Nr. 210 43. Jahrg. Ausgabe A nr. 107
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Donnerstag, den 6. Mai 1926
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Der Kampf für Schwarzrotgold.
Niesenaufmarsch des Reichsbanners.- Die Flaggenverordnung unterzeichnet. Demokraten und Zentrum protestieren.- Die Sozialdemokraten interpellieren.
Die Reichsregierung hat ein Attentat gegen Schwarzrotgold, gegen die Farben der Republik ausgeführt. Der Massenaufmarsch des Berliner Reichsbanners, verstärkt durch viele Taufende von Republikanern, war die Antwort der Re publik. Die Republik ist im Lager des Volkes, nicht im Lager der Regierung.
Trozig rauschten die schwarzrotgoldenen Fahnen, die Fahnen des Reiches, der Republit, das Symbol der Freiheit des Volkes. Brausend flangen die Rufe der Republikaner: Fort mit der Regierung, die Schwarzrotgold antaſtet! Fort mit diefer Regierung!
Und dann: wo ist Marg, wo ist Külz ? Der Sturm der Entrüftung gilt nicht nur dem Attentat auf Schwarzrotgold, er gilt der Tatsache, daß zwei Parteien, deren Mitglieder in großer Zahl im Reichsbanner vereinigt sind, in dieser Regierung vertreten sind; es gilt der Tatsache, daß die Minister Rülz und Mary diesem Attentat zugestimmt haben.
Republikaner gegen die Regierung, die Regierung gegen das Symbol der Republik - das ist die Situation!
Die Reichsregierung hat die Flaggenverordnung unter: zeichnet. Sie fügt zu der Herausforderung des Wolfes durch ihre Schmähung der Unterzeichner des Bolts begehrens eine zweite, noch brüstere Herausforderung. Sie begünstigt den Kampf der schwarzweißroten Reaktionäre gegen die Farben der Republit, fie schlägt dem Empfinden ber republikanischen Mehrheit des Volkes ins Gesicht.
Die Regierung war gewarnt. Sie wußte, daß ihr Plan helle Entrüstung bei der Sozialdemokratie hervorgerufen hatte. Sie hörte die Proteste des Zentrums und der Demofraten. Sie hat trotz der Proteste an der Verordnung fest gehalten. Damit wird diese Verordnung zu einer Kampfansage gegen alle Republikaner .
Herr Luther, der die Aktion gegen Schwarzrotgold eingeleitet hat. hat ja gestern nachmittag wohl freilich ein Kompromiß geschlossen. Ein Kompromiß? Ein Kompromiß zwischen Schwarzrotgold und Schwarzweißrot? Ja, ein Kompromiß oder was sich so nennt. Die Verordnung ist so ab= geändert worden, daß in Uebersee und in europäischen Hafenstädten die schwarzweißrote Flagge neben der schwarzrotgoldenen gezeigt wird. Man fennt die Methoden der Doppelbeflaggung: auf dem Dache schwarzweißrot, an der Hinterfront schwarzrotgold. Die Schamröte muß jedem Republikaner ins Gesicht steigen, wenn er bedenkt, daß die deutsche Republik fünftig im Ausland so repräsentiert wird: in Mostau schwarzrotgold, in Leningrad schwarzweißrot, in London schwarzweißrot, in Paris wieder schwarzrotgold. In London durch das Symbol des faiserlichen Im perialismus, in Paris durch das Symbol der großen politischen Wandling des deutschen Volkes.
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Es ist das gute Recht jedes Ministers und jeder Regierung, fich felbft lächerlich zu machen eine Regierung aber, die ihr Volk lächerlich machen will, die dem Ausland eine Demonstration der Zerrissenheit und der Unehrlichkeit der republikanischen Gesinnung zeigt, ist unmöglich.
Dies Kompromiß ist schlimmer als der ursprüngliche Plan. Gibt es denn ein Kompromiß zwischen Gesinnun gen? Die Regierung Luther hat noch ein Rompromiß" gemacht: die schwarzrotgoldene Gösch in der Ede der schwarzweißroten Fahne foll vergrößert werden. Will die Regierung damit andeuten, daß ihr Einschlag von republikanischer Gesinnung im schwarzweißroten Grundton sich vergrößert habe? Es gibt kein Kompromiß nach dem Zentimetermaß in der Flaggenfrage!
Die Reichsregierung hat die Flaggenfrage nicht gelöst", sondern aufgeworfen. Sie hat eine Ausein andersetzung zwischen Schwarzrotgold und Schwarzweißrot provoziert und die Position der schwarzweißroten Gegner der Republik gestärkt.
Wer ist die Reichsregierung? Die Reichstagsfraktion der Demokraten ( eine Regierungspartei!) beschloß: Die Freffion ist mit der Berordnung zur Flaggenfrage nicht
einverstanden.
Die Reichstagsfrattion des Zentrums, der stärksten te gierungspartei, feßte folgenden noch schärferen Beschluk „ Die Zentrumsfraktion des Reichstags bedauert den Erlaß der Verordnung in der Flaggenfrage, und lehnt jede Berant wortung für die politischen Folgen ab."
Die sozialdemokratische Reichstagsfrat tion beschloß, die Regierung wegen der Flaggenfrage zu
interpellieren und ihr die verfassungsmäßige Mißbilligung auszusprechen.
Die Reichsregierung hat keine Mehrheit im Parlament. Zwei Regierungsparteien, darunter die stärkste, versagen ihr die Gefolgschaft. Diese Regierung ohne Mehrheit, verlassen von den eigenen Parteien, wirst dem Volk die Provokation der Flaggenverordnung hin. Wollte sie aus Ergebenheit gegen den Erfronprinzen ihm die Flaggenverordnung auf den Geburtstagstisch legen, oder wollte sie dem neu erweckten Aktivismus der Rechtsparteien entgegenkommen? Diese Regierung ohne Mehrheit hat in die hochgespannte inrerpolitische Situation die Flaggenfrage hineingestellt. Sie hat gestern durch die machtvolle Demonstration des Reichsbanners die erste Antwort erhalten. Im Parlament, wo sie Rede und Antwort zu stehen und ihre Mehrheit zu prüfen hat, erhält sie die endgültige Antwort. Sie lautet: Fort mit der Regierung der schwarzweißroten Flaggenverordnung!
Die Antwort des Reichsbanners. Demonstration des Reichsbanners auf dem Gendarmenmarkt. zu vielen Zehntausenden famen sie marschiert. Der Plaz reichte nicht aus. Hochauf braufte die Entrüftung.
Das Echo auf die Flaggenverordnung der Regierung Luther war ein dröhnendes Nieder mit dieser Regierung!", das aus Zehntausenden von Kehlen wieder und immer wieder von ben erbitterten Reichsbannerleuten und Republikanern ausgestoßen mde. Wie ein Mann waren sie gekommen mit flingendem Spiel, mit Trommelwirbel, ein riesiges Aufgebot, das in kürzester Frist zum Schuß der Fahne Schwarzrotgold bereitstand. zum Schuß der Fahne Schwarzrotgold bereitstand.
Die Freitreppe des Theaters überfüllt, dichtgedrängt der Blaz, bis in die Straßen hinein stauten sich die Reichsbannerleute. Ent
schlossene Gesichter der Jungen und Alten, denen der Schutz des Reichsbanners auch mit dem eigenen Blut keine leere Phrase ist.
Nach einem starten Gedicht sprach Dr. Krohne als erster Redner des republikanischen Zentrums. In seinen ersten Borten donnerte immer und immer wieder taktmäßig das„, Nieder mit dieser Regierung!", das tattmäßig von der Masse aufgenommen wurde und an noch stürmischere Tage von einst gemahnte. Dazwischen die empörte Frage: Wo ist Marg? Wo ist Külz ?" Minutenlang brauste der Orkan einer im Innersten aufgewühlten Maffe über den Gendarmenmarkt, bis Dr. Krohne wieder mit schallender Stimme sein Gelöbnis zu der Fahne Schwarzrotgold zu den Massen sprechen konnte.
Auch die Reden des Demokraten Bergstreeßer und das Sozialdemokraten Saenger waren von stürmischen Zurufen und Beifall begleitet. Feierliches Schweigen herrschte, als Saenger den Geist des ersten Präsidenten Ebert beschwor. Wie ein Mann entblößte die Maffe ihr Haupt, um dann wieder zum lauten Sprechchor ihrer Empörung zu werden. Reichsbannermarsch und Trommelwirbel beendeten die Demonstration auf dem Gendarmenmarkt. Doch durch die Straßen trugen die einzelnen Züge weiter ihre Empörung und ihr„ Nieder!" und Frei Heil!" weckte überall einen stürmischen Widerhall.
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Gauvorsigender Roch eröffnet die Rundgebung: Das Reichsbanner hat aufgerufen, daß das deutsche Volt, um feine Rechte zu wahren, seine Stimme gegen die Verordnung des Reichspräsidenten erhebt.
Abg Dr. Krohne
führt als erster Redner aus:
Zu einer machtvollen Kundgebung hat sich das Reichsbanner zusammengefunden. Soeben ist die Berordnung unterzeichnet worden..( Anhaltende Pfuirufe; Nieder mit der Verräterregierung!) Eine Verordnung, die befagt, daß neben
Macdonald bei Baldwin.
Verhandlungen.
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Die Stellung der kämpfenden Parteien.
Hauptredner verteidigt hat.
V. Sch. Condon, 5. Mai. ( Eig. Drahtb.) Um Mitter-| Streitbeschluß vertreten und ihn auch in der Unterhausdebatte als nacht verlaufet, daß Macdonald foeben zu einer konferenz zu dem Premierminister Baldwin berufen wurde, um mit ihm über eine etwaige Beilegung des Streits zu verhandeln.
Die Haltung der Gewerkschaften.
V. Sch. Condon, 5. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Der gegenwärtige Rampf, der übrigens fälschlicherweise Generalstreik tituliert wird, was er weder ist, noch sein will, ist von Anfang an eine Prestige frage gewefen, sowohl für die Regierung wie für die Gemert schaften, und es ist ebenso die Frage des Prestiges, die einer Bei legung im Wege steht.
Die Gewerkschaften fagen: Uns ist der Kampf aufgezwungen worden. Die Regierung hat in den Ber. handlungen zur Lösung der Kohlenkrise nicht den geringsten Druck auf die Bergwerksbefizer ausgeübt, sie hat die Kampfmaßnahmen ergrifffen: Unterzeichnung des Ausnahmezustandes durch den König, Einberufung der Technischen Nothilfe usw. Es blieb uns nichts anderes übrig, als mit einem Kampf zu antworten, den wir selbst für verderblich halten.
Die Regierung antwortete darauf: Das waren nur Verbereitungsmaßnahmen für den Fall, daß der allgemeine Streit verfündet wird. Im übrigen bedeutet ein solcher Streit, der auch die Breffe lahmlegt, einen Anschlag auf die Meinungsfreiheit, auf das verfaffungsmäßige Recht des britischen Bürgers. Folglich hat der Streif politischen Charakter, wenn nicht sogar bolsche wistische Tendenz.
Die Gewerkschaften erwidern: Davon fann gar feine Rede sein. Bon den Streifenden gibt es keine zwei Prozent, die politische Biele im Auge haben. Im Gegenteil, es sind gerade die ,, rechten" Führer der Labour Party gewesen, die für den Kampf den Ausschlag gaben. I. H. Thomas ist es gewesen, der in der entscheidenden Sizung des Generalrats der Gewerkschaften den
Dieser Streit, fagen die Gewerkschaftsführer weiter, ist eine fpontane Solidaritätserklärung der großen Arbeiterverbände zugunsten der Bergarbeiter und die großartige Disziplin, die von allen Organisierten geübt wird, beweist, wie er der Stimmung des Volkes entspricht. Unser Ziel ist ausschließlich, die Regierung dazu zu bringen, die Verhandlungen zur Beilegung der Kohlenkrise wieder aufzunehmen. Das ist kein politisches, sondern ein gewerkschaftliches Ziel.
Die Regierung hingegen versteift sich auf die Parole, die Baldwin bereits in seinem Ultimatum an den Gewerkschaftskongres ausgesprochen hatte: Erst zurücknahme des Streitbe. fehls, dann erst Verhandlungen. Lord Birkenhead hat dazu im Unterhaus erflärt, er werde so lange nicht verhandeln, wie die Drohung des Generalstreits auf England laste.
Unter diesen Umständen bleibt nichts anderes übrig, als Kampf bis ans bittere Ende, wie es die faschistischen Diehards und auch die Rommunisten wünschen, den aber die die großen Waffen der Arbeiterschaft wie auch des Bürgertums für verderblich halten.
Eine Streifzeitung erscheint! London , 5. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Die Gewerkschaften beantworteten die Herausgabe der amtlichen„ Britsh Gazette" durch das Erscheinen eines offiziellen Streifbulletins British Worfer", das im Gebäude des„ Daily Herald" hergestellt wird. Sein Erscheinen wurde in lehter minute noch in Frage gestellt. Polizei drang unter Vorweisung eines speziellen Ausweises in den maschinen. Rotationsfaal und verhinderte die Inbetriebfehung der RotationsDas Gebäude war durch einen großen Polizeifordon abgesperrt. Nachdem fich der Generalrat mit den Behörden in Berbindung gefeht hatte, wurde nach zwei Stunden die Erlaubnis zum Drud erteilt.
( Weitere Meldungen auf der dritten Seite.)