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Nr. 199+43. Jahrgang

2. Beilage des Vorwärts

Die Fürstendebatte im Reichstag.

Die Bürgerlichen gegen den Volksentscheid.- Külz warnt.

In der gestrigen Reichstagsfißung war der Play des Abg. Bod Gotha( S03.) mit einem großen Strauß roter Nellen geschmückt. Vor Cintritt in die Tagesordnung nimmt das Wort Präsident Cöbe: Unser Alterspräsident Abg Bock vollendet heute fein 80. Lebensjahr. Im Jahre 1884 ist er in dieses Haus eingetreten, dem er mit furzen Unterbrechungen 42 Jahre lang angehört, ein sehr feltenes Ereignis in der Geschichte des Reichstags. Abg. Bod fizzt heute in alter Rüftigkeit und Frische auf seinem Blaze. Im Namen des Reichstages spreche ich ihm die herzlichsten Glüdwünsche zu diesem Tage aus und hoffe, daß er dieselbe Frische auch weiterhin behalten möge.( Alseitiges lebhaftes Bravo.)

Die Bertreter sämtlicher Fraktionen beglückwünschen den Abg. Bock. Die Reichshaushaltsrechnung für 1924 wird ohne Aussprache verabschiedet. Der Gesezentwurf über die Bestrafung des 3weitampfes wird dem Rechtsausschuß überwiesen. Es beginnt die Beratung des Gefeßentwurfs über

die Enteignung der Fürstenvermögen.

Die völkischen Abgeordneten verlangen, daß damit die Beratung eines Antrages ihrer Fraktion verbunden werde, der die Enteignung der Bank und Börsenfürsten" fordert. Nach Ausführungen des Genossen Rosenfeld , die wir an anderer Stelle wiedergeben, erklärt Abg. Graf Westarp( Dnat.): Die Sozialdemokraten berufen sich auf die 12% Millionen Stimmen für das Volksbegehren. Sie erwähnen aber nicht die 27 Millionen, die sich nicht eingezeichnet haben, aljo dagegen sind.( Widerspruch und Gelächter links.) Mit faustdicken Unwahrheiten ist die Agitation für die Fürstenenteignung getrieben worden.

Mit Lüge und Terrorismus haben Sie die trodene Revolution geirieben, gegen Wehrlose.

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( Lärm und Rufe links: Ehrlose!) Wenn das deutsche Volk besser aufgeklärt ist, wird es fich aufbäumen.( Abg. Rosenbaum ( Komm:) Gegen die Unverschämtheit eines Weſtarp."- Ordnungs: ruf gegen den Zwischenrufer. Abg. Kube( Völk.): Synagoge, ruhig!") Wenn behauptet werde, Kaiser Wilhelm sei ge= flohen, jo müffe festgestellt werden: Nachdem am 9. November 1918 Prinz Max v. Baden bewußt wahrheits: widrig die Abdonfung des Raisers verfündet hatte, hat der Kaiser ( Lärm links und Rufe: Es gibt keinen Kaiser in der Republik !) ein schweres persönliches Opfer gebracht, um den Bürgerkrieg zu ver­meiden und in seiner Person ein Hindernis für einen günftigeren Frieden wegzuräumen.( Widerspruch und Lärm links.) Wenn Abg. Rosenfled sagte, die deutschen Fürsten hätten uns in den Krieg gestürzt, so drückt er damit Deutschland das Brandmal der Schuld­Lüge auf.( Pfui- Rufe rechts, Lärm links.) Die Lüge und Ver leumdung, mit der Sie( nach links) arbeiten, erfüllen uns mit unfäglichem Ekel.( Lärm und erregte Zurufe links, Präsident Löbe ruft einen Zwischenrufer zur Ordnung.) Wenn Ihre Stimmen längst vergessen sind, werden die Namen unserer deutschen Fürsten noch in hellem Glanze strahlen.( Stürmisches Händeflatschen bei den Deutschnationalen, Bjui- Rufe und Zischen linfs.)

Abg. Dr. Wunderlich( D. Bp.) gibt für seine Fraktion eine furze Erklärung ab, in der es heißt: Die Volkspartei sieht in der Ent­eignungsvorlage eine brutale Entrechtung einer Gruppe Don Staatsbürgern. Diese Entrechtung widerspreche nicht nur dem Wortlaut, sondern auch dem Geist der Berfassung.

Abg. Neubauer( Komm.) bezeichnet das Ergebnis des Volks­begehrens als den eindeutigen Ausdruck des Volks= willens für die Fürstenenteignung.

Mit schlimmstem Terrorismus haben die deutschnationalen Gutsbesitzer ihre Arbeiter an der Einzeichnung zum Bolts. begehren gehindert.

Für die angeblich Wehrlojen arbeiten die Fürstenknechte aus den Barteien der Rechten wie Graf Weftarp.( Präsident Löbe rügt dieje Bemerkung.) Graf Bestarp hat hier die Interessen vertreten der Mätreffen des mecklenburgischen Großherzogs, eines englischen Brinzen, eines russischen Generals, der im Beltkrieg gegen Deutsch land gefämpft hat und einer montenegrinischen Kronprinzeffin, die fich von dem verarmten deutschen Volt ihre Aussteuer hat bezahlen laffen. Die deutsche Regierung hat in London beim Dawes Batt die deutsche Selbständigkeit für 800 Millionen verkauft, den Fürsten will sie den dreifachen Betrag geben.( Hört, hört! bei den Kommuniften.)

Abg. v. Richthofen( Dem.) wendet sich gegen die Rede des Abg. Graf Weſtarp .

In den Fragen der Auseinandersehung mit den Fürstenhäusern werde die Anwendung des geltenden formalen Rechts zum fchlimmsten Unrecht gegen das Bolt.

Darum sei eine gefeßliche Regelung nicht zu umgehen. Abgesehen davon, daß die Verdienste mancher Fürsten sehr umstritten sind, hat allein die Existenz der vielen deutschen Fürstenhäuser die natio nale Berriffenheit des deutschen Volkes verschuldet. Die Fürstenhäuser fönnen nicht von der deutschen Schicksalsgemeinschaft ausgenommen werden. Man fann nicht ihnen allein ihr früheres Vermögen sichern, während alle anderen Bolksgenoffen als Folge der allgemeinen deutschen Not vieles, manche alles verloren haben. Dem vorliegenden Enteignungsgefeß fönnen wir nicht zustimmen, weil es große Ungerechtigkeiten enthält. Es besteht beispielsweise feine Veranlassung, den durchaus volksfreundlichen Prinzen Mar von Baden zu enteignen. Die Angriffe des Grafen We starp gegen ihn find eine historische unwahrheit. Der Abg. Graf Bernstorff kann das als Augen- und Ohrenzeuge nachweisen. Leider ist das Kompromiß an dem Widerstand der großen Flügelpartelen gescheitert. Wir werden darum zur zweiten Lefung des Enteignungsgesezes den 2 enderungs­antrag einbringen, daß die Länder den enteigneten Fürsten familien durch Landesgesetz eine Abfindung zu gewähren haben, die ihnen eine angemessene Lebenshaltung erlaubt. Der volfische Antrag, der die Enteignung aller seit 1914 zuge wanderten Ostjuden verlangt, trägt die Unterschrift des Abg. Luben dorff. Ludendorff hat aber als General dafür gesorgt, daß die Bahl der nach Deutschland eingewanderten Ostjuden außerordentlich gesteigert wurde.

Reichsinnenminifter Dr. Külz :

Die Reichsregierung hat von vornherein ausgesprochen, daß sie mit dem durch das Boltsbegehren geforderten Enteignungsgefeß nicht einverstanden ist. Auch die sozialistischen Regierungen nach der Revolution haben sich immer gegen entschädigungslose Enteig mmg ausgesprochen. Die Revolution hat versäumt, das Revolutions. problem der Auseinandersetzung mit den Fürsten zu lösen. Die zu weit gehenden Ansprüche der Fürstenvertreter haben jezt das Problem neu aufgerollt. Unter dem parlamenta. rischen Regime wäre es erwünscht, daß die Lösung nicht auf plebiszitärem, sondern auf parlamentarischem Wege erfolgt. Es ist ein Irrtum, menn in der Presse behauptet wird, die Regierung habe nicht die Initiative ergriffen. Sie hat sie sehr start ergriffen. Der Reichstanzler hat sich vor seiner Abreise nach Genf bemüht, die Regierungsparteien auf den Boden des Kompromiffes

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Donnerstag, 29. April 1926

Eine gesetzliche Regelung muß kommen!

zu bringen. Die früheren Fürsten dürften von den Folgen des Krieges und der staatlichen Umwälzung nicht unberührt bleiben. Bei gutem Willen der staatserhaltenden Parteien hätte das Kompro­miß auch Gesetz werden können. Selbst der preußische Finanz­minister und der preußische Ministerpräsident hätten in dem Rompromiß eine befriedigende Regelung gesehen. Im Interesse der Verfassung müsse eine befriedigende Lösung dieser Frage ge funden werden, das sei durch die Mitarbeit an dem Kompromiß möglich.

zu bringen. Wenn das Kompromiß wieder zerfallen ist, so ist das| mäßigen parlamentarischen Gesetzgebung ein besseres Gesetz zustande keine Schuld der Regierung. Ich hatte gehofft, daß die Regierungs­parteien ein parlamentarisches Gesetz zustande bringen würden. Die Kommunisten perfolgen mit dem Volksentscheid noch politische Neben ziele, die die Regierung unmöglich billigen fann. Der fommunstische Führer Engel hat in der kommunistischen Presse geschrieben, der Boltsentscheid müsse benutzt werden, um den Sturz der Regierung, die Auflösung des Reichstags zu erreichen und um den Kampf gegen die sozialdemokratischen Führer zu führen.( hört, hört! Abg. Abg. Herm. Müller: So etwas lesen wir ja gar nicht!) Soviel wird mohl flar sein, daß wir uns nicht in den Dienst eines Volks: begehrens ftellen können, mit dem solche Nebeenzwede verfolat werden. Die Frage ist so ernst, daß es Pflicht aller Parteien ist, zu einer parlamentarischen Lösung dieses Problems beizutragen.

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Mit der Ablehnung des Boltsbegehrensgesetzes ist es nicht getan, es ist auch nicht damit getan, wenn ein kompromißgefeh nicht zustande kommt. Es gibt allerdings Leute, die denken, es kommt nicht der Bolfsentscheid und es tommt nicht das kompromik. dann bleibt alles beim alten. Das wäre eine förichte Pfychologie. Die Spannung würde mur noch größer werden als bisher. Deshalb legt die Reichsregierung Bert darauf, daß diese Materie, gesetzgebe­risch geregelt wird. Man soll mit diesen Dingen nicht spielen. Daß cine starte inner politische Spannung entstehen fönnte, wenn es nicht gelingt, dieses schwierige Problem zu lösen, das ist klar. Deshalb sollten sich alle Barteien der Verantwortung bewußt sein, der Verantwortung für die schwierige Entscheidung, damit es noch in letzter Stunde gelingt, ein parlamentarisches Gesetz zustande zu bringen.

Abg. Schulte( 3.) gibt eine Erklärung seiner Frattion ab, die und das Gesetz des Boltsbegehrens ablehnt. Die entschädigungslose sich gegen die entschädigungslose Enteignung der Fürsten ausspricht Enteignung fei weder mit dem Recht, der Billigkeit noch mit den chriftlichen Sittengesehen

zu vereinbaren. Auch die früheren Fürsten hätten die Rechte der deutschen Staatsbürger. Der zweite Teil des Gesetzes fei geeignet, die Begehrlichkeit der breifen Boltsmaffen

durch trügerische Hoffnungen zu steigern.( Stürmische Zurufe links. Abg. Crispien( Soz.): Die chriftlichen Arbeiter haben anders darüber gedacht!" Einige Besucher der Publikumstribüne rufen:

Wir hungern und er wirft uns Begehrlichkeit vor!")

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Es würden nur Hoffnungen erweckt werden, die nicht erfüllt werden fönnen. Das Zentrum habe sich bemüht, im Wege der ordnungs­

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Abg. Hampe( Wirtsch. Bg.) lehnt gleichfalls die entschädigungs­3g.) Lehm lose Enteignung der Fürsten ab. Der Gesezentwurf des Bolts begehrens jei ein Att brutaler Gewalt und stehe im Widerspruch zur Weimarer Verfassung . Mit denselben Gründen fönnte morgen auch anderes Privateigentum fonfisziert werden.

Abg. Dr. Pfleger( Bayer. Vp.) erklärt, daß das Gefeß des Boltsbegehrens einen schweren Verstoß gegen die fitt lichen Gebote und die Verfassung bedeute. Es solle auch einen Eingriff in das Recht der Einzelstaaten bringen. Darum lehne seine Partei den Gesetzentwurf ab.

anderes jei, als ein revolutionärer Art in verfaffungs Abg. Dr. Frid( Bölt.) meint, daß der Boltsentscheid nichts mäßiger Form. Sie( nach links) appellieren an die niedrigsten Inft in fte des Boltes.( Unruhe links.) Die Aufmerksamkeit solle nur von den wirklichen Schuldigen an dem heutigen Volkselend abgelenkt werden.

beschwert sich in einer persönlichen Erklärung über die gegen ihn Danach wird die Debatte abgebrochen. Abg. Everling( Dnat.) gerichteten Angriffe. Er sei schon vor seiner Aufstellung zum Reichs­links zugerufen: Seine Niedrigfeit!" Der Redner meint weiter, tag als Vertreter eines Fürsten tätig gewesen. Als der Redner von dem Herzog v. Gotha als von S. Hoheit" spricht, wird ihm von er habe sich gefreut, einen Teil des Schmuges auf­fangen zu fönnen, der für das fönigliche Haus der Hohenzollern bestimmt war.( Heiterkeit.) Der Ver­forderungen 41000 Settar einfach aus der Luft ge= treter der Kommunisten habe bei seiner Aufstellung der Fürsten­griffen.( Langanhaltende stürmische Heiterfeit.)

Präsident Löbe stellt fest, daß Abg. Neubauer den Abg. Everling als bezahlten Fürstenanwalt bezeichnet habe, das sei nicht unparla­mentarisch gewesen.

Nach 6 Uhr vertagt sich das Haus auf Donnerstag 2 Uhr. Auf der Tagesordnung stehen die zweite und dritte Lesung des Duellgesetzes sowie die Fortsetzung der Aussprache über den Gesetz­entwurf zur Enteignung der Fürstenvermögen( Boltsbegehren).

Preußen und Reichsrat.

Wieder ergebuislose Abstimmung im Landtag.

Der Landtag nahm gestern zunächst in allen Lesungen den Gesezentwurf an, der die neu auf Preußen entfallende 27. Reichsratsstimme der Führung des Staatsministe riums unterwirft. Zustimmung fand auch die Verordnung der Staatsregierung, nach der in den Provinzen Ober- und Nieder­schlesien die nächste Neuwahl der Reichsratsmitglieder nicht mehr durch Wahlkörper, sondern durch die, Provinzialausschüsse zu er­folgen hat.

Es folgte die zweite Beratung eines Initiativgesezes der Deutschen Volkspartei , Demokraten und Sozialdemokraten über die Bestellung von Mitgliedern des Reichsrafs durch die Provinzial­verwaltungen. Danach soll im Falle der Behinderung jedes Reichs: ratsmitglied verpflichtet sein, mit der Stellvertretung seinen gewähl ten Vertreter oder eines der vom Staatsministerium gestellten Mit glieder zu beauftragen. In den Ausschüssen des Reichsrats soll ein Dom Staatsministerium bestimmtes Mitglied die Stimme des Landes Preußen führen.

In der Bollfihung werden die Stimmen Preußens gemäß der Entscheidung der Borberatung einheitlich durch ein vom Staats­minifterium bestimmtes Mitglied abgegeben, es sei denn, daß fich mehr als zehn Stimmen der Provinzialvertreter in der Minderheit befunden haben.

Ein Antrag Falt( Dem.), die Abstimmung einige Stunden hinauszuschieben, da das Haus schlecht besetzt sei, wird gegen Sozial demokraten und Demokraten abgelehnt.

In der allgemeinen Besprechung lehnen die Abgg. Baeder ( Dnat.), Oppenhoff( str.) und Biester( D. Hannov.) die Vorlage ab. Abg. Falt( Dem.) widersprach der Auffassung des Abg. Biester, daß durch den Entwurf die Reichsgefeßgebung lahmgelegt werde. Der Einheitsstaat Preußen dürfe nicht zerfallen. müsse vermieden werden, daß, wie es bisher mehrfach der Fall war, die preußischen Stimmen im Reichsrat sich gegenseitig aufheben und Preußens Einfluß geschmälert werde.

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Abg. Baeder( Dnat.) weist auf das entschiedenste zurück, daß die Deutschnationalen nicht für einen Einheitsstaat Preußen ein­träten. Sie wollten aber auch, daß Preußen ein einwandfreier Rechtsstaat ſei.

Abg. Leinert( Soz.): Die Einheitlichkeit der Stimmabgabe sei unbedingt notwendig. Der Redner erinnert an die Beratung in Weimar . Unverständlich sei die Haltung des Abg. Baecker, die nicht dazu dienen tönne, die Stellung Preußens zu stärken. Auch die Ansicht des Abg. Biester( D.Hannov.) treffe nicht zu, daß die ein­heitliche Stimmabgabe die Gesezgebung des Reiches lahmlegen könne. Auch Abg. Dr. v. Campe( D. Bp.) weist die Auffassung des Abg. Baeder zurück und betont, Breußen habe Vollmacht bekommen, die Frage so zu regeln, wie es feinen Interessen entspreche. Damit schließt die Aussprache. Nachdem eine Reihe von Ab­gordneten Einzelwünsche zum Landwirtschaftshaushalt vorgetragen haben, findet die Abstimmung statt.

Bei der namentlichen Abstimmung über den Aenderungsanfrag zu der Reichsratsvorlage stellte sich die Beschlußunfähigkeit des Hauses heraus. Es wurden nur 190 Karten abgegeben; Deutsch­nationale, Zentrum und Deutsch- Hannoveraner beteiligten fich an der Abstimmung nicht. Damit ist dieser Gegenstand erledigt. In der fofort einberufenen neuen Sigung wird die Vorlage über die Vertretung vor den Verwaltungsgerichten im wesent­lichen nach den Ausschußbeschlüssen endgültig angenommen. Es folgen die Abstimmungen zum Wohlfahrts: haushalt. Zunächst finden die Abstriche von etwa zwei Millionen die Zustimmung des Hauses.

Der Antrag der Wirtschaftlichen Vereinigung auf Auflösung des Wohlfahrtsministeriums, wird gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt. Annahme finden die zahlreichen Ausschußanträge, die u. a. beschleunigte Durchführung der Land. tagsbeschlüsse zur hebung der Wohnungsbautätigteit rerlangen. Auch sonst wurde dieser Etat, sowie der der Gestüts- und der Domänenverwaltung nach den Ausschußbeschliffen in zweiter

Said neproM

Lesung verabschiedet. Bei der Gestütsverwaltung wird höherer 3ollschuh für Pferde verlangt. Beim Do= mänenetat fanden Anträge zugunsten der Pächter und Siedler insbesondere in den nördlichen und östlichen Grenz­gebieten Annahme.

In der fortgesetzten sehr regen Befprechung des Landwirts schaftsetats, in der die Abgeordneten ins einzelne gehende Wünsche vortrugen, verwahrt sich Abg. Hartleib( Soz.) dagegen, daß Gemeindevorsteher, die dem Reichsbund angehören, mit terroristischen Maßnahmen die verfaffungsmäßige Freiheit für die Beteiligung am Boltsbegehren beseitigt haben. Er nennt dafür Einzelfälle, u. a. auch aus der Provinz Hannover .

Abg. Hillger- Spiegelberg( Dnat.): Wenn der Abg. Hartleib glaubte, den Landwirtschaftsetat zu einer Rede für die Fürstenent­eignung benußen zu können, muß dem gegenüber doch endlich ein­mal festgestellt werden, daß aus reinem Boltsempfinden heraus( Gelächter links) die Bauern gegen diese Rechtsenteignung und Schande für unser deutsches Volk gehandelt haben.( Lebhafter Beifall rechts, Gelächter links.) Er behauptet weiter, die Angabe des Abg. Brandenburg( Soz.), daß die verheirateten ostpreußischen Landarbeiter nur 50 M. Monatslohn bekämen, sei falsch.

Damit ist die Einzelberatung des Landwirtschaftsetats beendet. Um 7 Uhr vertagt sich der Landtag auf Donnerstag 12 Uhr: Erste Lesung des Notetats, zweite Beratung des Berghaushalts, Abstimmungen zum Landwirtschaftsetat.

Der Zentrumsabgeordnete Lauscher erlitt während der Land­fagssigung einen Schwächeanfall und mußte fich nach kurzer An­wesenheit nach Hause begeben. Es handelt sich um eine fieberhafte Erkrankung. Grund zu besonderen Befürchtungen sollen jedoch nicht vorliegen.

Das Gemeindebestimmungerecht. Schluß der Beratungen im Reichshaushaltsausschuß.

Aus der Mittwochberatung des Reichshaushaltsausschusses über das Gemeindebestimmungsrecht( GBR.) fei noch nachgetragen, daß auch die demokratische Frattion gespalten war. Gegen das GBR. Sprach Dr. Dietrich- Baden, der insbesondere ausführte, daß durch das GBR. die Einheitlichkeit der Gefeßgebung ganz über den Haufen geworfen werden würde. In sehr scharfer Weise polemi­fierte Frau Dr. Bäumer namens der anderen Teils der demokra tischen Fraktion gegen die Gegner des GBR. Sie bezeichnete es als miderlich", wie man nackte Profitinteressen des interessier­ten Alkoholkapitals mit ethischen Gründen zu bemänteln fuche, und bedauerte, daß bürgerliche Vertreter von der Auffassung aus gingen, es müßte nicht weniger, sondern mehr getrunken werden. Auch Frau Weber vom Zentrum setzte sich energisch für das GBR. ein. Berwaltung und Polizei hätten versagt und bisher keine Ab­hilfe schaffen können. Das GBR. sei mur Mittel zum Zweck. Bisher habe niemand einen anderen und besseren Weg zeigen können. Bolfshilfe sei dringend notwendig. Aber der Reichstag lege dem Gastwirtsgewerbe mehr Gewicht bei als anderen Gewerben und scheine vor dem GBR. sich geradezu in einer Angstpsychose" zu be­finden. Genoffin Dr. Stegmann unterstreicht die Ausführungen von Frau Weber mit statistischen und medizinischen Darlegungen. Ge nosse Sollmann erflärte zunächst in Beantwortung einer Frage, daß Don den Reichsgeldern tein Pfennig für die Agitation für das Ge­meindebestimmungsrecht verwendet worden sei. Die Gelder fänden vielmehr ausschließlich Berwendung zu dem festgelegten Zwed, den Alkoholmißbrauch zu befämpfen. Er habe seinen Borschlag dem Ausschuß unterbreitet, um dadurch Gegenvorschläge hervorzurufen. Es sei indessen von leiner Seite ein Gegenvorschlag gekommen. Die Bewegung zur Einführung des GBR. mache gewaltige Fortschritte. Darüber sollten die Gegner fich nicht täuschen. Wenn man jetzt das Sicherheitsventil des GBR. nicht öffne, so werde man in nicht ferner 3eit burch Bolfsentscheid weit raditalere Bestimmungen erhalten.