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Abfahrt nach Wien  .

15 Reichsbanner- Sonderzüge unterwegs.

Am Anhalter Bahnhof   herrschte heute in den ersten Mittagsstunden Hochbetrieb. Neugierig sahen die Bahngäfte auf das buntbewegte Getümmel, das sich ab 12 Uhr in den Bahnhofs Borhallen und-Eingängen entwickelte. 1200 Mann des Berliner  Reichsbanners Schwarz- Rot- Gold fuhren in einem Sonderzug nach Wien  , um dort am Sonntag mit den Brüdern vom Republikanischen Schutzbund für Größe und Freiheit der republikanischen Idee zu demonstrieren und im Marsch der Hunderttausende über den Wiener Ring   für die unverbrüchliche Ein­heit des republikanischen Großdeutschlands Zeugnis abzulegen. In Trupps zu Zwei, Drei und mehr fommen sie auf dem Bahnhof an, die Reichsbannerleute, Die Tornister schwer bepact, im Kleid der republikanischen Frontsoldatenorganisation, die Fahrtfreude in den Augen. Viele haben eine rote Nelte an die Windjacke gesteckt. Der gewaltige technische Apparat funktioniert tadellos, alles geht ohne jegliche Reibung vor sich. Aus den Straßenbahnen kommen sie, zu Fuß, auf den Autobussen, Junge und Alte. Stattliche Gestalten find es, die das republikanische Berlin   in Wien   repräsentieren sollen. Um 12 Uhr wird der Bahnsteig für das Publikum gesperrt und im Nu ist der bereitgestellte Sonderzug von den Massen dicht gefüllt.

Mit 1200 Kameraden ist der Sonderzug belegt, der die Berliner  Republikaner   zum Fest der österreichischen Brüder nach Wien  bringen soll. Auf den Bahnsteigen drängte sich zur Abfahrtszeit eine nach vielen Hunderten zählende Menge, die den abfahrenden Reichs: bannerleuten ein Lebewohl nachrufen wollte. Der Zug ist festlich und reich in den schwarzrotgoldenen Farben ge­schmückt. Jeder Mann findet seinen Sizplaz. Die einzelnen Berliner   Gruppen haben ihre geschlossenen Wagen, so daß sich während der langen Fahrt der Kamerad zum Kameraden findet. Wenn feine Zwischenfälle eintreten, hofft man morgen vormittag um 9 Uhr im schönen Wien   zu sein. Von Passau   aus will ein Teil der Berliner   mit dem Dampfer nach Wien   fahren. Um 9 Uhr hoffen die letzten Berliner   in Wien   zu sein. In Leipzig   wird der Zug zu einem von 900 Mann belegten Sonderzug des Gaues Berlin- Brandenburg   stoßen, der ebenfalls nach Wien   geht. Im Berliner   Zug befindet sich auch eine 20 Mann starfe Fahnen delegation des Gaues Pommern des Reichsbanners Schwarz­Rot- Gold. Insgesamt sind 15 Sonderzüge mit etwa 12 000 bis 15 000 Reichsbannerleuten auf der Fahrt nach Wien  . Pünktlich um 12,36 Uhr, wie vorgesehen, setzte sich der Zug unter stürmischen Hochrufen der Menge in Bewegung. Die Kapelle im Zug stimmte das Reichsbannerlied an. Begeisterte Hochrufe auf die Republik  wurden ausgebracht, und unter immer erneutem Beifallsjubel der vielen, die den Bahnsteig dicht umfäumten, verschwand der Zug der Republikaner   in der Ferne.

Todessturz eines Einbrechers.

Bon dem Wohnungsinhaber überrascht.

Als der Kaufmann Alfons von Förster gestern abend mit seiner Familie von einem Ausflug heimkehrte, sah er mit Erstaunen, daß in seiner Wohnung Licht brannte. Nichts Gutes ahnend, eilte er hinauf und fand die Wohnungstür, die er ordnungsmäßig ver­schlossen hatte, nur eingeflinft. Geräuschlos öffnete er sie und fah fich plötzlich drei Einbrechern gegenüber. Im Korridor entspann sich ein Ringkampf, bei dem es zweien der Einbrecher gelang, zu entwischen. Endlich konnte sich auch der dritte freimachen und wollte in großen Sägen die Treppe hinabspringen. Er stüßte fich dabei auf das Geländer, bekam das lebergewicht und fiel, da es eine Wendeltreppe war, in den Schacht hinab, wo er mit zerschmetterten Gliedern liegen blieb. Hausbewohner hatten inzwischen das Revier benachrichtigt. Die Beamten brachten den Ab­gestürzten in das Urbanfrankenhaus, wo er gleich nach der Einlieferung starb. Es ist ein gewisser Kramm. Seine beiden Komplizen sind unerkannt entkommen. Die Einbrecher hatten in der Wohnung mehrere Schränke erbrochen und waren im Begriff gemejen, die Beute zusammenzupaden, als sie überrascht wurden.

Ueberfall von Asyliften auf einen Obftwagen. Wagen und Kaffe völlig ausgeplündert.

Seit einiger Zeit fam es wiederholt vor, daß Straßen= händler in der Gegend der Andreasstraße und des Schlesischen Bahnhofes Zusammenstöße mit Asylist en hatten. Gestern nachmittag hielt der Händler Mar Membeß- aus der Weberstraße mit seinem Obstwagen vor dem Hause Andreasstraße 1. Kurz bevor er zusammenpaden wollte, trat ein Asylist an ihn heran und forderte ihn auf, Obst ohne Bezahlung abzugeben. Als der Händler das ablehnte mit der Begründung, daß er selbst nichts zu verschenken habe, fiel der Mann plöglich über ihn her und schlug ihn zu Boden. Dieser Angriff war das Signal für etwa 20 andere Asylisten, die in der Nähe bereits gewartet hatten, den Wagen zu plündern. Etwa ein halbes Duhend warf sich auf den Händler und mißhandelte ihn, die übrigen riffen die Ware vom Wagen, erbrachen die Kasse und stahlen den gesamten Inhalt von 60 Mark. In der Notwhr gab Membez einen Schreckschuß in die Erde ab, worauf die Blünderer auseinanderstoben. Hinzukommende Schupobeamte fonnten einige Personen feststellen, doch waren die meisten schon geflüchtet. Die Polizei sollte an den Stellen, die ihr bekannt sein werden, ein besonderes Augenmert auf die gefährdeten Straßenhändler haben.

Der Leichenfund im Tiergarten aufgeklärt. Der Leichenfund im Tiergarten, über den wir berichteten, tonnte durch die Mordkommission gestern abend noch völlig geflärt werden. Der Tote ist festgestellt als der 65 Jahre alte Klavierbauer Hermann Linke aus der Hohenstaufenstraße 37. Linke war früher Befiger einer Bianofortefabrik in der Elisabeth straße, die sich eines ausgezeichneten Rufes und regen Zuspruches erfreute. In der Inflationszeit brach das Geschäft zusammen, und Linke schied aus der Fabrikleitung aus. Er eröffnete dann in der Hohenstaufenstraße 37 eine Musitalienhandlung und Reparatur: werkstatt, hatte aber auch damit nur geringen Erfolg. Am 7. d. M. entfernte er fich aus dem Geschäft, schrieb an seine Angehörigen Abschiedsbriefe und wurde jetzt als Leiche wiedergefunden.

Wohnungsnot und Bettennot war das Thema, das der Deutsche Verband für Schulkinderpflege in den Mittelpunkt einer Konferenz gestellt hatte. An Hand von sehr gründlich zusammengestelltem Material wiesen Frau Albers, Leiterin des Wohlfahrtsamtes Solingen, und Professor Dr. Engel ( Dortmund  ) die verheerenden Folgen des Notstandes für Gefundheit und Sittlichkeit der Kinder nach. Rat und machtlos stünde die Für­forge vor dieser Not, die zu bessern, geschweige denn zu verhüten fie nicht in der Lage sei. Die Darlegungen der Referenten wurden noch bestärkt durch die einzelnen Berichte, die in der Aussprache gegeben wurden. Die Versammlung war sich einig in der Ueber: zeugung, daß an den maßgebenden Stellen der unheilvolle Einfluß der Wohnungsnot auf das gesamte Volksleben noch immer nicht in genügendem Maße erkannt sei und beschloß, eine eindringliche Mah­nung an die Regierung zu richten, den Ertrag der Hauszinssteuer restlos zur Herstellung neuer und zur Erhaltung alter Wohnungen zu verwenden. Insbesondere soll darauf hingewiesen werden, daß billige Wohnungen beschafft werden, denn es ist jetzt bereits zum Beispiel in Berlin   der frasse Zustand eingetreten, daß troẞ der furchtbaren Wohnungsnot Wohnungen leer­stehen, weil ihr Mietpreis für die Bevölkerung uner

[ hwinglich ist. Am Nachmittag brachte Architekt Wolf Bor. fchläge für billiges Bauen und einfache Wohnungseinrichtung, von denen in der Aussprache besonders der Vorschlag, in den Vororten nur billige und schmale Straßen anzulegen und die Vorschläge, durch zusammenklappbare oder in die Wand eingelassene Betten die Bettennot zu bekämpfen, herausgegriffen wurden. In der Aus= schuß- und Vorstandssitzung wurde über die Ausbildung von Fürs forgerinnen, über Kinderschutz im Hausgehilfengesetz und über Al­toholbekämpfung beraten.

Berlin   und die Hochbahn.

Annahme des Bertrages.

Die Generalversammlung der Hochbahn- Gesellschaft in Berlin  nahm heute vormittag den Vertrag mit der Stadt Berlin  , dessen Annahme durch die Stadtverordnetenversammlung am 1. Juli Die Aktienmajorität der Gesellschaft tommt nach erfolgt ist. an. Durchführung dieses Vertrages in die Hände der Stadt Ber  lin. Der Vertrag enthält folgende Einzelheiten: Die 50000 Schugaktien der Gesellschaft, um die bekanntlich prozessiert wurde, werden eingezogen. Das Attienkapital der Gesellschaft wird um 62 Millionen Mart erhöht. Von diesen werden 50 Millionen der Stadt Berlin   für die Ueberlassung der Nord- Süd­bahn gegeben, und zwar gilt die Ueberlassung als Einzahlung von 50 Proz. Die Hochbahngesellschaft übernimmt dagegen Anleihe­schulden der Nordsüdbahn im Betrage von rund 33 Millionen Mart. 12 Millionen erhält die Stadt Berlin   für die Einbringung der Schöneberger Bahn, und zwar wird diese Einbringung als Ein­zahlung von 50 Proz. angerechnet. Ueber die Einzelheiten der Generalversammlung werden wir noch berichten.

Großgarage für 200 Autobusse.

Der neue Betriebshof der Aboag in Charlottenburg  . In Charlottenburg  , an der Helmholz- und Morfeſtraße, ist in den letzten Monaten auf einem der Aboag gehörigen Gelände eine neuzeitliche, große Garagenanlage entstanden, wie sie in Berlin  und auch in anderen Weltstädten mit Autoomnibusverkehr bisher noch nicht zur Ausführung gekommen ist.

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Dieser Betriebsbahnhof, der besonders für die den Berliner  Westen befahrenden Autobuslinien bestimmt ist, setzt sich aus einer Wagenhalle zum Unterstellen der Autobusse, aus einer daran anschließenden Halle zum Reinigen, Untersuchen, Vornahme von kleinen Reparaturen usw., sowie einem Verwaltungsgebäude und den für den Betrieb erforder­lichen Nebenanlagen zusammen. Infolge des schlechten Baugrundes der tragfähige Boden liegt in 7 bis 8 Meter Tiefe mußten die gesamten Baulichkeiten auf Pfahlrosten gegründet werden. Die Wagenhalle ist ein großer, fast stüßenloser Eisenkonstruktionsbau und hat eine Länge von 90 Metern und eine Breite von 53,5 Metern. Sie bietet für 150 bis 200 Autobusse Platz. Unmittelbar neben dieser großen Halle liegt die Wagenwaschhalle, die bei gleicher Länge eine Breite von 18,6 Metern befigt. Seitlich der Waschhalle liegen die Lager und die Werkstätten, ferner die Reparaturgruben, die Heizzentrale und einige weitere Nebenräume, von denen aus die Ladung der Lichtakkummulatoren erfolgt. Die gesamte Gebäude. fläche umfaßt rund 7000 Quadratmeter. Für die Eisenkonstruk­tionen der Wagenhalle sind ungefähr 670 Tonnen Eisen aufgewendet worden. Die abends aus dem Betrieb zurückkehrenden Autobusse werden am Eingang zur Waschhalle zunächst trocken gereinigt, an­schließend erfolgt die gründliche Reinigung mit warmem Waffer. In dem nächsten Abschnitt werden die Wagen mit kaltem Wasser nachgespült, die Fenster geputzt usw., worauf dann über den Revisionsgruben die Prüfung auf Betriebssicherheit erfolgt und das Laden der Akkumulatoren vom Akkumulatorenraum aus vorge nommen wird. Nach dieser Revision gelangen die Wagen in die große Wagenhalle. Bevor die Wagen morgens den Hof verlassen, werden sie außerhalb der Halle an Zapfftellen unter einer Brücke mit Benzin gefüllt. Die Füllung eines Wagens, der für seinen Tagesverbrauch 130 Liter Betriebsstoff erhält, nimmt etwa 2 Minuten Zeit in Anspruch, wobei die Anlage eine genaue Messung des abgegebenen Betriebsstoffes gestattet. Der Betriebsstoff ist in drei unterirdischen Tanks gelagert, non denen jeder 60 000 Liter ent­hält. Nach den Fortschritten der Bauarbeiten ist damit zu rechnen, daß der neue Bahnhof etwa Mitte August in Betrieb ge= nommen werden wird.

Fliegerabfturz in Staaken  .

Heute vormittag 9% Uhr stürzte bei der Verkehrsfliegerschule in Staaten bei einem Schulflug eine Dietrich- Gebietmaschine( Schul­und Sportflugzeug) aus geringer Höhe ab. Das Flugzeug war nur mit dem Flugzeugführer iz mann besetzt. Der Flugzeug führer war fofort to t. Das Flugzeug ist zertrümmert.

Adam in der Muladstraße. Dem 28jährigen Karl R. aus der Linienstraße hatte es wohl die schier unerträgliche Hize angetan. Wahrscheinlich überlegte er, daß es bei einer derartigen Hize Adam im Paradies besser gehabt hatte. Jedenfalls zog sich Karl R. gestern abend in der Muladstraße splitterfaserna dt aus, nahm seine Sachen unter den Arm und ging in diesem Zustande spazieren. Er verursachte einen gewaltigen Auflauf. Von einem hinzukommen­den Polizeibeamten wurde er schließlich festgenommen und zur den Polizeibeamten wurde er schließlich festgenommen und zur Bache gebracht.

Ein feiner Kavalier. Ein junges Mädchen aus Dresden  , das sich auf der Durchreise mehrere Tage in Berlin   aufhielt, hatte im Grunewald   ein ernstliches Erlebnis. Es hatte in Dahlem   einen jungen Mann kennengelernt, mit dem es im Grunewald spazieren ging. In der Nähe der früheren Gardeschützenschießstände nahm der Spaziergang ein jähes Ende. Der junge Mann, der als Kavalier den Hut und die Handtasche seiner Begleiterin getragen hatte, rückte plößlich damit aus, und es gelang ihr nicht, ihn einzuholen. In der Handtasche waren 25 Mart bares Geld.

Bolf und Zeit", unsere illustrierte Wochenschrift, und " Der Kinderfreund" liegen der heutigen Postauflage bei.

Vier Arbeiter durch Blihschlag getötet. Aus München   kommt die Nachricht von einem furchtbaren Unglück, dem zehn Arbeiter zum Opfer gefallen sind. Als die Arbeiter nach Arbeitsschluß aus einer Fabrit in cimbach heimgingen, mußten sie wegen eines ausbrechenden Gewiffers unter einem Baum Zuflucht suchen. Plöhlich fuhr ein Blitz in den Baum, tötete vier Arbeiter sofort und verletzte drei schwer. Die übrigen famen mit leichten Berletzungen davon.

Eisenbahnkatastrophe in Polen  .

Wie aus Warschau   gemeldet wird, stieß gestern abend bei Rogow in der Nähe von Warschau   der aus dem Kurort Zato pane kommende Schnellzug mit dem von Warschau   nach Krakau   abgehenden Schnellzug zusammen. Die Lokomotive des Warschauer Zuges entgleiste, wodurch drei Wagen aus dem Gleise sprangen und umstürzten. 3wei Bersonen wurden auf der Stelle getötet, acht schwer und eine Anzahl leicht ver wundet. Von Warschau   ist sofort ein Rettungszug an die Un­glücksstelle abgegangen. Der Berkehr, der längere Zeit unterbrochen war, ist gegen 3 Uhr früh wieder aufgenommen worden. Ursache der Katastrophe wird falsche Weichenstellung angenommen.

Als

Gewerkschaftsbewegung

Die Verschmelzung in der Lebensmittelindustrie.

Der Bäderverband für die Verschmelzung.

In der Beiratssigung des Deutschen Nahrungs- und Genußmittelarbeiterverbandes( des früheren Verbandes der Bäcker und Konditoren), die am 28. Juni in Hamburg   stattfand, be­erichtete Friz über das Ergebnis der Urabstimmung. Troß der bedeutenden Erleichterungen des Wahlmodus gegenübere früheren Urabstimmungen fonnte nur ein gutes Drittel der Mitglieder zur Stimmabgabe veranlaßt werden; 65 Broz. aller Mitglieder haben sich an dieser wichtigen Abstimmung nicht beteiligt. Für die Ver­schmelzung stimmten 16 260 Mitglieder oder 32,4 Proz. gegen die Verschmelzung 1326 oder 2,6 Broz. Bei einem Vergleich der Ab­ſtimmung im Jahre 1921 ergibt sich, daß die gleiche Zahl der Ber schmelzungsanhänger wie damals festgestellt werden kann. Wohl ist das Prozentverhältnis der Beteiligten etwas gestiegen, aber zu­friedenstellen fann es nicht. Es wurden noch bei feiner Urab­ftimmung soviele Berstöße gegen das Wahlreglement festgestellt, wie diesmal. Aus 11 Bahlstellen wurde kein Resultat eingesandt und in 13 Bahlstellen mußte das Abstimmungsergebnis wegen grober Ver­letzungen des Wahlreglements für ungültig erklärt werden. Nach Berufsgruppen beteiligten sich an der Abstimmung: 7343 Bäder, 472 Konditoren, 8900 Süßwarenarbeiter( davon 5844 weibliche), 906 Erwerbslose. Das Resultat entspricht auf keinen Fall der Er­wartung; dennoch habe der Gesamtvorstand mit 12 gegen 7 Stimmen die Tragfähigkeit des Abstimmungsergebnisses zur Verschmelzung anerkannt. Er fönne sich aber dennoch von seinen schweren Bedenken nicht freimachen, daß in Anbetracht der überaus schwachen Beteiligung und der vielfach ermittelten Berstöße wir einer recht unsicheren Zukunft entgegengehen.

In der Diskussion wurde von einigen Rednern die Trag­fähigkeit des Abstimmungsergebnisses zur Verschmelzung ange zweifelt. In feiner Gewerkschaft würde es möglich sein, daß ein Drittel des Mitgliederbestandes über die Auflösung der Organisation entscheiden kann. Diese Minderheit habe nicht das Recht, über den Anschluß mit anderen Verbänden zu befinden.

Demgegenüber wurde von anderen Rednern die Meinung ver­treten, daß das Abstimmungsergebnis als die Willensmei. nung der tätigen Verbandsmitglieder zu betrachten sei und respektiert werden müsse.

Die Abstimmung ergab, daß 32 für und 9 Kollegen gegen die Tragfähigkeit stimmten.

Damit hat der Nahrungs- und Genußmittel­arbeiterverband sich für die Verschmelzung erflärt. Der Zentralverband der Fleischer hat sich mit über der Hälfte seiner Mitglieder und mit fast allen Stimmen der Abstimmenden dafür erklärt, während der Verband der Lebensmittel­und Getränkearbeiter sich mit nahezu der Hälfte seiner Mitglieder( 33 130 von 68 145) für die Verschmelzung ausgesprochen hat. 15 000 feiner Mitglieder stimmten allerdings dagegen, so daß der Schwerpunkt für die endgültige Entscheidung bei legterem Berbande liegt. Hoffentlich wird er auch hier überwunden, so daß der engeren Berbindung nichts mehr im Wege steht.

Neutralität der Polizei im Wirtschaftskampfe. Man schreibt uns: Bon verschiedenen Polizeibeamten wurden den. streitenden Bäckern des Beamten Wirt­schafts- Vereins, trotzdem das unentgeltliche Verteilen von Flugblättern nicht verboten ist, allerlei Schwierigkeiten bereitet. Ja einzelne Polizeibeamte gingen in ihrer Unparteilichkeit" jogar so­weit, die Flugblätter zu beschlagnahmen. Als dann nach einigen Tagen diese Beamten sich davon überzeugt hatten, daß fie unrecht taten, wurden die Flugblätter wieder zurückgegeben.

ein Kriminalbetriebsaffiftent aus Dyroß. Nachdem Besonders tüchtig im Sinne des Vorstandes des B. Wi.V. ist schon vor Wochen einem streifenden Bäcker das Verteilen von Flug­blättern unmöglich gemacht wurde, fuhr am Donnerstag, den 1. Jul ein anderer Bäder nach der Beamtensiedlung Elsthat bei Wustermart, um dortselbst Flugblätter zu verteilen. Da es sich dort nicht lohnt, vor der Verkaufsstelle des B.Wi.V. auf die spär­liche Kundschaft zu warten, so wurden die Flugblätter den Be­wohnern der Siedlung in ihre Briefkästen gesteckt.

Der Herr Kriminalbetriebsassistent fuhr dem Flugblattverteiler auf seinem Fahrrade nach und beschlagnahmte die letzten zwei Flug­blätter( die anderen waren schon alle verteilt). Zuerst erklärte dieser Polizeibeamte in Zivil, er habe es nicht nötig, fich auszuweisen. Doch auf das energische Verlangen des streitenden Bäders zog er einen Ausweis heraus und legitimierte sich. Auf die Frage, mit melchem Recht die Flugblätter beschlagnahmt werden sollen, zog dieser Beamte eine einstweilige Verfügung hervor, die schon 14 Tage aufgehoben war. Darauf auf­merksam gemacht, erklärte der Herr Kriminalbetriebsassistent, davon, daß die einstweilige Verfügung aufgehoben sei, wiffe er nichts und beschlagnahmte die restlichen zwei Flugblätter und wollte sogar den Berteiler nach der Polizeiwache bringen. Da der Flugblattverteiler aber einen Reisepaß besaß, so begnügte sich der Beamte mit der Feststellung der Personalien.

Hieraus ergeben sich folgende Fragen: In welchem Auf= trage handelte der Beamte, der es deutschen   Staatsbürgern un­möglicht macht, ihre verfassungsmäßigen Rechte auszuüben?

Wie kommt der Beamte in Qyroß zu der einstweiligen Verfügung", die im Auftrage des Vorstandes des Beamten- Wirt­schafts- Bereins gegen drei Personen erwirkt worden war? Wes­halb hat diese Informationsstelle den Beamten nicht auch mitgeteilt, daß die einstweilige Verfügung aufgehoben worden ist? Vielleicht kann der Herr Landrat des Kreises Ost havelland darüber Aufschluß geben.

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Ift das Gleiches mit Gleichem vergolten? Man schreibt uns: Wie die Gemeinden selbst wenn sie große Stadtgemeinden sind den Feuerwehrdienst lohnen, zeigt folgendes Vorkommnis: Der Feuerwehrmann Felig G. war von 1906 bis 1918 Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Marien. dorf. Im Jahre 1912 machte er die Prüfung als Ober. feuerwehrmann. In der Zeit von 1914 bis 1916 und sofort nach seiner Entlassung aus dem Kriegsdienst leistete er Lohn= wachen für die Gemeinde Mariendorf  . Im Jahre 1918 gründete die Gemeinde Mariendorf   eine Berufsfeuerwehr und G. wurde als Oberfeuerwehrmann bei derselben eingestellt. Im Jahre 1925 wurde G. wegen Zerfall seiner Gesundheit dienstunfähig. Der Tarifvertrag der städtischen Arbeiter fieht vor, daß laufende Unterstüßungen erst nach fieben Dienstjahren gewährt werden. G. war am 22. No­vember 1918 in den Dienst der Gemeinde Mariendorf   getreten und bei Schaffung der Stadtgemeinde Groß- Berlin in deren Dienst über­nommen worden. Seine sieben Dienstjahre waren also erst am 22. November 1925 abgelaufen. Zum 30. September 1925 erfolgte die Kündigung. Das Tarifamt der Stadt Berlin   berief sich auf die Tatsache, daß diese sieben Jahre nicht erfüllt waren, und damit war für dieses die Angelegenheit erledigt. Daß der Ober­feuerwehrmann G. in der Zeit von 1914 bis 1916 Lohn­wachen für die Gemeinde Mariendorf   geleistet hat und§ 2 Abs. 2 der Tarifbestimmungen über Ruhegeld besagen, daß auch nicht Dollbeschäftigten Berfonen Ruhegelb bewilligt merben tann, daß Kriegsdienstzeit nicht als Unterbrechung ber Dienstzeit angesehen wird(§ 6, Abs. 3 a. a. D.) berührte das Tarif­amt nicht. Der Kranke hat zwar annähernd 20 Jahre im Dienste des Feuerlöschwesens und damit im Dienste der Allgemeinheit ge­standen. Es bestand die Möglichkeit, ihm unter Berücksichtigung der geleisteten Lohnwachen und§ 2 Abs. 2 der Tarifbestimmungen in Anerkennung dieser opfervollen Hingabe Ruhegeld zu bewilligen, boch