Nr. 244 43. Jahrg. Ausgabe A nr. 125
Bezugspreis:
Böchentlich 70 Bfennig, monatlia B Reichsmart Doraus zahlbar. Unter Kreuzband für Deutschland , Danzig , Saar und Memelgebiet. Defterreich, Litauen , Luxemburs 4.50 Reichsmart, für das übrige Ausland 5,50 Reichsmark pro Monat.
Der Borwärts" mit der Sonntags beilage Bolt und Reit" mit Gied. lung und Rleingarten sowie der Beilage Unterhaltung und Wissen und Frauenbeilage Frauenftimme erscheint wochentäglich zweimal, Sonntags und Montags einmal.
Morgenausgabe
Vorwärts
Berliner Volksblatt
10 Pfennig
Anzeigenpreise:
Die einfpaltiae Nonpareille Beile 80 Pfennig. Reflamezeile B.- Reichsmart. Kleine Anzeigen bas fettgedruckte Wort 25 Pfenn ( zuläffia awei fettgedruckte Borte), febes weitere Wort 12 Bfennig. Stellengesuche das erite Wort 15 Bfennig. tedes weitere Wort 10 Bfennig. Worte über 15 Buch ftaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Reile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten
Beile 40 Pfennia.
Anzeigen für die nächste Nummer milffen bis 4% Uhr nachmittags im Sauptgeschäft, Berlin SW 68, Linden. Fraße 3, abgegeben werden. Geöffnet Don 8% Uhr früb bis 5 Uhr nachm.
Donnerstag, den 27. Mai 1926
Abd el Krim ergibt sich.
Frankreich für eine Verwaltungsautonomie.
Paris , 26. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Aus Marokko wird amtlich mitgeteilt, daß Abd el krim sich am Mittwoch ergeben hat. Er hat sich den französischen Vorposten als Gefangener gestellt und sich dem Schuße der französischen Militärgewalt überantwortel. In Taza, wohin er geschafft wird, erwartet man die weiteren Anweifungen des Generalresidenten Steeg. Die französischen Kriegsgefangenen hat er bereits in den ersten Morgenffunden ins franzöfifche Lager zurüdgeschidt, wo sie mit militärischen Ehren empfangen wurden. Die militärischen Ereignisje, die diefer Kapitulation vorangegangen find und sie beschleunigt haben, bestehen vor allem in der Er stürmung des Djebel Hamas, wodurch die französischen Truppen alle Ziele erreicht haben, die iynen seinerzeit durch das Madrider Abkommen vorgezeichnet wurden.
Nunmehr ergibt sich die weitere Frage nach dem polifischen und verwaltungsmäßigen Schifal des Rifgebietes, da die franzöfifchen Truppen den von ihnen besetzten Teil der spanischen Zone zu räumen gezwungen sind. Andererseits sind die Fran30sen der Auffaffung, daß die Spanier, wie namentlich die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt haben, nicht in der Lage find, eine Gewähr für die Aufrechterhaltung der Ordnung in diefer Zone zu bieten. Infolgedeffen wird man von französischer Seife die Einräumung einer administrativen Autonomie für das Rif. gebiet vorschlagen, da man der Hoffnung ist, daß sie den friegerischen Geist der Rifftämme dämpfen wird.
Baris, 26. Mai. ( TU.) Die aufsehenerregende, wenn auch nicht ganz unerwartete Rapitulation Abd el Krims wurde Paris gegen abend durch Ertrablätter bekanntgegeben. Der Eindruck war sehr groß. Sogar in Kreisen, die der Regierung feindlich gegenüberstehen, ist man der Meinung, daß die Lage
Sinkende Arbeitslosenziffer? Weniger Unterstüßte!- Größere Not! Amtlich wird gemeldet:
Die Zahl der unterstützten Arbeitslosen in der ersten Hälfte des Monats Mai von 1782 000 auf 1743 009, d. h. um etwas über 2 v. H. zurüdgegangen. Die Verminderung kommt diesmal
ausschließlich den
männlichen Unterstühungsempfängern zugute, die von 1465 000 auf 1425 000 abge. nommen haben. Die Zahl der Zuschlagsempfänger( unterhaltungsberechtigten Angehörigen von Hauptunterstützungsempfängern) iff von 1 818 000 auf 1764 000 zurückgegangen.
*
Es handelt sich, wohlgemerkt, hier nur um die Zahl der unter stützten Erwerbslosen. Es geht aus diesen Angaben feineswgs hervor, ob der Rückgang der unterstützten Erwerbslosen gleichbe deutend ist mit dem Rückgang der Arbeitslosigkeit. Soweit mir darüber Zahlen aus den Industriegebieten, insbesondere aus Berlin und dem Rheinlande besigen, ist der Rückgang der Erwerbslofen feineswegs gleichzufezen mit einem Nachlassen der Wirtschaftsfrise.
Wohl dürfte die Anforderung von Arbeitskräften für die Landwirtschaft und für das Baugewerbe gestiegen sein. Diese Nachfrage nach Arbeitskräften fällt aber angesichts der ungeheuren Krise in der Schwerindustrie wie in der Fertigindustrie nicht ins Gewicht. Der Rückgang der Ziffer der unterstützten Erwerbslosen dürfte vielmehr ein Anzeichen sein für die Verschärfung des Elends der rheitsfofen, und amar deshath, meil mit der Dauer her Krise die Zahl der Ausgesteuerten unvermeidlich wächst. Dieser Rückgang der Hauptunterstützungsempfänger dürfte, wie auch in England, auf der anderen Seite ein Anwachsen der Zahl der von der Wohlfahrtspflege Unterstützten zur Folge haben. Angesichts der Dauer und des Umfanges der Wirtschaftskrise muß man sich nur wundern über die Gelassenheit der Regierung. Bor Monaten wurden großzügige Maßnahmen zur Belebung des Baumarktes angefündigt. Aber immer noch will der Baumarkt sich nicht beleben. Es wäre wohl an der Zeit, hier einmal nach dem Rechten zu sehen.
Paris , 26. Mai. ( WTB.) Der deutsche Botschafter v. Hoesch hat heute abend den französischen Ministerpräsidenten Briand aufgesucht, um nach beinahe dreiwöchiger Abwesenheit in Berlin und Genf die persönliche Fühlung mit dem Leiter der franzöfifchen Außenpolitik wieder aufzunehmen. Bei dieser Gelegenheit sind eine Reihe schwebender Fragen zur Sprache gekommen. Insbesondere auch die, die die Lage im besegten Gebiete betreffen. Der Botschafter hat außerdem auch dem Ministerpräsidenten von der glücklichen Ankunft des ersten deut igen Flugzeuges in Baris mittellung gemacht.
des Kabinetts noch nie so fest gewesen sei. Man sieht voraus, daß, wenn Briand bei der Abstimmung über die Vertagung der Interpellationsdebatte die Vertrauensfrage stellen mürde, er eine große Mehrheit erhalten würde. Auf dem Bureau der Kammer sind heute 25 Interpellationen eingebracht worden, die sich zum größten Teil auf die Finanzlage und die Lage in Marokko beziehen. Der Ministerpräsident wird die Vertagung der Interpellationen, betreffend die Währungsprobleme, beantragen unter dem Hinweis, daß eine öffentliche Aussprache über die Stüßungsmaßnahmen gegenwärtig unerwünscht erscheine. Ebensowenig wird sich die Regierung mit der Debatte über Marokko einverstanden erklären. Havas berichtet: Innenminister Durand beabsichtigt morgen von der Kammer zu verlangen, auf die Tagesordnung der nächsten Sigung am kommenden Dienstag die Diskussion über die Wahlreform zu setzen. Die Regierung scheint geneigt zu sein, bet der Frage der Wahlreform die Bertrauensfrage zu stellen.
Paris , 26. Mai. ( EP.) Infolge der Unterwerfung Abd el Krims hat der Frankenfurs heute nachbörslich eine mertliche hausse erfahren. Während das Pfund heute vormittag um 150 eröffnete, fiel es bis heute abend 6 Uhr auf 147,70. Der Dollar fiel
von 30,85 auf 30,55.
Die freigelaffenen Gefangenen. Paris , 26. Mai. ( WTB.) Nach einer Havasmeldung aus Fez beträgt die Zahl der von Abd el trim freigelaffenen fran. zösischen Gefangenen 6 Offiziere, 8 Unteroffiziere, 27 fran zösische Soldaten und 112 Algerier und Senegalesen . Die Zahl der freigelassenen spanischen Gefangenen beträgt 105 Seldaten, 19 3ivilgefangene, 2 Frauen und 4 Kinder.
Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Wallstr. 65; Diskonto- Gesellschaft, Depoßitenkaffe Lindenstr. 3.
Die Frankfälscher verurteilt.
Die Oberfaschisten freigesprochen.
Budapest , 26. Mai. ( TU.) Unter ungeheurer Spannung wurde heute das Urteil im Frankenfälscherprozeß gesprochen. Die Hauptangeklagten Prinz Windischgrät und Nadassy erhielten je vier Jahre Zuchthaus, 10 Millionen( gleich 600 Reichsmark) Geldstrafe und drei Jahre Amtsverlust. Bier Monale und zwei Wochen Untersuchungshaft werden auf die Strafe angerechnet. Die Leiter des Karthographischen Inftituts General Haitsch und Kurh erhielten je 1 Jahr kerter; 4½ Monate werden auch hier auf die Strafe in Anrechnung gebracht. Gerö, der Hauptmitarbeiter des Instituts, erhielt zwei Jahre kerter, zwei Millionen Geldstrafe und ebenfalls drei Jahre Amtsverlust. Der Privatfekretär des Prinzen, Raba, erhielt ein Jahr sechs Monate Kerfer, Schwarz und Andor sieben bzw. acht Monate Kerker. Die übrigen Beamten des Karthographischen Instituts erhielten Gefängnisstrafen von zwei bis 31 sechs Monaten.
Der Vorhang ist gefallen, das Urteil gefällt. Der erste Aft der Komödie des Frankenfälscherprozesses beendet. Allerdings nur für die Deffentlichkeit, das Nachspiel erfolgt hinter den Kulissen. Denn Windischgräß, Nadassy und Konsorten wurden zu schweren Freiheitsstrafen verurteilt, auch die anderen Angeflagten mit Ausnahme der Leiter des Nationalverbandes, die freigesprochen wurden haben lange Freiheitsstrafen zudiftiert erhalten.
-
Was tut's? Es wird wohl kaum ein Jahr vergehen und Horthy wird die Berurteilten amnestieren. So geschah es ja bisher immer. Und alles wird wieder beim alten bleiben, nichts wird sich ändern, nur einige Personen werden für eine furze Spanne Zeit aus der politischen Arena verschwinden.
Doch die Frankenfälscher- Angelegenheit ist noch längst nicht erledigt. Die Führung der Verhandlung glich einem Bertuschungs manöver, wobei ein jeder Mitwirkende sich die größte Mühe gab, die Wahrheit zu verhüllen. Es war ein Theater, mit sorgsam einstudierten Rollen, nur spielte ein jeder die Rolle des Anderen. Der Verhandlungsleiter, Präsident Törety, war der Paris , 26. Mai. ( WTB.) Auf dem sozialistischen Partei- Ablenker, der Unterbrecher. Er verstand es meisterhaft, immer tag in Clermont- Ferrand wurde heute abend die Tagesordnung dann ganz belanglose Fragen zu stellen, wenn einer der Blum, die sich gegen die Beteiligung an der Regie- Angeklagten nahe daran war, aus der Schule zu plaudern. rung ausspricht, mit 2249 Stimmen angenommen. Auf die Tages- Oberstaatsanwalt Strache spielte den Advokaten. Er verordnung der erfremen Richtung entfielen 166 Stimmen. Die Minderheitsgruppe Renaudel hatte sich mit 685 Stimmen der Abstimmung
enthalten.
Paris , 26. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Auf dem Parteitag der Sozialistischen Partei in Clermont- Ferrand war am Mittwoch die Resolutionsfommission den ganzen Tag über damit beschäftigt, eine einheitliche Entschließung zur allgemeinen Politik abzufassen. Der Parteitag erörterte organisatorische Fragen. Von der Gründung einer Tageszeitung muß einstweilen 2 b st and genommen werden, da die erforderlichen Mittel fehlen. Eine längere Auseinandersetzung drehte sich um die Haltung der Partei zu den Kolonialfragen und deren Einordnung in das Programm der Internationale. Der Vertreter von Marokko forderte die Partei auf, von der Regierung die sofortige Einstellung der militärischen Operationen in Marokko zu verlangen.
Eine Rede Breitscheids.
Paris , 26. Mai. ( WTB.) Anläßlich der sozialistischen Tagung in Cermont- Ferrand veranstaltete gestern abend die sozialistische Bereinigung des Departements Buy de Dome in Clermont- Ferrand eme öffentliche Berfammlung im Stadttheater, in der auch der Vertreter der deutschen Sozialdemokratie, Dr. Breit. fcheid, das Wort ergriff. Er setzte auseinander, warum seine Partei dem deutsch ruffijchen Bertrag zugestimmt habe. Das sei deshalb gefchehen, weil sie es für notwendig gehalten habe, Rußland in das System des europäischen Friedens einzu fügen; die deutsche Sozialdemokratie habe den Wunsch gehabt, daß Deutschland eine Brücke zwischen Ost und West werde. Breit scheid betonte, welches Interesse die Völker daran haben müßten, in Deutschland das republikanische Regime zu verstärken, denn die Aufrechterhaltung der Republit in Deutschland sei eine der Bedingungen für die Aufrechterhaltung des Friedens in Europa . Breitscheid wies weiter darauf hin, daß es gegenwärtig fast teine Frage rein nationalen Cha. rafters mehr gebe. Alle Fragen jeien international, so die der Inflation und die der Währung. In diesem Zusammenhang gab Breitscheid seiner Befürchtung Ausdrud, daß Frankreich aus den Lehren der traurigen Erfahrungen in Deutschland keinen Mugen zu ziehen verstehe. Er forderte die franzöfifchen Sozialisten auf, nichts zu vernachlässigen, damit diese harte Lehre für sie
nicht verloren gehe.
Reichstagspräsident Genoffe Löbe ist zum Präsidenten der Baneuropäischen Union Deutschland gewählt, zu Bizes präsidenten ber Ministerpräsident a. D. Graf Lerchenfeld und der Reichsminister a. D. Rod
teidigte feinen hohen Herrn und obersten Chef, den Miniſterpräsidenten Graf Bethlen, gegen die Zeugen, gegen eine unausgesprochene Anklage, die aber während der ganzen Zeit über der Berhandlung schwebte. Zur Erreichung dieses Zieles waren ihm selbst die Hauptbeschuldigten als Bundesgenossen willkommen. Die Angeklagten waren alle Helden, Märtyrer einer Idee. Ihr Schicksal mar tragisch, denn ständen hinter ihnen so erklärte wenigstens einer der Berteidiger, der Abg. UI ain eine Million Bajonette, so wäre die Frankenfälschung kein Verbrechen, sondern eine nationale Tat gewesen.
-
Nun kamen die Zeugen. Aristokraten, gewesene Ministerpräsidenten, Bischöfe; hörte man ihre Aussagen, so wähnte man sich im Irrenhaus. Sie alle hatte Windischgräz rechtzeitig von der Frankenfälschung verständigt. Doch sie kümmerten fich nicht weiter darum, denn sie hielten die Angelegenheit für etwas Selbstverständliches.
In dieser eigenartigen Atmosphäre begann der Prozeß. Während der ganzen Verhandlung war das einzige Bestreben zu bemerken, alles daran zu setzen, um das undurchdringliche Dunkel noch undurchdringlicher zu machen, und zu Derhindern, daß weitere Opfer der Auslandsmeinung, diesem unerfärtlichen Moloch, gebracht werden.
Die Angeklagten standen alle stolz erhobenen Hauptes vor Gericht. Allein Nadassy, der einst allmächtige Polizeichef, befannte sich als schuldig, aber nicht im Sinne der Anklage, nicht als Frankenfälscher. Also als was? Vielleicht als ein ungeschickter Mann, der sich ertappen ließ? Die übrigen Angeklagten bestritten entschieden jede Schuld. Sie alle feien nur Opfer eines tragischen Mißgeschickes geworden. Die Frankenfälschung habe zur Erreichung vaterländischer Ziele gedient, zur Irredenta , Vernichtung der Feinde usw. Sie sei also nicht nur erlaubt, sondern sogar notwendig gewesen. In dieser Tonart wurde während der ganzen Zeit verhandelt. Hohe staatliche Funktionäre gingen am Ende ihrer 3eugenausfage zu Windischgrät und Nadaffy, schüttelten ihnen oftentativ die Hand und bezeigten ihnen ihre Hochachtung. Selbst Graf Bethlen fühlte den Drang in sich, Windischgrät ein Ehrenzeugnis auszustellen. Er erklärte: Jch fenne ihn als Gentleman und weiß bestimmt, daß er nicht des Geldes wegen die Frankenfälschung begangen hat."
Bon einem einzigen Angeklagten drohte Gefahr, von Desidir Raba, dem prinzlichen Privatsekretär. Er wußte vieles und war gesonnen, sein Wissen preiszugeben. Er sagte aus, Windischgräß habe ihm mitgeteilt, daß nicht nur Graf Teleti, sondern auch Graf Bethlen an der Aktion teil