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Preußens Finanzen. Es folgt die zweite Beratung einer Novelle zum Zugrndwohlfahrtsgesetz. durch die, wie der Berichterstatter Abg. Schmedding(Z.) bervor- hebt, bestimmt wird, dah rückwirkend vom 1. April 1926 ab Träger der K o st e n der Fürsorgeerziehung die Kommunalverbände sind, bei denen Fürsorgeerziehungsbehörden bestehen. Sie erhalten zu diesen Kosten aus der Staatskasse einen Zuschuß von zwei Dritteln. Auf Antrag des Abg. W i e m e r(D. 33p.) wird dieser Besetz­entwurf zur nochmaligen Beratung an den Ausschuß zurück- verwiesen. Dann erledigt der Landtag die zweite Beratung eines Gesetz- entwurses über die Aendcrung des preußischen S t a a t s g c- b i e t e s. Durch diese Borlage, die der Landtag ohne Debatte end- gültig auch in dritter Lesung oerabschiedet, wird die Abgabe einer zum preußischen Staatsgebiet gehörigen Fläche von etwa 6,6586 Hektar an Frankreich und die Einverleibung einer zu Frankreich gehörigen Fläche von 6,0691 Hektar in preußisches Gebiet ausgesprochen. Nächster Gegenstand der Tagesordnung ist die zweite Beratung des Haushalts der Finanzministeriums. Der Hauptausschuß hat hier, wie der Berichterstatter, Abg. R h i e l- Fulda<Z.) vorträgt, aus Ersparnisgründen rund 1,3 Mil- lionen gestrichen. Er empfiehlt die Annahme mehrerer Anträge, die u. a. das Staatsministerium ersuchen, mit allem Nachdruck eine Vereinfachung und Verbilligung der staatlichen Der- waltung durch eine durchgreifende Reform bei den Ministerien und Behörden durchzuführen. Ferner soll eine Uebersicht über das Ergebnis des Porsonalabbaus in Preußen vorgelegt werden. Präsident Bartels macht zunächst dem Hause Mitteilung von dem Beschluß des Verfassungsausschusses, wonach der Bonner Stadtrat Marx sozialdemokratisches Mitglied des Preußischen Landtags ist. Es wird nun möglichst bald zu entscheiden sein, ob auch der Ministerialdirektor Dr. B a d t weiterhin sozialdemo- tratisches Landtagsmitglied bleibt. Eine Umgruppierung innerhalb des Landtags war bekanntlich durch einen Beschluß des 3V a h l. prüfungsgerichts herbeigeführt worden und stützt sich aus die endgültige Feststellung der letzten Wahlresultate zum Preußischen Landtag . Das Haus überweist zunächst den zur ersten Beratung vor- liegenden Gesetzentwurf, der für die Vollendung des INittellandkanals weitere 22 832 666 Mark zur Verfügung stellen will und den Finanz- minister ennächtigt, diese Summe im Wege des Kredits zu beschaffen, dem Hauptausschuß. Der Gesetzentwurf, der umfangreiche kommunale Neuordnungen von Gemeinden und Kreisen Oberschlefiens vorsteht, geht zur weiteren Vorbereitung an den Gemeindeausschuß.

Die Divisionsfeier in filtengrabow. Tchwarzweistrote Tradition.' Ein ehemaliger Angehöriger des Infanterieregiments 432 schreibt uns: Wie andere Truppenteile, wurde auch die 234. In- fanteriedivision Ende des Jahres 1917 durch Wegnahme einzelner Mannschaften von aktiven brandenburgischen Regimentern als Neuformation gebildet. Auf dem Truppenübungsplatz AUengrabow erfolgte damals die Zusammenstellung. Die Division ging in frischem Anstrich wieder an die Front und erlitt bei der letzten großen Frühjahrsoffensive 1918 besonders in Flandern sehr schwere Verluste. Der Kommandeur, Herr Generalleutnant o. Stumpfs, erhielt gewiß nicht für eigene Verdienste den Orden Pour le Merite. Um sotapferer" zeigen sich einige abgetakelte Offiziere der Division dagegen jetzt im Kampf gegen die Republik . Schon 1919 wurde eine Zusammenfassung aller ehemaligen Ange- hörigen des Truppenteils zu Vereinen erstrebt, die die.Lamerad- schaft pflegen" sollten. Auch mir wurden mehrfach Einladungen zu derartigen Zusammenkünften zugesandt. Die Zusendung unter- blieb erst, als ich mich dagegen verwahrt hatte. Eine rege Propa- ganda entfaltete auch der ehemalige Regimentskommandeur des Infanterieregiments 453, Herr Major v. Klus er, der in der Neuruppiner Gegend ansässig ist. In den Zusanimenkünftm pre- d.gte man die Pflicht zum militärischen Zusammenhalten und sang der Monarchie und dem alten Herrn Loblieder. Erst vor einigen Wochen begegnete mir in Berlin ein ehemaliger Kom- pagnieangehöriger wieder, der im Dienste der militärischen Pro- paganda gegen die Republik steht. Er bat mich nochmals, doch auch zu dengemütlichen Zusammenkünften" der ehemaligen 452er zu kommen. Auf meine Antwort, daß dies mit meiner sozial- demokratischen Ucberzeugung unvereinbar sei, verabschiedete er sich kurz. Der jetzige Aufmarsch der ganzen Division in 2lltengrabow dient nach meiner Ueberzcugung ausschließlich dem Zweck, gegen die Republik zu demonstrieren.

Zaglul will regieren. Aber England wird es vielleicht nicht gestatten. London , 2. Juni. (TU.) Die Presse ist mit der Haltung Zaglul Paschas sehr unzufrieden und befürchtet weitere Schwierigkeiten, da Zaglul Pascha nicht gewillt ist, auf die Kabinetts» bildung zu verzichten. Man glaubt, daß er sich für fein Kabinett Mitarbeiter wählen werde, deren politische Vergangenheit und Englandfeindlichkeit das größte Mißtrauen hervorrufen müßte. Man rechnet ferner damit, daß Zaglul Pascha die völlig« U n- abhängikeit Aegyptens zu erreichen versuchen und den englisch . ägyptischen 33«rtrag vom Jahre 1922 nicht anerkennen werde. Dos englische Kabinett hat sich bereits mehrmals in längeren Sitzungen mit der ägyptischen Frag« beschästigt und dem Oberkommissar die nötigen 3Veisungen erteilt. London . 2. Juni. (ED.) Wie hier verlautet, wird die britisch« Regierung unter allen Umständen daraus bestehen, daß ihre R e- fervatrechte in Aegypten von einer neuen ägyptischen Regie- rung geachtet und garantiert werden. Da ein Zugeständnis in dieser Frag« von Zaglul iposcha bisher noch nicht zu erhoffen ist, so be- müht sich der englische Kommissar, ein Kabinett der Liberalen mit Adly Pascha zustandezubringen. Sollte das nicht glücken, so ist es nicht ausgeschlossen, daß die englische Regierung die zeitweilig« Außerkraftsetzung ihrer Erklärung vom Jahre 1922 erwägt, die Aegypten einen erhöhten Grad der Unabhängigkeit gab. Der Besuch König Fuads in London ist vorläufig aufgegeben worden. Der König nahm den Rücktritt Ziwar Paschas nicht an, sondern ersucht« ihn die Regierungsgcschäfte weiterzuführen. Der Gesundheitszustand Zaglul Paschas läßt viel zu wünschen übrig. Er kann kaum gehen und leidet stark an Asthtya. Der Kamps Lloyd George Lord Oxford hat gestern eine ernste Zuspitzung durch die Veröffentlichung eines Briefes erfahren, in dem Oxford seine Vorwürfe gegen Lloyd George in zugespitzter Form wiederholt und eine Dertraucnserklärung der Partei für sich verlangt. Diese ist ihn, sofort von einigen liberalen Führern(Lord G r e y, Simon. Riinciman, Maclean usw.) gleichfalls in der Form eines Schreibens zuteil geworden, das einen klaren Bruch mit Lloyd George verlangt.

Netlame. Schwere Zeiten" klagt der Geschäftsmann, und im Kampf um das bisset Dosein macht ein jeder krampfhafte Reklame für seinen Artikel. Sie allein erscheint ihm als rettender Anker vor der ständig drohenden Pleite. Denn groß ist die Konkurrenz und flau, äußerst flau die Kauflust. Die Großfirmen werfen Riesenmengcn an Ware zu niedrigen Preisen ans den Markt, andere wieder ersinnen beson- dere Vergünstigungen und Aufmerksamkeiten, kurz, jeder wirft seinen Köder aus, so gut er es eben versteht. Ein Kino im Westen hat sich als Attraktion die in letzter Zeit vielgenannte Gräfin B o t h- m e r verschrieben und läßt sie ein kleines, anscheinend selbst ver- fertigtes Prolögchcn zu einem Film sprechen. Man weiß nicht, ob dies ihr Debüt als Schriftstellerin oder als Rezitatorin zu bedeuten hat. Jedenfalls kriegt sie für diese ihre Tätigkeit bezahlt, und wenn sie's nicht ziemlich nötig hätte, ließe sie es bestimmt sein. Gott - begnadet ist sie wenigstens nach dieser Richtung hin keineswegs.

Vekkentlicke Versammlung! Ellernbeiratswahl für die höheren Schulen Neuköllns Besuchen Sie unsere Versammlung am Freitag, den 4. Juni, 8 Uhr abends, in der Aula des Lyzeums I, Neukölln, Berliner Straße 16 Referent: Gen. Stadtrat Dr. Löwenstein Thema: Chrisllich>unpoli(lsch oderSchulaulbau"? LISTESCHULAUFBAU" Da diese Versammlung stark von Gegnern besetzt sein dürfte, ist es Pflicht sämtlicher Genossen, zu erscheinen

Heute muß eben jeder seh'n, wo er das Geld herkriegt. Besagter Prologus handelt wieder mal von der öfters besungenen deutschen Freiheit. Gott , was soll man denn auch reden? Schillern und Ioeten haben eben schon alles Vernünftige vorweggeschnappt. Und dieses Thema paßt schließlich immer für ein paar Leutchen. Wie sagt man doch bei uns so schön:.Laß doch det Kind die Bulette, et spielt ja bloß mit je!" Die Geisteskranke. Sie wühle nichts vom Tode. Ei» grauenhafter Anblick bot sich gestern Polizeibeamten, die noch dem Hause Stralauer Allee 26, in die Wohnung des 68 Jahre alten pensionierten Lokomotivführers Gustav Brandt gerufen wurden. Bewohner des 1. und 3. Stockes nahmen seit einigen Tagen einen unangenehmen Geruch wahr, der aus den Räumen Brandts im 2. Stock kam. Dieser bewohnte mit seiner 57 Jahre allen Frau seit vielen Jahren zwei Stuben und Küche. Da der Geruch immer ärger wurde, riefen die Nachbarn die Polizei des zuständigen Reviers. Die Beamten wurden nicht eingelassen, sie mußten mit Gewalt öffnen und sahen nun in dem Schlafzimmer Brandt tot und bereits bis zur Unkenntlichkeif verwest in seinem 3Zett liegen. In ihrem Bette, neben dem des Mannes, lag lebend die Frau, die seit vielen Jahren geisteskrank ist. Aus ihren ver- worrenen Angaben ist zu entnehmen, daß Brandt am 1. Psingst- sciertag einen Anfall von Atemnot>bekam, so daß er sich zu Bett legen mußte. Wahrscheinlich ist er bereits an diesem Tage an einem Schlaganfall gestorben. Frau Klara Brandt, geb. Randow, war bereits im Jahre 1913 eine Zeitlang in einer Anstalt in Schöne» berg, wurde dann aber entlassen, weil sie nicht gemeingefährlich war und weil ihr Mann sie in seine Obhut nehmen wollte. Brandt, der damals schon pensioniert war, besorgte seitdem den ganzen Haushalt. Er holte auch alles ein, was man für die Wirtschaft und den Lebensunterhalt brauchte. Die Frau hat in der ganzen Zeit die Wohnung nur selten verlassen, wenn ihr Mann mit ihr einen Spaziergang machte. Mein ging sie nie aus, weil sie sich nicht auf die Straße wagte. Da das Ehepaar keine näheren Bekannten hatte, so kümmerte sich niemand um sie. Frau Brandt glaubte in ihrer geistigen Umnachtung nicht, daß ihr Mann gestorben sei. Trotz der starken Verwesungserscheinungen hoffte sie immer noch, daß er sid) erholen werde. Seit Pfingsten lebte sie von den Vor- räten, die der Mann zuletzt eingekauft hatte. Die Leiche wurde beschlagnahmt und nach dem Schauhause gebracht. Frau Brandt kam aus 33eranlassung des Kreis-Medizinalrats in die Irrenanstalt Herzberge. Die Wohnung wurde vorläufig geschlossen.

Sravo, Herr Mtsgerichtsrat! Vor dem Amtsgericht Lichtenberg stand gestern der Bauunternehmer B. Er hatte gegen eine Polizeistrafe von 26 M. wegen groben Unfugs, der darin bestand, daß er ohne Grund das Ueberfallkommaitdo anrief, Einspruch erhoben. B. war an jenem Tage etwas angeheitert mit einer größeren Summe Geldes unterwegs. Ale er noch einmal in einer Gastwirtschaft ein- kehrte, fühlte er sich nach seinem Angaben von einem Manne ver- folgt. Anstatt den Gastwirt um Unterstützung zu bitten, rief er einfach das Ueberfallkommondo herbei. Als dieses eintraf und die Beamten sich erkundigten, sagte er nur:Seht euch vor, ich bin vom Großindustriellenverband. 3V«nn ich rufe, habt ihr� zu kommen." Di« Beamten stellten darauf sein« Personalien fest und B. erhielt eine P o I i z e i st r a f e von 26 M. zudiktiert. Die Zustellung des Strafbefshls schickte aber B. zurück, da sie an denArbeiter B." adressiert war. Später legte er gegen die Strafe Berufung ein. Vor dem Amtsgericht betonte' B. aleich: Mir ist egal, was Sie machen, Herr Rat. ich gehe weiter in die nächste Instanz." Der Vorsitzende oerbat sich darauf den anmaßen- den Ton.Eine Adressierung als Arbeiter wäre keine Beleidi- gung. Arbeiter sind wir letzten Endes alle und die Bezeichnung als Arbeiter tan nur als eine Auszeichnung gelten." Auf das großsprecherische Benehmen des Angeklagten hin beschloß das Gericht, die Strafe auf 46 M. zu erhöhen. Der Vorsitzende erklärte in seiner Ur- teilsbegründung, daß auch die Zugehörigkeit des Angeklagten zum Großindustriellenverbande ihn nicht davor schütze, hier behandelt zu werden w-e jeder andere._ Rund um den Müggelturm. Eine vogelkundliche Wanderung der Arbeitsgemein- schaftfürFor st schutzund N aturkunde E. V., Berlin . Friedrichshagen , nahm ihren Ausgang von der M ü g g e l» fähre und führte am West- und Südufer des Sees entlang auf- wärt, durch den Wald bis zum Müggelturm, wo zum Schluß die Jahresversammlung derArfo" abgehalten wurde. Der Frühling in seiner jungen Schönheit und strahlender Maiensonnenschein ver- sprachen ein gutes Gelingen der Fahrt. Die Nähe des Sees kündigte sid) schon in einiger Entfernung durch das lebhafteKoarl Koarl Koarl kiek kiek kiek" der Rohrspatzen an, die sich im Rohr bereits häuslich eingerichtet hatten, indem sie nahestehende Rohrhalme mit- einander verflechten, um in den Besitz einer Wiege für ihre Brut zu gelangen. Auf dem See tummelte sich eine größere Anzahl von Bläßhühncrn oder vielmehr-Hähnen, denn der weibliche Teil fast der gesamten Vogelwelt hat einstweilen wegen Ueberflusses an Fa- miliensorgen keine Zeit zum Ruhen in der Sonne. Alleinige Aus- nähme in dieser Beziehung gestatten sich die Kuckucks, die es aus- gezeichnet verstehen, ihre Sorgen ganz Unbeteiligten aufzubürden. Ueber das Bersammeltsein einer großen Anzahl wilder E r p e l machte der Führer interessante Ausführungen. Die Erpel müssen nämlich eine zweimalige Mauser durchmachen, bei deren einer sie selbst die Flügelfedern verlieren. Um ihrer Sicherheit willen suchen sie deshalb«in ruhig gelegenes Gewässer auf, bis sie sich wieder auf

o s khre Flugtüchtigkeit verlassen können. Dagegen mausert die Ente nur j einmal im Jahre. Die Frage nach den Nistvlägen der W i l d g ä n s e > gab Anlaß zu näheren Erklärungen über das Leben dieser Wasser» oögel. Es gibt zwei Arten Wildgänse. Die bei uns heimische brütet vorzugsweise im Luchgclände der Havel . Die Wildgänse dagegen, die im Spätherbst in der bekannten hakenförmigen Flugfigur in großen Schwärmen nach Süden ziehen, gehören der nordischen Art an und unterscheiden sich von den hier heimischen durch eine schwarze Schnabelspitze. Die Sprache der Gänse ist sehr modulationsfähig und wird dem, der sich mit ihrem Studium eingehender beschästigt, gewissermaßen verständlich. So soll ein allgemein bekannter Zoologe behauptet haben, er könne mit seinen Gänsen reden wie mit seiner Frau. Inzwischen versank die Sonne hinter den Waldbergen, und die verschiedenen M e i s e n a r t e n, die in den hohlen Weiden am Seeufer ihre Wochcnstuben eingerichtet haben, beeilten sich, für ihre vielköpfige Familie die letzte Tagesrate an Atzung herbeizuschaffen. Wen» die Teilnehiyer auch noch einen einsamen rotrückigen Würger erspähten, bei Prinzengarten Rotsd)wänzchen füttern sahen und sich am Lied einer Singdrossel erfreuen konnten, so mußte doch mit Be- trübnis festgestellt werden, daß der einstige Richtum unseres Vogel - lebens zu einem dürftigen Rest zusammengeschmolzen ist. Der Ur- fachen für die Verarmung unserer Landschaft gibt es mehrere, der Uebel größtes aber ist die Katze die Katze, die hier gehegt und gepflegt wie kein anderes Haustier und die doch so verwildert und entartet ist, daß die Ratten immer mehr zur Plage werden, während sich ein Vogel im Garten nicht sehen lassen darf.

Der Sprit-weber-prozeß. Streichholz oder Kurzschluß? Der Spritweber-Prozeß steht vor seinem Abschluß. Das Gericht hat den zahlreid)en 3Zeweisonträgen der Verteidigung stattgegeben. Ueber die Ladung des Reichsbankpräsidenten Dr.) acht muß es noch schlüssig werden. Vorläufig schreitet die Beweisaufnahme in bezug auf die Brandstiftung rüstig vorwärts. Je weiter, desto nervöser wird aber Hermann Weber. Vor einigen Tagen hatte er in einer momentanen Gesühlsauswallung sogar� einen Brief an den Vorsitzenden, Landgerichtsdirektor Dr. Schulze gerichtet, in dem er behauptete, daß dieser bereits im augenblicklichen Stadium des Prozesses bestimmte Feststellungen treffe. und das Material für seine Fragen aus geheimen Kanälen, die von dem Nebenkläger kämen, beziehe. Er erklärte ferner, daß er an der Gerichtsoerhandlung dieser Instanz nicht mehr aktiv teilnehmen wolle, da er von diesem Geridsi für sich keine Gerechtigkeit er- warte. Weber wird sich aber die Sache hinterher wohl überlegt haben, denn gerade in den letzten Tagen griff er besonders intensiv und aufgeregt in die Zeugenvernehmung ein. Ganz besonders hat es ihm"der Regierungsrat Haß angetan, der seinerzeit die Be­schlagnahme eines Teils der ihm in London auszuzahlenden Ver- ficherungssumme bewerkstelligt hat. So ruft er bei dessen Vernehmung dazwischen:Ich werde beweisen, daß Regierungsrat liaß bei den Schweinereien, die er mit den Engländern gegen mich eingeleitet hatte, schon von einer Brandstiftung gesprochen hatte." Und ein anderes Mal sagt er:Die Brandstiftung ist ja im Bureau des Rc- gierungsrats Haß entstanden." Der Zeuge, der Engländer Joes, bestätigte auch wirtlich, daß Regierungsrat Haß ihm angedeutet habe, daß er der Lersicherungsgefellsdiaft Material hinsichtlich der Vrandstiftung verschaffen wolle, falls der Zeuge ihn bei der Be- schlagnahme eines Teils der Versicherungssumme behilflich sein würde. Hermann Weber hat allen Grund, nervös zu sein. Die Beweis- aufnähme verläuft für ihn nicht sonderlich günstig. 3lllerdings sind die S a ch v e r st ä n d i g e n in ihrem vorläufigen Gutachten nicht imstande gewesen, eine präzise Antwort aus die ihnen vorgelegte Frage zu geben, ob das Feuer in Stahnsdorf durd) einen Kurzsdiluß, oder durch ein Streidiholz entstanden ist. Damals, sofort nach dem Brande, dachte ia niemand an eine Brandstiftung. Es hieß deshalb allgemein, daß das Feuer durch Kurzschluß verursacht worden sei. Um so belastender gestalten sich die Aussagen der Z e u g c n. So kann z. B. kein ein- ziger mit Ausnahme des Bruders des Angeklagten, des damaligen Lehrlings Adolf Weber, bezeugen, daß vor dem Brande größere ' Mengen von Sviritus angefahren worden seien. Eigentümlich er- scheint es auch, oaß dieser jugendliche Bruder des Angeklagten kurz vor dem Brande den früheren Lagerverwalter ersetzen mußte. Und obgleich dieser Lagerverwalter genau Bud) führie über alle Sprit- eingänge, wurde weder e r den Engländern vorgestellt, als die Frage über den Bestand des Lagers auftauchte, noch sein Buch herbei- geholt. Dafür figurierte aber die gefälschte Bestandaufnahme Beyers. Auch soll Weber der Versicherungsgesellschaft nichts über die Lagerung von Oel in Stahnsdorf gesagt haben. Ferner be- stätigt es sich, daß er von niemandem über seine eigene Anwesenheit während des Ausbruchs des Feuers in Stahnsdorf erwähnt hat. Daß er aber in Zahlungsschwierigkeiten gewesen sei, bestreitet er aufs entschiedenste. Er gibt allerdings zu, um Steueraufschub nach- gesucht zu haben; meint aber, dashabe selbst Stinnes getan", um einige Monate länger mit dem Gelde arbeiten zu können. So spricht verschiedenes gegen den Angellagten. Das Motiv zur Brandstiftung soll aber im Vcrsicherungsschwindel gelegen haben. Gestern wurde nun dem'Angeklagten Beyer der Untersuchungsrichter P u s ch gegenübergestellt. Beyer bestritt in der Gerichtsoerhandlung, vor dem Untersuchungsrichter ausgesagt zu haben, daß er für seine Mit- Wirkung am Versichernngsschwindel auf 16 666 M. gerechnet habe. Der Untersuchungsrichter bestätigte aber, daß er das gesagt habe. So wird Beyer zum gefährlichsten Belastungszengen. Die nächste Verhandlung findet am Donnerstag statt.

Landespfandbriefprozeft in zweiter Instanz. Vor der großen Strafkammer des Landgeridits I begann heute unter Vorsitz von Landgerichtsdirektor M a r s ch n e r die Be- rufungsverhandlung in dem Prozeß gegen die Direktoren der Landespfandbrief-Anstalt und das sogenannte Adelskonsortium. Das Schöffengericht Mitte hatte den ersten Di- rektor der Landespfandbrief-Anstalt Reh ring wegen Falsch- beurkundung und Urkundenunterdrückung zuje2Monaten Ge» f ä n g n i s, die umgewandelt wurden in 3666 M. Geldstrafe, ver» urteilt, den zweiten Direktor Lueders wegen der gleichen Vergehen an Stelle von je 6 Wodien Gefängnu, zu 3566 M., sowie wegen Betruges zu 1566 M. Geldstrafe venirtcilt. Die Angeklagten v. Etzdorf, v. Carlowitz und v. K a r st e d t wurden wegen Untreue zu je 9 Monaten Gefängnis sowie zu Geldstrafen von 16 666 bi? 36 666 M. verurteilt. Wegen der zu geringen Strafen hat die Staatsanwaltschaft Berufung ein- gelegt. Die Verteidiger der Angeklagten haben ebenfalls Be- rufung eingelegt. Für die Verhandlungen sind diesmal zwei bis drei Wochen in Aussicht genommen.

Ein schwerer Stroßenunsall ereignete sich heute mm gen kurz vor 9 Uhr an der Kreuzung Eisenbahn - und Wrongelftraße. Ein mit schweren Eisenträgern beladcner Lastkraftwagen der Firma R. Kirchhof. Neue Grünstraße 33, wollte rechts in die Wrangelstraße einbiegen und überfuhr hierbei den Postaushelier Gustav Stand- fest,'der mit seinem Rade gestürzt war. Das rechte Hinterrad ging ihm über den Leib, so daß der Tod auf der Stell« ein» trat. Die Schuld soll den Radfahrer selbst treffen, da er unvor- schrlftsmäßig auf der linken Seite fuhr. Der Mörder der Oberlehrerin Anna Franck, der Stallschweizer Kurt Nobis, der, wie wir mitteilten auch in Berlin gesucht wurde, ist gestern in Eilenburg in Sachsen gesehen und erkannt worden. Als er festgenommen werden sollte, tötete er sich durch einen Messer st ich in die Brust. Zugzusammensloß in Ehartres. Gestern abend um 6.46 Uhr ist ein von Paris kommender Personenzug auf dem Bahnhof von Ehartres mit einem Güterzuge z u s a m m e n g e st o ß e n. Es wurden 15 Personen leicht, die beiden Zugführer schwer verletzt.