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Nr. 24$ 43. Jahrgang
1. Heilage des Vorwärts
Sonnabend, 2H.Mak?42ö
Sonntägliche wanöerziele.
Vom Schlesischen Bahnhof   bringt uns der Vorortzug noch Strausberg  . Wir wandern nördlich der Bahn gen Oft bis zur Ghmissce. überschreiten die Bahn und wenden uns dann sogleich auf schmalem Fußsteig links hinab in das Annatal. Wir gehen über das zum Stienitzsee eilende Bäckerfließ und steigen dann wieder die Anhöhe hinauf. Der Pfad führt dicht neben dem Jahngelände hin. Zur Rechten tun sich alsbald gewaltige Kiesgruben auf, deren Gesteinsmaterial auf einer Feldbahn zum Stienitzsee befördert und hier auf Kähnen weiterverfrachtet wird. Mitunter sehen wir Findlingsblöcke von beacht- licher Größe. Die Annahme, daß die Findlingsblöcke, die wir überall In Norddeutschland finden und deren bedeutendste in der Mark die Markgrasensteine bei Rouen   sind, als Meteore auf die Erde gefallen feien, ist irrig. Die wissenschaftlichen Forschungen der letz. tcn Jahrzehnte haben zweifelsfrei ergeben, daß die Findlingsblöcke sowohl als auch die Feldsteine, Kiese, Sande und Mergel, die die Oberfläche Norddeutschlands bilden, von dem eiszeitlichen Inlandeis aus ihrer skandinavischen Heimat noch Norddeutschland befördert und beim Abschmelzen des Eises am Ende der Eiszeit als Gletscher- schutt zurückgelassen wurden. Oestlich der Kiesgruben erstreckt sich eine weite Wiesenniederung bis zum Stienitzsee. Sie ist der bereits verlandete Teil des Sees und zeigt uns, daß sich der See in früherer Zeit viel weiter nach Norden, bis über die Ostbahn hinweg, aus« gedehnt hat. Inmitten dieser ebenen Verlandungsfläche, die von Torfmooren erfüllt ist, erheben sich inselartig neun kleine bewaldete Hügel, in alten Karten.Die Wälle" genannt. Es sind jedoch keine künstlich angelegten Befestigungswerte, sondern natürliche Ge- til�e. Än Kriegsnöten, besonders im Iüjährigen Kriege, dienten sie den Strausbergern als Unterschlups und Zufluchtsstätte. Auch ii» vorgeschichtlicher Zeit waren die Hügel teilweise besiedelt, wie aus- gefundene Spuren bezeugen. Im Süden sehen wir die zahlreichen Schornsteine der Ziegeleien von Hennickendorf und Herzfelde  . Eiszeitliche wallberge l<dser1. Die Ostbahn überquert den Talzug auf hohem Damme. Ein schmales Wässerlein durchzieht das Tal. Durch den Wasserdurchlaß des Bahndamms, der auch für Fußgänger benutzbar ist, wandern wir zur Rordscite der Bahn. Hier sehen wir vor uns einen ge- schlossenen, mit Kiefern bestandenen Wall, der in der Talmitte nach Nordnordosten.zieht und sich schließlich spitzwinklig an den westlichen Talrand anschließt. Wir haben hier einen eiszeitlichen Wallberg
oder einen Os(nach dem Schwedischen   benannt, da die Oser zuerst in Schweden   beobachtet wurden). Die Entstehung der Oser, auch des Strausberger   Ofes, ist, wie Professor Dr. W. Wolfs von der Geo- logischen Landesanstalt im.Naturforscher" darlegt, auf Schmelz- wasser zurückzuführen, das am Grunde des Inlandeises dahinströmte. Man hat im grönländischen Inlandeis und in den großen Vorland- gletschern von Alaska   eigentümliche Tunnels beobachtet, die nahe der Metschersohle verlaufen und als Ableitungskanäle für das auf Hundflüe von feinen Spalten oersickernde Schmelzwasser dienen. Das Innere der Eisröhren süllt sich stark mit dem vom Eis mitge- führten Gesteinschutt, und nicht selten wird die Röhre schließlich vollständig verstopft. Taut dann die dicke Gletscherplatte ab, so bleibt die Röhrenfüllung in Gestalt eines langen Dammes zwischen dem unregelmäßigen Gesteinschutt liegen. Solche Schmclzwasserröhren bilden sich immer nur in stark niedergeschmolzenem, sogenanntem .toten" Gletschereise aus, das seine Bewegung bereits verloren hat. So häufig die Oser in Skandinavien   und Finnland   vorkommen, so selten sind sie in Norddeutschland. Wir haben hier bei Strausberg   einen schön ausgeprägten Os, wie er in Norddeutschland selten zu finden ist. Ein anderer Os von gleich schöner Ausbildung liegt mehrere Kilometer östlich am Maxsec. Die Wanderung auf dem Os zeigt uns deutlich die eijcnbahndammartige Gestalt des Wallberges. Westlich von dem bewanderten Os zieht sich. «in zweiter Os hin. Beide Oser enden an dem Fahrweg vom Forst- Haus Schlag. Herrensee unü Straussee. Wir wandern aus dem Fahrweg einige Schritte nach rechts, dann sogleich wieder links ab und kommen nach etwa 10 Minuten an die sich südlich an den Herrensee anschließende Niederung. Rechts der Niederung führt der Weg nach Nord zum Seeufer. Schwermütig klingt das Läuten der Unken aus dem feuchten Grunde. Der Herren- see hat sumpfige und krautige Ufer, die gute Lebensbedingungen für Wassertiere aufweisen. So kommen hier Sumpfschildkröte, Sala- mander und Fischotter vor. Auch Ringelnattern von einem Meter Länge und Armstärke begegnet man. Auf dem Ostufer des Sees und dann immer am Rande der sich nördlich anschließenden Riede- rung wandern wir weiter. Auf der gegenüberliegenden Seite sehen wir die Hegermühle. Schließlich überschreiten wir eine Brücke und kommen in nordwestlicher Richtung zur Stadt Strausberg  , der alten Wasierfeste Struceberghe, die schon 1280 erwähnt wird. Von der alten Stadtmauer sind noch einige Reste erhalten. An die ehemaligen vier Stadttore erinnert nur noch der innere Tor- türm des Landsberger   Tors im Süden der Stadt, den wir beim Betreten der eigentlichen Stadt sehen. Er ist ein viereckiger Bau aus Granitquadern und Feldsteinen mit Backsteinausbau und
Ziegeldach. Strausberg   liegt auf dem Ostufer des vier Kilometer langen, bis 600 Meter breiten Straussee s. Mit der elektri  - schen Fähre lassen wir uns zum Westufer übersetzen. Ein wunder- schönes Bild bietet die Stadt von der Wasserseite und von dem gegenüberliegenden Ufer. Aus dem blauleuchtenden See steigt sie auf, von Bäumen und Büschen lieblich umrahmt. Der hölzerne Aufbau des Kirchturms mußte vor einiger Zeit entfernt werden. �Der märkische Wanderer Trinius   sagt:Die Mark hat nur sehr "wenige Städte auszuweisen, welche vermöchten, einen siegreichen Wettkampf mit der Stadt am Straussee einzugehen." Vom Straus- see wird manche Merkwürdigkeit berichtet. So hat er sich zu Weih- nachten 173� ganz rot gefärbt, und als er zufror, war auch das Eis rot und behielt diese Farbe den ganzen Winter hindurch. Im März 1752 wurde das Wasier so grün, daß man damit Bretter anstrich. Auch im Januar 1779 war das Eis rotstreifig, und das Wasser wurde später so rot, daß man glaubte, der See habe sich in Blut verwandelt. Der Grund dieser Erscheinungen wird in dem « tBUjl X. I'jM*�3
Scblagmüble bei Strausberg.  plötzlichen masienhaften Auftreten von Algen zu suchen sein. Ein schöner Promenadenweg bringt uns zur Südspitze des Sees, wo sich der 93 Meter hohe Manenberg erhebt(28 Meter über dem Straussee). Das Annatal. Wir kommen zur Strausberger   Ehaussee, der wir nach Süden folgen. Bald nach Ueberschreiten der Kleinbahn führt halblinks ein Steig durch den Wald zum Westufer des Herrenjees, auf dessen gegenüberliegendem ilfer wir vorhin gen Nord wanderten. Wir kommen zum F o r st h a u s Schlag, wo wir das Bäckersließ über- schreiten. Hier führte einst dergroße Heerweg" nach Müncheberg  vorbei. Am Forsthaus Schlag war eine Zollstätte, da Strausberg  das Recht hatte, von dem Berkehr durch sein Gebiet Damm-, Deichsel- und Geleitszoll zu fordern. In der Nähe des-Forsthauses stehen sehr starke Fichten und alte knorrige Eichen. Die stärkste derselben sdeht südlich der Fließbrücke, dort, wo der Weg nach Garzau   gen Ost von der Straße nach Hennickendorf abzweigt. Ihr Stamm ist unten ausgemauert und hat in einem Meter Höhe über dem Boden 4% Meter Umfang. Wir wandern am Fließ   entlang
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Unzählige Kilometer von Drähten, blanke besponnene, vom feinsten bis zum stärksten, schleppte er ius Haus und nun gings ans Wickeln. Die ganze Familie wickelte und war oft so ver- wickelt, daß Mutter streikte, weil sie nicht in Gefahr kommen wollte, von einer der Schlingen stranguliert zu werden. Sie hatte bisher alles geduldet. Das ganze Zimmer war auf den Kopf gestellt; Decke, Wände und Fußboden vernagelt. Sogar an der Wasserleitung suchte er Anschluß, weil ohne die Geister der Unterwelt, die aus den höheren Regionen nicht funktio- nierten. Als er ihr aber eines Tages eine Szene machte, weil sie zu Karles Hose, die sie aus Vaters alter Feldhose gebastelt batte, und bei der er, da der Stoff nicht nachgeben wollte, immer wieder die Nähte platzten, von der großen Weberspule so schönes festes grünesGarn" zum Nähen nahm. Als Knorke senior deswegen wütend wurde, platzte nicht nur Karls grüne Naht, sondern auch Mutters Geduld. Erst verplemperst de's Geld, verbummelst die schöne Zeit, zerhämmcrst, zerkratzt Tisch und Stühle, ruinierst die Wände, krarelst an der Decke und uff m Dache rum, und während du deine höheren Regionen absuchst, bleibe ich hier mit Scheuertuch, Schrubber und Besen an alle Haken und Drähte hängen. Ich habe das alles ertragen, und zwar mit Rücksicht darauf, weil du seitdem wieder ein anständiger Mann bist, der nicht mehr in die Kneipe geht, kein Geld verspielt und vertrinkt, sogar dos teure Rauchen sich abgewöhnt hat, ober- was zu ville ist, ist zu villc. Jetzt jeht dos Ield statt zum Schmokbruder und in die Destille zum Rundfunkaujust. Man ist ja seines Lebens nicht mehr sicher. Neilich is sojor Mann und Weib an solche Quoktiste vom Blitz erschlagen." Jawoll," hat Maxe geantwortet.Uff de Schnekoppe, als der Mann de Antenne im Zilinder über die tfchechoflowa- tische Grenze schmuggeln wollte." Natürlich reizte Maxens Hohn Minne noch mehr, und es ging ein solches häusliches Gewitter bei Knorkes nieder, daß
der Dreiröhrenapparat, der immer noch seiner Vollendung harrte, unters Sofa flog, und zwar mit solcher Wuptizität, daß er nicht wieder zum Vorschein kam. Obwohl Max Kurzarbeiter war und tagelang aussetzen mußte, hatte er seit diesem Tage alle Lust zum Basteln ver» loren.
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Ein Glück, daß am Gswütertage die Kinder aus Schule kamen, nachdem das Unwetter ausgetobt hattc. Fritze roch gleich Lunte. Er hatte Vater oft basteln helfen und wußte ganz genau, auf welchem Stuhl, in welcher Sofa- ecke die einzelnen Teile lagen. Jetzt war olles weg. Nanu," fragte er,wo ist denn der Dreilampenkasten?" Vater zeigte nach dem Sofa und meinte:Da ist die Hochspannung vom letzten Gewitter hineingekommen und hat die ganze Geschichte unters Sofa geschleudert. Man een Ilick, daß ich mit de Hochspannung nicht in Berührung gekommen bin." Fritze fing einen wütenden Blick von Muttern, an Vaters Adresse gerichtet, auf, der ihm sagte, hier stimmt etwas in der Leitung nicht, es machen sich störende Rückkopplungen be- merkbar.
Zum Glück löste Karle die sich neu bildende Hochspannung aus, indem er von seinen Erlebnissen aus der Lebensgemein- fchaftsschule berichtete. Heute sei einer von den Jungens gegen den Lehrer frech geworden. Na," sagte Vater,da hat der Lehrer den Rohrstock wohl wieder in Aktion treten lassen?" Ne," sagte Karle. Na, wat denn?" Wir haben ihn verhauen," kam es triumphierend aus Karls Mund. Na, det ist mir ja ne scheene Iemeinschaft," wendete sich Mutter an ihren Max.Da nimmst se aus de andere Schule raus, weil vierzig fünfe verhauen und hier fällt eene ganze Klasse über eenen her. Die arme Mutter!" Na, die hat doch nischt von abjekriegt," wandte Max ein. So, sagte Mutter,wer muß die zerissene Kluft wieder zusammenflicken?" O," meinte Karle, beinahe bedauernd,dazu kam es nicht. Der Lehrer nahm den Frechdachs noch in Schutz. Er kommandierte: Das Ganze halt, und erklärte, so ginge es nicht. Das Selbstverteidigungsrecht und die Notwehr in Ehren, aber das Faustrecht dürfe sich hier nicht einbürgern. Dann ginge die Gemeinschaft in die Brüche. Er schlug vor, wir sollten aus uns heraus ein Richterkollegium wählen und wenn irgendetwas Ungehöriges sich ereignen sollre, den be­treffenden Attentäter vor das Gericht stellen." Bist du etwa auch dazu gewählt?" fragte Knorke senior, dem die Geschichte gefiel. Natürlich!" ..Als was denn?" fragte Vater. Als Staatsanwalt." Ick lach' ma tot, völlig tot!" rief Mutter und ließ sich vor Lachen auf einen Stuhl nieder, fügte aber gleich wütend hinzu:Das sind Narrenpossen, aber keine Schule." Du," sagte Knorke beschwichtigend�nicht vorschnell urteilen! Erst abwarten, was daraus bratet." Daraus bratet?" sagte Mutter empört.Als Ankläger der riedigste und ruppigste." Du," entgegnete Knorke,des ist janich so ohne, gerade der hat Erfahrungen und kennt alle Schliche und kommt am besten dahinter.">. Nu halte aber die Luft an!" rief Mutter und schob mit Anneliese, die alles mit angehört hatte, ohne ein Wort zu sagen, in die Küche, wo sie eine ganze Weile schweigend ihre Arbeit verrichtete.(Fortsetzung folgt.)