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Me. 191 43. Jahrg Ausgabe A nr. 97

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

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Sonnabend, den 24. April 1926

Dem Volksentscheid entgegen!

Das Enteignungsgesetz von der Regierung dem Reichsrat überwiesen. franke Fürstenkompromiß.

Der Reichsjuftizminifter Marg teilte gestern im Rechtsausschuß des Reichstags mit, daß die Reichsregierung den Entwurf des Volks­begehrensgesetzes verabschiedet und an den Reichsrat weitergeleitet habe.

Der Reichstag wird demnach in furzer Zeit zu dem Bolts­begehrensgefeh Stellung nehmen müffen.

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Bestern nachmittag fand im Reichstag eine Besprechung der Regierungsparteien über das Fürstentompromiß statt, zu der auch Vertreter unferer Fraktion eingeladen waren. An den Verhandlungen nahm für das Zentrum der Abgeord: nete Schulte teil, für die Volkspartei der Abgeordnete Wunderlich, für die Demokraten der Abgeordnete v. Richthofen und für die sozialdemokratische Fraktion die Genoffen Hoffmann- Kaiserslauten, Landsberg   und Rosenfeld  . Außerdem waren der Reichsjustizminister Marg, sowie der preußische Ministerpräsident Genosse Otto Braun   und der preußische Finanzminister Höpfer Aschoff erschienen.

Es ergab sich, daß die Regierungsparteien den Versuch zu machen wünschten, für die weiteren Beratungen des Rechts­ausschusses den Weg frei zu machen und zu verhüten, daß auch bei den weiteren Beratungen abermals Bestimmungen des Rompromiffes abgelehnt würden. Bei den Berhandlungen in der Reichskanzlei hatte auch das Kompromiß auf Wunsch der preußischen Regierung einige Aenderungen im Sinne der fozialdemokratischen Wünsche erfahren. Insbesondere sollen rechtsfräftige Urteile aus der Zeit nach der Revolution von dem Reichssondergericht schon mit einfacher Mehrheit( der Entwurf fah 3meidrittelmehrheit vor) aufgehoben werden fönnen. Ferner sollen die Länder das Recht haben, Güter, die feinerzeit dem Staat von der Krone abgetauft wurden, zurüdzuerwerben, wie z. B. Rominten, Leglingen und Glie­nide- Babelsberg. Ebenso würden Dels und Flatow- Krojanke an Preußen zurückfallen.

Die preußische Regierung hat daher Grund, die neuen Borschläge als eine Verbesserung sowohl gegenüber dem legten Rompromißvorschlag als auch gegenüber dem Vergleich zu betrachten. Nach dem Bergleich sollten an die Hohenzollern  

Verhandlungen im englischen Bergbau.

Außerordentlicher Gewerkschaftskongres. London  , 23. April.  ( Eigener Drahtbericht.) Der Minifter­präsident, deffen Tätigkeit sich bisher auf die Einziehung von 3n­formationen beschränkt hat, ist am Freitag aus seiner passiven Hal­tung herausgetreten und hat die von den beiden Parteien ge­wünschte Bermittler rolle aufgenommen. Er hatte am Bor­mittag eine Besprechung mit dem vollzähligen komitee der Bergarbeiter und der Unternehmer. Nachdem Bald win eine Versicherung feiner abfoluten Unparteilichkeit abgegeben hatte, stellte zunächst der Vertreter der Unternehmer. Williams, die Auffassung der Unternehmer dar. Er betonte, daß ein für das ganze Land geltendes Minimum der Lohnprozente angesichts der Verschiedenartigkeit der Bedin­gungen in den verschiedenen Diftriften absolut unmöglich sei. Es ist bemerkenswert, daß der Unternehmervertreter bei dieser Ge­legenheit zugab, daß die Löhne in einzelnen Distritten bereits jett minimal feien. Er schloß mit der Feststellung. daß eine wirkliche Rettung des britischen Kohlenbergbaues aur in einer längeren Arbeitszeit zu suchen wäre.

Als nächster Redner führte der Präsident des Bergat beiterverbandes, Herbert Smith, aus, daß die Bor­schläge der Unternehmer noch ungünftiger feien als diejenigen, die im Juli 1925 den Gewerkschaften unterbreitet worden feien. Die Bergarbeifer würden einer diftrittweisen Regelung der Cohnprozente niemals zustimmen. ebenso nicht einer Berlängerung der Arbeitszeit. Die Bergarbeiter wären jedoch bereit. auf nationaler Bafis in Ver­handlungen über die zukünftige Cohnregelung einzutreten. Die Bergarbeiter wären für den Frieden, aber feineswegs für einen Frieden um jeden Preis. Da nach der Auf­faffung Baldwins der bisherige Apparat, der aus dem ge­famten Ausschuß des Unternehmerverbandes und der gesamten Ere­fufive des Bergarbeiterverbandes bestand, für die schnelle Entschei­dung und die zukünftigen Berhandlungen fich als zu umfang reich erweifen würde, schlug der Ministerpräsident vor, daß in 3u­funft für die Verhandlungen mit der Regierung sowohl Unter­nehmer als Arbeiter je neun Personen bestimmen follen, denen die Bollmachten übertragen werden sollen, im Namen der beiden Parteien zu verhandeln. Am Nachmittag fand bereits die erste Zusammenkunft des Ministerpräsidenten mit diesem aus neun Arbeiter- und neun Unternehmervertretern zufammen­

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Daz

einschließlich der Nebenlinien 514 000 Morgen fallen, an den preußischen Staat aber nur 110 000 Morgen. Nach den jezigen Borschlägen dagegen würde die Krone nur 280 000 Morgen, der Staat aber 344 000 Morgen erhalten. Außer­dem würde sich die im Vergleich vorgesehene Barzahlung von 30 Millionen auf 12 Millionen verringern.

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Die Arbeitsgerichte.

Grundsätzliches zum Arbeitsgerichtsgesehentwurf.

Bon Richard Seidel

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Der Entwurf zum Arbeitsgerichtsgesetz ist dem Reichstage zugegangen, und der Vorwärts" hat zu den wichtigsten Einzelfragen des Problems bereits Stellung genommen. Die Diskussion ist also eröffnet- oder richtiger: sie ist in ein neues und entscheidendes Stadium getreten, denn schon gleich nach der ersten Veröffentlichung des Entwurfs hat eine lebhafte Er­örterung über das durch diese Beröffentlichung angeschnittene Thema begonnen.

Troß des nahezu erschöpfenden Umfanges dieser Aus­Für die Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion war sprache ist ein Gesichtspunkt, der mir für das Gesamtproblem der Neugestaltung der sozialen Gerichtsbarkeit wie für alle maßgebend, daß sie das Kompromiß nicht lediglich unter preußischen Gesichtspunkten beurteilen durften, daß sie viel Einzelfragen, die sich aus der Fassung des Entwurfs ergeben, mehr auch die Verhältnisse in den anderen deutschen   Län- außerordentlich wichtig erscheint, zu kurz gekommen. dern zu berücksichtigen hatten. Sie vertraten daher die be- Die gesamte Kritit an dem Entwurf und zahlreiche Be­tannten Forderungen auf Abänderung der Zusammen- trachtungen über das Gesamtproblem knüpfen an bei der fegung des Reichssondergerichts, auf volle Bergangenheit der Gewerbe- und Kaufmannsgerichte. Rüdwirtung des neuen Gejeges und auf Befei- Diese Kritiken und Betrachtungen gehen zurück bis auf die tigung des Rechtes der Fürsten  , das Gericht anzurufen. In Entstehung der alten sozialen Sondergerichte und prüfen die feinem dieser Punkte konnten die Regierungsparteien be in dem neuen Entwurf in Aussicht genommenen einzelnen feinem dieser Punkte fonnten die Regierungsparteien be­friedigende Erklärungen abgeben. Infolgedessen fonnte auch Regelungen der Materie an den Motiven, die damals, in fast grauer Borzeit, zu ähnlichen oder anders gearteten Re­eine Einigung über das Kompromiß nicht erfolgen. gelungen geführt haben.

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Die Beratungen des Rechtsausschusses sollen heute fort So verständlich und vernünftig nun eine Ausnutzung der gesetzt werden, und es wird sich dann herausstellen, ob und inwieweit sich eine Mehrheit für die weiteren Bestimmungen mit den alten sozialen Sondergerichten gemachten Er­fahrungen für die Gestaltung der neuen auch sein mag, des Kompromisses finden wird. Die Sozialdemokraten wer­den auch weiter ihre wohlbegründeten Verbesserungsanträge fo gefährlich ist diese Heranziehung historischer Erinnerungen, ftellen und vertreten. Wenn die bürgerlichen Parteien fich wenn dabei nicht gleichzeitig des Unterschiedes in der weiter diesen berechtigten Forderungen gegenüber ablehnend rechtspolitischen Situation von damals und heute verhalten, werden die Beratungen ergebnislos bleiben. gedacht wird. Die Gewerbe und Kaufmannsgerichte ent­Später hatten die Vertreter der Regierungsparteien eine stammen und verdanten ihre Erfahrungen einer Zeit, in der Besprechung mit dem deutsch   nationalen Abgeordnetenliche Brinzip im geschriebenen- Arbeitsrecht grund­das individualistische, organisationsfeind Grafen v. Merveldt  . Sowohl die Deutschnationalen als fäßlich vorherrschte und auch für die Tendenz der Recht­auch die Demokraten wollen neue Abänderungsanträge zu dem Kompromißentwurf einbringen. So ist einstweilen nichts Sprechung vielfach maßgebend war. Bei der Errichtung der gewiß als das eine, daß der Boltsentscheib seinen Gewerbegerichte sprach unverkennbar die Absicht mit, den Ar­beitern eine bequeme Möglichkeit, ihr Recht zu suchen", zu auf nimmt! geben, um sie dadurch von der Inanspruchnahme der Macht ihrer Organisationen teilweise abzulenten. Es iſt. nicht die Schuld der im Staate herrschenden Mächte, die nach folchen Motiven handelten, wenn es anders gekommen ist, es ist nicht ihnen zu danken, wenn gerade bei den Gewerbe- und Kaufmannsgerichten sich die Tendenz zum kollektiven Arbeitsrecht, das heißt, die Tendenz zur Anerkennung der Kollektippereinbarungen über das Arbeitsverhältnis, der Tarifverträge, in der Praxis durchsetzte.

Die Sitzung des Rechtsausschusses, die diesen Besprechungen vorausgegangen war, hatte um 9 Uhr nach mittags begonnen. Sie wurde jedoch alsbald, um Gelegen heit zu Verhandlungen zwischen den Parteien zu schaffen, wieder abgebrochen und auf heute 10 Uhr vormittags vertagt.

gesetzten neuen Komitee statt. Die Bergarbeiter haben auch am Inzwischen ist nun darin die entscheidende Wendung ein­Freitag, wie schon an den vorangegangenen Tagen, ffändig die Ber  - getreten. Das neue Arbeitsgerichtsgesetz ist von vornherein bindung mit dem industriellen Komitee des Generalrats der Ge­nur als ein Bestandteil des neuen Arbeitsrechts werkschaften aufrechterhalten. Um die Geschlossenheit der und als eine Bestätigung der ihm eigenen follektivistischen gesamten britischen Arbeiterbewegung zu sichern, Tendenz zu denken, und die neuen Arbeitsgerichte sind nur als hat das komitee des Generalrats am Donnerstag die Unter- Pflegeftätten des neuen Geistes des Arbeits­hausfraktion der Arbeiterpartei aufgefordert, zwei Bertreter rechts möglich. Die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte wird zu senden, die in Zukunft an sämtlichen Berhandlungen nur dann der gestellten Aufgabe gerecht werden, wenn sie feilnehmen sollen, die zwischen dem Generalrat und der Berg- sich im Geifte der Anerkennung der Gewerkschaften und ihrer arbeiteregekutive flattfinden werden. Die Fraffion hat die Frat- Bereinbarungen betätigt. Praktisch wird die Mehrzahl der tionsvoriihenden Macdonald und Henderson dele- Streitfälle, in denen die Arbeitsgerichte zu entscheiden haben giert. Der Generalrat der Gewerkschaften hat am Frei- werden, nicht nur dem Einzelkonflikt aus bestehenden Tarif­tag nachmittag den Beschluß gefaßt, einen außerordent- verträgen, sondern, was zu den wichtigsten praktischen Neue­lichen Gewettichaftstongreß einzuberufen, an dem fämnt- rungen des Entwurfs bezüglich der Zuständigkeit der Sonder­liche dem Generalrat angeschloffenen Gewerkschaften teilnehmen sollen. Dieser Kongreß foll am 29. April zusammentreten.

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Der Star" glaubt zu wissen, daß die englische Regierung einen Plan vorbereite, wonach dem Kohlenbergbau eine Anleihe zu niedrigem 3insfaz gewährt werden soll, jedoch unter der Bedin­gung, daß die Grubenbesitzer den Betrieb der Gruben reor ganisieren und die mit Berlust arbeitenden Gruben schließen.

Hoesch und Gaus

Deutschlands Vertreter in der Genfer   Studienkommiffion. Genf  , 23. April.  ( Elgener Drahtbericht.) Die deutsche Reichs­regierung feilte dem Völkerbundsekretariat mit, daß sie sich in der Studientommiffion für die Reorganisation des Bölker­bundrates durch den deutschen   Botschafter von Hoesch in Paris  vertreten laffe. Man nimmt hier an, daß Herr von Hoesch, wie die Delegierten Frankreichs   und Englands, auch vom Rechtsberater des Auswärtigen Amtes, Minifterialrat Gaus, begleitet sein wird. Eine Meldung, daß der Schweizer Bundesrat Motta als Präsident der Studienkommiffion ausersehen sei, ist auf jeden Fall noch reich­lich verfrüht.

Danach scheint man in Berlin   nicht mit einer längeren Tagung der eingefeßten Kommission zu rechnen. Denn es ist faum denkbar, daß Botschafter von Hoesch( gegen deffen Wahl übrigens nichts einzuwenden wäre) wochenlang seinem wich tigen Bariser Bosten fernbleibt.

gerichte gehört, auch häufig dem prinzipiellen Kon­flift zwischen den Kollettivparteien des Ar­beitsvertrages, Gewerkschaften und Unter­nehmerverbänden, entspringen.

Streitfälle gefellen, die sich aus der Tätigkeit der Betriebs­Hierzu wird sich als zweite große Gruppe die Zahl der räte nach dem Betriebsrätegesetz ergeben. Tarifvertrags­wesen und Betriebsratstätigkeit sind aber die tragenden Pfeiler Des modernen follettiven Arbeitsrechts. Ihr Wesen bestimmt Charakter und Inhalt des geschriebenen Rechts, ihre An­sprüche werden vor den Arbeitsgerichten Dertreten werden. Und die Veränderung in den geistigen Grundlagen des Ar­beitsrechts hat erst das starte Verlangen nach einer grund­fäßlichen Umgestaltung der sozialen Gerichtsbarkeit hervorge

rufen.

So ergibt sich, daß die das Wesen der neuen Arbeits­gerichte bestimmende Tendenz den Motiven, die bei der Ein­richtung der Gewerbe- und Kaufmannsgerichte in hohem Maße mitbestimmend waren, völlig entgegengesetzt ist. Darum erscheint es geboten, bei der Beurteilung des Entwurfes dieser für das Arbeitsrecht so entscheidend veränderten rechts­politischen Situation vor allem zu gedenken, statt historische Erinnerungen wachzurufen, um mit ihnen Forderungen und Ansprüche bezüglich der Neugestaltung der sozialen Gerichts­barkeit zu begründen. In der öffentlichen Kritik an dem Ent­wurf hat jedoch diese Veränderung des Wesens des Arbeits. rechts nur in sehr geringem Maße Beachtung gefunden. Daraus dürfte es fich erklären, daß sich diese Kritif sehr in Einzelheiten verloren hat, ohne ein anschauliches Ge­famtbild der Forderungen der verschiedenen Intereffenten