Ste. 237 43. Jahrg. Ausgabe A nr. 121
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Sonnabend, den 22. Mai 1926
Professoren und Volkspartei gegen Preußen.
Der Reichsausschuß der Stresemann - Partei erläßt folgende bombastische Erklärung:
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„ Die Deutsche Volkspartei hat entsprechend ihrer Geschichte und Tradition stets in Wort und Tat jeden gewaltsamen Um sturz, jeden Butsch und alle illegalen Berbände entschieden verurteilt. Der Wiederaufbau unseres Baterlandes, seite Wirtschaft und außenpolitische Geltung bedarf einer ruhigen und verfassungsmäßigen Entwicklung im Innern. Dieser Standpunkt ist so bekannt, daß der Reichsausschuß stärtst en Einspruch erheben muß, wenn die preußische Staatsregierung bei Führern und angesehenen Mitgliedern der Deutschen Volkspartei Haussuchungen wegen Berdachts des hochperrats abhalten läßt.
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Aber die Aeußerung der gelehrten Herren aus der Nähe des Fuchsturms legt noch andere Gedanken nahe: In Thü ringen, wohin Jena ja wohl zuständig ist, amtiert als Rultusminister ein Mitglied der deutschvolfs parteilichen Reichstagsfraktion, Herr Leutheußer, hält es dieser Minister, selbst wenn er die Erklärung seines Parteiausschusses billigen sollte, für zulässig, daß die Pro fessoren der Landesunversität in folcher Tonart von preußischen Behörden reden? Daß sie Republikaner als meineidige Hochperräter" beschimpfen?
Hält der volksparteiliche Kultus- und Staatsminister das besonders dann für erträglich, wenn er sich erinnert, daß in Jena selbst sich erst türzlich der Fall Korsch ereignet hat? Daß im Lande Thüringen die schamloseste Verfol= gung sozialistischer Beamten mit allen Mitteln des Staates abspielen fonnte, ohne daß die Professoren von Jena gegen dieses System ordnungsblocklicher Politik den geringesten Einspruch erhoben?
Der Staat hat das Gebot der Wachsamkeit und des Eingreifens gegenüber allen Umsturzbewegungen, gleichgültig, ob sie von der extremen Linken oder Rechten ausgehen. Die Staats: autorität wird aufs äußerste gefährdet, wenn das größte deutsche Land große Aktionen anfündigt, die bei näherer Betrachtung fein Ergebnis aufweisen. Das dankenswerte Vorgehen der preu Bischen Landtagsfraktion der Deutschen Volkspartei hat schon jetzt die notwendige Klärung gebracht. Bir müssen uns mit besonderer Noch einmal Kompromißentwurf zur Fürftenabfindung? Schärfe gegen die in der Durchführung des Borgehens der preuBischen Regierungsstellen erkennbare Tendenz wenden, die Interessen des Staates mit parteipolitischen Absichten zu ver fnüpfen.
Aus innenpolitischen Gründen hätte die preußische Staatsregierung alle Beranlassung, ein größeres Augenmerk auf die zuigel lose fommunistische Agitation zu lenfen, die durch heße rische Filmvorführungen somie großangelegte Straßenfundgebungen den Boden des Umsturzes vorbereitet. Der Reichsausschuß der Deutschen Volkspartei fordert von allen für die öffentliche Ordnung verantwortlichen Stellen, daß fie ihre volle Pflicht tun und gegen diese den Staat gefährdenden Beranstaltungen rücksichtslos vorgehen."
Diese Erklärung ist sicher sehr energisch. Sie nimmt für alle volksparteilichen Geldgeber und angesehenen Mitglieder" das Recht in Anspruch, dauernd vor polizeilichen Untersuchun gen bewahrt zu bleiben, auch wenn der Verdacht gegen sie noch so start wäre.
Aber der Reichsausschuß der Stresemann - Partei hätte doch erst noch in Jena zur Schule gehen sollen. Denn die dortigen Professoren fönnen es viel schöner. Sie haben an den alldeutschen Professor Bernhard, der wegen Verdachts der Beteiligung in Berlin auch durch eine Haussuchung dachts der Beteiligung in Berlin auch durch eine Haussuchung überrascht wurde, ein in seiner Tonart geradezu unver schämtes Schreiben gerichtet, das jetzt in der Claß Breffe veröffentlicht wird. In diesem Brief heißt es:
maren.
Vergebliche Hoffnungen.
Der„ Demokratische Pressedienst" schreibt: Wie verlautet, beabsichtigt die Reichsregierung, nach der Pfingstpause fich mit den Parteiführern ins Benehmen zu setzen, um eine schnelle Erledigung des Fürstenabfindungsgefeges zu erwirten, und zwar hofft man in den Kreisen der Reichsregierung, die Vorlage, die dem Reichstag in diesen Tagen zugeht, noch vor den Sommerferien zur parlamentarischen Erledi: gung zu bringen. Einstweilen bleibt jedoch noch zweifel. haft, ob die Deutsche Bolts parten sich zu einer solchen schnellen Erledigung bereitfinden wird. Sie hat zwar in ihrem Aufruf, der sich gegen die entschädigungslose Enteignung der Fürsten richtet, erklärt, daß fie mit allen Kräften dafür eintreten würde, daß die Regierungsvorlage Gefeß wird, es ist jedoch bekannt. geworden, daß in volksparteilichen Kreisen die Meinung Anhänger gefunden hat, daß das Fürſtenabfindungsgesetz erst im 3 fammenhang mit der Frage der Regierungsum bildung behandelt werden solle."
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Probleme des franzöfifchen Parteitages.
Paris , 21. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Am Sonntag tritt in Clermont- Ferrand der schen Partei zusammen. Aus dem von dem Sekretariat ordentliche Jahreskongreß der französischen Sozialisti in Broschürenform vorgelegten Bericht geht hervor, daß die Mitgliederzahl der Partei ständig zunimmt, so daß sie heute wieder an der Spitze aller regulär fonstituierten politifchen Organisationen in Frankreich steht. Mit etwa 140 000 mitgliedern hat sie die Kommunistische Partei jedenfalls weit überflügelt, obwohl die KPF. in der Bariser„ Humanité" ein nicht zu unterschätzendes Propagandaorgan besitzt, während die Sozialistische Partei immer noch ohne Zentralorgan ist erscheinenden Populaire" begnügen muß. Die Frage der und sich aus finanziellen Gründen mit dem zweimal monatlich Gründung einer großen Parteitageszeitung bildet einen der wichtigsten Punkte der Tagesordnung des Kongresses von Clermont- Ferrand . Aber es ist sehr unwahrscheinlich, daß es bald zur Herausgabe einer Zeitung kommen wird. Die vom Parteivorstand angeregte freiwillige Spende hat bisher nur etwa 200 000 Franken ergeben, während mindestens 2 bis 3 Millionen erforderlich sind, um unter den gegenwärtigen Umständen eine neue Tageszeitung herausgeben zu können. Von den einzelnen Föderationen sind eine große Anzahl von Borschlägen gemacht worden, um die Frage des Zentralorgans einer rascheren Lösung entgegenzuführen.
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So wichtig die Frage des Zentralorgans für die Partei sein mag, das Hauptintereffe des Kongresses wird nicht ihr gelten, sondern zwei Problemen, die offiziell überhaupt nicht auf der Tagesordnung stehen, und zwar der seit zwei Jahren deren Parteien des Linkstartells und der früher nur so immer wieder erörterten Frage der Beziehungen zu den annebenher gestellten Frage der Beziehungen zu der Kommunistischen Partei. Daß dem Kongreß in Clermont- Ferrand etwa wieder, wie es auf den beiden letzten Kongreffen der Fall war, eine Resolution unterbreitet würde, die den Willen zur brächte, ist nicht anzunehmen. Die Anhänger der Beteilifofortigen Beteiligung an einer Linksregierung zum Ausdruck gung betrachten die Frage als einstweilen erledigt durch die ficht, daß die gegenwärtigen politischen Umstände, so wie sie fich Beschlüsse der vorhergegangenen Kongresse und sind der Anin den letzten Monaten entwickelt haben, die Frage der Beteiligung nicht als bringe nd, ja nicht einmal als aftuell erscheinen lassen. Allerdings wollen sie sich einer eventuellen Beteiligung, wenn gewisse Umstände eintreten sollten, nicht prinzipiell verschließen.
Es wird bei den Hoffnungen, die man angeblich in Regierungsfreifen hegt, bleiben. Nur ganz Naive können glauben, daß die drei Regierungsparteien, die es in Mo: naten nicht fertig gebracht haben, einen auch nur von ihrem Die Gegner der Beteiligung unterscheiden sich von ihnen Standpunkt aus halbwegs annehmbaren Gesetzentwurf dem Reichstag vorzulegen, in den letzten vierzehn Tagen vor dem dadurch, daß sie die ablehnende Haltung der Partei auch Bolfsentscheid das Wunder zustande bringen, sich selbst diesmal wieder ausdrücklich betonen, wobei sie zu gleicher mit ihren diametral auseinandergehenden Ansichten unter Beit die Bereitwilligkeit der Partei feststellen, die Untereinen Hut zu bringen. Das flägliche Schauspiel, das ftüßungspolitit, so wie sie unter dem Ministerium Herriot prafdie Unfähigkeit der bürgerlichen Parteien schon vor Monaten tiziert wurde, auch in der Zukunft gegenüber linksgerichteten geboten hat, hat Millionen und aber Millionen Stimmen schon Regierungen durchzuführen. Auf dem vorjährigen Kongreß für das Boltsbegehren gebracht. Seitdem sind die hatten sich 1774 Mandatare gegen und 1231 für die RegierungsMittelparteien nicht um einen Schritt vorangekommen. Die beteiligung ausgesprochen. In der Zwischenzeit ist eine Regierung Luther hat jede Initiative unterlassen. Im doppelte Verschiebung erfolgt: erstens haben sich geRechtsausschuß ist ein neuer Kompromißentwurf nach dem wisse Föderationen, die bisher für die Beteiligung waren, anderen eingebracht und jeder stellte sich als fachlich un jet dagegen ausgesprochen, und zweitens hat sich auf dem haltbar dar. Die Mittelparteien konnten und wollten das Linksflügel der Gegner der Beteiligung eine Gruppe herausProblem nicht lösen. Sie haben damit nur erreicht, daß jetzt gebildet, die nicht nur gegen den Eintritt in die Regierung, das ganze politische Interesse sich auf den Volksentscheid sondern sich auch gegen die Unterſtügungspolitif ausspricht tonzentrieren wird, und wenn noch soviel über den angeblich und diese durch ein 3usammengehen mit den Komkommunistischen" Charakter des Volksentscheids gejammert munist en ersetzen will, so daß sich die Dinge bei dem Zuwird, es werden doch wie schon beim Volksbegehren Mil- fammentritt des Kongresses wie folgt darstellen: Die Anaber Millionen bürgerlicher hänger der Beteiligung an der Regierung( Renaudel, Wähler diesem angeblich kommunistischen" Gefeßentwurf Moutet, Marquet, Boncour, Grumbach) sind bereit, auf ihre Stimme geben, aus dem ganz einfachen Grund, weil er dem Kongreß von Clermond- Ferrand auf die prinzipielle Ernicht fommunistisch", sondern gerecht ist. Der Kampf um örterung der Frage zu verzichten. Die Gegner der Beden Bolksentscheid ist der Kampf ums Recht, und das teiligung, die bereit sind, die Fortführung der UnterstützungsRecht muß siegen. politik zu empfehlen( Blum, Faure , Compère- Morel, Lebas, denen sich Zigromski, der früher ein Gegner der Unter
Aus den Zeitungen haben wir ersehen, welchem Einbruch in den stillen Frieden Ihres Hauses Sie ausgefeßt Geſtatten Sie, daß wir das zum Anlaß nehmen, Ihnen unfere follegialen Sympathien zum Ausdruck zu bringen. Wir haben als deutsche Professoren mit tiefer Beschämung empfunden, was heut in Preußen möglich ist, das unter seinen Königen jahrhundertelang der stolze Hort der Freiheit und Gerechtigkeit mar. Nachdrücklichst müssen wir es aussprechen, daß uns Empörung derüber erfüllt, daß in einem Cande, in dem die meineidigen Hochverräter von 1918 unangefochten geblieben sind, ein unbescholtener, aufrechter und vaterlandsliebender Mann, ein hochverdienter deutscher Gelehrter, das wissen wir lionen es mit seinem Eide genau so ernst nimmt wie jeder von uns, verdächtigt, bespitelt, schließlich in seinen vier Wänden belästigt wird.
der
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,, Mit dem Eide genau so ernst nimmt, wie jeder von uns!" Das muß man zweimal lesen. Wie ernst nimmt denn ,, jeder von uns", d. h. von den 31 Jenenser Profefforen, es mit seinem Eide auf die Verfassung, wenn sie
gemeinsam die Stirn haben, diejenigen als meineidige Hochperräter" zu beschimpfen, deren Zupaden den 3er fall des Reiches verhinderte und die Weitereɣistenz auch der Universität Jena erst ermöglichte?
Profefforenerklärungen haben dem Reich schon während des Krieges schwersten Schaden zugefügt. Sie sind nicht besser geworden, wenn sie nach dem Kriege sich zugunsten des Bürgerkriegs aussprechen. Sie beweisen im vorliegenden Falle auch nichts anderes, als daß die Professoren in Jena von den Dingen, über die sie hier schreiben, gar nichts wissen. Sonst würden sie nicht die Behauptung aufstellen, daß Preußen unter seinen Königen jahrhundertelang der Stolze Hort der Freiheit und Gerechtigkeit" gewesen sei. Die einfache Erinnerung an Ernst Moritz Arndt , an Kant, an Goerres follte den Profefforen die Schamröte ins Gesicht treiben ob ihrer Behauptung vom Hort der Freiheit", selbst wenn sie von einem Fall Eugen Dühring und Leo Arons im ftillen Frieden ihres Hauses" nie etwas gehört haben follten!
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und
noch keine polnische Nationalversammlung. Einberufung vorläufig verschoben. Posener Behörden erkennen Pilsudski an.
Warschau , 21. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Pilsudski hatte heute in Anwesenheit des Ministerpräsidenten Bartel eine Unterredung mit dem Sejm - Marschall Rataj. Wie wir erfahren, wurde als Ergebnis der Besprechung die Einberufung der Nationalversammlung für einige Tage verschoben. Man konnte zu feinem Entschluß über den Ort der Tagung fommen, ob Warschau oder Krakau .
Die neuen Nachrichten aus Bosen sind nicht ungünstig. Die Nationale Arbeiterpartei hat es abgelehnt, ein Manifeft der Rechtsparteien zu unterschreiben. Der Staatsanwalt in Bofen hat eine nationalistische Zeitung beschlagnahmt, die einen Artikel gegen Bilsudski brachte. Der Gerichtspräsident von Bofen ist nach Warschau gekommen und hat dem Justizminister Bericht erstattet. Das sind Beweise dafür, daß der Posener Boiwode und alle Bosener Behörden die neue Warschauer Regierung bereits anerfannt haben.
stügungstaftit war, angeschlossen hat), wollen eine Resolution spricht, der im Februar 1925 von dem Kongreß in Grenoble zur Annahme bringen, deren Tert ungefähr demjenigen enteinstimmig angenommen worden war, und es erscheint nicht ausgeschlossen, daß zwischen beiden Haupttendenzen eine Ver ständigung erfolgt.
Die Befürworter der unbedingten Opposition ( Maurin) halten die Gelegenheit für günstig, um einen Borstoß zu machen zugunsten der Einheitsfront mit den Kommunisten, und diese Tatsache wird es wohl sein, die dem Kongreß von Clermond- Ferrand sein besonderes Gepräge verleihen wird. In einem wöchentlich erscheinenden Organ, über dessen dunkle Geldquellen in verschiedenen Sizungen des franzöfifchen Parteivorstandes Andeutungen gemacht worden sind, hat Maurin seit Monaten eine por feinem perhehenden ausfallenden Argument zurüdschreckende Kampagne gegen die sozialistische Kammergruppe geführt und die Kommunistische Partei als die Erbin der alten Tradition hingestellt. Auf den früheren Kongressen hatte er sich immer der Gruppe um Blum- Faure angeschlossen.