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Nr. 290 43. Jahrg. Ausgabe A nr. 150

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Mittwoch, den 23. Juni 1926

Der Kampf um das Staatsvermögen.

Sozialdemokratische Anträge zur Fürstenvorlage.

Die sozialdemokratische Fraktion hat eine größere Anzahl| dann tätig werden dürfen, wenn dies übereinstimmend von Anträgen zur Verbesserung der Fürstenvorlage dem Rechtsausschuß des Reichstages eingereicht.

In erster Linie legt die Fraktion Gewicht auf eine be­friedigendere 3 usammensehung des Gerichts, das zur Entscheidung über die vermögensrechtliche Auseinander­fegung zwischen den deutschen Ländern und den vormals regierenden Fürstenhäusern eingesetzt werden soll. Die Regie­rungsvorlage bestimmt, daß der Reichsgerichtspräsident Bor­sitzender sein soll und daß der Reichspräsident auf Vorschlag der Reichsregierung die übrigen acht Mitglieder des Gerichts ernennen soll, von denen vier Richter sein müssen, während die übrigen vier Laien sein können. Demgegenüber fordert die fozialdemokratische Fraktion, daß sämtliche Mitglieder des Gerichts vom Reichstag zu wählen sind und daß von ihnen pier Laien sein müssen.

Ferner beantragt unsere Fraktion, daß das Fürstengericht nicht, wie die Regierung will, lediglich auf Antrag eines Landes oder eines Fürsten tätig sein darf, daß es vielmehr von solchen Anträgen unabhängig, von Amts wegen die Auseinandersetzungen vorzunehmen hat. Durch diesen Antrag foll verhindert werden, daß die praktische Anwendung des ganzen Gesetzes völlig in das Ermessen der einzelnen Landes­regierung gestellt wird.

Nach dem Regierungsentwurf soll weiterhin sogar in den Fällen, in denen nach der Revolution bereits eine Gesamt­auseinandersetzung erfolgt ist, das Reichssondergericht erst

Bürgermeisterwohl in Lübeck .

Genosse Löwigt der Nachfolger Neumanns. Cübed, 22. Juni. ( WTB.) In der heutigen Senatsfihung wurde Senator Löwigt( Sozialdemokrat) zum Borsitzenden des

Senats und zum Nachfolger des zurückgetretenen Bürgermeisters Dr. Neumann gewählt. 3um stellvertrelenden Senatsvorsitzenden wurde, da von bürgerlicher Seite auf den zweiten Posten verzichtet wurde, da von bürgerlicher Seite auf den zweiten Posten verzichtet wurde, Senator Hoff( Sozialdemokrat) ernannt.

von dem betreffenden Land und Fürsten beantragt wird. Falls diese Bestimmung Gesez wird, ist zu befürchten, daß folche Uebereinstimmung niemals erzielt wird und früher er­folgte Gesamtauseinandersetzungen, auch wenn sie dem Lande schädlich find, Geltung behalten. Nach den sozialdemokratischen Anträgen soll in diesen Fällen der Antrag der Landes­regierung zum Eingreifen des Gerichts genügen.

Die sozialdemokratische Fraktion verlangt außerdem, daß das Gericht durch früher ergangene Urteile nicht gebunden sein darf. Der Vorschlag der Regierung will dem Gericht lediglich unter gewissen Boraussetzungen gestatten, von solchen Urteilen abzuweichen, die nach der Revolution ent­standen sind. Die in dieser Regelung liegende höhere Be wertung der aus der Zeit der Monarchie stammenden Urteile ist in der Republit unerträglich und soll beseitigt werden.

Schließlich beantragt die sozialdemokratische Fraktion in ihren bisher eingereichten Anträgen, daß fämtliche Kron­fideitomißrenten und ähnliche Renten ohne Entschädi gung fortfallen sollen, während der Regierungsentwurf diesen Fortfall bei solchen Renten nur insoweit eintreten faffen will, als sie zur Beftreitung der Hofhaltung oder sonstiger mit der Stellung der Fürsten verbundenen Auf­wendungen gewährt wurden.

Weitere Anträge befinden sich in Borbereitung. Im übrigen wartet die sozialdemokratische Fraktion die weitere Entwicklung im Ausschuß und im Plenum ab und behält sich ihre endgültige Stellung vor.

abend auf Antrag Caillaug befchloffen, für Mittwoch vormittag eine gemeinsame Sigung fämtlicher Cintsparteien von Kammer und Senat einzuberufen, falls Briand bis dahin sein. Minifterium nicht zusammengestellt haben follte. Alarmbereitschaft der sozialistischen Abgeordneten.

Paris , 22. Juni. ( BTB.) Wie die ,, Liberté" berichtet sind die außer halb Paris weilenden sozialistischen Abgeordneten nach Paris berrfen worden, weil mit der Möglichkeit ge rechnet werden müsse, daß Briand fein Rabinett bilden fönne, und daß vielleicht morgen wichtige Entscheidungen getroffen werden müßten.

Briands Auftrag gefährdet. Infolge abermaliger Weigerung Poincarés. Sturm im Sejm . Paris , 22. Juni. ( Eigener Drahtbericht.) Briand , der am Rücktritt des Präsidenten. Sonntag, als er zum zweitenmal ins Elysée berufen wurde, der un­bedingten Zuversicht war, jein kabinett in weniger als 24 Stunden begann mit der Berlesung eines Briefes des Sejmmarschalls Rataj, Warschau , 22. Juni. ( WTB.) Die heutige Sigung des Sejm beieinander zu haben, ift es froß allen Bemühungen bis zum worin diefer sein Rüdtrittsgesuch einreicht und begründet. Dienstagabend nicht gelungen, einen Finanzminister zu finden. Der Sejmvizemarschall Daszynski ( Soz.) ließ über dieses Rück­Poincaré, den er dafür in Aussicht genommen hatte, hat am Dienstag nochmals fategorisch abgelehnt, weil über die trittsgesuch abstimmen, obwohl der Vorsitzende der Biastpartei, der einzuschlagenden Methoden zur Finanzjanierung grundlegende Rataj angehört, den Vorschlag gemacht hatte, das Rücktrittsgesuch Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und Briand überhaupt nicht zur Kenntnis zu nehmen. Die Deutschbürgerlichen und dem Expertenfomitee bestehen und weil er außerdem das verließen vor der Abstimmung den Saal. Der Grund hierfür liegt Washingtoner Schuldenabkommen in der gegenwär- darin, daß Rataj einige Tage zuvor einen Aufruf des polnischen tigen Form als Finanzminister in der Kammer nicht einbringen Westmarkenvereins unterzeichnet hat, in welchem es hieß, daß die oder mit seinem Namen decken will. Gerade die schnelle Ratifizierung deutsche Raubgier nach dem Osten dränge. Auch die Utrainer des Washingtoner Abkommens und die dann in Aussicht stehenden und die Weißrussen hatten den Saal verlassen. Bei der Abstim­amerikanischen Kredite aber bilden die Grundlage des Briandschen mung ergab sich, daß nur die Nationale Arbeiterpartei, die Sozia­Finanzprogramms, das Poincaré durch seine Haltung in den Grund- liſten und die Piastpartei sich für Rataj erklärt hatten. Der Vor­pfeilern zu erschüttern droht. Briand hofft nämlich durch eventuelle fizende Daszynski glaubte hierin eine Mehrheit erfennen zu fönnen. Auslandskredite die demnächst in größerer Höhe fälligen Schahscheine Einige Stunden später richtete jedoch der Sejmmarschall Rataj einen einlösen zu können. Damit wäre nach Briands Auffaffung eine- Brief an Daszynski , in dem er erklärte, daß ihm diese Mehrheit fung des gefährlichen Problems der kurzfristigen inneren Schuld nicht genüge und daß er auf seinem Rücktritt beste he. glücklich angeschnitten und man fönnte sich schrittweise der Franken­ftabilisierung nähern.

Es handelt sich jetzt für Briand nur noch darum, einen Mann zu finden, der nach Poincarés Ablehnung diese Finanzpläne durch­führt. Doumer hätte diese Aufgabe übernommen, aber seine Be­trauung stieß bis in die Mittelparteien hinein auf derartige Opposition, daß Briand die Doumersche Kandidatur fallen laffen mußte. Wer wird also Finanzminister werden? Die Frage ift ebenso unge löft wie am ersten Tag. Da Briand unter allen Umständen ein Gegner jeder neuen Inflation ist, das Schahzamt aber demgegenüber am 30. Juni so starte Berpflichtungen zu erfüllen hat, welche die nach dem letzten Ausweis der Bank von Frankreich noch verfügbaren Mittel weit überschreiten, so ist es in der Tat die Qua­dratur des Zirkels, um die man fich augenblicklich die Köpfe zerbricht.

Die Besprechungen des Dienstag nachmittag find ebenso ergeb­nislos verlaufen wie alle vorangegangenen. Sie sollen am Dienstag abend um 10 Uhr fortgesetzt werden. Inzwischen hat die demo­fratische Linte, die stärkste Gruppe des Senats, am Dienstag

Hiernach begann die Budgetdebatte, durch eine Rede des Finanz­ministers Klarner eingeleitet. Klarner hatte angekündigt, daß er die Vertrauensfrage stellen werde und er tat dies in der Form, daß er sagte, die Regierung würde zurücktreten, wenn das Budget nicht Mitte des nöchsten Monats angenommen sei. Nach dem einige Redner der verschiedenen Parteien gesprochen hatten, wurde ein Antrag auf Schluß der Debatte angenommen. Die Kom mumisten und die unabhängigen Bauern, die nicht zum Worte ge fommen waren, verübten hierauf großen Lärm. Die Sizung wurde unterbrochen und die Entfernung zweier Abgeordneten aus dem Saale angeordnet. Hierauf wurden die Tribünen für Publikum und Breffe geräumt und die beiden widerspenstigen Abgeordneten aus dem Gaale getragen.

Regierungstrife in Estland . Das estnische Parlament wählte präsidenten Martna( S03-), Benno( Ansiedlerpartei). Das zum Präsidenten den Abg. Einbund( Bauernpartei), zu Bize Rabinett hat seinen Rüd tritt mitgeteilt. Der Präsident des Barlaments wurde von der Versammlung ersucht, die nötigen Schritte zur Bildung eines neuen Kabinetts einzuleiten.

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London und Moskau .

Der Konflikt um die Unterstützungsgelder.

E. M. London , 21. Juni.

Die Beziehungen zwischen Mostau und London find seit dem Sturz der Regierung Kerensti durch die Sowjets, also feit achteinhalb Jahren, mehr oder minder gespannt. Selbst die Aera Macdonald hat in einer ausgesprochenen Berstimmung der beiden Regierungen geendet. Mit einer gewissen Regelmäßigkeit spißt sich, seitdem die Zeit bewaffne­ter Expeditionen vorüber ist, die Situation von Zeit zu Zeit bis zu jenem Punkte zu, in dem mehr oder minder heftige Noten gewechselt werden, der völlige Abbruch der be­gefordert oder angedroht und von den Diehards, dem rechts­ftehenden, außerordentlich losen diplomatischen Beziehungen radikalen Flügel der Konservativen, unter publizistischer Führung der Daily Mail", die Ausweisung sämtlicher, nicht nur der diplomatischen, sondern auch der wirtschaftlichen Vertretung verlangt wird. Die jüngsten Tage waren wieder einmal Zeugen einer dieser Krisen, deren wirk­liche Ursachen tief in weltpolitischen Gegensägen zwischen London und Moskau gelegen sind, deren Anlaß aber zumeist irgendein vermeintlicher oder tatsächlicher pro­Pagandistischer Akt Moskaus bildet. folgender: Rußland hatte während des Generalstreits Der Anlaß, der zu der jüngsten Krise geführt hat, war die lleberweisung einer größeren Geldsumme an den Generalrat der britischen Gewerkschaften versucht, und es hat nunmehr im Laufe der vorlegten Woche Summen in der Gesamthöhe von rund 10 Millionen Mart zur Unterstügung der notleidenden Bergarbeiter und ihrer Familien überwiesen. Rußland ", d. u. die russischen Gewerkschaften und ver­schiedene andere, auf dem Boden der Sowjetunion befindliche und Centrosoyus" und die landwirtschaftlichen Genoffen­schaften". Die erste Sendung wurde vom Generalrat während des Generalstreits aus innerpolitischen Gründen abgelehnt, die übrigen Geldsendungen aber vom Bergarbeiterverband angenommen und zur Linderung der Not unter den Bergarbeitern verwendet. Diese Geldsendungen haben naturgemäß die Regierung und die bürgerliche öffentliche Meinung alarmiert. Aus ihrem nationalen Stolz heraus ist die britische Bourgeoisie schon an fich empfindlicher gegen ausländische Geldfendungen zur Unterstützung britischer Staatsbürger als irgendeine andere europäische Bourgeoisie. Sie sieht, von einer Sensations­presse vom Schlage der Daily Mail" täglich und stündlich aufgepeitscht, in jedem Rubel Moskauer Herkunft die Saat der Rebellion und der Revolution sprießen. Die großen Geldsendungen der jüngsten Wochen mußten naturgemäß dieser Agitation neue Rahrung geben und so fand sich die Regierung wieder einmal vor die Notwendigkeit gestellt, ihr Berhältnis zu Moskau einer grundsätzlichen Prüfung zu unterziehen. Die Situation war nicht unbedenklich: denen seit dem Abbruch des Generalstreits der Kamm nicht Dem rechtskonservativen Flügel der Partei, den Diehards, wenig geschwollen ist, schien diese Gelegenheit nicht ungünstig, um mit Moskau Schluß zu machen. Die Bersuchung zu solchem Borgehen mußte für die Regierung um so größer sein, als es anscheinend im Regierungslager einige naive Leute gibt, die ehrlich glauben, daß die Bergarbeiter eine nachgiebigere Haltung zeigen würden, wenn die 10 Millionen aus Moskau nicht eingetroffen wären. Wer die Stimmung im Bergbaurevier aber auch nur im geringsten tennt, wird wissen, daß 500 000 Pfund Sterling niemals genügt hätten, den Widerstand von einer Million Bergarbeiter neu zu ent­fachen oder sein Erlahmen aufzuhalten. So erwünscht der Buschuß für die Bergarbeiterschaft sein mag, eine auch nur im geringsten entscheidende psychologische Bedeutung für den Ausgang des Kampfes fann ihm nur böser Wille und trasfeste Unwissenheit zuschreiben.

leute und Anhänger auch im Schoße der durchaus uneinheit­Wie dem auch sei, die Diehards haben ihre Vertrauens­lich zujammengesetzten Regierung. Die Geldsendungen aus Rußland gaben das Signal zu einem neuen Borsto B. Die Situation war kritischer, als es nach außen den Anschein haben mochte, und Gerüchte wollten bereits vom bevor­ftehenden Abbruch der diplomatischen Beziehungen wissen. Die tonservativen histöpfe haben jedoch erfreu­licherweise die Schlacht verloren. Die Regierung hat zwar eine Note nach Moskau gefchickt, in der sie gegen den Bersuch einer Unterstützung des illegalen Generalstreifs" durch Rußland protestiert, aber die Note läßt das alte Feuer, welches das Foreign Office bei solchen Gelegenheiten Mostau gegenüber zu sprühen pflegte, vermissen und beschränkte ihren Proteft lediglich auf den Generalstreit. Die Re­Ringen, die Uebertragung des Protestes und die Ausdehnung gierung hat im übrigen, nach einem zweitägigen inneren der Sperrmaßnahmen auf die Unterstützungsgelder für die Bergarbeiter abgelehnt. Der Innenminister Sir W. Jognjon Hids erflärte, so schmer es ihm bei seiner