Nr. 272 43. Jahrg. Ausgabe A nr. 139
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Sonnabend, den 12. Juni 1926
Kube im Lustgarten!
12 blogist Und Sodenstern
.
sein Wikingbund dann diesen Putsch niederschlagen und im Berfolg dessen die nationale Dittatur" aufrichten fönnten. Das sind also die„ Führer des nationalen Deutsch lands ", die am Sonntag die vaterländischen Heerscharen beglücken sollen.
Gestern hat der Reichstag die Immunität des völkischen| gerufen werden könne. Selbstverständlich nur, damit er und Abgeordneten Kube aufgehoben, um die Möglichkeit zu geben, daß das gegen ihn schwebende Berfahren wegen Anstiftung zum Fememorde burchgeführt merden fann. Zu gleicher Zeit fonnte man bereits einen Aufruf der sogenannten Baterländischen Berbände lesen, nach dem bei der ,, vaterländischen" Kundgebung gegen den Boltsentscheid dieser selbe Abgeordnete Rube neben dem Major v. Sodenstern am Sonntag die Ansprachen halten werde, die das ,, nationale Deutschland " augenblicklich besonders notwendig hat. Die beiden werden ausdrücklich als „ Führer des nationalen Deutschlands "
in der Hugenberg- Presse gepriesen.
Schon einmal haben die Vaterländischen ihre Massen" Schon einmal haben die Vaterländischen ihre Massen" aufgeboten, um für die Fürsten gegen das Volk zu demonstrieren. Damals wurden sie in ganz Berlin aus= gelacht und ausgepfiffen. Jetzt gelüftet ihnen nach höherem Ruhm. Deshalb wollen sie im Lustgarten sich verfammeln, nachdem vorher ihre Trüppchen durch die Straßen der Stadt gezogen sind, selbstverständlich unter ebenso starkem polizeilichen Geleit wie vor Pflingsten. Wieder einmal wird die ganze Polizei Berlins aufgeboten werden, um die paar tausend Fürstenknechte vor dem Unwillen des Bolkes zu schützen; aber feine Zeile in der Hugenberg- Bresse deutet darauf hin, daß man jegt wie zu Pfingsten die Schutzpolizei beamten um entgehenden Urlaub beflage! Dafür wird man v. Sodenstern und Kube sich über die nationalen Belange" aufflären laffen.
Rube ist der Mann, der neben Wulle von GrütteLehder mit sehr eindeutigen Angaben der
Anstiftung und Begünstigung zum Fememorde an dem Leutnant Müller- Dammers bezichtigt worden ist. Sodenstern ist jener, der nach Angaben Mahrauns in einer Konferenz ,, vaterländischer" Führer der Sehnsucht nach dem Kommunisten putsch Ausdrud gegeben und gefordert hat, die industriellen Unternehmer müßten hun derttausende von Arbeitern auf die Straße werfen, damit der Kommunistenputsch leichter hervor.
Scheidet Brasilien vollständig aus?
Eine scharfe Note in Genf überreicht. Genf , 11. Juni. ( Eigener Drahtbericht.) Das Bölferbunds fekretariat veröffentlicht am Freitag abend eine am Donnerstag überr gebene Note der brasilianischen Regierung an den Bölkerbundsrat, die im Gegensatz zu der in allgemeinen hiftorischen und politischen Betrachtungen gehaltenen Rede des brasilianischen Bertreters sich in schärffter kritit gegen die Großmächte richtet. Dem Argument, daß nur die Großmächte ständige Ratssige erhalten wollen, wird u. a. die Frage entgegengehalten,
warum denn Deutschland ein solcher Sih angeboten wird, obwohl ihm durch den Versailler Vertrag verboten sei, sich eine starte Land- und Seerüstung zu schaffen. Die Entwicklung, die der Bölkerbund mit der von der Studienkommission beantragten Reorganisation des Rates nehmen und die als eine Berletzung des Völkerbundpaktes bezeichnet wird, sei ausgesprochen auf die Intereffen der europäischen Großmächte zugeschnitten und geeignet, den Völferbund von einer Weltinstitution zur Wahrung des Friedens und der Gerechtigkeit zu einer solchen der Gewalt zu der feinerzeitigen Heiligen Allianz umzuwandeln. Die Einführung der mit Zweidriftelmehrheit wieder wählbaren, nichtständigen Rats mitglieder wird mit besonderer Schärfe verurteilt, weil diese Ratsmitglieder damit zu eigentlichen Stimmvajallen der Großmächte würden.
An einigen Stellen wirbt die Note sichtbar um den Beifall der Bereinigten Staaten. Abschließend wird dann, wie in der Rede Mello- Francos, der Rücktritt Brasiliens von seinem Ratssih angekündigt, und zwar mit dem Vorbehalt, zu gegebener Zeit auch den Entschluß mitzuteilen, daß Brasilien auf die Ehre, dem Bölkerbund anzugehören, verzichtet.
Am Donnerstag hatte Mello- Franco in seiner mündlichen Erklärung den Austritt Brasiliens aus dem Völkerbund r at, nicht aber aus dem Völkerbund überhaupt angekündigt. Die am Freitag überreichte Note spricht nun auch vom Austritt aus dem Völkerbund, allerdings nicht in absolut definitiver Form.
Es hat keinen Zwed, fich mit den einzelnen Argumenten der brasilianischen Note auseinanderzusetzen. Denn auch da, wo sie einen Rern von Wahrheit enthält, läßt sich darauf erwidern, daß Brasilien über sechs Jahre lang dem Bunde und feinem Rat angehört hat,.ohne daß es Gelegenheit nahm, mit seinen z. T. richtigen Ansichten hervorzutreten. Andere Bundesmitglieder, vor allem die fleinen neutralen Staaten sind in dieser Beziehung viel energischer gewesen und haben
Es wird wirklich eine luftige Gesellschaft im Lustgarten geben. Wir zweifeln zwar nicht, daß der Aufmarsch genau jo täglich sein wird, wie jener vor einigen Wochen. Nichtsdestoweniger aber bedeutet er eine
starte Zumutung an die Disziplin des republikanischen Berlins ,
um so mehr, als die beiden Hauptredner zu den offenen Propagandisten der Diktatur und des Putsches gehören. Sodenstern, der Vertrauensmann des Wiking und seines Oberhirten Ehrhardt, ist gleichjeitig Leiter der Deutschen Zeitung", die erst in der Freitag- Morgenausgabe wieder einmal ganz offen für die Kampffront der Entschlossenen" eintritt, die die Kanaille nur mit der Beitsche bändigen" will und davon spricht, daß der„ Auseinandersehung, die Opfer fordert, nicht mehr auszuweichen" ift.
Der Bürgerfriegsapoft el Sodenstern und der unter dem Berdacht der Anstiftung zum Fememorde stehende Kube- die„ Führer des nationalen Deutschlands " follen am Sonntag die Hauptreden halten. Das ist zwar an Herausforderung gerade genug. Trotzdem aber Trotzdem aber gewohnt sind ,,, nur mit der Beitsche gebändigt" zu werden, werden die Berliner diesem Aufzug der Fürstenknechte, die nicht anders begegnen, als wie vor einigen Wochen: Sie werden sie auslachen!
Am Montag abend jedoch wird das arbeitende, das sozialdemokratische, das republitanische Berlin aufmarschieren, um mit einem flammenden Bekennt nis zur Republik den festen Willen zu befunden, dem Bolts entscheid zum Siege zu verhelfen. Und dieser Montag wird andere Massen sehen, wie die Jammerscharen derer von Dels und Doorn .
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Der Papst gegen die Bischöfe.
Katholische Lehre und Fürstenenteignung.
Bon tatholischer Seite wird uns geschrieben: Die Kundgebung der deutschen Bischöfe ist geeignet, den tatholischen Boltsteil in schwere, nicht begründete Gewissense nöte zu bringen. Deshalb bedarf die Zentrumsparole zum Volksentscheid ebenso wie diese Kundgebung einer tritischen Würdigung nicht vom politischen, sondern vom religiösen Standpunft aus. Denn rein politisch ist diese Parole unver ständlich, es müßte denn sein, daß man die Tuchfühlung" nach feiner Seite verlieren möchte, eine auf die Dauer
unhaltbare Taktik.
jeher umstritten. Aber nicht auf die Theorien der ältesten Der christliche Eigentumsbegriff war von Zeit soll zurückgegriffen werden, sondern auf jene grundlegende päpstliche Kundgebung, welche gewissermaßen einen historischen Abschnitt bildet, auf die Enzyflifa ,, Rerum novarum " des Papstes Leo XIII. vom 15. Mai 1891, jene Kundgebung, welche ohne Zweifel als ein Markstein in dem sozialen Ringen gewürdigt werden muß. Papst Leo XIII . stellt das Besizrecht des Men fchen über alle anderen Besitzrechte, wenn er sagt:
,, Der Mensch ist älter als der Staat, und er besaß das Recht auf Erhaltung eines förperlichen Daseins, ehe es einen Staat gegeben. Daß aber Gott der Herr die Erde dem ganzen Menschengeschlecht zur Nutznießung übergeben hat, dies steht nicht dem Sonderbefize entgegen. Denn Gott hat die Erde nicht in dem Sinne der Gesamtheit überlassen, als sollten alle ohne Unterschied
Herren über dieselbe sein, sondern insofern, als er ſelbſt keinem Menschen einen besonderen Teil zum Befih angewiesen, vielmehr
den Fleiß der Menschen und den von den Völkern zu treffenden Einrichtungen die Abgrenzung und Verteilung des Privatbesizes anheimgegeben hat."
Was folgt hieraus? Zunächst: das Besitzrecht des Menschen ist älter als die vermeintlichen Besitzrechte der Fürsten , die ihre Besigtitel mit dem Staate verbanden. Das Privateigentum muß eine Frucht der Arbeit sein. nur durch Arbeit kann Privateigentum entstehen! Ber fann behaupten, daß der Fürstenbesig eine Frucht der Fürstenarbeit sei? Wenn die Fürsten durch eigene Arbeit ihren Besitz hätten erwerben müssen, dann hätten sie in Armenhäusern, nicht in Schlössern sigen müssen. Der Fürstenbesitz ist zustandegekommen auf dem Wege der Gewalt, mit den Blutopfern der Völker und zu einem geringen Teil auch durch Schenkungen. Reines von diesen aber begründet nach der flaren Lehre Leos XIII. Privatbefiz. Eine dritte Folge: der Papst anerkennt ausdrücklich, daß den Völkern durch die zu treffenden Einrichtun gen die Abgrenzung und Verteilung des Privatbesizes anObwohl durch diese Note der Konflikt zwischen Brasilien heimgegeben ist. Selbst wenn also ein Privatbesig" zuund dem Völkerbund verschlimmert worden ist, so ist das ſtandegekommen wäre, so ist ausgesprochen, daß die Böltette Wort der Regierung von Rio de Janeiro noch nicht teilung zu regeln. Wie viel mehr besteht dieses Recht, fer das Recht haben, die Abgrenzung und Vergesprochen, ja, wie es scheint, sogar mit Absicht vermieteilung zu regeln. Wie viel mehr besteht dieses Recht, den. Deshalb täten die Mächte gut daran, auf Polemiken wenn Privatbesig nicht in Frage kommt. zu verzichten und umgekehrt, feine diplomatischen Anstren- eine Rede davon sein, daß der Katholik im Gewissen gungen zu scheuen, um Brasiilien bis zum September wieder verpflichtet sei, gegen die Enteignung der Fürsten zu stimmen umzustimmen, damit es im Bölkerbund bleibe und in oder sich der Abstimmung zu enthalten. den Rat zurückkehre.
manch ein offenes Wort gewagt, während Brasilien schwieg. Aber gerade diese kleinen neutralen Staaten sind es, die sich im März am schärfften gegen Brasiliens Ansprüche und gegen seine obstruktionistische Haltung wandten.
Es kann also
Die päpstliche Lehre erschöpft sich aber nicht in diesen Ganz besonders Deutschland hat keinerlei Interesse Grundfäßen. Eines ihrer wesentlichsten Bestandteile ist die daran, daß sein Eintritt zum äußeren Anlaß für den Austritt tums, Die katholische Lehre verlangt ausdrücklich die VerFrage der Verwendung des Privateigen. eines anderen Landes werde. Obwohl es ganz schuldlos wendung des Besizes mit Rücksicht auf die letzten Ziele. an der Mißstimmung Brasiliens und Spaniens ist, so würde Leo XIII . sagt:" Fragt man nun, wie der Gebrauch des das erfreuliche. Ereignis seines endlich erfolgten Eintrittes durch den Makel unerfreulicher Begleiterschei Besizes beschaffen sein müsse, so antwortet die Kirche mit dem nungen beeinträchtigt werden. Das gilt besonders für bl. Thomas:" Der Mensch muß die äußeren Dinge nicht wie Spanien , mit dem das deutsche Volk nur die besten Be- ein Eigentum, sondern wie gemeinsames Gut be ziehungen zu unterhalten wünscht, aber auch für Bra- trachten und behandeln, insofern nämlich, als er sich zur Mitlilien, das sich offenkundig einer bloßen Prestigefrage teilung an Notleidende leicht verstehen soll. Es ist seliger wegen verrannt hat.
Schon wieder Pfundrekord in Paris . Paris , 11. Juni. ( T2) Das Pfund Sterling notierte bei Börsenschluß 168,10, der Dollar 34,57.
Laß Dich nicht verblüffen!
Die Frage lautet: Bist Du für die entschädigungs lofe Enteignung? Du willst die Enteignung- das bestätigft Du durch ein Kreuz im Ja- Feld auf dem Abstimmungszettel.- Der Zettel muß so aussehen:
Soll der im Volksbegehren verlangte Entwurf eines Gefeges über Enteignung der Fürstenvermögen Geseh werden?
*(+
Nein
geben, als nehmen."
Die Fürsten scheinen allerdings der Ansicht zu sein, daß nehmen mehr Anwartschaft auf die Seligkeit gibt als Geben. Gerade die unmoralische Verwendung des Besizes verpflichtet dennoch den Katholiken, dafür zu sorgen, daß dieser Besitz wirklich für die Notleidenden ver wendet wird.
Leo XIII . geht noch weiter. Aus vier Thesen der Enzyklika ergibt sich klipp und klar, daß für den Kafholifen nicht nur fein hindernis, sondern die Pflicht besteht, für die Enteignung zu stimmen. Erstens: der Bapst verpflichtet den Staat, für die notleidenden Familien zu sorgen:
,, Wenn sich eine Familie in äußerster Not und in verzweifelter Cage befindet, daß sie sich in keiner Weise helfen kann, so ist es der Ordnung entsprechend, daß staatliche Hilfeleistung eintrete. Die Familien sind eben Teile des Staates. Ebenso hat die öffentliche Gewalt einzugreifen, wenn innerhalb der häuslichen Mauern erhebliche Berlegungen des gegenseitigen Rechtes geschehen: Uebergriffe in Schranken weisen und die Ordnung herstellen, heißt dann offenbar nicht die Befugnisse der Familie und die Individuen an sich reißen; der Staat befestigt in diefem Falle die Befugniffe der Einzelnen, er zerstört fie nicht."