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Abendausgabe

Nr. 29743. Jahrgang Ausgabe B Nr. 146

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10 Pfennig

Sonnabend

26. Juni 1926

Vorwärts=

Berliner Dolksblatt

Berlag und Anzeigenabteilung: Geschäftszeit 9-5 Uhr

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Schluß im Rechtsausschuß.

Die entschädigungslose Enteignung der Standesherrenrenten abgelehnt.

licher Gefährdung der Staatssicherheit, die Deffentlichkeit ausschloß. Reichskanzler Marg entgegnete, daß man die Bestimmungen über den Ausschluß der Deffentlichkeit bei der Gefährdung der Staats­ficherheit unmöglich entbehren könne.

Gesetzes beendet.

Abg. Barth erklärt für die Deutschnationalen, daß sie sich Mühe gegeben hätten, das Gesetz, insbesondere soweit es Enteig nungen vorsähe, zu verbessern und es zu einem Gesetz zu machen, das sich organisch in die Gesetzgebung des Reiches einfüge. Sie hätten sich nur deshalb der Abstimmung enthalten, um nicht die Arbeiten des Ausschusses zu erschweren. Ihre Stellung zum ganzen Gesetz werde dadurch nicht berührt.

Der Rechtsausschuß des Reichstages besprach bei der Beratung| lediglich um verbotenen Waffenbefiz gehandelt habe, wegen angeb| des Gesetzes enthalten, angenommen. Damit ist die Beratung des des Fürftenabfindungsgesetzes heute zunächst die Aufwertungs­frage. Auf die gestrige deutschnationale Anfrage erklärte Reichs­fanzler Mary: Ich habe erklärt, daß in der Frage der Auswertung die Fürsten behandelt werden sollen wie alle anderen Staatsbürger. Das ist auch im Gesetz vorgesehen. Grundsäglich werden die Fürsten gleichmäßig behandelt. Im einzelnen besteht allerdings ein Unter­schied zwischen den Angehörigen der Fürstenhäuser und den sonstigen Staatsbürgern in der Behandlung gewisser Leistungen, die sonst der freien Aufwertung unterliegen. Bei dieser Ausnahme handelt es sich aber um eine Einzelheit, auf die hinzuweisen ich um so weniger Anlaß hatte, als ich mich bei der Unterredung ohnehin auf die Bestimmungen des Entwurfs bezog.

Genosse Rosenfeld fragt an, ob die Regierung dann nicht menigstens eine Ertlärung abgeben wolle, durch die es aus. geschlossen werde,

daß Fürsten , wie es vorgekommen fei, Aufwertungen bis zu 1450 Proz. erlangen tönnten.

Staatssekretär Joel erwidert, daß für die Fürsten die gleichen Grundsäge gelten sollen, wie für die anderen Staatsbürger. 3win­

Das Reichsfondergericht ist frei und könnte also folcherweise auch so gende Normen, die hohe Aufwertung ausschließen, sich nicht gegeben. hohe Prozentfäße feststellen, wenn allerdings auch anzunehmen ist, daß die Tendenz der Rechtsprechung auf eine Beschränkung der Aufwertung gehen wird.

Genoffe Rosenfeld : Eine Aufwertung von 1450 Pro3. ift also nicht ganz ausgefchloffen?( Staatssekretär Joel: Möglich ist fie immerhin.)

Alsdann versuchen die Kommunisten einen neuen Borstoß gegen den Berwärts", dem sie zum Borwurf machen, über Bor fälle des gestrigen Rechtsausschusses zwei Artikel gefchrieben zu haben. Außerdem behaupten sie wieder, Irrtümer in der Bericht erstattung des Vorwärts", die aber vom Genossen Rosenfeld sofort an Hand des Wortlauts des Vorwärts"-Berichts widerlegt werden. Der Ausschuß berät alsdann den§ 19, der die Unterstützung bes Reichssondergerichts gewährleistet, auch wo ein Schiedsgericht vorgesehen ist.§ 19 und§ 20, die die zuziehung der einzelnen Mit glieder der beteiligten Fürstenhäuser regeln, werden mit den Stimmen der Regierungsparteien gegen die der Kommunisten bei Stimm­enthaltung der Sozialdemokraten und der Deutschnationalen an­genommen.

3um§ 21, der das Verfahren vor dem Reichssonder gericht regelt, beantragen die Deutschnationalen, den Fürsten das Recht zu geben, einzelne Mitgliedr des Reichsfondergerichts wegen Befangenheit abzulehnen. Das erforderten die elementaren Grund­sätze des Rechtsstaates.

Genosse Rosenfeld begründet diesem Antrag gegenüber den

sozialdemokratischen Antrag, der ein solches Ableh­nungsrecht beseitigen will, sonst könnten die Fürsten gerade besonders fachkundige Männer, die sich irgendwo, irgendwie und irgendwann zur Frage der Fürstenabfindung im Sinne der Boltsintereffen ge­äußert hätten, wegen Befangenheit ablehnen.

Abg. Wunderlich( D. Bp.) tritt dem sozialdemokratischen Antrag entgegen. Er meint, daß man höchstens ausschließen fönne, daß ein Richter lediglich wegen politischer Parteizugehörigkeit oder politischer Betätigung abgelehnt werden dürfe.

Genosse Landsberg erwidert ihm, daß Heißsporne der einen oder anderen Seite aus dem Kampf um die Fürstenvermögen von selbst nicht zu Richtern gemacht werden würden und daß ein Ableh nungsrecht, das man den Fürsten einräume, sehr leicht zu un= angenehmen Folgen führen könne.

=

Bei der Abstimmung werden die sozialdemokratischen Anträge abgelehnt und es wird ein Antrag Wunderlich angenommen, der eine Ablehnung von Richtern wegen Zugehörigkeit zu einer politi­schen Partei oder wegen politischer Betätigung ausschließt. Nach Annahme dieses Anfrages erklären die Deutschnationalen ihren

Antrag als erledigt.

Genosse Rosenfeld begründet alsdann einen sozialdemokratischen Antrag, auch zu§ 21, der nicht nur die Gerichte, sondern auch die Berwaltungsbehörden zu Hilfeleistungen an das Reichssondergericht verpflichten will, und einen weiteren Antrag, der den Banken eine Auskunftspflicht auferlegen will.

Abg. von Richthofen( Dem.) tritt für den ersteren Antrag ein, aber gegen den letzteren. Bei der Abstimmung wird der erste Antrag angenommen, der Antrag auf Auferlegung einer Berpflichtung zur Auskunfterteilung der Banken abgelehnt.

Auffallend ist, daß noch bei diesem Antrage wie allen anderen fozialdemokratischen Anträgen, obgleich fie offensichtliche Berbeffe­rungen bedeuten, die Kommunisten fich der Abstimmung enthielten. Sie schützen die Banken und damit auch die Fürsten !

Genoffe Rosenfeld , begründete alsdann einen weiteren sozial demokratischen Antrag zu§ 21, der unbedingt die

Deffentlichkeit für die Berhandlungen vor dem Sondergericht fordert. Er weist darauf hin, daß der Ausschluß der Deffentlichkeit 3. B. in Fememordprozessen wegen angeblicher Gefährdung der Staatsficherheit beweise, wie weit die besonderen Bestimmungen der Zivilprozeßordnung hier für anwendbar erklärt werden sollen. miß­bräuchlich benutzt werden. Aus Altenburg sei erst dieser Tage be­richtet morben, daß man fogar in einem Prozeß, bei dem es fich

Genosse Landsberg weist darauf hin, daß allerdings, wenn etwa medlenburgische Verhältnisse erörtert werden, zu begreifen sei, daß für sittliche Menschen peinliche Dinge erörtert werden würden. Aber man fönne doch unmöglich annehmen, daß bei der Würdi gung der Bermögensverhältnisse der Fürsten die Staatssicherheit gefährdet werden könne.

Abg. Rosenberg( Romm.) meint, daß doch höchstens in Frage fommen fönne, ob etwa der frühere Herzog von Koburg- Gotha Geld in Waffen für den Wifing angelegt hätte.( Heiterkeit.)

Der fozialdemokratische Antrag, der Sicherstellung völliger Deffentlichkeit fordert, wird abgelehnt. Die Kommunisten enthalten fich der Stimme.

Auch der sozialdemokratische Eventualantrag, wird abgelehnt. die Deffentlichkeit bei Gefährdung der Sittlichkeit auszuschließen,

Angenommen wird nur ein sozialdemokratischer eine Begründung beizugeben. Antrag, ber bas Reichssonbergericht nötigt, seinen Entscheidungen

Gesamtabstimmung der ganze§ 21 mit den Stimmen der Regie Alsdann werden die einzelnen Abfäge des§ 21 und in der rungsparteien gegen die der Kommunisten bei Stimmenthaltung der Deutschnationalen und der Sozialdemokraten angenommen.

Die folgenden§§ 22 bis 25, die noch unwesentliche Bestimmun gen enthalten( Kosten usw.), werden mit derselben Mehrheit ange nommen.

Deutschland regierenden Fürftenfamilien handelt, und der dem Bei§ 26, der von den Renten der bis zum Jahre 1805 in Reichsfondergericht das Recht geben soll, solche Renten ganz oder teilweise für erloschen zu erflären, beantragen die Sozialdemokraten diese Renten ohne Entschädigung fortfallen zu lassen.

Gen. Rosenfeld weist zur Begründung darauf hin, daß es mit den heutigen Auffassungen in der deutschen Republit völlig un­den heutigen Auffassungen in der deutschen Republit völlig un vereinbar sei, Nachkommen derjenigen Fürsten heute noch Renten zu zahlen, die bis zum Jahre 1805 zum sogenannten Segen des deutschen Volkes regiert haben. Es sei wahrlich genug, daß das deutsche Bolt diese Personen so lange erhalten habe. Endlich müßten auch diese Herren sich daran gewöhnen, von der Arbeit zu leben und barauf verzichten, sich vom Bolte ernähren zu lassen. Es handele fich hierbei um sehr erhebliche Beträge, in Friedenszeiten um 1875 000 Mart, die an Fürsten und Standesherren gezahlt jeien.

Darunter auch an die heffichen Landesfürften als Entgelt

für die Schäße, die sie durch den Verkauf von Landeskindern als Ranonenfutter hätten sammeln können. Insbesondere wies Genosse Rosenfeld auf den Fall der Reichsgrafen von Bentink hin, bie auf Grund der Tatsachen, daß einem unehelichen Sohn eines Grafen von Oldenburg die Landeshoheit über die Herrschaft Knipp­hausen übertragen worden sei, außer Barsummen von 750 000 Talern in Gold, die sie im Jahre 1854 erhalten hätten,

jeht noch vom Staate Oldenburg nicht weniger als 1 100 000 Zaler Gold forderten. nachdem man den Hohenzollern die Fideikommißrente entschädi. gungslos entzogen habe, fönne man die Standesherren nicht besser behandeln.

links.)

Abg. Everling widerspricht dem sozialdemokratischen Antrag, der mit dem Segen fürstlicher Herrschaft unvereinbar set.( Heiterkeit Abg. Wegmann( 3.) meint, daß man die Rente nicht ohne weiteres beseitigen tönne, fich vielmehr damit begnügen solle, dem Reichsfondergericht das Recht zu geben, unter Umständen die Rente für erloschen zu erklären.

Genosse Landsberg erwidert, daß das nicht ausreichend fei. Der sozialdemokratische Antrag spreche nur aus, was felbftver­ständlich sei. Das solche auf Grund überlebter und veralteter Be­Stimmungen einftmals gewährten Renten jetzt endlich fortfallen

müßten.

Reichstanzler Marg erklärt, daß die Regierung staatsrecht liche Bedenken gegen den Vorschlag des Abgeord neten Wegmann nicht habe und ob politische Bedenken be­

gründet seien, werde die Regierung noch erwägen.

Bei der Abstimmung wird der sozialdemokratische Antrag auf entschädigungslose Enteignung der Standesherren von allen bürger­lichen Parteien abgelehnt.

Unglaublicherweise enthalten sich die Kommunisten auch hier wiederum. Es ist das zweitemal, daß fie bei einer Abstimmung ent­gegen der Forderung des Boltsbegehrens auf entschädigungslofe Enteignung der Fürsten fich der Abstimmung enthalten!

Der ursprüngliche Vorschlag der Regierungsvorlage wird als. dann mit der fleinen Beränderung, die der Abgeordnete Wegmann vorgeschlagen hat, gegen die Stimmen der Kommunisten bei Stimm enthaltung ber Sozialdemokraten und Deutschnationalen ange.

nommen.

Mit ber gleichen Stimmenverteilung werden alsdann die§§ 27 bis 29, welche nur unmesentliche Bestimmungen zmeds Durchführung

Abg. Frick( völk.) wirft dem Reichskanzler vor, aus parteipolitischen Gründen den Gefeßzentwurf eingebracht zu haben. Die Bedenken seiner Freunde gegen das Gesez nötigten sie, die Vorlage abzulehnen.

Reichskanzler Marg weist den Vorwurf amtlicher Handlungen aus parteilichen Gründen vorgenommen zu haben, entschieden zu rück. Er habe als Reichskanzler schon wiederholt in einer Weise Stellung genommen, die nicht durch parteipolitische Gründe geboten gewesen seien. Das Interesse des gesamten Staats und die notwendige Beruhigung des Volkes dränge zur Erledigung des Gesetzes. Die Parteien, welche die Ordnung aufrechterhalten, sollten alles daran

ſetzen, um das Gesetz jetzt zu verabschieden.

Abg. Rosenberg( Komm.) behauptet, daß sich die Stellungnahme müssen!) Auf weitere Beschimpfungen der Sozialdemokratischen seiner Freunde nach dem Willen der 15 Millionen gerichtet habe. ( Da hätten die Kommunisten anders stimmen Bartei erwidert Gen. Landsberg , daß die fozialdemokratische Fraktion den Kommunisten die nötige Antwort im Plenum geben werde.

Schließlich richtet noch Abg. Richthofen( Demt.) an den Reichs­fanzler die Frage, in welcher Weise die Regierung die Mitglieder des Laien. Reichsfondergerichts berufen wolle, ob nur Richter oder auch

gierung noch nicht mitteilen fönne. Er glaube aber sicher, daß die Reichskanzler Marg erwidert, daß er einen Beschluß der Re­Reichsregierung ihm zustimmen werde, wenn er erfläre, daß die vier Mitglieder des Gerichts, welche außer den fünf Richtern im Gesetz vorgesehen seien, zu Mitgliedern des Gerichts ernannt werden würden, jedenfalls nicht Richter sein würden.

Damit ist die Beratung der Vorlage in zweiter Lesung beendet. Sie geht jetzt ans Plenum, das am Dienstag die Beratung vornimmt.

Grüne Internationale.

Agrarische Einheitsfront in der Tschechoslowakei .

Von Senator Wilhelm Nießner, Brag. Bild, wie man es seit Bestand der tschechoslowakischen Re­Das tschechoslowakische Parlament zeigt gegenwärtig ein publik nicht gesehen hat. Seit den ersten Wahlen im Jahre 1920 waren alle tschechischen Parteien, darunter auch die sozialistischen, in der Regierungstoalition zusammen­gefchloffen, der die Parteien aller anderen Nationen als Opposition gegenüberstanden. Diese Koalition, schon lange brüchig, fand ihr Ende, als die bürgerlichen Parteien, durch ihren Wahlerfolg vom November 1925 fühn gemacht, in ge= steigerter Begehrlichkeit durch Lebensmittelzölle und Erhöhung der Rongruagebühren, das sind die staatlichen Zuschüsse zu dem Einkommen der Geistlichen, in Bargeld umzumünzen fuchten. Tschechische Sozial­de motraten und nationale Sozialisten erhoben Widerstand, die Koalition wurde gesprengt und dadurch wurden die Klaffenkämpfe innerhalb des tschechischen Volkes, die sich bis dahin in den Konferenzzimmern der Koalition abgespielt hatten und die durch Kompromisse oder Hinaus­schiebung strittiger Fragen ihre Erledigung fanden, in die Deffentlichkeit getragen.

Die der parlamentarischen Regierung folgende Be= amt enregierung hat für 3ölle und Kongrua rascher eine neue Mehrheit gefunden, als es jemand für mög­lich gehalten hätte. An die Stelle der tschechischen Sozial demokraten und nationalen Sozialisten sind dresdeutsch= bürgerliche Parteien getreten. Wieder stehen zwei Blocks einander gegenüber, aber was sie scheidet, ist nicht mehr die ungelöste nationale Frage, sondern der Klassen­gegenfaß. Das Natürliche, doch lange Verschleierte, es ist Ereignis geworden. Der Kampf um die Lebensmöglichkeit der arbeitenden Massen hat die proletarischen Parteien aller Nationen ebenso zusammengeführt, wie das Streben nach erhöhtem Profit das deutsche, tschechische, slowakische und magyarische Bürgertum.

Bei den einzuführenden Zöllen spricht man fälschlich meist nur von Getreidezöllen. Doch es geht nicht nur um Getreidezölle, denn es sollen Zölle auf alle wichtigeren Lebensmittel gelegt werden, darunter auch Lebens­mittel, die von der heimischen Landwirtschaft nicht produziert werden. Ihre Höhe wird das Bier bis Achtfache der Borfriegszŏlle betragen. Die flerifalen Parteien murden von den Agrariern mit dem Versprechen der Er­höhung der staatlichen Bezüge der Geistlichen gewonnen, die