Einzelbild herunterladen
 

Nr. 282 43.Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Freitag, 18. Juni 1926

t

Fürftenliebchen

-

Sicher, wir haben gar nicht gewußt, was so alles zu den wohl­erworbenen Rechten" unserer teuren Landesväter gehörte. Zu unserem Erstaunen haben wir z. B. fürzlich erst erfahren, daß für die Mätreffen der fürstlichen Herren der Staat zu sorgen hat; wenn er absolut die Erbschaft der Fürsten   antreten will, dann soll er auch merken, was das heißt! Der Erbe haftet für die Schulden des Erb­laffers, und jeder Arbeiter ist seines Lohnes wert. Warum soll da die fürstliche Mätreffe auf die Bezahlung der geleisteten Liebesdienste verzichten! Und wahrhaftig, wir wissen noch gar nicht, wie gut wir es haben. Die Damen, die bisher gegen die Republif flagbar ge­worden sind, waren immerhin noch recht bescheiden mit ihren An­fprüchen, so zu sagen, wie sich das für das bürgerliche Zeitalter ge­ziemt. Früher, in der guten alten Zeit... Es mag manchem übrig erscheinen, von den ollen Kamellen" zu erzählen. Aber wir wollen nicht vergessen, daß die Auswirkungen der guten alten Zeit bis heute dauern. Das Geld, das die fürftlichen Mätressen verpraßten, ging dem Lande verloren, der fulturelle Aufstieg Deutschlands  , der durch den Dreißigjährigen Krieg ohnehin unterbrochen worden war, wurde durch die wahnsinnige Berschwendung auch der fleinen und fleinsten Botentätchen, die durchaus das Vorbild des großen Ludwig XIV.  nachahmen mußten, weiter hintangehalten. Das Geld für diese Lieb. habereien gewannen diese geflicten Lumpentönige aus der schamlose ften Berfchacherung ihrer Stimmen bei den Reichstagen, aus dem Ber. tauf aller Staatsämter( die sich in der Bedrückung des armen Boltes meiter auswirfte), aus ungeheurem Steuerdrud und aus der Ber  Schacherung ihrer Landestinder als Soldaten. Und es sigen noch heut Abelsgeschlechter auf großen Gütern, die ihren Besitz und ihre Herkunft den Liebesdiensten" ihrer Ahnfrau verdanken.

Die schöne Gießerin.

Unter Joachim II.  ( 1535 bis 1570) war Anna Sydow  , die Witwe des Artilleriehauptmanns und furfürstlichen Stücgießers, in Bran­ denburg   allmächtig. Sie besetzte selbst die höchsten Staatsämter, fie vergab die freigewordenen Lehen und veranlaßte den Kurfürften fogar, Mir ein mehrfach versprochenes Lehen denen ihrer Kreaturen. die es nachher nicht bekamen, Entschädigungen zu zahlen. So foftete Das freigewordene Lehen derer v. Ziegejar dem Kurfürsten 50 000 Taler solcher Entschädigungen, eine damals ungeheure Summe.

9]

Der Wobbly..

Bon B. Traven.

Copyright by Buchmeister- Berlag, Berlin   und Leipzig  . Diese ehelichen Zwiegespräche wurden in den nächsten Tagen nicht nur heftiger, sondern auch häufiger. Sie füllten das ganze Tagesleben der beiden Doug aus und zogen fich die ganze Nacht hin, während die beiden nebeneinander im Bett lagen. Dadurch lernten wir das ganze Leben der beiden fennen, von dem Tage an, wo sie geboren wurden, bis zu ber Stunde, wo fie sich im Bett schlugen, Lampen und Wasch schüsseln und Nachttöpfe zerhämmerten. Das alles hatte ihr Freund, der Polizeiinspektor verursacht. Sie aber behaupteten, die junge Organisation, das Syndikat der Hotel- und Restaurantangestellten" sei schuld. Nicht schuld an den ehe­lichen Liebesgesprächen, wohl aber an der allmählichen Ver. Schiebung der Machtverhältnisse im Lande.

Als sie beide jenes Stadium erreicht hatten, in dem sie mit der Absicht umging, ihm Rattengift in den Kaffee zu mischen, und er die ganze Nacht hindurch an das Rasiermesser dachte, mit dem er ihr die Kehle durchschneiden wolle, bewies er, daß der Mann der Frau überlegen ist.

Er ging zum Polizeidirektor und fragte, was zu tun fei, um die zweimonatige Schließung des Lokals aufzuheben. Der Polizeidirettor sagte ihm, daß er da gar nichts tun tönne; die Schließung sei für zwei Monate angeordnet, der Gouver neur habe es bestätigt, und ehe die zwei Monate nicht vorüber feien, tönne er nicht wieder öffnen.

Dann bin ich bankrott," sagte Señor Dour. Und dann haben die Kellner und Bäcker feine Arbeit mehr.

Machen Sie sich nur darum feine Sorge, Señor," er miderte der Direktor, solange Leute Brot effen wollen, so lange werden auch Leute, die Brot baden, Arbeit finden, und solange jemand im Café fizen und Erdbeereis Löffeln will, wird man auch Kellner verlangen, die es ihm auf den Tisch ftellen. Das fehen Sie ja an der La Moderna", die ist jegt immer gut besucht. Alle Ihre Gäfte find da. Aber ich tann nichts tun. Das Lokal ist geschlossen und es bleibt zwei Monate gefchloffen."

Am Nachmittag diefes Tages traf Señor Dour den

Morales.

Hören Sie, Morales, ich will alles bewilligen," fagte thm Dour in befcheidener Ansprache ,,, tönnen Sie nicht dafür forgen, daß mein Lotal wieder aufgemacht wird?"

Die Tochter der schönen Gießerin machte Joachim zur Gräfin v. Arneburg   und verlobte sie mit einem Grafen Eberbach  . Zur Hochzeit kam es freilich nicht, der Kurfürst starb, und trotzdem der Kurprinz Johann Georg   seinem Vater förmlich hatte schmören müssen, Anna Sydow   stets zu schüßen und ungetränkt im Besiz aller ihrer Güter zu lassen, ja, darüber sogar eine Urfunde existierte, wurde die schöne Gießerin von dem neuen Herrscher sofort aller ihrer Kleinodien und Güter beraubt und in Spandau   festgefeßt. Dort ist sie nach Jahren verlassen gestorben. Bergessen aber ist sie nicht, denn der Sage nach geistert sie als meiße Frau", das Unglücksgespenst der Hohenzollern  , durch die Jahrhunderte. Ihre Tochter wurde zwangsweise einem furfürstlichen Schreiber vermählt

Die Wirtstochter.

Eigentlich hieß fie Katharina Rider und war die Tochter eines Schiffers, der auch eine Winteltneipe hielt. Sie mußte mit

ihrer Schwester die Gäste bedienen und durfte sich keineswegs spröde zeigen. Eines Tages führte das Geschick den Kurfürstlichen Kammer diener Biedefop in die verrufene Kneipe; der verliebte sich in die schöne Katharina so sehr, daß er sie sogar heiratete! Er wußte, was eine schöne Frau bei Hofe wert war. Richtig trat er sie auch bald dem Freiherrn   v. Rolbe ab, er nahm fogar die beiden Kinder, die Katharina von ihrem vornehmen Berehrer hatte, auf feine Rechnung. Nach seinem Tode heiratete Kolbe die Witwe, denn schon interessierte sich der König Friedrich I.   für seine schöne Geliebte; der war sogar auf der Hochzeit, die im Hause eines anderen Kolbe Rammerdieners gefeiert wurde. Nun begann der Aufstieg. wurde in den Reichsgrafenstand unter dem Namen v. Wartenberg erhoben, die junge Gräfin wurde Mätresse en titre, trotzdem der König sich darauf beschränkte, nur mit ihr im Abenddämmer spazieren zu gehen. Diese Spaziergänge tofteten dem Volke Millionen. Die Diamanten der Gräfin hatten allein schon einen Wert von 500 000 Talern, Wartenberg wurde Premierminister, und als er nach Jahren endlich doch gestürzt wurde, erhielt er trop bewiesener Unehrlichkeit eine Pension von 24 000 Zalern, die nach feinem Tode auf seine Gemahlin übergehen follte. Der König hatte ihm ein Schriftstück gegeben, in dem er ihn von aller Berantwortung freisprach. Nach feinem Tode begab sich die Gräfin Wartenberg nach Varis und ver geudete dort den größten Tell ihres dem Bolte abgepreßten Ber­mögens mit jungen Abenteurern, wie Elisabeth Charlotte   von Dr Icans in ihren Briefen erbaulich erzählt.

Die Gräfin Lichtenau.

Wilhelmine Ente war die Tochter eines Trompeters. Thre ältere Schwester war Figurantin an der Oper, die junge Wilhelmine   mußte bei ihr Magddienste tun. Da sah sie eines Tages Friedrich Wilhelm  , der damalige Kronprinz. Ihn dauerte das von der Schwester miß­handelte, vierzehnjährige Mädchen, er nahm die bildschöne Kleine, ließ sie von den ersten Lehrern Berlins   ausbilden; und dann wurde das Aschenbrödel feine Mätreffe und blieb es auch durch die ganze Regierungszeit Friedrich Wilhelms II.  ( 1786 bis 1797). Friedrich II.  ( der alte Friz") schäumte über den ausschweifenden Lebenswandel des Thronfolgers, er drohte, Wilhelmine   zwangsweise zu verhei raten, da opferte" sich der fönigliche Kainmerdiener Rieg und hei­ratete die junge Schöne um sie dem Thronfolger zu erhalten.

"

Morales sah ihn von oben bis unten an und gab ihm zur Antwort: Wer sind Sie denn? Ach so, Sie sind ja der Doug vom Café La Aurora. Wir haben mit Ihnen nichts zu tun. Unsere Beziehungen sind nun gelöst. Wenn Sie was wollen, gehen Sie zum Syndikat. Aber uns geht das nichts an. Adios."

Señor Doug schrieb einen Brief an das Syndikat, daß er den Herrn Sekretär sprechen wolle, er bitte ihn höflichft, zu ihm zu kommen, um die Angelegenheit in dem Kellnerstreif mit ihm zu besprechen. Am anderen Tage erhielt Señor Doug die Antwort vom Syndikat. Es waren feine Höflichkeits­flosteln darin enthalten, sondern nur in einem furzen flaren Sage war gesagt: Wenn Sie etwas vom Syndikus wünschen, das Bureau ist: Calle Madero Nr. 18, Segundo Piso. Der Gefretär."

Er hielt es nicht einmal für nötig, der Sekretär, seinen Namen zu nennen. Was blieb Señor Dour übrig, er mußte und selbst wenn er, hatte er das Gefühl, daß sein Tisch­gehen; denn das Rasiermesser verfolgte ihn Tag und Nacht, messer ein Rasiermesser sei.

der im Bureau aushalf. Wir haben jezt noch zu tun, eine ,, Setzen Sie sich da in den Vorraum", sagte ein Arbeiter, Besprechung. Es wird nicht lange dauern."

Es dauerte aber doch über eine halbe Stunde, und Señor Doug hatte inzwischen Zeit, die Sinnsprüche, die an den Wänden hingen, auswendig zu lernen. Jeder dieser Sprüche erregte zuerst seine Wut. Je länger er sie aber studierte, desto mehr Angst befam er vor den Dingen, die ihm hinter der Tür bevorstanden, wo er eine Schreibmaschine flappern hörte. Endlich fam der Arbeiter und sagte: Señor, der Sefretär will Sie sprechen."

6.

Señor Dour schluckte, als er den fleinen Raum des Sefretärs betrat. Er hatte beabsichtigt, dem Sekretär gleich fest in die Augen zu sehen; aber er fam nicht dazu. Denn hinter dem Sekretär war über die ganze Wand eine Fahne, zur anderen Hälfte schwarz, gespannt und darüber stand in diden Lettern:

! Proletarios del mundo unios!( Proletarier aller Länder vereinigt euch!)

Das machte Señor Dour ganz verwirrt. Er hatte plötz lich den Eindrud, als ob da vor ihm nicht der Sekretär size, fondern alle Kellner der ganzen Welt ihn wütend anblidten. Seine Stimme, die so sest sein sollte, wurde ganz zaghaft, als

Die Liebe der schönen Trompeterstochter war für das Land auch ziemlich foftiplelig, fie erhielt bei ihrer Erhebung zur Gräfin Lich den letzten Lebensjahren schenkte ihr der König auf einmal eine tenau die Domäne Lichtenau, Breitenwärder und Roßwiese; noch in halbe Million Taler, die sie zur Sicherstellung ihres Alters sofort in holländischen Banknoten anlegte. Wilhelmine   war die meistgehaßte der Mätreffen, denn der Adel, der vergeblich versucht hatte, durch Berkuppelung der eigenen Töchter sich direkten Einfluß auf den König zu verschaffen, lenkte allen Born des Volkes auf die Trom peterstochter" Julie von Boß, die ihre eigene Familie zur morga­natischen Ehe mit dem König zwang, enttäuschte ihre Anhänger sehr. Sie war bescheiden, anspruchslos und starb bald Dann wurde ihm die junge Gräfin Dönhoff zugeführt. Auch sie fonnte sich nicht in seiner Gunst halten, aber eine Aussteuer von 200 000, eine Pen­fion von jährlich 8000 Talern hatte sie doch erreicht, ihre Verwand­schaft wurde versorgt und ihre Nachkommen zieren unter dem Namen der Grafen von Brandenburg   den Gotha  ... Die Gräfin Lichtenau aber triumphierte über alle Nebenbuhlerinnen, sie sorgte fogar felbft für fleine Abwechslungen im Menü des Bielgeliebten".

Die neuere Geschichte".

Je weiter wir uns unserer Zeit näherten, je schweigsamer wurde die offizielle Geschichte über derartige Eskapaden der lieben Landes­päter. Daß es aber bis in die neueste Zeit nicht an derartigen.. fleinen fürstlichen Zerstreuungen gefehlt hat, wissen wir aus münd licher Ueberlieferung", und die Soldaten, die das hohe Glück hatten, im Felde nicht gar zu weit vom Hauptquartier Sr. Hoheit des Kron­prinzen im Quartier zu liegen, die in und bei Dels lebenden Mit­bürger wissen allerlei aus eigener Anschauung. Welch Glück, daß die meisten diefer Damen sich an der schönen Erinnerung genügen laffen oder sich mit ihren Alimentenansprüchen direkt an den fürft­lichen Papa wenden! Die bisher angezogenen Beispiele beschäftigen sich nur mit unserem erlauchten Zollernhaus. Aber in den anderen deutschen   Baterländern ging es meist nicht anders zu. 21s August II. der Starte" von Sachsen 1733 ftarb, hinterließ er 352 Kinder! Eine einzige feiner mätreffen, die Gräfin kofel, hafte ihm 16 000 000( Sechzehn Millionen!) Taler abzulocken gewußt, die Gräfin Orselska, eine andere seiner Mätressen, war seine eigene Tochter. Die schönste und geistvollste seiner Mätreffen, Aurora von Koenigsmart, ging fogar als Diplomatin zu Karl XII.   nach Kurland  , um diesen zum Friedensschluffe( Auguft war gleichzeitig König von Polen  ) zu veranlassen. Sie wurde, um das Sprichwort von den

er nun sagte: Guten Tag, ich bin Señor Doug vom Café La Aurora."

Sekretär.

,, Gut. Setzen Sie sich. Was wünschen Sie?" fragte der ,, Ich möchte gern wiffen, ob Sie veranlaffen können, daß mein Café wieder geöffnet wird."

,, Das können wir veranlassen," erwiderte der Sekretär. Sie brauchen nur die Bedingungen zu erfüllen."

,, Oh, ich bin bereit, alles zu bewilligen, was die Kellner fordern."

Blick darauf und sagte: Die Forderungen sind nicht mehr Der Gefretär nahm einen fleinen Zettel, warf einen die gleichen, die gestellt wurden, als die Kellner Ihnen die Mitteilung machten."

,, Nicht mehr die gleichen?" schluckte Dour erschredt. ,, Nein. Es sind fünfzehn Pesos die Woche," sagte der Sekretär geschäftsmäßig.

,, Die forderten aber nur zwölf."

,, Das ist leicht möglich. Aber dann wurde gestreift. Und Sie verlangen doch nicht etwa, daß die Leute umsonst streiten. Jeht macht es fünfzehn. Hätten Sie gleich bewilligt, wäre es bei zwölf geblieben."

,, But," erwiderte Dour, fich aufrichtend ,,, ich bewillige die fünfzehn Pesos."

Freitag ist Zahltag. Freitags für die ganze Woche. Diese unpünktlichen Zahlungen können wir nicht mehr zu lassen," sagte der Sefretär.

,, Aber das kann ich nicht so ohne weiteres machen. Wir haben das immer so gemacht, daß wir zahlten, wenn wir das Geld eben gerade dazu frei hatten."

Der Sekretär sah auf: Was Sie immer getan haben, geht uns nichts an. Wir bestimmen, was Sie von nun an zu tun haben. Mit dieser alten Wirtschaft, wie sie Hunderte von Jahren bestanden hat, wollen wir nun endlich ein Ende machen. Da ist die Arbeit, hier ist der Lohn. Ebenso pünkt­lich wie Sie die Arbeit von den Leuten verlangen, haben Sie den Lohn zu zahlen!"

,, Das wird aber schwer gehen," verteidigte Doug feine Position. Dann fehlt mir oft das Geld für Einkäufe.

,, Das fümmert uns nichts. Löhne gehen vor, sonst fehlen den Leuten die Pesos, um ihre Einfäufe zu machen. und mir denken, es ist besser, daß Ihnen das Geld für Einkäufe fehlt als den Arbeitern."

( Fortjehung folgt)