wenig Slumen— grüne Maien. Der Mai, der nach dem Dichterwort.alles neu" macht, ist immer ein blumenormer Monat gewesen. Die Sommerblumen blühen noch nicht, nur die Stauden wie Iris und Päonien(Pfingstrosen), sowie die letzten späten Tulpen machen dem Flieder und dem Schneeball Konkurrenz. In diesem Jahre Hot der späte Frost noch allerhand Schaden angerichtet, und„wenig Sonne " war die Durch- schnittsparole dieser ganzen letzten Zeit. So sind denn Blumen beim Gärtner rar und die Preise für das Publikum hoch. Zu PUngsten will doch ieder einen Strauß oder auch Strauch in seiner Wohnung haben. Die jungen Birkenzweige, die„grünen Maien", sind denn auch glücklich da, um diesen Wunsch zu befriedigen. Wer kennt sie nicht— diese altväterischen Gefährte, die kurz vor Pfingsten in den Berliner Straßen auftauchen, beladen mit dünnen Zweigen und dicken Arsten der Birke! Unsere sondige Mark ist ja im all- gemeinen nicht reich an Laubwäldern— der Kiesernforst gibt unserer Landschaft das melancholische Aussehen, das sich erst bei näherer Betrachtung in eigenartige Schönheit verwandelt. Nun ist die Birke ein Baum, der auf sandigenz Boden noch gut fortkommt, besser freilich auf feuchtem. An diesen beiden Bodenorten fehlt es nicht in der Mark, und man findet oft genug Birkenhaine, die, nament- !ich wenn sie am Wasser gelegen sind, sehr malerisch wirken. Schon die schmale Reihe der zwischen Bahndamm und Forst angepflanzten weißen Birkenstämme gibt dem Auge ein freundliches Bild. Die Birke hat eine außerordentlich feine, leichte Belaubung und symboli- siert so recht damit die junge Frühsommerzeit. Die Phantasie der Menschen hat sich des lichten Baumes bemächtigt, und allerlei Aber- glauben ist mit der Sitte, zu Pfingsten den Maienbuschen heraus- zustecken, verbunden. Namentlich soll das Grün allerlei Uebles abwehren, die Haustiere vor Krankheiten behüten, das Haus selbst nor Feucrsgefahr beschützen? Wir denken heute natürlich nicht mehr an solche Dinge, wenn wir den Zweig befestigen, uns genügt es, etwas Greifbares zu haben, das an die Natur da draußen, androhe Stunden in Wold und an Wassersrand erinnert... Wo die Birken- zweige olle herkommen? Nicht nur der forstliche Großbetrieb, auch der Bauer sieht in dem Grün der Birke eine Einnahme; gerade der kleine Landmann in der Nähe der größeren Städte weiß solche nahezu mühelose Einnahme zu schätzen. 5?auptsache ist, daß kein Raubbau getrieben wird! Die �eriensonderzüge. Die Reichsbahndirektion Berlin hat die Bestimmungen, Fahr- Pläne und Fahrpreise der Fcriensonderzüge in einem Sonderheft zusammengefaßt, das soeben erschienen und bei allen Fahrkartenausgaben der Fernbahnhöfe zu einem Preise von 80 Pf. erhältlich ist. Ebenso sind jetzt auf allen Bahnhöfen die Bekanntmachungen über die im Iuiii verkehrenden Ferien- fandcrzüge ausgehängt. Die Annahme der Bestellungen für diese Züge beginnt am Mittwoch, 26. Mai. Die Antragsformulare sind von Sonntag ab bei allen Fahrkartenausgaben der Bahnhöfe sowie bei den Ausgabestellen des Mitteleuropäischen Reisebureaus er- hältlich. Die Aushänge über die im Juli und August verkehrenden Sonderzüge, für welche die Anträge bekanntlich vom 10. Juni bzw. 12. Juli entgegengenommen werden, werden in 10 bis 14 Togen erscheinen. Es sei nochmals darauf hingewiesen, daß vor dem 26. Mai, 10. Juni bzw. 12. Juli eingereichte Anträge unberück- sichtigt und unbeantwortet bleiben müssen. . Warum die kleinen Leute in Griinheide unbeliebt find! Die Frage, ob auf der L ö ck n i tz, dem beliebten Ausflugs- ziel so vieler Berliner , Naturfreunde, Ruderer und Paddler, größere als bisher zugelassene Pcrsonenfahrzeuge, besonders Dampfer und Motorboote, verkehren können, veranlaßte in der ver- ggngenen Woche die zuständigen Behörden zu einer Besichtigung und Prüfung der Verhältnisse an Ort und Stelle. Die Probesahrt der vorgeführten Dampfer zeigte, daß eine Verbesserung ohne jede Schwierigkeit möglich ist. Alle Anwesenden waren darüber einig, daß die vorgeführten Dampfer von Berlin her die Löcknitz durchaus ohne jedes Bedenken durchfahren können. Von einem anderen Gesichtspunkte aus nahm der Gemeindevorsteher von G r ü n h e i d e zu der Frage eine ganz besondere Stellung ein. Er bekannte, daß größere Dampfer ihn weniger interessieren, daß ihm vielmehr kleine Prioatinotorboote viel lieber sind. Die größeren Fahrzeuge bringen, wie er sagt, nur kleine Leute, die mit ihren mitgebrachten Stullen und Thermosflaschen den ganzen Tag im Wolde liegen, die Ruhe stören und der Gemeinde keinen Nutzen
bringen. Besonders unliebsam werden sie von den Villenbcsitzsrn empfunden. Aehnlich denken die Vertrrter der Forstoerwallung. Auch ihnen sind die Massen, die die größeren Dampfer bringen, nicht angenehm. Sie richten, wie sie meinen, im Walde Schaden an und stören das Wild. 2llle anderen Anwesenden vertreten eine andere Auffassung, als diese beiden Stellen, auch der Vizeregierungspräsident. Eine endgültige Entscheidung wurde bei dem Lokaltermin noch nicht getroffen.
Arbeiter, Angestellte, Beamte und Frauen! Der von der bayerischen Regierung bekämpfte Film „Freies Volt" Regie: Martin Berger läuft ab 28. Mai bis 3. Juni im Ufa-Theater, Moabit , Turinstraße 28/26.— Besucht und werbt für den Film. ADG3.. orlskarkell Berlin . Afa-Bund, Orkskarlell Berlin . Bezirksverband Berlin der SPD . Kaufmann Mepers Doppelleben. Aufklärung des Anklamer Zolleinbruchs. Ein großer Einbruch in das Zollamt erregte in A n k l a m in Pommern am Bußtag v. I. bedeutendes Aufsehen. Den unbekannten Verbrechern waren für 60 000 M. Zigarettenbanderolen in die Hönde gefallen. Die Ermittlungen blieben zunächst erfolglos. Erst jetzt ist es den vereinten Bemühungen der Beamten des Berliner Geld- schrankdezernats und der Zollfahndungsstelle Stettin gelungen, den Einbruch aufzuklären und die Beteiligten hinter Schloß und Riegel zu setzen. Die erste Spur fand man im Februar d. I. in einem Lokal in der B r u n n e n st r a ß e. Hier machte sich ein Ehepaar R. ver- dächtig, dos Zigarettentxmderolen zum Kauf anbot. Es wurde fest- genommen und man fand bei ihm für 13 000 M. echte Banderolen. Woher sie stammten, wollten die Verhafteten nicht sagen. Weitere Ermittlungen führten u. a. zu einem 49 Jahre alten A r t u r Hensche'l aus der Husiitenstraße, einem„Fachmann" auf dem Ge- biete des Einbruchs, und einem Felix Puranski, der noch weniger bekannt war. Die Beobachtungen dieser beiden und auch noch anderer Leute hatten ein Ergebnis, dos weniger in Berlin als in Anklam auf dos höchst« überraschte. Dort betreibt ein 33 Jahre alter Walter Meyer in der Leipziger Allee 19 eine Art Kauf- haus, in dem er alles mögliche umsetzt, Textilien, Klaviere usw. Dieser Mei�r stand in seiner Stadt als seriöser Kaufmann in hohem Ansehen. Niemcurd hätte ihm eine Unredlichkeit zugetraut. Die Nach- sorschungen jedoch ergaben, daß er ein Doppelleben führte. Wöhrend er in Anklam der hochgeachtete Geschäftsmann war, unterhielt er in Berlin Beziehungen mit Verbrechern, die von ihm ausgekundschaftete Einbrüche ausführten und für ihn auch faule Wechsel unterbrachten. Es wurde festgestellt, daß er auch eine böse Vergangenheit hatte. Im Jahre l91S wegen schweren Bandenraubes zu 12 Jahnen Zuchthaus verurteilt, hatte er 3 Jahre verbüßt. Für die übrigen 7 Jahre war ihm Bewährungsfrist zugebilligt worden. Er nutzte die Frist in seiner Art nach Kräften aus. Zu seinen Berliner Verbindungen gehörten auch Henschcl und Puranski. Diese beiden waren schließlich des Einbruchs in das Zollamt so dringend verdächtig, daß sie festgenonunen wurden. Sie legten nach längerem Leugnen auch ein Geständnis asi und bekannten, daß Meyer der Anstifter und Haupttäter gewesen war. In Anklam hielt man das zunächst für unmöglich. Meyer, der jetzt ebenfalls fest- genommen wurde, leugnete denn auch drei Tage lang ganz ent- schieden. In die Enge getrieben, sah sich Meyer endlich gezwungen, die volle Wahrheit ZU bekennen. Er hatte in der Tat den ganzen Plan gefaßt. Als Kauftnann, der auch Waren ein- und ausführte, hatte er auf dem Zollamt viel zu tun und wußte dort gut Bescheid. Zur Ausführung des Einbruches gewann er zunächst Henschel. Der aber verlor im letzten Augenblick den Dtut. Puranski jedoch erklärt« sich bereit, für 20 M. die Stellvertretung zu übernehmen und fuhr mit dem nächsten v-Zug nach Anklam . 5)ier erwartete ihn Meyer auf den: Bahnhof. Um 1 Uhr machten sich beide im Zollamt an die Arbeit. Sie war nicht ollzuschwer, weil Meyer für alle Türen, die in Betrocht kamen, Nachschlüssel besorgt hatte. Die beidcn Einbrecher waren überrascht, in den: großen Werischrank, den sie erbrachen, für 60 000 M. Banderolen zu finden. Soviel hatten sie nicht ver- mutet. Nur unter größter Mühe gelang es ihnen, die insgesamt
etwa einen Zentner schweren Bog«: derart zu packen. Haß sie si» abtransportieren konnten. Puranfli fuhr mit einigen Paketen von der Station Dustrow nach Berlin zurück, wo jenes Ehepaar R. mit dem Berkauf beauftragt wurde. Wo Meyer seine Pakete gelassen hat, weiß man noch nicht. Man oermutet jedoch, daß er sie irgendwo vergraben hat. Die Enttarnung des„hochgeschätzten Kaufmanns" kam so überraschend, daß man in Anklam zunächst noch glaubte, die Berliner und Stettincr Beamten müßten sich doch wohl geirrt haben, Jetzt aber ist jeder Zweifel beseitigt.
Schauspieler suchen... Wenn vor dem Krieg zu Palmsonntag die Theater geschloyul wurden, strömten die Mitglieder nach Berlin , um hier in der Zen - trale neue Stellung für Sommer und Winter zu finden. Dann ballten sich auf wenige Tage die Suchenden zusammen; mehr oder weniger befriedigt kcl)rtcn sie in ihre mehr oder weniger guten Engagements zurück. Während des Krieges, als viele Hunderte Schauspieler eingezogen waren, merkte man aus den Agenturen wenig Leben; die wenigen Künstler, die nicht im Heeresdienste standen, hatten dauernd Stellung, und wer ganz dienstuntauglich war, wurde von Direktoren und Agenten wie ein rohes Ei be- handelt, damit er nur ja bliebe. Schon in der beginnenden In- slationszeil trat eine starke Aenderung ein. Als die Mark mebr und mehr fiel, gingen auch viele Theater zugrunde, und Berlin wurde wieder der Sammelplatz hoffender und harrender Schau- spieler. Die schwere Krise in der Industrie ging auch am Theater nicht spurlos vorüber; die Städte müssen ihre Subventionen stark einschränken, und so merkwürdig es klingen mag. statt an Au?- stattung zu sparen, wurden zuerst die Schauspieler abgebaut. Auch viele, die in der Inflation einen anderen Beruf gefunden oher zu ihrem ehemaligen zurückgekehrt waren, kommen nun. da sie auch dort wieder überflüssig sind, wieder zurück und oersuchen auss neue ihr Heil beim Theater.. v Wenn es nun auch während der ganzen Krifenzett bei den Agenturen nicht leer wurde, so ballen sich doch jetzt, da die Provinz- thcater größtenteils geschlossen haben, wieder die Wenschenmassen größer zusammen, und Berlin scheint von einer Invasion der Provinzschauspieler heimgesucht zu sein. Da die meisten Agenturen im Zentrum der Stadt liegen, so wandern sie hier von Straße zu Straße, jeden Tag und gehen jeden Tag zu allen Agenten, immer in der Hofsnung, daß es nun heute etwas wird. Alte Bekannte treffen sich, tauschen Erinnerungen aus, er- zählen von ihren Erfolgen, die natürlich immer riesig waren, von ihren Gagen, die auch fast immer große waren und schämen sich� zu gestehen, daß ste meistens doch davon nicht leben konnten, �ln- getan mit ihren besten Kleidern und Anzügen, denen man be- rechnete Wirkung aus die Bühne von wettern ansteht, billig und nach letzter Mode gemacht, so sitzen sie im Vorraum an der Türe des Gewalligen und warten au? das erlösende Wort, um immer wieder zu hören, daß es nichts sei. Frische Jugend mit großer Hofstmng und großen Plänen, mit ihrer Kunst bald die Well zu erobern.— daneben alle, mude Ge- sichter, die ohne Hoffnung sind, und doch immer, immer wieder- kehren, weil sie im Grunde ihres Herzens doch auf em Engagement hoffen müssen, um Vetterleben zu tonnen. Wieviel Not, wieviel Hungern und wieviel Hofsnungslosigteit sprechen aus diesen müden Gesichtern. So kleben sie an der Tür. die ins Sprechzimmer hinein- führt, und keiner rührt sich vom Fleck, um nur ja den anderen nicht vorzulassen. Dann trttt der Gewaltige heraus, begrüßt mit souveräner Würde, in der klar wird, daß er sich seiner Wurde bewußt ist. ruft einige Auserwöhlle in sein Zimmer, die anderen warten und warten wetter, bis sie das Dergebllche einsehen, seufzend zu einem anderen Agenten gehen, um hier das gleiche zu erleben. So kann der Weg Wochen und Wochen gehen, ohne Ende, ohne Hoffnung, ohne Erfüllung.—_ Die Untertunnelung der Landsberger Allee . Der Magistrat beabsichtigt bekanntlich, zur Entlastuu gücs Straßenverkehrs in der Landsberger Allee die Schlacht» hausanlagen mit den F le if chv e r ka ufsh all« n diu-ch. einen unterirdischen Tunnel zu verbinden. Wie der Polizeipräsident mitteilt, sind etwaige Einwendungen gegen das Unternehmen während der Zeit vom 2S. Mai bis 7. Juni in den Dienststunden von 9—2 Uhr vor dem Polizeiamt Friedrichshain , bzw. der Abteilung II des Polizeipräsidiums, Magazinstraße, entweder schriftlich in zwei Exemplaren, oder zu Protokoll anzubringen. Nach Ablauf dieser Frist können Einwendungen nicht mehr erhoben werden. Di« Einzelheiten des Projekts find in der Geschäftsstelle ll des Polizei- amtes Friedrichshain , Friedenstraße 2, 1. Stockwerk, Zimmer 4, während der Dienststunden von 9— 2 Uhr ersichtlich.
Zamile unter den Zedern. 41s von Henri Bordeaux. (Berechtigte Uebersctzung von I. Kunde.) „Warum kamst du nicht gleich, um mich zu befreien?" „Ich dachte, du märest mit im Komplott, hatte sie dich nicht wegen des anderen verlassen? Ich wußte nicht, daß sie dich eingeschlossen hatten/ „Was hast du für deine Schwester getan?" „Was ich getan habe?" Sie zögerte, dann klagte sie sich, wie beim ersten Ge- ständnis an: „Ich habe verraten." «Ich verstehe dich nicht." „Du wirst es oerstehen. Es gibt in der Welt nur einen, der sie retten kann, dachte ich. Dieser Mann wird kommen, dessen bin ich sicher.„ Er jagt heran. Man muß ihn benach- richtigen. Und ich eilte vor den Ort auf die Straße nach Ehden und Tripolis . Soweit meine Blicke reichten, sandte ich sie im Morgenlicht in die Ferne hinaus. Wie er säumte! hatte er sie auch im Stich gelassen? Die Straße war leer. Endlich hörte ich den Galopp eines Pferdes und dann er- blickte ich den Reiter. Im Wind flog fein Keffije. Er wurde größer, bald mußte er heran sein. Ich stellte mich mitten auf die Straße und erhob, laut schreiend, die Arme. Er brachte sein Pferd vor mir zum Stehen.„Sie ist bei den Zedern! Schnell! Schnell!" Omar nickte mit dem Kopfe. Er triefte vor Schweiß. Sein Roß dampfte; die Nüstern stießen Rauch- säulen hervor und der ganze Körper war in Dunst gehüllt. Es wollte nicht mehr vom Fleck. Omar zog den Dolch und ließ es die Spitze fühlen. Blut sprang empor und das Tier setzte seinen Höllenritt fort. Bald sah ich sie nicht mehr." „Das war kein Verrat." „Was war es sonst? Und ich h'abe weiter oerraten. Wie ich zurückkehrte, erfuhr ich, daß du auch Pamile verteidigtest und Butros dich eingeschlossen hatte. Ich öffnete dir die Tür und bezeichnete dir die Zedern als den Ort der Exe- kution." „Wir kamen zu spät." „Daran bin ich nicht schuld. Ich habe zweimal Verrat begangen." „Um deine Schwester zu retten." „Sie durfte nicht gerettet werden." „Muntaha, das sagst da?" „Wie könnte ich anders sprechen? Und du, der mich fragt, hast du in 50 Iahren nicht anders denken gelernt?"
Die beiden alten Leute, die sich nach so langem Zeitraum wieder begegneten, tauschten Auge in Auge diese Repliken miteinander und erhitzten sich ein wenig. Es war aber weder ihr herz, noch ihr Hirn durch das Alter erstarrt. Nur zwei Auffassungen des Lebens standen sich gegenüber. „Nein," sagte Khalil,„ich habe in den fünfzig Iahren nicht anders denken gelernt. Ich liebe in Wahrheit Pamile noch immer."' Und ich sah bewundernd das Feuer seiner Augen, das diese lingewöhnliche Treue bezeugte. „Aber sie liebte dicht nicht," sagte Muntaha hart. „Was tut's! Sie war frei. Ihre Liebe zu Omar war so groß, so schlicht, so schön, daß ich mich in Ehrfurcht vor ihr gebeugt habe. Du hast dich soeben leichtfertig genannt. Was gibt es Ernsthafteres in der Welt als eine solche Liebe? Daß man sie zerstörte, war eine ungeheuerliche Tat, daß man sie wie ein Verbrechen behandelte und das herrliche Geschöpf tötete, war empörend." Sie zögerte einen Augenblick,«he sie antwortete, wie wenn sie sich der Wichtigkeit ihrer Erwiderung bewußt ge- wesen wäre und sie erst ruhig überdenken wollte: „Ich liebte Pamile zärtlicher. Aber sie war schuldig und ihre Strafe gerecht." „Gerecht?" „3a, gerecht. Ich muß es eingestehen. Um einen Mo- hammedaner zu heiraten, hat sie an ihrer Rasse und ihrem Glauben gefrevelt und den Jahrhunderte alten haß, der uns von unseren Unterdrückern, Henkern unseres Volkes trennt, verleugnet. Keine Maronitin hatte sich einer solchen Ab- trünnigkeit schuldig gemacht. Ich keime nicht die Sitten des Landes, aus dem du kommst. Aber wir fühsten uns unab- hängig von einer Vergangenheit des Schmerzes, des Blutes, der Ehre und der Religion. Wir haben über tausend Jahre in Verfolgungen und Kriegen Widerstand geleistet. Wie nennst du einen Soldaten, der zum Feinde übergeht?" „Die Liebe spottet der Gesetze." „Sie hat unrecht, denn sie hat sich ihnen zu unterordnen. Wir dürfen nicht entgegen dem Willen der Unseren unserer Liebe folgen." „Seiner Liebe gebietet man nicht." „Vielleicht nicht: aber man muß sich beherrschen. Wenn sie unserer Ehre zuwider ist, darf man sich nicht zu ihr be- kennen. Ob man sie überwindet oder an ihr zugrunde geht. das kümmert niemand. Und du selbst bist ein Beweis, daß man seinem Leben gerecht werden kann, selbst wenn man noch so sehr von der Liebe enttäuscht wurde. Die Liebe legt uns Pflichten auf: auch für die Zukunft, da sie schöpferisch ist."
„Ich halte es mit den Opfern und nicht mit den Mördern." „Die Opfer, wer sind sie. Und wer sind die Mörder, Khalil?"! „Ach, du bist verblendet, Muntaha." „Meine Mutter starb vor Kummer und Schande. Mein Vater hat das Urteil, das von ihm/ ausging, nicht überleben können. Ich bin ihrer Stütze beraubt gewesen. Meine Brüder und du, ihr habt euch verbannt. In Butros hat der Libanon einen Führer verloren. Ich frage.mich, wo sind die Opfer zu suchen?" „Man hätte die Ehe von Pamile anerkennen müssen." „Ihre Ehe anerkennen? Dann hätten bald die Töchter unserer Berge die Harems von Tripolis , Aleppo und Da- maskus bevölkert. Ist die Versuchung nicht auch an mich herangetreten? Ich schäme mich noch heute dessen. Wir sind von Feinden umringt: sie drängen uns von allen Seiten. Wir leben auf dem Massiv des Libanon, über dem Meere, wie in einer christlichen Festung, gegen welche ununter- brachen die Wogen des Islams branden. In Metzeleien zu Dar-el-Kamar und Sahle. Unter diesen furchtbaren Ein- drücken wuchs ich heran und Uamile auch. Und ich habe während des Krieges die schreckliche Hungersnot gesehen, deren Veronlasser die Türken und Djemal Pascha waren. Sie starben in unfern Dörfern wie die Fliegen, wenn die Käste hereinbricht. Es gab Gruppen toter Kinder vor den Tllrfchwellen der Bäckereien. Du warft dem Libanon fern und hast ihn allzulange verlassen; du weißt von dem allem nichts. Khalil." „Ich habe die Rot nach meiner Rückkehr lindern helfen." „Ja, aber unsere 150 000 Opfer hast du nicht wieder zum Leben erwecken können. Was bedeutet eine Exekution, die an einem einzelnen vollzogen wurde, neben dem Sterben eines ganzes Volkes; Es geht alles aus der Schwäche hervor. Die.Schwachheit Pamiles hat dein Hirn erfaßt, Khalil. Wir wollen Jamile unser Mitleid nicht versagen. Aber wie können wir es gutheißen, wenn ein Mann, der so wie du durch Bil- dung, Erfahrung, Vermögen zum Führer anderer berufen ist, die Festigkeit des Geistes und Charakters vermissen läßt?" „2)u hast die deines Vaters Raschif geerbt." „Ja, du hassest meinen Vater. Und ich bewundere ihn. Er ist� gebrochenen Herzens gestorben, aber er rettete unsere Rasse.". „Du bist hart. Muntaha, du hast niemals geliebt." „Und hat Pamile sich gegen ihre Verurteilung aufge* lehnt?" (Schluß folgt.) J