Nr. 20143. Jahrg. Ausgabe A nr. 102
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Freitag, den 30. April 1926
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Abrechnung mit der Monarchie.
Kampfrede des Genossen Saenger im Reichstag .- Verwirrung bei den Regierungsparteien.
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nicht in der gewohnten Temperatur minderer Opportunitätsfragen lösen kann. Aber die Regierungsparteien suchen weiter qualvoll den Ausweg aus dem Dickicht, in das sie durch eigene Schuld geraten sind. Während unser Redner die große Alternative der Weltanschauungen und der Staatsauffassungen stellte, hieß die Alternative der Regierungsparteien Ausschußberatung oder nicht Abänderung oder nicht.
Vor dem Bolte aber steht das große Ja oder Nein, über das im Boltsentscheid über die Fürstenenteignung entschieden wird.
Heute Ende der ersten Lesung.
Es herrscht Verwirrung und Sorge bei den Regierungs-| sein, daß es sich um eine große politische Entscheidung handelt, parteien. Sie suchen nach einer Lösung der Fürstenfrage, die einfache und flare Stellungnahme erfordert, und die man während die Beratungen über das Enteignungsgefeß weiter gehen. Im Plenum des Reichstags wird um das Verlangen von 121 Millionen Deutschen gekämpft, durch die Forderungen der Fürsten einen Strich zu ziehen die Re gierungsparteien erwägen, verhandeln, suchen nach Kompromißmöglichkeiten. Die Kombinationen wechseln. Ein Zujayantrag der Demokraten, der nicht die Zustimmung der anderen Regierungsparteien findet. Erledigt. Ein Antrag des Zentrums, der als Gegengesetz zum Boltsbegehrensgesetz mit zum Volksentscheid gehen soll. Es wird verhandelt, sein Schicksal ist ungewiß. Run ein Appell der Deutschen Boltspartei an die Regierung, fie möge eingreifen. Ein Versprechen des Reichskanzlers, dem Reichstag eine Regierungsvorlage zur Fürstenabfindung vorzulegen. Biellosigkeit und Berwirrung. Der Reichstag bietet ein Bild, als ob es vor allem darum ginge, die Regierungsparteien aus einer verzweifelten taftischen Situation zu retten, als ob es feine Fürsten, teine Fürstenforderungen, feinen Schrei des Volkes nach Gerechtigfeit gäbe. Sich aus der Affäre ziehen ist alles- fo tönnte man die verwirrte Geschäftigkeit der Mittelparteien übersetzen. Aber es gibt einen Schrei des Boltes, es gibt maßlose Ansprüche der Fürften, es gibt ein großes fachliches Problem, das gelöst werden muß in großer geschichtlicher Entscheidung! Geschichtliche Entscheidung das ist es! Geschichtliche Entscheidung das war der Grundton der großen Kampfrede, die Genosse Saenger gestern im Plenum des Reichstags den Berlegenheiten der Regierungsparteien und dem verstockten Monarchismus der Deutschnationalen entgegen stellte. Was das Volk fordert, ist die Bollendung der Staatsumwälzung, der großen Wandlung Deutschlands von der Monarchie zur demokratischen Republik . Es steht Welt anschauung gegen Weltanschauung, Staatsanschauung gegen Staatsanschauung. Der Kampf des Volkes gegen die Fürstenforderungen weit entfernt davon, ein Kampf um Besitz zu fein ist ein Kampf um Freiheit, um Gerechtigkeit, ein Kampf des neuen demokratischen Zeitalters gegen die Reste des Mittelalters.
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Der Kampf wird zur großen geschichtlichen Abrechnung. Das Bewußtsein seiner Bedeutung in der großen gefchichtlichen Wandlung des deutschen Boltes verlieh der Rede Saengers edles Pathos, das sie weit hinaustrug über das Niveau der Parlamentsreden, die man sonst im deutschen Reichstag hört. Die Rede des Parlamentariers ist ein Teil des politischen Kampfes. Eine Rede wie die Rede Saengers ift Ausdruck der Stärke und der Sicherheit der Bewegung, bie sie trägt, der unzerstörbaren Ueberzeugung des Rechtes der eigenen Sache und des Einsseins mit dem Strome der gefchichtlichen Entwicklung. Sie erschüttert den Gegner. Mit großer innerer Erregung folgte der Reichstag dieser Rede mit Zustimmung und Kampfesmut die Sozialdemokraten mit bedrückter Erschütterung die Parteien, die im großen Rampfe eine fleine Lösung suchen. Im Gefühle ihrer Unterlegenheit die Deutschnationalen.
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Ein hinreißender Kampfruf, während im Lager der Mittelparteien für das einfache Problem komplizierte Lösungen gesucht werden, die teine find. Genoffe Saenger ist einer der besten Redner der Sozialdemokratie und des Reichstags. Aber der beste Redner muß ohne politische Wirkung bleiben, wenn ihn nicht die Begeisterung einer großen Boltsbewegung trägt. Hinter dem Pathos Saengers stand der Wille von 121 Millionen, der Schrei eines Bolles nach Gerechtigkeit, der Kampfruf aller republikanisch gesinnten Deutschen gegen die Kräfte, die Deutschland zurück zum Monarchismus führen
wollen.
Abrechnung mit den deutschen Fürsten im Namen Deutschlands , Abrechnung mit jenen bayerischen Partikularisten, die Deutschland vernichten wollen, Abrechnung mit den deutschnationalen Verteidigern der überholten Staats auffaffung des monarchistischen Staates. Die Auseinander fegung Saengers mit der Erklärung des Sprechers des Bentrums wird von gewaltiger Wirkung auf die Anhänger bes Rentrums sein.
Die Rede, die als große geschichtliche Anklage begann, schloß mit einem glühenden Bekenntnis zur Republif, das ben Reichstag bis meit in die Reihen der Mittelparteien hinein zu stürmischem Beifall hinriß. Das Volt ist in tiefer Erregung Genoffe Saenger hat der Bewegung, der leber zeugung, dem Wollen des Boltes im Reichstage Ausdruck verliehen.
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Es mag manchem Parlamentarier der Regierungs. parteien während dieser Rebe der Sinn dafür aufgegangen
Nach der Rede Saengers wurde die Beratung des Boltsentscheidsgefeßes abgebrochen, um den Fraktionen Zeit zu Beratungen zu geben. Die erste Lesung des Bolfsent scheidsgesetzes wird voraussichtlich heute abgeschlossen werden. Es find noch die Abgeordneten Rosenberg ( Komm.) und Kube( Bölk.) zum Wort gemeldet. Es ist der Antrag gestellt worden, das Bolfsentscheidsgefeß, sowie die Abänderungsanträge der Demokraten und des Zentrums dem Rechtsausschuß zu überweisen.
Ob die leberweisung erfolgen wird, steht noch nicht fest. Die Deutsch nationalen ließen heute am Schluß der Sigung erklären, daß sie für die Ueberweisung stimmen werden. Nachträglich jedoch wurde bekannt, daß sie nicht gewillt sind, das Bolfsentscheidsgesetz und den demokratischen Antrag zu überweisen, und daß ihnen wegen der Ueber weisung des Zentrumsantrages wieder Bedenken gekommen find. Die Deutsche Volkspartei hat in ihrer Frat tionsfizung sich für die leberweisung des Zentrumsantrages an den Rechtsausschuß entschieden. Ihre Stellungnahme zu einem Antrage auf Leberweisung des Enteignungsgesetzes und des demokratischen Antrages an den Rechtsausschuß hat sie sich jedoch noch vorbehalten.
Die Sozialdemokratische Reichstagsfrat tion beschloß, entsprechend dem bisherigen parlamentarischen Brauche, fich nicht zu widersetzen, wenn eine große Fraktion die leberweisung des Gesetzes und der Anträge an den Rechtsausschuß verlangt.
Bei den Regierungsparteien herrscht also selbst über die geschäftsordnungsmäßige Behandlung noch Verwirrung!
Die Debatte über die sogenannte Fürstenabfindung hat in einem rein persönlichen parteipolitischen 3ant geendet und doch handelt die eine flare, eindeutige, grundsägliche Stellung und Aeußerung es sich bei dieser Frage um große Probleme der deutschen Politik, erheischen. Diese Stellung der sozialdemokratischen Fraktion des Hauses noch einmal kurz darzulegen, bin ich seitens meiner politischen Freunde beauftragt.
Bei dieser Frage der Fürstenabfindung fämpfen Weltan= schauungen und Staatsanschauung miteinander. Wir werden uns daher bemühen, alles Kleine und Kleinliche beiseite zu lassen. Zunächst eine Bemerkung gegenüber dem Herrn Redner der Bölkischen Arbeitsgemeinschaft. Ich beschränke mich auf folgenden Say: Der Abg. Frick ist der Fürsprecher einer fleinen in Grüppchen zerfallende Fraktion, deren führende Männer sich von Tag zu Lag ihre Achtung mehr absprechen, sich gegenseitig Tag für Tag mehr selbst als Schwindler, als Lügner, als Subjekte, als Verräter beschimpfen.( Buruf bei den Völf.: Sie haben nur Angst vor uns, weiter gar nichts!) Ich glaube, daß die Angst untereinander bei Ihren größer ist als die, die wir vor Ihnen haben. Zum Beweise meiner Behauptungen darf ich darauf hinweisen, daß erst in einer der legten Ausgaben des Böltischen Herold", einer Zeitung, die sich Wochenblatt für vaterländische Politik und Wirtschaft" nennt, eine Resolution der nationalistischen Strömung, der Herr Kollege Don Graefe vorsteht, enthalten ist, in der es heißt:
Herr Hitler hat sowohl durch sein Vorgehen in München wie durch seinen Offenen Brief den Burgfrieden gebrochen. Er hat in unerhörten persönlichen Berunglimpfungen dem Führer unferer Bewegung gegenüber, Herrn v. Graefe, fich auf ein Gebiet begeben, auf dem wir ihm nicht folgen werden."
Das soll zeigen, daß Sie, meine Herren, nicht berechtigt sind, über diesen Staat, über die Republik und ihre führenden Organe zu schimpfen. Der Böltische Beobachter" hat nun wieder auf dem anderen Horn geblasen und gegenüber dem Herrn v. Graefe und seinen Anhängern davon gesprochen, daß endlich einmal die Abrechnung mit diesem Berrätergefinder" vor fich gehen müßte.( Heiterfeit und Zuruf links.) Wenn ich dann noch hinzunehme, daß das Organ des Herrn v. Reventlow vor wenigen Tagen wiederum offen und unverblümt zum politischen Meuchel. mord aufgefordert hat, so glaube ich, die überwältigende Zuftimmung des Hauses zu haben, wenn ich fage: Ein Vertreter der Deutschvölkischen Partei ist nicht dazu berufen, über die Unmoral des Staates, der Republik und feiner führenden Organe zu schimpfen.
Mein Kollege aus Bayern , Herr Dr. Pfleger, hat sich dann gegen den Gesetzentwurf des Bolfsentscheids gewehrt unter Berufung auf Recht und Berfassung. Meine politischen Freunde sind der Ansicht, daß ein Angehöriger der Bayerischen Voltspartei nicht berechtigt ist, unter Apostrophierung Bayerns
Der völkische Umfall mißglückt.
Marx wieder Fraktionsvorsitzender.
Schwerin , 29. April .( WIB.) In der heutigen Land-| 15 Sozialdemokraten, 2 Demokraten, 9 Kommunisten und fagsfihung ergaben die Verhandlungen zur Regie ein Wirtschaftsparteiler. Der neue Landtag wird ein anderes rungserklärung gegen die von den Bölfischen unterstützten Gesicht tragen. Forderungen der Güstrower Landbundversammlung, daß die übrigen Rechtsparteien und die Regierung auf voller Anerkennung der Regierungserklärung bestanden. Eine nur bedingte Bereitschaft der Bölkischen zur Wiederwahl der 3urüdgetretenen Regierung genügte weder den Deutschnationalen nach der Regierung selbst. Nach längerer Debatte wurde auf Antrag der Deutschnationalen einstimmig auch von den Bölfischen beschlossen, den Landtag zum 20. Juni auf
zulösen.
Die Völkischen, die ihre Regierung gestürzt hatten, waren schon unmittelbar darauf am Werke, ihren Umfall würdig vorzubereiten. Nachdem sie einmal den deutschnationalen Ministern und der deutschnationalen Fraktion die Faust ge zeigt hatten, um zu demonstrieren, daß Brandenſtein und Genoffen nur von ihren Gnaden am Ruder sind, hatten sie am nächsten Tage schon bedenkliche Schwächeanfälle. Sie ließen es an Versicherungen, daß sie ja..nur verhandeln" wollten, nicht fehlen. Und so derb sie auch von den Deutsch nationalen auf die Finger befamen, wiederholten sie in echt Graefescher Beredsamkeit: Nir zu verhandeln?"
Es hat ihnen nichts genüßt. Sie mußten schließlich selbst den gefürchteten Neuwahlen zustimmen. So be ginnt für Medienburg eine neue Kampfperiode, die hoffent lich dem pölkisch- nationalistischen Spuf ein Ende bereitet. Bisher saßen in dem im Februar 1924 gewählten Landtag 19 Deutschnationale, fünf Boltsparteiler, 12 Bölkische,
Wechsel im Reichsjuftizminifterium.
Die Zentrumsfraktion des Reichstages hat am Donnerstag nach einer mehrstündigen Beratung den Reichsjustizminister Dr. Marg einstimmig zum Frattionsvorsigenden gewählt. Die Wahl der Stellvertreter ergab im Vergleich zu dem bisherigen Zustand feine Veränderung, da Guerard und Stegerwald wiedergewählt wurden. Dr. Mary tritt von seinem Amt als Reichsjustizminister zurüd. Einen Borschlag für seinen Nachfolger hat die Zentrumsfraftion noch nicht gemacht, sondern diese Aufgabe einer Kommission ohne Frist überlassen. Die endgültige Entschei dung über diesen Kommiffionsvorschlag liegt bei der Fraktion. Vorläufig werden verschiedene Persönlichkeiten, wie z. B. die Abgeordneten Dr. Bell und Schetter Köln als Anwärter auf das Reichsjuftizministerium genannt. Die größte Aussicht hat der Abgeordnete Bell.
Der Vorschlag, den Abgeordneten Schulte Breslau für das Reichsjustizminifterium in Borschlag zu bringen, scheidet mit Rücksicht auf die Haltung dieses Zentrumsvertreters von vornherein aus. Seine Erklärung in der Mittwochfißung des Reichstages zur Fürftenabfindung selbst in seiner Fraftion starte Erbitterung hervorgerufen und zu einer längeren Diskussion Anlaß gegeben. Ihr Berlauf zeigte, daß die Fraktion in ihrer Mehrheit feineswegs die Erklärung des Abg. Schulte deckt.