Abendausgabe
Nr. 263 43. Jahrgang Ausgabe B Nr. 129
Bezugsbedingungen unb Anzeigenpreife And in ber Morgenausgabe angegeben Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-29% Tel.- Adresse: Sozialdemokrat Berlin
Vorwärts
Berliner Volksblatt
10 Pfennig
Montag
7. Juni 1926
Berlag und Anzeigenabteilung: Gefchäftszett 9-5 Uhr
Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin S. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297
€
Ein Auftakt zum Volksentscheid.
Landtages ergeben:
•
20
Die Landtagswahlen in Medlenburg- Schwerin,| folgende Zusammensetzung des zukünftigen medlenburgischen Die am Sonntag stattfanden, standen ganz unter dem Zeichen: Weg mit der Landbund Regierung! Das Ergebnis der Abstimmung zeigt auch eine vernichtende Niederlage der bisherigen Regierung Brandenstein und der sie stützenden Parteien.
Es wurden bis 1 Uhr mittags gezählt:
Sozialdemokraten
Rommunisten
.
•
Demokraten.
Deutschnationale
•
Böllische( Graefe)
Rationalsozialisten( Sitler)
Wirtschaftspartei
Mieterpartei
.
•
Sozialdemokraten Demokraten. Kommunisten
Mieterpartei.
Wirtschaftspartei
6. Juni: 17. febr. 1924
Deutschnationale
105 619
74 924
Bölkische( Gräfe)
•
17 681
44 765
8102
11 788
59 746
95 176
21 973
23 962
24524)
63 511
15 902
5122
7 296
4372)
-
Es fehlen noch die Ziffern aus elma 180 fleinen länd lichen Bezirken, die an dem Gesamtbild dieser Wahlen nichts mehr ändern dürften. Es ergibt sich also, daß die bisherigen Regierungsparteien( Deutschnationale, Deutsche Boltspartei und die Bölkischen beider Fraktionen) rund 72 000 Stimmen, das sind etwa zwei Fünftel ihres Bestandes bei den letzten Landtagswahlen vom Februar 1924 perloren haben! Nicht nur der völkische Zusammen. bruch liegt auf der Hand, sondern auch die Deutschnationalen find fast bis auf die Hälfte ihrer Stimmenzahl gefunken. Noch schlimmer ist der Rückgang der Kommunisten, die von 44 765 bei der letzten Landtagswahl unter dem Einfluß der Inflation gewonnenen Wählern nur noch rund 17 000 bei der Stange halten fonnten.
-
Die Sozialdemokratie dagegen hat einen glänzenden Erfolg zu buchen. Sie hat bei der allgemein schwachen Bahlbeteiligung es dürften insgesamt nur 60-70 vom Hundert der Wähler zur Abstimmung gegangen sein ihre Stimmen von der letzten Reichtagswahl( 108 506) fast restlos erreicht, die Stimmenziffer von der letzten Landtagswahl aber uum ein Drittel erhöht. Ihre Wähler find also in verhältnis. mäßig vielstärterer 3a hl zur Urne geschritten, als die jämtlicher anderer Parteien und Gruppen. Das ist ein neuer Beweis dafür, daß nach den wirtschaftlichen und politischen Birren der Inflationsperiode die völkisch nationale wie die fommunistisch- bolfchemistische Dema= gogie ihre Wirkungstraft eingebüßt hat und daß die in der Sozialdemokratie lebendige praktische Arbeit für das Bolt auf bie Dauer nicht zurückgedrängt werden fann.
"
Der ganz offenfundige Rud nach links, der in diesen Bahlziffern zum Ausdrud tommt, ist besonders eindringlich nach dem skandalösen Reichsbannerprozeß von Grevesmühlen , nach all den Heldentaten der Roßbachgarden und sonstigen Arbeitskommandos". Er wird aller dings ein wenig verschleiert durch die Splitterparteien, die in dem fleinbürgerlichen und fleinbäuerlichen Teil des Landes fich entwickeln fonnten. So nahm eine Mieterpartei", die als Gesellschaft für Volkswohlfahrt" firmierte, den Brandenfteinern rund 7000 Stimmen ab, und die Wirtschaftsgruppe fonnte ebenso von den Deutschnationalen rund 10 000 Stimmen gewinnen.
Db aber diese Splitterparteien für die praktische Auswirkung des Boltswillens in Frage kommen, wird sich erst nach endgiltiger Feststellung der Mandatszahlen zeigen müssen. Nach den bisher vorliegenden Zahlen werden als gewählt zu betrachten sein:
Sozialdemokraten Demokraten
Mieterpartei
Wirtschaftspartei
Kommunisten.
Deutschnationale
•
1339
17 bisher 15
1
2
0
1
9
19
4
5
5
13
M
Zusammen 43 bisher 64
Böllische und Nationalsozialisten
Bei dieser
•
223132514S
Zusammen 50
Es ergibt sich also ganz eindeutig, das die bisherigen Regierungsparteien statt 37 nur insgesamt 21 behalten haben, selbst wenn man Böltische und Nationalfozialisten, die Brandenstein gegen ihren Willen zum Sturz brachten, noch zu den Regierungsparteien rechnen wollte. Diefen 21 stehen allein 20 Sozialdemokraten, 2 De motraten, 1 Mieterparteiler, 3 Wirtschaftsparteiler, das find 26 gegenüber. Die Kommunisten find in Mecklenburg ebensowenig wie anderswo in eine politische Rechnung einzubeziehen. Daß die Landbund- Regierung Brandenstein durch den Spruch des Boltes erledigt ift, liegt flar zu tage. Es wird aber im wesentlichen von den Splitterparteien abhängen, ob sie aus ihrer eigenen Agitation, die sich hauptsächlich gegen die Rechtsregierung wandte, und aus dem unzweideutig bekundeten Willen des Boltes den Willen zur Schaffung einer Lintsregierung ableiten wollen. Die Sozialdemokratie wird der offenen Vertrauensfundgebung der metlenburgischen Wähler Rechnung tragen und von sich aus versuchen, eine tragfähige Regierung zu schaffen.
Schaumburg- Lippe gegen Anschluß.
Das Ergebnis des Volksentscheides.
Büdeburg, 7. Juni. ( WTB.) Borläufiges Endergebnis der Abstimmung über die Frage des Anschluffes von Schaumbbrg- Lippe an Preußen: Es wurden abgegeben 9858 Stimmen für den Anschluß an Preußen und 11 288 gegen den Anschluß an Preußen. 132 Stimmen sind ungültig.
*
Damit ist der Anschluß an Preußen dank der Gegenagitation der Belfen abgelehnt. Eine andere Frage ist, wie das Ländchen mit feinen 40 000 Einwohnern seiner Finanzschwierigkeiten Herr werden will, wenn es sich auch weiterhin den Lurus einer eigenen Regierung gestattet.
Herabsehung des Diskontsatzes.
Die Reichsbant hat den Distonijah von 7 auf 6% Pros und den Lombardzinsfuß von 8 auf 7% Proz. herabgesetzt.
Schweres Bergwerksunglück bei Halle.
Halle, 7. Juni. ( TU.) Ueber Halle ging heute früh ein furchtbarer Wolfenbruch nieder, der in der ganzen Gegend große Zerstörungen angerichtet hat. Heute vormittag 11 Uhr ereignete fich in Bruddorf auf der Braunfohlengrube„ Alwine" infolge der anhaltenden Regengüffe ein schweres Unglüd. Infolge eines Dammbruches wurden alle Streden und Zugänge überfchwemmt. Sämtliche Bagger wurden vernichtet.
Die Zahl der Todesopfer fonnte noch nicht festgestellt werden, da eine Kontrolle erst beim Schichtwechsel heute abend um sechs Uhr vorgenommen werden kann. Das Wert muß mindestens ein halbes Jahr stillgelegt werden. Falls die Regengüffe noch weiter anhalten, ist mit weiteren Ver
heerungen zu rechnen.
Unsere Mitteilungen über den Briefwechsel Loebell Hindenburg und seinen geplanten Mißbrauch durch Herrn v. Loebell beschäftigen die heutige Berliner Morgenpreffe be greiflicherweise höchst angelegentlich. Die„ Berliner Montagspoſt" meldet zu ihnen:
Die Umgebung des Reichspräsidenten ist von der Absicht, einen Privatbrief Hindenburgs in den Mittelpunkt des Rampfes um den Volksentscheid zu stellen, peinlichst be rührt. Wenn am geftrigen Sonntag bei Loebell noch nicht Versuche eingesetzt haben, die Veröffentlichung zu unterlassen, so nur, weil der Leiter des Bureaus beim Reichspräsidenten, Staatssekretär Meißner, fich nicht in Berlin aufhält.
Der Montag- Morgen" schreibt:
Reinesfalls fehlt es an Mitteln, um den Plan des Herrn von Loebell, die Person des Reichspräsidenten in den Kampf um den Voltsentscheid hineinzuziehen, zu verhindern. Der Brief des Reichspräsidenten genießt, wie jeder Brief, der eine persönliche Auffassung zum Ausdruck bringt, den Schuß des Urheberrechts. Jedes Berliner Gericht wäre auf Antrag des Reichspräsidenten verpflichtet, durch eine einstweilige Verfügung Herrn von Loebell, sowie dem Herausgeber und dem Drucker der Zeitschrift und der Flugblätter die Beröffentlichung des Hindenburg - Briefes unter Androhung schwerer Geld- und Freiheitsstrafen zu untersagen. Auch eine Befchlag nahme etwa bereits gebrudter Exemplare fönnte der Reichspräfident
erwirfen.
Die„ Rote Fahne " weiß es, wie immer, natürlich viel beffer als der„ Borwärts". Sie fennt zwar die Briefe nicht, aber sie weiß genau, was los ist:
Das ist die Androhung der unverhüllten Diktatur Hinden
|
Boltsentscheids und das sich hierauf gründende Ausführungsgefeß vorliegt und die Frage der Bollziehung der Gefeße an mich herantritt." Das ist ein staatsrechtlich volltommen forretter Standpunkt.
Der„ Montag" des Herrn Hugenberg schreibt schließlich: Jedenfalls muß angesichts diefer Politit des Borwärts" prinzipiell darauf hingewiesen werden, daß dem Reichspräsidenten als Privatperson unbedingt das Recht zusteht, sich zu einer politischen Frage in einer ihm geeigneten Form zu äußern. Die Vermutung, daß Herr v. Loebell den angeblichen Brief des Reichspräsidenten gegen den Willen des Herrn v. Hindenburg ver öffentlichen wird, ist eine so plumpe Unterstellung, daß sie für jeden, der die politische Persönlichkeit des Herrn v. Loebell kennt, feiner Zurückweisung bedarf.
" Der Montag" unterstellt damit Herrn v. Hindenburg , daß er die Veröffentlichung seines Privatbriefs an Loebell wünsche, das heißt, er mutet ihm eine grobe Unforrektheit zu. In den einleitenden Zeilen seines Briefes heißt es: Ihrer Anregung, zu dem Volksbegehren auf Enteignung der Fürstenvermögen in einer öffentlichen Rundgebung Stellung zu nehmen, vermag ich aus staatsrechtlichen, sich aus der verfassungsmäßigen Stellung des Präsidenten des Deutfchen Reiches ergebenden Gründen nicht zu entsprechen." Und trotzdem soll der Reichspräsident Herrn v. Loebell ermächtigt haben, sein privates Schreiben durch Veröffentlichung in eine öffentliche Rundgebung zu verwandeln? Damit würde doch Herr v. Hindenburg sich selber ins Gesicht schlagen.
Für das Blatt des Herrn Hugenberg ist es tennzeichnend, daß es, nur um seinen Loebell zu retten, sich nicht scheut, den Reichspräsidenten in ein schiefes Licht zu bringen. Wir können nur wiederholen: Daß Herr v. Hindenburg
der letzte Landtag, furz vor seinem Auseinandergehen, be- burgs. Mit seinem Brief an Loebell hat sich Hindenburg ein Gegner der entschädigungslosen Fürstenenteignung ist, schlossen hatte, die Mitgliederzahl des Landtages in der Weile an die Spike der Boltsentscheidsfeinde gestellt, er wundert uns nicht. Daß er diese Gegnerschaft in einem
zu verkleinern, daß auf jeden Abgeordneten statt bisher 5000 in Zukunft 6000 Stimmen entfallen müffen. Jedoch soll der Mindestbestand von 50 Abgeordneten auf jeden Fall gesichert werden. Bei der schwachen Wahlbeteiligung besonders auf den Dörfern, wo bisher der Landbund herrschte, ist nun diese Mindestziffer nicht erreicht. Es wird also eine nachträgliche Herabsegung des Wahlquotienten in der Richtung erfolgen, daß auf die Reftftimmen die fehlenden Abgeordnetenmandate perteilt werden.
Boltes nicht durchgeführt werde, solange er proflamiert, daß ber Bille bes werftätiger Reichspräsident sei. Run, das werftätige Bolt nimmt den Rampf auf, gegen die fürstlichen Räuber, gegen die Berteidiger ihres Raubes, gegen den Diktator Hindenburg , Raubes, gegen den Diftator Hindenburg ,
In Wirklichkeit hat es der Reichspräsident abgelehnt, eine derartige Rundgebung zu erlaffen, die Herr v. Loebell von ihm gefordert hat. Er schreibt an Loebell: Was die von Ihnen berührten, im weiteren Verlauf der Dinge von mir Legt man den bisherigen Stimmzahlen eine Berechnung persönlich zu treffenden Entscheidungen anlangt, so muß zur Berteilung der Mandate zugrunde, um bei verminderten ich mir wie es die Verfassung porsieht meine Quotienten mindestens 50 Mandate zu erzielen, so würde sich Entschließung vorbehalten, bis das Ergebnis des
-
Daß er es ablehnte, eine öffentliche Kundgebung zu er Brivatbrief an Loebell zum Ausdruck brachte, war unvorsichtig. lassen, ergibt sich aus dem Wortlaut. Daß er trobem mit der Beröffentlichung dieses Briefes einverstanden sein soll, erscheint als widersinnig. Von diesen Voraussetzungen ausgehend, stehen wir nicht an, das Verhalten des Reichspräsidenten als staatsrechtlich forrekt zu bezeichnen.
An amtlichen Stellen ist man, wie mir hören, von den Mitteilungen des Vorwärts" überrascht. Herr v. Hindenburg meilte heute vormittag noch in der Schorfheide, auch Staatssekretär Dr. Meißner ist verreift.