine geringe Strafe erhalten oder gar freigesprochen würde. Deshalb entschloß er sich, in dieser Art dem Spruch des Gerichts vorzugreifen.
Averescus Wahlmache.
Brutale Unterdrückung der Oppofition. Bukarest , 17. April. ( Eigener Drahtbericht.) Auf Anord. nung des Ministers für Bessarabien ist jegliche Propaganda der Oppositionsparteien in Beffarabien verboten worden. Der Borfihende der beffarabischen Landesorganisation der Bauernpartei, Halippa, wurde zusammen mit der ehemaligen Abg. Cazaclin verhaftet und nach Rischinew abtransportiert. In Braila find mehrere führende Sozialdemokraten unter der Beschuldigung, daß fie Kommunisten wären, von der Sicherheitsolizei( Siguranza) verhaftet worden.
Da Averescu Sympathien im Bolf nicht befigt, versucht durch Einschüchterung der Wähler wie durch
| deutschen Entwicklung teine Geheimdiplomatie, wir wollen daß diese Angelegenheit in vollster Deffentlichkeit behandelt und daß fie so gelöst werde, wie es im Interesse des ganzen Deutschland liegt.
Luther schwärmt für Bayern . München , 17. April. ( WTB.) Ministerpräsident Dr. Held begrüßte bei dem Empfang im Ministerpräsidentenpalais Reichskanzler Dr. Luther und die beiden Reichsminister Dr. Külz und Dr. Reinhold sowie die zahlreich erschienenen Gäfte auf das herzlichste. Er führte aus, er sei der Ueberzeugung, daß diese Aussprache zum Wehle der Gestaltung der ganzen deutschen Innen politit, im besonderen auch der Berüdsichtigung der Wünsche, die von Bayern von jeher geltend gemacht wurden, sich entfalten kann. Sofort nach der Begrüßungsansprache des Ministerpräsidenten
antwortete
Reichskanzler Dr. Luther:
Urkunde, deren Urheberin die bayerische Regierung Ich möchte mit einem Wort beginnen aus einer politischen ift. In dieser Urfunde steht zu lesen, daß das Herz Deutsch lands im Süden und der Kopf Deutschlands im Norden sei. Der Herr bayerische Ministerpräsident wird mir ge Statten, daß ich diese Bemertung für eine Hebertreibung halten möchte, dennoch glaube ich, daß in der Bemerkung etwas Bahres enthalten ist. So sehr aus unserem Gedankenschap, ja aus unserem Sprachschaß das Wort„ Mainlinie verschwinden muß, fo menig tönnen wir und wollen wir, meines Erachtens, an der Tatsache vorübergehen, daß vielleicht im Zusammenhang mit dem großen Bergriegel, der Deutschland durchsetzt, sich ganz bestimmte Eigentümlichkeiten des Boltslebens im Süden und
im Norden entwickelt haben.
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Die Berträge von Locarno find mit dem Bölkerbundstatut insofern verf nüpft worden, als sie erst in Rraft treten sollen, wenn Deutschland seinen Beitritt zum in Genf hat eine politisch und rechtlich verwickelte Lage geBölferbund vollzogen hat. Der Fehlschlag der Märztagung schaffen: Wohl haben die Signatarmächte von Locarno ihren
Willen feierlich fundgetan, am eigenen Werte festzuhalten, aber dies Wert schwebt bis auf weiteres völkerrechtlich in der Luft.
bundsidee, obwohl sie sich seit jeher der Mängel des jeziDie deutsche Sozialdemokratie ist Anhängerin der Völkergen Völkerbundes durchaus bewußt ist, jener Mängel, die so deutlich und gefährlich während der Märztagung zum Borschein tamen. Sie ist aber zugleich Anhängerin der LocarnoBolitit. Und so sehr sie es begrüßen würde, daß, wie vorgesehen, Locarno und Genf verschmolzen werden, so wenig macht sie ein Hehl daraus, daß in ihren Augen Locarno höher steht als Genf.
nummer des„ Borwärts" an dieser Stelle stand, führte der In einem Auffah, der vor zwei Wochen in der Osterbelgische Außenminister, Genosse Bandervelde, aus, daß, falls die jetzige Krise des Völkerbundes wider Erwarten zu neuer Grundlage geschaffen werden müßte. deffen 3erfall führen sollte, ein neuer Bölferbund auf
ein, dann ist die neue Grundlage bereits vorhanden, auf der Auch wir wünschen diesen Zerfall nicht. Tritt er jedoch der fünftige Friedensorganismus der europäischen Völker wieder aufgebaut werden müßte. Diese Grundlage heißt Locarno .
Denn Locarno genügt an sich, um die wichtigsten Konfliktsherde im Herzen Europas zu löschen: durch die Mas.mnerie des Sicherheitspattes und der Schiedsgerichtsverträge find kriegerische Berwicklungen zwischen Deutschland und Frankreich und zwischen Deutschland und Polen so gut wie ausgeschlossen. Vor allem sind überraschende Katastrophen nach dem Muster von 1914 tatsächlich ausgeschaltet. frieden, aber es bedeutet schon jetzt sehr viel, besonders Das bedeutet zwar noch nicht den 100prozentigen Weltfür die Völker, die die eigentlichen Träger der europäischen Kultur im allgemeinen und der europäischen Arbeiterbewegung im besonderen sind.
Deutschlands betritt, dann ist es jedenfalls sicher, daß man auf Wenn man aus dem Norden kommend, den südlichen Teil Empfindungen stößt, die stärker das Herz deut en Empfindens berühren. Es ist auch sicher, daß, ( chen schaftliche, das Organisatorische stärker fühlt als im Süden, ohne wenn man im Norden im Rhythmus des Lebens vielleicht das Wirt daß es etwa im Süden an Wirtschaftlichem oder Organisatorischem fehlt, hier doch stärker all das empfindet, was als Kultur Genf ein unverhofftes Geschenk vom Himmel. Es war vorstrom dem Menschen entgegentritt.
Man wird diese sehr merkwürdige Rede des Reichsfanglers nördlich der Mainlinie mit sehr gemischten Gefühlen lesen und als Entgleisung empfinden. Atmosphäre hat sehr schnell auf Dr. Luther gewirkt. Die Münchner
Reichsminister Dr. Külz von München abgereift. München , 17. April. ( WTB.) Reichsminister des Innern Dr. Külz ist heute abend 11 Uhr wieder nach Berlin zurückgereift.
Berhaftungen die in einem Monat stattfindenden Wahlen zu beeinflussen. Das ausführende Organ ist sein Innenminister, der Faschistenführer Goga. Die Verhaftungen sind die Rache für das Wahlbündnis der Sozialdemokraten mit der Bauernpartei, zumal die Regierung auf Nichtbeteiligung der Sozialdemokratie an der Wahl gerechnet hatte. Die Verhaftungen hat die Sicher heits" polizei vorgenommen, die berüchtigte Siguranza, die nicht selten ihre Opfer verschwinden läßt, bevor sie vor Gericht erscheinen; mindestens werden sie barbarischen Mißhandlungen ausgesetzt...
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Für die Gegner von Locarno war der Fehlschlag von auszusehen, daß fie diesen Mißerfolg auszunuzen bestrebt sein würden. In Deutschland wie übrigens auch in Frankreich und in Polen haben Nationalisten und Kommunisten ihre gemeinsame Schadenfreude nicht verhehlt. Und wenn jetzt Der Herr Boltskommissar Tschitscherin' den Bölkerbund verhöhnt und beschimpft, so erntet er nicht nur in der ,, Roten Fahne", sondern auch in der Deutschen Tageszeitung" begeisterten Beifall.
Es ist weder unsere Absicht, noch unsere Hoffnung, Sowjetrußland davon zu überzeugen, daß seine scharfe Gegnerschaft gegen den Bölkerbund verfehlt ist, denn wir tennen die Gründe dieser Gegnerschaft, und wir neigen dabei nicht zur Auffaffung, daß die Bolschewifi lediglich aus imperialistisch- russischen Gründen die Hände frei von allen Friedensbindungen behalten wollen, die die Genfer Maschinerie für alle Bölferbundsmitglieder bedeutet, fondern wir wollen es fogar als wahr unterstellen, daß sie im Bölkerbund ein Hindernis für die Erreichung jener weltrevolutionären Ziele erblicken, die Moskau , seit dem Zusammenbruch aller putschiftischen Illusionen in Europa , menigstens in Asien zu verwirflichen versucht. Wobei die Grenze zwischen russischem Imperialismus und weltrevolutionären Zielen ebenso schwer zu ziehen ist wie die Unterscheidung zwischen Sowjetregierung und Komintern, zwischen Tschitscherin und Si= nowlem.
Die Teilung Abessiniens. Nun: wenn den Herrn Bolkskommissar für Auswärtige Frankreich und der anglo- italienische Vertrag. Angelegenheiten die Spuren seiner Kollegen und Genoffen Paris , 17. April. ( TU.) Der britische Botschafter hat der Tschitscherin, unbefümmert um das Fiasto der Sinomjewschen pom Präsidium der Komintern nicht schrecken, wenn franzöfifchen Regierung auf ihren Protest gegen den englisch - Weltrevolution, glaubt, gegen die im Bölkerbund und im italienischen Abeffinienvertrag deffen Inhalt unterbreitet. Die Locarno - Baft vereinigten europäischen und sonstigen Völker franzöfifche Regierung hat sich bis zur eingehenden Prüfung des einen Kampf bis aufs Meffer aufnehmen zu müssen, so mag er Bertrages alle weiteren Schritte vorbehalten. Feft es tun. Aber es sei ihm und seinen Bewunderern, gleichviel in fleht, daß England den Italienern den Bau einer durch abeffinisches Gebiet gehenden Bahn in Erytrea gestattet hat, während Italien den Engländern die Ausnüßung des Quellengebietes des Blauen Nil einräumt.
Anglo- ruffische Wiederanknüpfung.
London , 17. April. ( TU) Bier tonservative Unterhaus mitglieder find heute nach Rußland abgereift. In politischen und wirtschaftlichen Rreifen Londons wird dieser Reise große Bedeutung beigemeffen. Besonders Baldwin soll in Anbetracht der sich beffernden englisch ruffifchen Beziehungen für diese Reife lebhaftes Intereffe zeigen.
welchem Lager und in welchem Lande fie stehen, schon jetzt wird aufgenommen! Er wird besonders von denen mit aller Entschiedenheit erklärt: Dieser Kampf aufgenommen, gegen die er sich unaweideutig richtet, nämlich von der internationalen Sozialdemokratie, die am Völkerbund und noch mehr an Locarno festhält, mie sie es in den Züricher Beschlüssen ihrer Exekutive flar ausgesprechen hat.
Wenn der Völkerbund zerfallen sollte, so wäre das weniger das Wert Tschitscherins als das Mello Francos. Dann bliebe aber immer noch Locarno eine neue Grundlage für die Schaffung eines besseren Friedens