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Nr. 22243. Jahrg. Ausgabe A nr. 113

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Donnerstag, den 13, Mai 1926

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Kabinett Luther gestürzt.

Annahme des demokratischen Mißbilligungsantrags.- Gesamtdemiſſion Kabinetts vom Reichspräsidenten   angenommen.

Der Reichstag nahm gestern nachmittag den demo­fratischen Mißbilligungsantrag gegen den Reichskanzler an. Es wurden 176 Ja- Stimmen der Demo­fraten, der Sozialdemokraten und Kommunisten und 146 ein­Stimmen des Zentrums, der Volkspartei, der Bayerischen  Bolkspartei und der Wirtschaftlichen Vereinigung abgegeben, während fich 103 Abgeordnete der Deutschnationalen und der Bölkischen der Stimmen enthielten.

des

dazu notwendig sind, funktionsfähig zu erhalten. Denn ohne| über die Bildung einer neuen Regierung verabscheuungswür das parlamentarische System gibt es nichts anderes als ein diger Verrat" ist, hätten gestern gewiß nicht so ungestört Hineinrutschen in das persönliche Regiment, in die Diktatur auf der Straße demonstrieren können, wenn statt einiger und die Herrschaft der Bureaukratie. fozialdemokratischer Arbeiterverräter" etwa Männer in der preußischen Regierung fäßen, die den Verfassern der Putsch­verordnung geistig nahestehen. Die Verteidigung der Republik   mit ihrem allgemeinen Wahl- und Stimmrecht, ihrem Recht der freien Rede, der freien Bersammlung und Bereinigung ist eben doch etwas, worauf die Arbeiter in ihrem Interesse Gewicht legen müssen. Das begreifen die Kommu­nisten wahrscheinlich selber viel besser, als sie es öffentlich zu­geben wollen, wenn aber nicht, dann können sie sich aus der geplanten Berordnung der Rechtsputschiften die nötige Auf­tlärung holen.

Die Enthüllungen des gestrigen Tages haben uns Ge­legenheit gegeben, auf den Boden dieses Abgrundes zu blicken. Und so wenig wie wir die Neigung haben, die Bedeutung dieser Enthüllungen für den gegenwärtigen Augenblick zu überschäzen, so sehr möchten wir auch vor Unterschäßung warnen. Man tann nicht sagen, daß die geradezu neroischen Mordphantasien der Butschverordnung etwas Unmögliches find, nachdem wir die Erfahrungen der politischen Meuchelmorde, der Feme   und des Kapp- Butsches hinter uns haben.

Das Kabinett trat daraufhin zu einer Sigung zusammen und beschloß nach einstündiger Beratung, dem Reichs­ präsidenten   seine Gesamtdemission zu überreichen. Der Reichspräsident nahm die Demiffion an und beauftragte, wie üblich, den Reichskanzler und die Reichsminister mit der Weiterführung der Geschäfte. Dr. Cuther teilte dem Reichs­präsidenten mit, daß die Minister dazu bereit seien, bat aber Wir brauchen im Reich eine Regierung, die auf parla- Die Bereitschaft der Sozialdemokratie, über die Neu- 1 im Hinblick auf die Tatsache, daß sich der Beschluß des Reichs- mentarischem Boden steht und die der preußischen Re- bildung einer Regierung zu verhandeln, bedeutet natürlich tags ausdrücklich auf ihn selbst bezogen hätte, um als- gierung hilft, der drohenden Gefahr Herr zu werden. noch lange nicht den Eintritt in die neu zu bildende Regie­baldige Entbindung vom Amte. Die Schaffung einer solchen Regierung ist schon an sich großer rung. Darüber ist man sich auf allen Seiten flar. Die Opfer wert. Die Kommunisten, für die jedes Berhandeln Schwierigkeiten für das Zustandekommen einer Regierungs­

Die turze Debatte des gestrigen Tages brachte eine scharfe Rampfanfage des Demokraten Koch gegen den Reichskanzler und als rhetorischen Höhepunkt eine Rede des Gen. David. Anderes war weniger erheblich. Das gilt besonders von den Erklärungen, die Herr Külz und Herr Luther zum Schluß abgaben. Sie waren matt und angesichts der ganzen

Militärische   Kämpfe in Polen  .

Situation völlig bedeutungslos. Die Regierung Luther hat Nach einem Attentatsversuch auf Pilsudski   marschiert Militär gegen die Regierung.

es nicht verstanden, in Schönheit zu sterben.

Nach der Erklärung des Grafen West ar p, daß sich die Deutschnationalen bei allen Abstimmungen der Stimme ent­halten würden, ließ es sich bequem ausrechnen, daß es beim demokratischen Mißbilligungsantrag zum Klappen fommen würde. Der völkische und der sozialdemokratische Mißtrauens­antrag, die zunächst dran kamen, wurden abgelehnt, weil die Demokraten zusammen mit den anderen Mittelparteien gegen sie stimmten. Die Demokraten hatten ihren Beschluß, einen eigenen Mißbilligungsantrag zu stellen, mit fnapper Mehrheit, mit 16 gegen 13 Stimmen gefaßt. Daß sie für gestellt war und der sich direkt oder indirekt gegen ihre einen Antrag stimmen könnten, der von einer anderen Partei eigenen Minister richtete, schien ihnen unmöglich.

Erst als ihr eigener Mißbilligungsantrag zur Abftim mung stand, gingen die Demokraten zu denen über, die gegen die Regierung fämpften, und so wurde die parlamen tarische Niederlage des Reichskanzlers herbeigeführt. die Gesamtdemiffion der Regierung herbeiführte, war mit Die Mehrheit, die den Reichskanzler stürzte und damit ihren 176 von insgesamt 425 Stimmen nur eine relative, teine absolute Mehrheit. Abgesehen davon, ist sie auch schon deshalb nicht regierungsfähig, weil sie aus Demokraten, Sozialdemokraten und Kommunisten besteht. Die Kom munisten sind zwar dabei, wenn eine Regierung gestürzt wird, aber die Sorge um das, was nachkommt, überlassen sie gern aber die Sorge um das, was nachkommt, überlassen sie gern

den anderen.

Die Minderheitstoalition der Mitte, die die Grundlage des Rabinetts Luther bildete, fiel vollkommen auseinander. Die Volkspartei ging nicht mit dem Zentrum konform, und beide stimmten gegen den Antrag der Demokraten. Da dieser mit den Stimmen der Linken angenommen wurde, entfiel die Abstimmung über einen Zentrumsantrag, der gleichfalls, wenn auch in milderen Worten, das Verhalten der Regierung mißbilligte, deir aber die Volkspartei, wäre es zur Ab­stimmung gekommen, gleichfalls abgelehnt haben würde. Auf der anderen Seite aber wurde ein Antrag der Demo­fraten, der sich mit der Anregung des Reichsprä­fidenten, eine Einigung in der Flaggenfrage zu suchen, einverstanden erklärt, von den bisherigen Regierungsparteien geschlossen angenommen, während Sozialdemokraten und Rommunisten gegen ihn stimmten und die Deutschnationalen auch hier wieder sich der Stimme enthielten.

Angesichts dieser Abstimmungsverhältnisse wird man sich flar über die Schwierigkeiten, die bei der Bildung einer neuen Regierung zu überwinden sind.

Die fozialdemokratische Reichstagsfraktion hat sich für den Fall, der jetzt eingetreten ist, bereit erklärt, über die Bildung einer neuen Regierung zu verhandeln. Sie erfennt damit an, daß eine Partei, die am Sturz einer Regierung mitbeteiligt war, die Pflicht hat, sich auch um die Nachfolge zu fümmern.

Die Sozialdemokratie hat den Wunsch und den Willen, Das parlamentarische Syftem mit den Opfern, bie

heran und vertrieb die Angreifer nach kurzem Kampfe. Auf die Nachricht hiervon sind nun im Berlaufe des heutigen Tages aus der ganzen Umgebung von Warschau   sowie aus der Provinz

die Pilsudski   ergebenen Teile der Armee, insgesamt etwa 1% bis 2 Armeekorps, mit Artillerie, Flugzeugen usw. herangerüdt und haben unler Führung Pilsudslis die Vorstadt Warschau, Praga, besetzt.

gegen 9 Uhr heute abend zu Ende gehen. Die Stimmung geht bungen mit einem großen Teil des Landes find unterbrochen. darauf aus, daß Bilsudski im Augenblick wenigstens die Ober­

hand hat. Die telephonischen Berbindungen und Eisenbahnverbin

Das Ausscheiden der polnischen Sozialisten aus dem Kabinett Skrzynki, das die Folge der Nichterfüllung der sozialistischen   Forderungen zur Sanierung der Staatsfinanzen war, hat zu einer langwierigen und an Zwischenfällen reichen Regierungskrise geführt, die nun endlich mit der Bildung des Rechtskabinetts wito's beendet zu sein schien. Allerdings hatten die Linksparteien, voran die Sozialisten, vor der Bil­dung einer so einseitigen Barteiregierung auf das stärkste ge­marnt und sie geradezu als eine Provokation aller übrigen Auf der anderen Seite der Weichsel   wurden schleunigft die regie­Parteien bezeichnet. Die Fähigkeit, das in schwerer Wirt- rungstreuen Truppen zusammengezogen, die aber vorläufig weit Kabinett von der Linken auf das entschiedenste abgesprochen. Staatspräsidenten Berhandlungen eingeleitet worden, in schaftsnot leidende Polen   zu fanieren, wurde einem solchen weniger starf find als die an dem Staatsstreich beteiligten. Es sind im Verlaufe des Nachmittags zwischen Pilsudski   und dem Als wenige Tage vor der Bildung.des Kabinetts Witos   der frühere Ministerpräsident Grabiti eine Regierung zu denen Pilsudski   darauf hingewiesen hat, daß es lediglich der An­fündigung einer Rechtsregierung bedürfe, um sein Leben bilden versuchte, die die Linksparteien gleichfalls scharf ab­und Gut ernster Gefahr auszusetzen. Die Verhandlungen sollen lehnten, hatte Marschall Pilsudski beim Staats­präsidenten Wojciechowski durch seinen Einspruch diese Boraftion Pilsudskis gegen das Kabinett Witos   war nichts Regierungsbildung zu Fall gebracht. Von einer ebensolchen bekannt geworden. Nichtsdestoweniger ist die politische Stellung Bilsudskis bekannt genug, um jedermann das Zu standekommen der Regierung Witos   als dem Willen Pilsud­fris widersprechend erkennen zu laffen. Es hat daher in den legten Tagen nicht an Demonstrationen gegen die neue Regierung und für Pilsudski   gefehlt, um so weniger, als die Anhänger der Linken von der Regierung Witos   die Einsetzung einer Rechtsdiktatur befürchten. Am Dienstag hatte nun Pilsudski   im Kurjer Boranny" ( Morgenturier) eine Rundgebung gegen die Regierung Witos   veröffentlicht. Darauf haben Rechtsraditale einen Ueberfall auf den Wohnsiz Pilsudskis   bei Warschau  persucht, was wohl als erster Akt der Rechtsdiktatur aufge­faßt wurde. Als die Nachricht von diesem, mit militäri­schen Mitteln unternommenen Ueberfall nady dem großen Truppenlager Rembertov  , unweit von Warschau  , ge= langte, haben sich von dort pilsudskifreundliche Truppen, an­geblich auf einen Hilferuf Bilsudstis weg der Beschießung feiner Billa  , nach Warschau   zu in Marsch gesetzt. Ueber diese Vorgänge liegen folgende Meldungen vor:

Die Entstehung des Warschauer   Staatsstreichs.

Warschau  , 12. Mai.  ( Rd.) Bereits im Berlaufe des Dienstags haben die Linksparteien in energischer Form gegen die neue Regie­rung Witos   Protest erhoben. Maschall Pilsudski   hatte in dem Kurjier Poranny" ein Memorandum veröffentlicht, in dem er seine Forderungen formulierte und gegen die Rechtsregierung Einspruch erhob. Daraufhin sammelten sich in den gestrigen Abend ftunden vor der Villa Pilsudskis  , die in einem Borort von Barschau liegt, zirka 300 Rechtsschüßler", Anhänger einer rechtsradikalen Bereinigung, und begannen das Haus des Marschalls zu be. iießen. Als von dort um Hilfe telephoniert wurde, rüdte fofort ein Bilfubfti ergebenes Ulanenregiment aus Warschau  

Telephonsperre!

Unser Versuch, das sozialistische Zentralorgan in Warschau   an­

zurufen, scheiterte daran, daß nach Auskunft des Fernamis Ber­bindungen mit Warschau   nicht hergestellt werden können, weil affe Leitungen geffört" feien.

Pilsudski  - Truppen in Warschau   eingedrungen?

Auf Umwegen erfahren wir, daß Mittwoch abend Teile der für Bilsudski marschierenden Truppen in Warschau   einmarschiert seien. Zu dieser Zeit sollen die Regierungstruppen den Pilsudski­Truppen noch etwas überlegen gewesen seien.

Eine Darstellung der Regierung. Warschau  , 12. Mai.  ( WTB.) Ueber die Militärrebellion wird

nod) bekannt: Bier dem Marschall Pilsudski   ergebene in Kielce  und Sieblice garnisonierende Regimenter in der Stärke von 2000 bis 2500 Mann empörten sich gegen die Regierung und marschierten gegen die Hauptstadt. Sie stehen gegenwärtig im Militärlager von Rembertov   unweit der Vorstadt Praga. Die Brüden zwischen Praga und Warschau   sind gesperrt und Don regierungstreuen Soldaten, Panzerwagen, und Maschinengewehren besetzt. Das Artillerie Ministerpräfidium ist durch eine Militärabteilung geschützt. Zwischen dem Staatspräsidenten und dem Marschall Pilsudski   sind dem Ber­nehmen nach Unterhandlungen im Gange, die einen Bürgerfrieg verhindern sollen. Die Lage ist außer­ordentlich ernft, fann aber zurzeit noch nicht vollkommen überblidt werden.

Warschau  , 12. Mai.  ( WTB.) Die Regierung teilt mit, daß sie Herr der Lage sei. In der Stadt herrscht Ruhe und man nimmt an, daß der Zwischenfall vollkommen erledigt[ ei.