Sonnabsnö 29. Mai 192b
Unterhaltung unö ÄNissen
Seklage ües vorwärts
Der ZunS. Von Äodiou Akulschia.
Ich habe eme fremde Mütze und einen fremden Schafspelz an. Das Pferd, das meine Schwester und mich nach unserem verschneiten chcimatsdorf führt, ist auch entlichen. Wo ist Traum und wo ist Wirklichkeit?— Das hellbeleuchtete und lärmende Moskau , das jetzt tausend Werst entfernt liegen mag, oder dieser Sturm mit seinen hinter den Pelzkragen kriechenden Schneeflocken, die ängstlichen und zugleich aufmunternden Zurufe nieiner Schwester und das schwere Schnaufen unsere» treuen Pferdes? Als der Zug noch durch Schnee und Unwetter dahinraste, wußte ich nicht mal, was draußen hinter den Fensterscheiben vor sich ging: Ich vertraute auf die Maschine und war vollkommen ruhig... Und jetzt bekomme ich keine Lust, das Schneegestöber kann uns jeden Augenblick erwürgen mitsamt dem Pferde. — Mit Waffenlosen hat das Element kein Mitleid... und gerade dorthin fahre ich jetzt, wo alles waffen- und machtlos ist angesichts der Schneestürme und d's Schauerregcns, der Sommerhitze und des strengen Frostes. Vor einer Brücke bleibt dos Pferd stehen. Es zittert. schaben wir etwa den Weg verloren?� „Nein, das Pferd hat etwas gewittert." Ich schlag« den Kragen meines Schafspelzes zurück und höre ein vom Wind gedämpftes Etwas, das wie Aufatmen oder Stöhnen klingt. Und einige Minuten später sitzt unter dem Schoß meines Pelzes ein neuer kleiner Passagier. Sein Leib ist warm und doch atmet er schwer und beantwortet die Fragen nicht... Die Schwester hat Angst, er würde sterben unterwegs, sie treibt das Pferd an. Von dem Dorfe her ertönen in langen Zeitabständen gedehnte Glockenschläge. Der Stnnn spielt mit uns. die Glocken tönen erstickend in der Ferne... Plötzlich erscheint eine Flamme. Ich denke schon, es brenne.«Wir werden erwartet," sagt meine Schwester,.die Unsrigen sind ans der Straße und brennen Stroh, um uns den Weg zu zeigen.".Eheu", klingt es von ser Straße her—.eheu", er- widert die Schwester. Man hat uns gehört und als Zeichen besten fllegt ein« brennende Garbe hoch in die Lust. Die Etrohrakete im Schneegestöber und klägliche Glockentöne. diese Sorge um uns und unfern Fund— das alles hebt meine Stimmung... Der unter dem Schasspelz warm gewordene Passagier bewegt sich: trinken," bittet er..Warte noch ein bißchen. wir sind gleich da." Zu Hause brodelt der Samowar. Der zehnjährige Knirps wird von seinen Lumpen befreit, gebadet und in die Wäsche meines Neffen gesteckt. Der Junge lebt auf, obwohl er wenig spricht, und wie es scheint, mißtrauisch umherschaut. Ztach zweiter Taste Tee bring« ich den Findling durch freund- liche Fragen zur Nede. Er sängt an zu erzählen, und indem er erzählt, möchte man glauben, einen Fünfzig- und nicht einen Zehnjährigen vor sich zu haben...„ Er hat Bater und Mutter, sie wohnten alle im Kaukasus . Dann kamen die Weißen, der Vater wurde abgeführt und erschoflen. Die Mutter weinte und sprach eines Tage» zum Kleinen: �kolja, fahren wir fort von hier, nach Tiflis , dort wohnt eine gut« Bekannte von mir. Hier dürfen wir beide nicht länger bleiben." Wir fuhren los und die Mutter war krank. Unterwegs, nicht weit von Tislis starb sie. Auf der Statton trugen sie die Leute zum Wagen hinaus, auf mich hat keiner geachtet. Wo die Bekannte wohnte, wußte ich nicht... Ich hatte nie vorher gebettelt und da blieb mir nichts übrig. Ich war damals wohl sechs Jahre alt. Ich fing an. in den Straßen herumzustreifen. Es gesellten sich einige Kameraden zu mir. Don Tislis wanderten wir noch Baku hinüber, von da— mit einem Dampfer nach Krafnowdfk. Dort blieben meine Kameraden zurück. Ich fuhr nach Taschkent (Zentralasien . DS.) und lebt« da etwa zweieinhalb Jahre lang. Nachts verblieb ich auf dem Bahnhof. Man wird zwar nachts von den Bahnhöfen gejagt, doch ich oersteckte mich hinter einem Schrank— er war nicht ganz dicht an die Wand gelehnt. Nur sich legen durfte man nicht, denn der Militionär könnte die Füße be- merken. Ich hatte mich aber daran gewöhnt— man lehnt sich an die Wand an und schläft so. Später erfuhr noch einer von meinem Versteck, wir wohnten nunmehr zu zweit hinter dem Schrank. Es wollte sich noch ein Dritter zu uns gesellen..Für alle reicht der Raum nicht aus, wenn die Leute davon erfahren, ist es Schluß mst uns. Sehe dich lieber nach einem andern Schrank um." Mein Freund sing an. mich nach Moskau zu rufen..Alle fahren jetzt nach Moskau , es gibt einen Befehl," sagte er,.daß sich alle Waisen in Moskau versammeln sollen." Ich erinnerte mich, daß ich einen Onkel in Moskau hatte. Meine Mutter erzählle mir öfters, der Onkel male Bilder. Wir fuhren also los. Auf einer Station bemerkte der Schaffner meinen Freund und wollte ihn fortjagen. Der Freund sprang ab und geriet unter die Räder. Er wurde ganz und gar zerquescht. Der Weg von Taschkent ist weit. Dort war es noch warm ge- wefen und während der Fahrt wurde es immer kühler und kühler/ Zuerst bettelle ich auf den Stationen um Speisereste oder sang vor den Fenstern. Dann wurde das Publikum ärgerlich:.Was belästigt er einen tagtäglich." sagten die Leute und gaben mir nichts mehr. Run erdachte ich mir etwas anderes. Ich stieg aus, ging zum nächsten Dorf, sammelle dort Brot— und kehrte nach der Station zurück. Don diesem Tage an, Hab« ich viele Züge gewechsell. War mein Brot zu Ende, so lief ich nach dem Dorf... Auf dieser Station war ich auch ausgestiegen und fragte irgendeinen fremden Onkel:„Ist es weit bis zum Dorfe?".Drei Werft werden es wohl sein," sagte er mir. „Ich marschiere los, und nun wird es dunkel, der Wind sängt em zu wehen, ich war hungrig, wurde matt und mußte umfallen..." Mutter. Schwester, Schwägerinnen und die Nachbarinnen, die sich gelegentlich meiner Ankunft oersammctt hatten, lauschen der Erzählung de« kleinen blossen aschblonden Jungen und wischen sich die Tränen mit dem Tuchende ab. „Verwöhnt ist er nun nicht," sagte jemand.„Willst dich in die Pflege nehmen lassen?"—„Nein, ich muß weiter nach Moskau . da malt mein Onkel Bilder, er wird mich auch lehren..."„Wie kannst du jetzt noch Moskau ? Möchtest dir wohl den Hals brechen? Bleibe doch hier«ine Weile, ruhe dich aus."—„Nachher sehen wir es bester," spricht der vom Tee schwitzende Kolja. Man legt chn auf den Ofen schlafen. Jetzt schläft er süß. Alle» schläft schon. Ts ist ja spät.
Caecilic. Caecilic, 0 denk' an die Familie! Die vettern und die Lasen Blamierst du mit den Vasen, So daß die ganze Sippe spricht: „Bei uns klaut man io offen nicht!"
Man muß Kolja zu überreden versuchen, auf dem Dorf noch zu bleiben. Der bildermalende Onkel existiert sicher nur in seiner Phantasie, und mit obdachlosen Kindern ist Moskau ohnedies über- füllt. Der Sturm läßt nicht nach, schlägt gegen die Fensterladen wie ein Bär mit seiner Tatze, pfeift mordsmäßig in den Spotten und heult im Schornstein. In der Kirche schlagen immer die Glocken. In meiner Stube sitzend kann ich fühlen, wie der morsche Kirchturm hin und her wackelt, jeden Augenblick bereit, unter dem Anprall des Windes auseinanderzufallen.(U e b e r s e tz t von D. S.)
Russische wzssensihastliche Expedition in die Mongolei . Vor einiger Zeit hatte Sowjetrußland ein« wistenschastliche Cxpe- tntion organisiert zwecks Erforschung der Mongolei und der Gobi - wüste. Die Expedition war, wie in der russischen.Irasnafa Swjesda" berichtet wird, die erste in ihrer Art, die das Risiko übernahm, sich im Automobil nach der mongolischen Steppe und der Gebiras- wüste zu begeben. Im Auto, das von Ulan-Bator -Hoto, d. h. der Stadt der roten Helden— fo ist Urga umbenannt worden— aufbrach, saßen vier Personen: ein Geologe und Paläontologe, fein Assisrent, der Ehauffeur und ein Mongole als Führer. Das wiflen- chaftliche Komitee der Mongolei hatte den Auftrag, einen Arbeits- jlan für zehn Jahre zu verfassen, zwecks physikalisch-geographischer Forschung uud Aufklärung der geologischen Eigenart des Landes. Zuerst nahm die Erpedition den Weg noch Südosten in die Segend des Flustes Orchoso und dessen Nebenflusses Dschir-tnolantei. Dieser letztere fließt durch die Brandschiefer, die seit Tausenden von Iahren auf der Oberfläche der Erde unberührl liegen. Diese Brand- schiefer stellen einen geradezu unerhörten Reichtum des Laufes dar.
Die Forscher haben«ine Schicht des Schiefers getroffen, die 40 Sashen (80 Meter) tief war und sich auf eine Länge von 20 Kilometern ausdehnt«. Der nomadische Mongole, der zusammen mit seinen Herden von Ort zu Orb zu wandern pflegt, ahnt selbstverständlich nicht, daß er auf ehemaligem Meeresboden wandert. Nur die scharfen Augen des Geologen konnten unbestreitbare Beweise dafür bringen, daß hier einst die Wellen des Ozeans geflosien sind. In den Sandschichten sind viele Beweise dafür vorhanden. Hier hat die graue tausend- jährige Schicht das Abbild der Scheren des Meereskrebses, dort die Abbilder von Meerespflanzen aufbewahrt. Alle diese Ueberbleibsel der Tier- und Pflanzenwett der Meerestiefe beziehen sich aus die Periode der tertiären Bildung der Erdrinde. Zwei Wochen hat die Expedition in dieser Gegend zugebracht. Dann begab sie sich in den zentraten Teil der äußeren Mongolei , in das Seenvayon, das sich nordwärts der langen Kette des Gobi -Altoj ausdehnt. In der Gegend des„Bajn-Daban", d. h. der reichen Bergeshöhe, hoben die Forscher weitere reiche wistenschastliche Funde aufgedeckt: abgebrochene Stück« der cmteren Kinnladen einer Walsisch- ort, guterhaltene Panzer großer Meevesschildkröien, einzelne Zähne oön solchen Raubtieren, die vor vielen tausend Jahren dort gelebt haben. Sodann begab sich die Expeditton noch der vielversprechenden Ortschaft Dscha-Dokta oder Bajn-Dsak, wo die Amerikaner im Jahre 1922 den ersten Dinosaurier und dessen Ei gefunden haben. Hier in ihren Geheimecken hat die Natur tausendjährig« Erbschaften aufbe- wahrt, indem sie sorgsam im Sande Knochen und sogar Eier ihrer seltensten, inzwischen ausgestorbenen Kinder konserviert hat. Die Natur konserviert nämlich derart gut, daß in den Eiern des Dino- fauriers, die der amerikanische Gelehrte gefunden hat, Embryonen der Dinosaurierjungen vorgefunden worden sind. Die Expedition hatte auch das Glück, einen ziemlich großen Teil eines Eies, zwei Kinn- laden eines Dinosauriers mit guterhaltenen Zähnen zu entdecken. All« Expedittonen, die die Wüste Gobi durchreist haben, sind in der Regel nach Süden und nach Südosten von Ulan-Bator -Hoto gezogen. Die jetzig« Expedition hat eine ganz ander« Marschroute gewählt: sie durschnitt die Wüste Gobi von Westen nach Osten. Also gerade durch das Herz der Wüste flog das kühn« Auto: das Motor- geräusch störte zum ersten Mal« den tausendjährigen Schlaf der Wüste. Hier unienvegs hat die Expedition zahlreiche ausgelöschte Vulkane getroffen, deren Lava noch auf der Erdoberfläche zu sehen ist. Häufig sind die Vulkane namentlich in den östlichen Hoschunnen(Kreisen), die auch unter dem Namen„Das Land der ansgelöfchten Vulkane' be- kannt sind. Manche von ihnen haben 240 bis 300 Meter Höhe. Es fälll ganz besonders ein Vulkan auf, den die Mongolen Lun d. h. den Drachen, nennen. Bei den Mongolen sind noch bis heute Le- genden über die„feurigen Berge" erhalten. Auch jetzt hegen die Mongolen noch abergläubische Verehrung für jeden dieser Hügel und Berge._ Dr. Lrtasches A b e g h i a n. Heitere Anekdoten aus üer Musikgeschichte.") Mark Twain lernt« einen berühmten Pianisten kennen und sprach ihm von seiner Wertschätzung des Klaviers:„Wissen Sie, daß ich dem Klavier überhaupt meine Existenz verdanke?"„Erzählen!" bestürmte man den Humoristen.„In meiner Jugend," berichtete Mark Twain ,„gobs einmal eine große Hob e rf chwemnnmg..." „Aha! Wohltätigkeitskonzertl" lächelt« der Pianist.„Nein, aber ms da» Wasser unser Haus erreichte, setzte sich mein Vater in ein« Bettstell« und schwamm darin ans Ufer; und ich begleitet« ihn auf dem Klavier!" * Als Hans Dfitzner seine Kantate„von deutscher Seele" mst dem Gewandhausorchester probte,„patzte" ein Bläser ganz fürchterlich. Pfitzner klopfte ab und bemerkte, daß die Noten so nicht in der Partttur ständen. Gedämpfte Stimm« aus dem Blasbereich:„Da gännfe Shmd«nah heern. wies indr deitfchen Seele heitzodaache m Dirglichgoet aussihd!" ♦ Im Pfarrhaus« eines eben besetzten serbischen Dorfes saß ein musikbegabter österreichischer Hauptmann am Klavier und spielte dem Kriegsberichterstatter Roda Roda langersehnt« Wiener� Walzer vor. Plötzlich öffnete sich die Tür und der Kopf eines sächsischen Lmrdsturnnnannes erschien: verschwand gleich wieder:„Ent- schuldchnfe, mr dachdn, hier wäre a Biiff!"(Roda Roda benennt diese Geschichte:„Macht der Musik".) * Der theoricgewalttge Iadassohn enttieß feinen fugendlich- ungestümen Schüler Dusoni mst folgender Abschiedsrede:„Sä sinn ä jungker Mann, Sä sin ä begabdr Mann. Sä wärn Ihrn Wäch schon mochn. Sis Ihnen ja och schon allerhand Hibfches eingefallen — wr wollen nich weidr dribbr redn. Awr wenn Ihnen, was Godd vrhiedn meeche, ma nflchd mehr einfallen sollde, so härnse uff mich:? nähmst de(Bloffigr vor: schreimst meintswächn de Dhemn von hindn nach furn«— sgonnnd innnr noch mehr dabei heraus als so..." m Einem weniger begabten Schüler eröffnete Iadassohn: ,. Seins« froh, dafles Schießbulft schon erfnndn ts: Sie höddn nichema s Zahnbulfr erfinden genn!" * Ein« Hofdame erkundigte sich nach der Ausführung eine» Regerschen Werkes mit obligatem Kontrafagott bei dem Komponisten, ob denn dst ttefen grunzenden Töne tatsächlich von dem schwüchlichen und engbrüstigen Fagottist«» durch bloßes Blasen mst dem Mund« hervorgebracht feien?„Dos will ich stark hoffen!" antwortete R«ger. Völker, die nicht zählen können. Die einfache und doch so wunderbare Methode, mit Hilfe von zehn Ziffern alle Zahlen bis zu grenzenlosen Werten hinauf auszudrücken, fetzt die Kulturvölker instand, die feinsten Unterscheidungen durch Zahlwerte vorzunehmen. Es gibt aber auch Menschen, die in dieser Beziehung weit anspruchs- loser sind. Dr. Fritz Köhler berichtet in seinem soeben bei F. A. Brockhaus in Leipzig erschienenen Buch«Brasilien heute und morgen" von seinem Besuch der Indtanerreserootionen. Die dortigen Indianer haben in ihrer Sprache keine Worte für große Zahlen und umschreiben deshalb größere Zeitspannen. Ein Indianer antwortete dem Forscher aus die Frage, wie alt er sei, daß er schon zweimal den Bambus habe blühen sehen und dieses Ereignis bald zum drillen Male erleben werde. Da der Bambus nach der Meinung der dorti- gen Eingeborenen alle 30 Jahre blüht, so mutz dieser Indianer schon ein beträchtliches Aller erreicht haben. Wie er dem Forscher er. zählte, zählt er sich zu dem Indianerstamm der Kaingang. die wiederum zu den Ges-Völkcrn gehören. Zu diesen sind auch die im Staat Espiroto Santo wohnenden Botokuden zu rechnen, die gleich- falls aus dem Gebiete der Zahlenrechnung einen Rekord hallen,«ie unterscheiden nur eins und viel Für zwei und drei haben sst de- relts dasselbe Wort: auf sie trifft also die Redensart,„nicht bis drei zählen zu können." zu. Daraus mag sich auch der Brauch herleiten. den Namen der Botokuden zur Bezeichnung eines nicht sonderlich hohen Geistesstandpunktes zu benutzen. V. d Steinen erzählt, daß die Bakairi am Amazonenstrom sich in die Haare saflen. wenn sie Zahlen ausdrücken wollen, die größer sind als sechs, um damll anzudeuten, daß das für sie etwas nicht mehr Zählbares sei. Auch im Innern Australiens gibt es heute noch ganz« Völkerschaften, die größere Zahlen als sechs in ihrer Sprache nicht ausdrücken könne»'.