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Abendausgabe

Nr. 202 43. Jahrgang Ausgabe B Nr. 100

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise Find in der Morgenausgabe angegeben Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-29% Tel.- dreffe: Sozialdemokrat Berlin

10 Pfennig

30. April 1926

Vorwärts=

Berliner Dolksblatt

Betlee und Angetgenabteilung: Gefchäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Borwärts- Berlag Gmbh. Berlin S. 68, Lindenstraße 3 Jerafprecher: Dönhoff 292-297

Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

Volksentscheid- die einzige Lösung.

Vier Parteien suchen eine Parole.- Vollständige Verwirrung.

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Es lebe die Parole! Das ist jetzt der Schlachtruf der Re| gesagt, daß diese Hoffnung eine irrige sei. Eine schwere Enttäu­gierungsparteien in der Fürstenfrage. Es lebe die Parole, fchung würde sich derer bemächtigen, die dem Gesez ihre Zustim die den Boltsentscheid in der Fürstenfrage taput macht was mung geben würden, und in einer späteren Zeit würde man denen, aus den Fürstenforderungen wird, ist die fleinere Frage. Aber die das Zustandekommen dieses Gejezes betrieben haben, mit Recht woher die Parole nehmen? Bier Monate Arbeit des Rechts- die schwersten Borwürfe madjen, weil die gehegten Hoffnungen nicht ausschusses ohne Resultat das ist teine tröstliche Parole. in Erfüllung gegangen sind. Ich füge hinzu, daß auch die Bertrauen auf die Regierungsparteien oder ihren Kompromis infsparteien gut daran täten, vor solchen trügerischen Er entwurf? Das zieht auch nicht mehr. Wenn heute das wartungen rechtzeitig zu warnen. Diese meine Auffassung wird Zentrum gegen den Beltsentscheid aufruft unter Hinweis auf auch von meinen politischen Freunden geteilt. fein Rompromiß als Ausfluß reinster Gerechtigkeit und Quint­effenz christlicher Ethit, wird ein bitteres Hohnlachen seiner Anhänger die Folge sein.

Die Parole, die Parole! Samiel hilf! Herr Scholz hat Herrn Luther , den Reichstanzler, angerufen, und wenn er auch noch keine Parole erhalten hat, so hofft er doch wenigstens auf eine, so daß man in der Täglichen Rundschau" lieft:

Man kann hoffen, daß auf Grund dieser Besprechungen die Regierung mit einer eigenen Vorlage hervortritt, die das Problem der Fürstenentschädigung unter Anlehnung an den Rompromißentwurf zu lösen versucht. Dieser Entwurf wird noch vor dem Boltsentscheid, vielleicht schon in verhältnis mäßig furzer Zeit, an den Reichstag gelangen. Es wäre damit natürlich nicht gesagt, daß er noch vor dem Voltsentscheid auch verabschiedet wird. Damit wird man erst rechnen Fönnen, wenn der Boltsentscheid erledigt ist. Die Borlage der Regierung wäre aber doch ein sichtbares 3eichen und eine moralische Gewähr, daß eine für beide Teile annehm bare parlamentarische Regelung in der Frage der Fürstenentschädi­gung unter Führung der Regierung angestrebt und durch gefegt werden wird. Und damit wäre eine Gegenparole gegen den Enteignungsantrag ausgegeben, die sicher ihre Wirkung auf unendlich viele nicht verfehlen wird, die sich sonst von der Heße der Kommunisten und Sozialdemokraten zum Bolts entscheid, an die Urne bringen ließen. Tritt die Initiative wirtlich. wie angedeutet, in die Erscheinung, so wird man sich davon eine große und tiefe Wirtung versprechen fönnen. Bon par­lamentarischen Rompromißverhandlungen fann man sie nicht mehr

erwarten.

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5. Nachdem aber die von mir gebrauchte Wendung eine Aus tegung erfahren hat, zu der fein Anlaß gegeben, und die mir natürlich völlig fern lag, halte ich mich für verpflichtet, diese mißverstandenen Werte hiermit noch ausdrücklich zu rüdzuziehen.".

Busen gern verwahren... Seine Erklärung muß man im Doch taum war ihm das Wort entfahren, möcht' ers im vollen Wortlaut wiedergeben, um ihre ganze Schönheit er­messen gu tönnen. Erst die Reichstagsrede in der Tomart eines Staatsanwalts voller Entrüftung über die Begehrlich feit der Maffen, dann die Erklärung: ich habe nichts ge jagt, und zum Schluß: ich habe zwar nichts gesagt, aber ich nehme alles zurüd. Man sagt, Herr Schulte sei ernsthafter Randidat für die Nachfolge von Marg im Justizministerium gewesen.

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Ber erft fo spricht, und dann so zurüdnimmt, der steht nicht mit gutem Gewissen bei seinen Worten, der ist inner­lich unficher und erschüttert weil die gute Sache nicht mit ihm, sondern gegen ihn ist.

Es lebe die Parole- aber welche Parole? Parole Hoff­mung auf die Regierungsinitiative oder Parole: Shulte hat nichts gefagt? Es ist nicht nur Mangel an Führung und innere Berwirrung, mas aus der Haltung der Regierungs parteien spricht. Es ist die Tatsache, daß sie die Fühlung mit bem ollen des Volfes verloren haben, und es ist Mangel an Würde.

Mögen fie nach Mitteln zur Verzögerung und zur Be­fämpfung des Bolfsentscheids fuchen: um so flarer wird, daß des Bolf felbft entscheiden muß. Es lebe der Boltsentscheid!

Das hat gesessen!

Die Rechtspreffe über Saengers Nede. Kreuz- Zeitung "( Ueberschrift: Neue rote Schimpf­

fanonade):

Man fann hoffen das ist doch noch eine tröstliche Parole! Die Regierung macht eine Borlage- das ist noch tröstlicher. Sie wird zwar nicht verabschiedet, und was dar aus wird, weiß nicht einmal der Rechtsaussauß aber man hat eine Gegenparole, ein sichtbares Feldzeichen gegen den Boltsentscheid. 3war mit der moralischen Gewähr ist das eine eigene Sache, und mit der großen und tiefen Wirkung" erst recht; denn wer wird etwas anderes erwarten, als daß auch diese Borlage nach mehrmonatiger Arbeit des Rechts: Was es beim Entwurf über Enteignung der Fürstenhäuser geb, ausschuffes fang und flanglos begraben wird, wenn sie nichts tann nur der amtliche Bericht eine Beratung" nennen; es war ausschusses fangs und flanglos begraben wird, wenn sie nichts eine efle, wüste eße gegen die Fürsterhäuser, besonders die anderes sein soll als ein denaturierter Aufguß des Rompro­anderes sein soll als ein denaturierter Aufguß des Kompro- Hohenzollern , verübt von dem Sozialdemokraten Saenger . Dieser misses! Der Trost der Volkspartei, die Parole Regierungsinitiative norddeutige Rechtsanwalt in Münden hat vor einiger enthüllt, was sie will: Sabotierung des Boltsentscheids, Sa­botierung einer materiellen gefeggeberischen Regelung der botierung einer materiellen gefeggeberischen Regelung der Fürstenfrage. Sie will fein Gesetz, nur eine Parole.

Es lebe die Parole, die Parole ift alles- so denkt man auch in der Reichstagsfraktion des Zentrums, und fiel deshalb über die Rede des Zentrumsabgeordneten Schulte aus einem Entfezen in das andere. Eine Rapuzinade gegen die Begehrlichkeit der Massen, die sich gegen die Habgier ber Fürsten zur Behr sehen das soll eine Parole gegen den Bolfsentscheid fein? Die Barole hat schon ihre große und tiefe Birtung" gehabt. Ueber die Zentrumsfraftion ist ein Hagel von entrüsteten Brotefttelegrammen von Zentrumsmit gliedern und-organisationen hereingebrochen.

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Es ist Herrn Schulte in seiner eigenen Fraftion schlecht gegangen, und nun bemüht er sich, den Schaden zu reparieren. In der Germania " veröffentlicht er folgende Erklärung:

Meine Erflärung in der Mittwochsigung ist durch einen Zwischenfall unterbrochen worden. Es haben sich auch kommen tare daran gefnüpft, die eine Ausführungen nicht richtig miebergeben. Das gibt mir Anlaß zu folgenden

Jeststellungen:

1. Die von mir abgegebene Erklärung war bestimmt, die Mei. nung meiner politischen Freunde wiederzugeben. Die Formu lierung im einzelnen mußte infolge der Geschäftslage mir lierung im einzelnen mußte infolge der Geschäftslage mir allein überlassen bleiben.

2. Die Säge, die sich auf den zweiten Teil des Gefeßentwurfs über den Bolksentscheid beziehen, find in verschiedenen Bresse berichten unrichtig und unvollständig wieder.

gegeben.

Beit in der neuen Belt" das werftätige Bolt von Berlin mit einer Rebe versorgt, in der er auch alle Gehässigkeiten der roten Bresse über die deutschen Fürstenhäuser mit breitem Behagen verarbeitet hatte. Gestern servierte er feinen Giftbrei im Reichstag. Der rote Heger begann

,, Deutsche Zeitung"( Ueberschrift: Beispielloſe ſozia­listische Schmährede"):

Bei dieser Gelegenheit hielt der sozialdemokratsiche Abgeordnete Saenger eine beispiellose Schmährebe, in der er sich zu nächst gegen Bayern wandte, dann auch die Bormundschaft des demokratischen Freundes Rülz zurüdwies, um schließlich zu hem mungslosen Heßereien gegen die Fürsten zu gelangen. Saenger schloß seine Rede( man muß das Bild dieses gesch nie. selten und gebügelten und in manieriertester Beise sprechenden Revolutionärs" vor Augen haben) mit folgenden Säßen:..

,, Deutsche Tageszeitung"( lleberschrift: Sozialdemokra tische Schmähung der Fürstenhäuser"):

Als erster Redner sprach der sozialistische Abgeordnete Saenger , der sich mit der einer bestimmten Raise eigenen rabu. liftischen Geschickliteit aus 1000 Jahren deutscher Raiser. geschichte mühsam vielleicht ein knappes Dutzend Fälle herausfuchte, mo menschliche Unvollkommenheit Schatten auf den Glanz der Raiserfrone warf. Der Rebner, gleich seinem jüdischen Kollegen von porgestern, Rosenfeld , sicherlich am berufensten über deutsche Angelegenheiten mit großen Worten den Richter spielen zu wollen, tat dies mit dem schlürfenden Behagen eines degenerierten Genießertums, bas gesunde Roft nicht mehr verträgt und feine Instinkte nur noch auf das Verderbte eingestellt hat.

Benn man sich nicht anders helfen fann, fommt man mit antisemitischen Küpeleien, an denen aber das Berföhnende 3. Wie aus dem unforrigierten Stenogramm zu entnehmen ist, ist, daß sie sich ganz unparteiisch gegen jeden Unbequemen habe ich nicht von einer Steigerung vorhandener Berichten, mag er nun Jude sein oder wie der Genosse gehrlichkeit der breiten Boltsmaffen, sondern von ihrer Saenger - auch nicht.. Erregung gesprochen.

4. Meine Absicht war lediglich die, darauf hinzuweisen, daß biefer zweite Artikel des Gefeßes im Bande irrtümlicherweise je verstanden wird, als ob aus dem enteigneten Fürsten­nermögen eine dirette Berteilung stattfärbe. Es ist bekannt, daß sogar über das Ausmaß etwa zu erlangender Borteile Berechnungen angestellt worden sind. Ich habe weiter

Uus den Tönen, die die Rechtspreffe anschlägt, fann man deutlich erkennen, wie groß ihr Schmerz über diese Rede ist.

Der Landtag von Schaumburg- Lippe nahm am Donnerstag einen Belegentwurf an, nach dem über den Auschluß des Landes en ben preugissen Staat am 6. Juni cine Bolfsabftimmung stattfinden fall.

Konstruktiver Sozialismus.

Die Arbeiterbewegung in Palästina. Bon Felix Fechenbach .

Tel- Aviv , April 1926. Die Arbeiterbemegung in Palästina hat in folge der besonderen Bedingungen des Landes als Einman. derungsland und wegen der Notwendigkeit, in dem völlig verwahrlosten Lande erst eine Wirtschaft aufbauen zu helfen, naturgemäß ganz eigenartige, diesen besonderen Berhält­nissen angepaßte Formen hervorgebracht. Dazu kommt noch, daß die jüdische Arbeiterbewegung darüber hinaus die Auf­gabe hat, den sozialen Umschichtungsprozeß unter den jüdischen Einwanderern in Palästina zu fördern.

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Ein großer Teil der Einwanderer waren in Europa meist Osteuropa Angehörige irgendeines un produk­tiven Berufes, wie Händler, taufmännische Angestellte oder auch Intellektuelle. Der Aufbau Balästinas verlangt aber die Rüdfehr zu produttiven Berufen, insbesondere zur Landwirtschaft. So fällt der Arbeiterbewegung noch eine besondere Aufgabe in diesem sozialen Umschichtungsprozeß zu. Notwendig ergab sich hieraus ein ganz anders gearteter Aufbau der Arbeiterorganisationen, als wir sie in Europa fennen. Die Histadruth"( Algemeine Arbeiterorganisation) ist nicht nur die gemertschaftliche Organisation der Arbeiterschaft, sondern zugleich eine Zentralstelle für alle land­mirtschaftlichen und städtischen Genossenschaften der Arbeiterschaft, die beim Aufbau des Landes eine hervor ragende Rolle spielen. Gleichzeitig unterstehen auch alle an­bant, Krantentasse usw. der Kontrolle der Allgemeinen Ar deren Einrichtungen der Arbeiterbewegung, wie die Arbeiter­beiterorganisation.

Die Histadruth hat es verstanden, 85 Broz. der Arbeiter schaft zu organisieren; an einzelnen Orten jogar 100 Brez. Während 1921 nur 4500 Organisierte gezählt wurden, het die Hiftadruth heute bereits 22 000 Mitglieder, darunter 3000 weibliche.

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Der Aufbau der Organisation gründet sich nicht, wie in Deutschland auf die Fachverbände, die dann in einer Spigen organisation zusammengefaßt find, sondern jeder Arbeiter ist Mitglied der Allgemeinen Arbeiterorganisation, und inner­halb dieser Organisation bestehen einige Landes­fachverbände: Landarbeiter, Eisenbahner, Angestellte, Baufach. Alle übrigen Fachorganisationen sind zunächst nur örtlich zusammengefaßt. Die Beiträge werden von der Histadruth eingezogen, von der in der Regel die Fachverbände ihr Budget erhalten. In den einzelnen Orten besteht ein Ar­beiterausschuß an Stelle des Deutschen Gewerkschafts­fartells, der aber nicht von den Fachverbänden, sondern in Urwahl von sämtlichen Organisierten des Dries gewählt wird. Er entscheidet über Streits usw. Bei größeren Aktio­nen hat die Landeserefutive der Histadruth zu entscheiden, die überhaupt jeden Beschluß eines örtlichen Arbeiterrats oder irgendeiner anderen Arbeiterinstitution aufheben fann, wo­gegen dann Beschwerde an einen Ausschuß von 31 Mitgliedern möglich ist, der alle vier Monate zusammentritt und von der Generalfonferenz zur Unterstützung der Arbeit der Erefutive gewählt ift. Gegen die Beschlüsse des 31er- Ausschusses ist Beschwerde an die Generalfonferenz möglich, die ebenfo, mie die örtlichen Arbeiterräte, nicht durch die Fachverbände, fon­dern von allen Organisierten des Landes in Urwahlen ge­wählt wird.

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Die afte

Die größte Bedeutung beim Aufbau des Landes kommt den fozialistischen landwirtschaftlichen Sied. Formen durch revolutionäre Aftionen zu überwinden das lungen zu. Hier sind zunächst nicht alte tapitalistische Land soll ja erst aufgebaut werden, sondern beim Aufbau Land soll ja erst aufgebaut werden, sondern beim Aufbau des Landes müffen jetzt schon die Grundsteine zu einer ozialistischen Entwicklung gelegt werden. Kolonifationsarbeit des Baron Rothschild war auf Schaffung rein privatfapitalistischer Siedlungen gerichtet. Die Siedler aus diefer Epoche wurden nicht selbstarbeitende Bauern, son­dern Plantagenbefizer, die billige Fellachenarbeit ausbeuten und seit einigen Jahren auch jüdische Arbeiter beschäftigen, die, um fenfurrieren zu fönnen, sich in Wohn- und Verpflegungs­gemeinschaften zusammengeschloffen haben. Hier arbeiten fie gewöhnlich zwei Jahre, ehe sie zur Ansiedlung in einer land­wirtschaftlichen Arbeitersiedlung fommen. Ganz anders liegen die Verhältnisse in den sozialistischen Arbeitersiedlungen. Sie sind aufgebaut auf dem Grundsat der Selbstarbeit unter Ausschluß der Lohnarbeit. Der Boden gehört dem jüdischen Nationalfond und wird von den Siedlern mur gepachtet. Zur Anschaffung von Maschinen, Bieh und für sonstige Investitutionen bekommen fie vom zionistischen Aufbaufond Anleihen, die innerhalb 50 Jahren zu amor­tifieren find. Es ist flar, daß die Arbeiterficbler bei aller Hin­gabe und bei allem Opfermut, den sie ihrer Aufgabe entgegen­bringen, die sozialistischen Siedlungen nicht aufbauen könnten ohne die finanzielle Hilfe der zionistischen Geldinstitute, die ihre Gelder durch ein großorganisiertes Spendenwert von den ver­mögenden Juden Europas und Ameritas einziehen.( National­fond oder Bodenbaufond und Aufbaufond). Neben der zionistischen Organisation finanzieren noch zwei andere Insti­tutionen die Einrichtungen und Unternehmungen der Arbeiter. schaft: Die Arbeiterbant und der Palästina- Arbeiterfond.

Wenn man verfandete oder Derfumpfte Böden gesehen hat, die vom Nationalfond zur Urbarmechung und Besiedlung ongetauft wurden und tommt dann in die Siedlungen, die schon einige Jahre bestehen und inzwischen zu