Sonntag Na! 192»
Unterhaltung unö �Vissen
veilage öes vorwärts
Düste. von Velo Rtvesz. <Ss war einmal ein Jüngling und ein Mädchen, sie waren für einander bestimmt! doch wußten sie noch nichts davon. Der Jüngling war ein Bäckergeselle, arbeitsam, jung, rührig in der Nacht, das will sagen, daß er nach dem Kneten des Fein. teiges , während des Reifens der sich rötenden Brote, unter dem keuchenden Munde der bis �um Schwitzen angeheizten Oefen. reif für den Schlaf, langsam ermattete. Und da. in der späten Däm- inerung, ging der Bäckergeselle noch Hause, die Luft sang, von jeder Richtung her tuteten die Fabritsirenen, sie girrten, brummten, heulten auf. Im Nachtlager, an den Matratzen, Bänken und an- deren Ruheplätzen bewegten sich die Menschen, unter denen auch einer war. der auf das Tuten der Sirenen brummend erwachte und wuchtig murrte.... Kusch... Dieser Wütende hatte kein« Arbeit. Der Bäckergeselle trat in das Zimmer und stand zwischen den Betten, unter den, zu neuem Pläneschmieden erwachenden armen Teufeln. Man kann das nicht genau, nicht klar ausdrücken, warum die Leute sich jetzt auf den schlecht gefüllten Matratzen noch viel erregter herumwälzten. Der eine zuckte zusammen, und mit grundloser Erregung, ziel- und gedankenlos, ärgerte er sich. Verdutzt klärten sich die Augen beim Zweiten, und er sah, was erst kommen sollte, wie er von all den Fabrikhöfen immer wieder mit leichtfertigen Antworten fortgeschickt wird. Schlucken verengte die Kehle dem Dritten, dem Siebenten, ihr Magen, ihr Herz pochte, die unfreundliche Wärme fächelte ihr Gehirn, Ihre müden Hände schlugen wuchtig aus auf der Träume aneinander. reihenden Matrahe. Di« ungerufene Erregung, die unbekannte Nervosität stachelte, weckte und hetzte sie. Und der Bäckergeselle stand so da, zwischen den Betten, zur Freude des Schlafes löste er schon sein leichtes Gewand, er stand, er bückte sich, er neigte sich, und von feinem Kopfe, von seiner Brust, von seiner Hand, von seinem Gesicht flog und flatterte über ahnungslose Bettgänger der Brotgeruch.... Diese» Zusammentreffen in der Morgendämmerung war um so verwickelter, da der Bäckergeselle nicht wußte, worin sein böse« Treiben bestand und die von Brotgeruch umwehten Matratzen» bewohner irgendeine grimmige Lust fühlten, aber sie nicht erkannten. Doch war ein Mensch im Quartier, der ni!ht so bitterer Laune war, und obzwar ihm das Geheimnis des Augenblicks unbekannt war. mit fröstelnder Freude die Ankunft de« Bäckergesellen in der Morgendämmerung aufnahm. Agnes, die Taglöhnerin, ging zu dieser Zeit in die Arbeit. Zum Jäten der Wiesen, zur Bearbei- tung und Verschönerung der Parkanlagen und Blumenbeete. Und mit dem noch frischen Schlaf in den schimmernden Augen, der Trunkenheit der Ruhe auf dem roten Gesichte, mit der zu neuer Kraft erwachten Elastizität an ihrem sich wiegenden jungen Körper, ging sie an deni sich entkleidenden Bäckergesellen vorbei: und ob- gleich sie nicht koketter Natur war, öffnete sich doch, als sie beim Vorübergehen den Bäckergesellen erreichte, als sie in seine Nähe kam und eng an ihm vorbeistreift«, ihr warmer Mund, zeigte sich an ihren üppigen Zügen ein verstohlenes, süßes Lächeln. So. mit heiterem Gefühl und heiterer Seele, gelangte sie auf die Straße. Das unterdrückte Lächeln auf ihren Lippen lebte in voller Blüte auf, freudig dachte sie der taubedcckten Wies«, die ihre Füße kitzeln wird, an das Dämmerungsdüften der Pelargonien und Hyazinthen, das im ersten Sonnenschein in dicken Wolken aufsteigt. Die bin» denden Geheimnisse der Neigung ließen sie aber vom schläfrigen Bäckergesellen nicht los, sie ging, sie schlenderte langsam vorwärt» in der Richtung de» Wäldchens, um ihre stark atmende, gesunde Nase wehten liebliche Gerüche, sie freute sich, sie frohlockte ünd mit ungestümer Sehnsucht,.mit unbändigen Wünschen ihres wunder- baren jungen Körper» dachte sie de» Essens. Sie war hungrig.... Agnes säte, jätete, mähte den ganzen Tag. zu Hause schlief der Bäckergeselle, und als der Abend hereinbrach, spürte schon da» arbeitsame Kätnermädel in ihrem ausgearbeiteten Körper, in ihren Armen das süße Erschlaffen: mit herzlichem Seufzer dachte sie an den Schlaf und stopfte Ihr Tuch voll mit frischem Gras. In schlen» derndem Nachhausegehen, mit lächelndem Schweigen trug sie ihr volle» Bündel am Halse, die Schlauheit erfüllte sie mit Lächeln und Sehnsucht... am Abend wird sie da» schlechte Polster des Ouartiergeber» ausbessern. In diesem, mit Gras und Heu gefüllten Bündel lauerten aber.mich andere Geheimnisse. Es war schon braune Dämmerung, als Agnes da» Quartier betrat, der Bäcker- geselle ging zu dieser Zeit in die Arbeit. Am schattigen Wege zwischen den Tischen und Betten begegneten sie einander. Jetzt störte die hinterlistige Neckerei den Bäckergesellen: er ging an dem Mädchen vorbei, die zögernd, mit faulenzenden Bewegungen, sich zum Schlafen rüstete, und sein« nießende Nase erweiterten fremde Gerüche, unbekanntes Frösteln machte seine flache Brust keuchend, regte Ihn auf, erfrischte ihn von seinem schläfrigen Hirn bi» zu seinen knickenden Füßen, und als er schon auf der Gasse war, blühten die Bilder in seinem hängenden Kopse auf.... er spürte schon von der Ferne den glühenden Ofen, aber er dachte daran, wie gut es jetzt wäre, in der Mailust auf und ab zu gehen.... Di? geschlossene Hitze der Werkstatt.- trocknete schon seinen Gaumen, und er dacht« an die Wiese, wo er seine beiden Füße ausstrecken. feine beiden Arme auseinander werfen und so herumliegen könnte..., das blinde Licht der Petroleumlampe stach schon in seine Augen und der warme Sonnenschein strömte auf sein juckendes Gesicht... So machten zwei arme Menschen einander verrückt, der Re- gisseur, der die Spiel« überwacht, ließ ihnen keine Ruhe. In der Morgendämmerung und am Abend neigten sie sich ein- ander zu. Agnes wurde vom Dwtgeruch umarmt, ihr knurrender Magen, ihr hungriger Geschmack. Ihr fließende» gesunde, Blut verspürte reiche Visionen: essen, essen, mit erfüllter Gefräßigkeit immer nur essen, und e» kam die Abenddämmerung und der oerwelkte, aus- gedorrte Bäckergeselle roch Agnes... und Wald und Wiese und Felder setzten sich in Bewegung und fielen über seinen armen, von Oefen erdrückten Schädel her. Sie liebten einander, sie sehnten sich nach einander, doch sie wußten es noch nicht. Einmal brachte der eine den Geruch, und der andere war zu dieser Zeit duftlos, und als der Duftlose zu riechen begann, da hatte sein Kamerad nur Menschengeruch: aber das im Geheimen begonnene Bündnis webten sie unermüdlich weiter, und es bedurfte nur der innigen Gelegenheit, daß si« ihr Hertz»»etnder«erscheske» sollte». Auch dies« rückt« Hera » �
Unbestellte Arbeit.
-Die 5arbea paßten mir schon lange nicht." ,weg üa!— Mein Haus streich ich mir selber an."
Einmal kam der Bäckergeselle am Abend nach Haus«: hatte man ihn hinausgeworfen? Hatte er einen freien Tag? Es bleibt sich gleich. Sie begegneten einander im Zimmer, und da die Quartiergeber mit dem Licht sparten, bot die abendliche Dämme- rung ein gute« Verstech und Agnes erschrak, at» sie das Zimmer betrat. Der Bäckergeselle und die Taglöhnerin standen nebeneinander, mit jener meuchlerischen Verlegenheit, mit wogenden Gefühlen und mit jenem aufwieglerischen Geschenk, da» von ihren Kleidern, von ihrem Haar, von ihrem Fleisch strömend die bellten umgab. Zwei Proletarier standen so in diesem Garten der Geheimnisse, und ihre schlechten Kleider an ihren müden schweißgebadeten Kör- pern taten sich wie verzauberte Pokale blühend auf, und in lang- samem Hauch, vom Schicksal überlistet, in würziger Wonne neigten sie sich einander zu. Wer kann es sagen, wa. In ihrer Umarmung war?... Als der eine den Brotberg an sein Herz zog und der andere mit seinen zwei ausgestreckten Armen die Sonne umschlang?... Lieb«? Nlu» kca UaataiSätn von Frieda SMtaU
Dreihundert Jahre New gork. "'on Dr. Karl W e h ll e r. Die zweitgrößte Stadt der Welt und größte der Bereinigten Staaten beging in diesen Tagen mit offiziellem Gepränge ihren 300. Geburtstag. Aus einem Grüppchen primitiver Borkenhütten an der äußersten Spitze der Insel Manhattan erwuchs im Laufe von drei Jahrhunderten das riesige Handelseinporium New Dork, die Nesidenz des allmächtigen Dollars und seiner Vertreter, ein gigantischen Schmelzttgel, in den alle Rassen des Erdballs hinein- flössen, um in unglaublich kurzer Frist umgeschmolzen daraus wieder hervorzugehen. Da es im Laufe der Zeit an Entfaltungsmöglichkeiten in die Länge und Breite zu gebrechen begann, wühlte sie sich viel- stockwerkig in die Tiefe, bohrte sie ihre Wolkenkratzer in den Acther. So ballte sie die Menschenmillionen in ihren Mauern auf fast be- ängstigend engen Raum zusammen, zugleich aber verschaffte sie sich damit eine Ausflucht aus dem Verkehrsproblem, der städtischen Hauptforg«, ohne indes dieses Problem restlos lösen zu können. Noch ist nicht abzusehen, wie die Entwicklung New Ports enden wird. Die Bucht von New Port, ihre Inseln(Manhattan , Long Island , Stäten Island ) und Ihre Flußarme untersuchte als erster gründlich im Jahre IbOS der damals in holländischem Auftrag handelnd« eng- tische Seefahrer Henry Hudson , nach dem der in die Bucht mündende Strom genannt ist. Die Aussicht, den gewinnbringenden Pelz- und
dianerpfade« wurde eine Stadt angelegt und Neu Amsterdam ge- nannt. An der Stelle des heutigen Custon House sahen die ersten Steinbauten ihrer Fertigstellung entgegen, und ein Fort an der Süd- spitze(heute Battery Park) sorgte für den Schutz der zunächst noch vorwiegend aus rohen Halzhüllen bestehenden Ansiedlung. Noch
jetzt gemahnen viele Straßennamen und Stadtteilbezeichnungen an die Holländer- oder.Änickerbocker'-Zett. Au» tfRaagd« Paars- ward Maiden Lane(Mädchen-Straße): die so berüchtigte Bowery leitet ihren Namen von einem Gutshof(holländisch: bouerij) de» letzten niederländischen Gouverneurs Stuyvcsant her, und Brooklyn ist aus dem holländischen Dorf Breukelen auf Long Island entstanden. Die Holländer verblieben bis 1664 im Besitz der.Neuen Nieder- lande"'. Kolonie und Stadt waren unter Doronfetzung von 2 Millionen Gulden von einer mächtigen Handelsgesellschaft angelegt worden und sollten sich bezahlt machen. Daher kam es, daß den ersten enkommen der r* Gesellschaft angesehen wurde. Do» von der Kompagnie beliebte Regierungssystem war ein durchaus aristokratisches: der Direktor konnte, so er wollt«, vollkommen despotisch schallen. Durch eine Hintertüre schlich sich der europäische Feudalismus ein, indem vermögende Unternehmer, die auf eigene Kosten mindesten» 50 Per- sonen in die Besitzung brachten, riesige Landstrecken, kleinen Fürsten - tümern vergleichbar, übereignet wurden, auch erhielten sie eine an- sehnliche Reihe erblicher Dorrechte, so daß sich sehr früh Klassen-
der anderen niederländischen'Handels- und Stapelplätze, ein, so daß noch etlichen anderen Dersuchen, das.herrenlose" Gebiet der Aus- bcutting zu erschließen, im Jahre 1621 die.Westindische Kompanie " zustande kam, um den Handel mit der Bucht monopolistisch zu Hand- ''~' die Ziele
ila> sehr zu statten. " ich el
dabei
Nach ehe da» Schiff.Het Meewtse" den ersten von der Gesell- „_ t ernannten Gouverneur, Peter Minuit , einen Deutschen aus �esel, nach Manhattan brachte, bestanden auf dep Insel einige roh« Hütten, hielten sich dort Pelzhändler, Jäger und etliche wallonisch« Siedler aus. Aber erst Minuits Schar von Einwanderern bracht« da» so sehr benötigt« europäische Dieh und landwirtschaftlich« sowie handwerkliche Geräte mit, so daß das Jahr 1626 den eigentlichen Ansang der Kolonisierung und des späteren New Pork bezeichnet. Den Manhattan -Insulanern kaufte Minuit die ganze etwa 11000 Morgen umfassende Insel für ein Butterbrat ab: 60 Guldey er für pt. Arn End« dt» über du Insel führende» In-
acgensätze herauszubilden und soziale Kämpfe abzuspielen begannen. Im Einklang damit steht natürlich, daß die Weltindijche Kompagnie afrikanische Sklaven einführt« und den Versuch machte, die Indianer zu versklaven. Durch einen mitten im Frieden unternommenen Handstrelch ging die Stadt Neu Amsterdam mitsamt ihrem Hinterland 1664 an die Engländer über und geriet aus dem Eigentum eines Handels- unternehmen» in die Hänoe eines Fürsten, des Herzogs von Pork, dem sesn Bruder Karl II. von England die ihm gar nicht gehörende Kolonie verschrieben hotte. Jetzt wurde au» Reu Amsterdam zu Ehren des Herzogs ein New Port. Unter der Herrschaft der Stuarts setzte sofort machtvoll der Kampf um eine, wenn auch vorerst nur pro- vinziell« Selbständigkeit ein. Der Herzog sah sich genötigt, da» von der Bevölkerung schon der holländischen Kompagnie abgetrotzte Wahl- recht zu bewilligen und mannigfache Freiheiten und Privilegien, darunter dos Recht der Eelbstbestenerung, anzuerkennen. Als er aber als Jakob II. den englischen Thron bestieg, vergaß er nach Fürstenart seine gemachten Versprechungen und die Verbriesung jener Rechte, und wiederum wurd« die Provinz im Interesse des Fürsten oligarchisch regiert. Als 1633 Wilhelm von Oranien den Stuart Jakob II. vom Thron stieß, erhofften sich die unteren und mittleren Schichten New Porks von dem Regimewechsel eine Besserung der Lage. Da sie keine sofortigen Anstalten dazu wahrnahmen, schritten sie zur Selbsthilfe. Die unbegütert« Schicht, di« sozial Benachteiligten, jene Bürger, die keine Freisassen waren, oder nur unbedeutende Landbesitzer, taten sich zusammen, um der Aristokratie holländischer oder englischer Ab- kunft, den konservativen Kronbeamten und reichen Kausleuten die Stirn zu bieten und sich die Rechte, di« man ihnen vorenthielt, zu er- streiten. Zum Vorkämpfer demokratischer Ideen machte sich der Deutsche Jakob Leisler , der auch in der städtischen Miliz eine feste Stütze hatte. Es gelang ihm, zum Bürgermeister gewählt zu cherdcn, womit die Partei des Volkes ihren ersten großen Sieg aus amerika - nischem Boden erfochten hatte. Zwei Jahre lang(16L9— 1691) ruhten die Zügel fcst in seiner Hand, und zwar kümmerten Verordnungen aus dem.Mutterlande" Leisler und feine Gefolgschaft wenig. Der Wunsch nach voller Loslösung mag in den fähigeren Köpfen schon umgegangen sein, sicherlich war er noch verfrüht und unzettgeniäß. Mit Hilfe eines von England gesandten Truppenkontingents wurde die Vrlksregierung gestürzt. Leisler gefangen und hingerichtet. Aber die einmal beschworenen. Geister spukten weiter: offener Bürgerkrieg zwischen der Panei des Volkes und den Gefolgmannen der Aristo- tratie schien manchmal fast unvermeidlich. Unfreie Arbeit verblieb auch in der ersten Hälfte des 18. Jahr- Hunderts eine Note der Stadt New Port. Schon bald noch 1670 war allerdings das Nerfklaosn von Indianern verpönt worden, ledoch wohl mehr aus politischen, ols aus Erwägungen der Menschlichkeit heraus. Der mächtig« Irolejcnbund der fünf Nationen und die ihm zwar