Man ist ja im allgemeinen für den September sehr opti» mistisch oder gibt sich doch den Anschein, es zu sein. Auch was die Lösung des Problems der Zusammensetzung des Rates anlangt. Ist da nun wirklich alles im Reinen und geordnet? Man hört von neuen Ansprüchen Polens und auch von Bemühungen>Italiens , die Abrede über die Zusammen- setzung des Rates wieder zu ändern oder doch den Geqenstand zu neuer Diskussion zu stellen. Es wäre wirklich sehr wünschenswert, daß wir sehr bald hierüber etwas Authen- tisches erführen und die Meinung der deutschen Regierung kennen lernten. Die parlamentarischen Ferien und die Ur- laubs- und Besichtigungsreisen der Minister würden es nicht rechtfertigen, das Volk im unklaren darüber zu lassen, was hinter den diplomatischen Kulissen vorgeht. Auch hier würde eine Vertagung aufklärender Mitteilungen bis unmittelbar vor dem Beginn der Völkerbundsversammlung unter Um- ständen verhängnisvolle Folgen nach sich ziehen, und die Re- gierung könnte den Vorwurf auf sich laden, daß auch sie nicht alles getan habe, was im Interesse der Verständigung hätte ' geschehen müssen, denn zur Sicherung des Friedens gehört es, daß das Volk rechtzeitig zur Mitwirkung bei der Beseitigung internationaler Schwierigkeiten und Mißverständnisse auf» gerufen wird.
potemkin. Der Kampf um Zensurfreihcit. Durch das Verbot des P o t e m k i n- F i l m s ist der Kampf um die Z e n s u r f r e i H e i t auf der ganzen Linie entbrannt. Dieser Kampf wird nicht eher beendet werden, als bis das skandalöse Verbot wieder rückgängig gemacht worden ist und nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes die Freiheit für wirklich künstlerische Filme gesichert ist. In dem fanatischen Kampfe der Rechten gegen diesen Film passiert ihnen das Mißgeschick, daß sie aus dem amt- lichen Protokoll über die Verhandlungen der Film- �oberprüfstelle auch diejenigen Stellen wiedergeben, in denen 'mitgeteilt wird, daß dieser angeblich echt bolschewistische Film ausgerechnet in Ruhland nur mit größter Vor- ficht behandelt wird. Die„Tägliche Rundschau" schreibt: „Außerordentlich bezeichnend ist es, daß man den Film in Rußland selbst mit großer Vorsicht behandell. So hat der Vertreter des Reichskommissars für Ueberwachung der öffentlichen Ordnung in den Verhandlungen mitgeteilt, daß der Film in Ruhland selbst nur in ganz beschränktem Maße zur Verwendung gelangt. Zum erstenmal ist er am 15. Juni 1926 in der.Lswestija' ange- zeigt worden. Wie diese Zeitung berichtet, hat er bisher i n d e r Sowjet-Ukraine keine Zulassung gefunden. Der Ver- treter des Rcichskommissars bemerkte hierzu, diese Tatsache sei offen- bar darauf zurückzuführen, daß die russische Regierung mit Rück- ficht auf die politischen Schwierigkeiten beson- ders in Armee und Flotte es nicht für angezeigt bält. solche aufreizenden Darstellungen vorzu- führen. Auch der Sachverständige des Reichswehrministeriums hat auf diesen auffallenden Umstand hingewiesen. Der Potemkin- Film ist erst jetzt zur Vorführung im zweiten staatlichen Kino- theater in Moskau zugelassen worden. Das sei im Zusammenhang mit den jüngsten Pressenachrichten über Unruhen und Meutereien innerhalb der Roten Flotte ein �offensichtlicher Beweis dafür, daß in Rußland - Bedenken trage, diesen Film den eigenen Heeres- und Marineangehörigen vorzuführen." -■$<? Wenn diese Angaben über die Haltung der bolschewisti- schen Behörden zutreffen, so brauchte man sich darüber gar nicht zu wundern. Der Potemkin-Film ist nicht umsonst die Schilderung einer Episode aus dem großen Befrei- ungskampf des russischen Voltes gegen barbarische Unterdrückungsmethoden. Er schildert den Triumph menschlichen Freiheitswillens und brüderlichen Zusammenstehens gegen brutale Gewalt. Daß ausgerechnet den Sowjetdiktatoren in ihrem eigenen Lande eine solche Propaganda nicht angenehm ist, das kann man sich denken. Um so lächerlicher ist die dauernde Versicherung der
»Die /ldftrakten/ ){ Von John Schikowsti. Aus zwei Elementen pflegt sich ein Werk der bildenden Kunst, ein Gemälde oder eine Plastik, zusammenzusetzen: aus einem Stück äußeren Naturbildes, das in dem Kunstwerk nachgebildet ist, und aus einem rhythmischen Organismus aus Linien und Farben in einem Gemälde, aus Formen in emer Plastik. Dieser rhythmische Organismus ist das, was dem Künstler als Vision, als ideales Ziel seines Schaffens vorschwebt. Die Linien, Farben oder Formen des Naturbildes müssen sich mehr oder weniger diesem Ideal, dieser Bision anpassen. Dieses Anpassen nennt man Komponieren. Ohne Komposition kein Kunstwerk. Nun kann beim Komponieren entweder das Naturbild oder die Vision als das Wichtigere, Vorherrschende erscheinen. Je nachdem das eine oder das andere der Fall ist, unterscheidet man einen naturalistischen oder einen expressionistischen Stil. In den Werken des naturalistischen Stils wird die Vision, der rhythmische Organis- mus aus Linien, Farben oder Formen, zugunsten des Naturbildes vergewaltigt, in denen des expressionistischen Stils wird das Natur- bild dejormiert, um die ideale Vision desto reiner zur Wirkung zu bringen. In der Entwicklungsgeschichte der Kunst gibt es Epochen, in denen der naturalistische, und solche, in denen, der expressionistische Stil vorherrscht. Die Jahrhunderte der altorientalischen Kunst waren expressionistisch, die der hellenisch-römischen Kunst naturalistisch. Dann folgte das europäische Mittelaller, d. h. die frühchristliche, die ' romanische und die gotische Periode, mit expressionistischem Kunst- willen. Und diese Stile wurden wieder abgelöst durch eine natura- listische Epoche, die mit der italienisthen Renaissance einsetzte und im Impressionismus der letzten Jahrhundertwende ihren Gipfelpunkt und Abschluß fand. In unseren Tagen hat sich wieder eine Wand- lung zum expressionistischen Stil vollzogen. Der Ausdruck, die reine Wirkung der rhythmisch geordneten Kunstmittel erscheint den schaffenden Künstlern wichtiger als die möglichst getreue Wieder- . gäbe des Eindrucks, den ein äußeres Naturbild ihnen gibt. �de Linie, jede Farbe hat. auch ohne daß sie irgend etwas Gegenstandliches darstellt, ihren eigenen seelischen Ausdruckswert. Eine Wagerechte wirkt auf unser Gefühl anders als eine Senkrechte eine Zickzacklinie anders als eine Wellenlinie, ein tiefes Grün anders als ein lichtes Rosa, und so fort. Diese Wirtungen, die, tausend- fältig variiert und kompliziert in jedem Kunstwerk, auch im natura- listischen, mitsprechen, sind im expressionistischen Kunstwerk das Vorherrschende, Maßgebende, Kennzeichnende. Die konsequenteste Richtung des expressionistischen Stils gibt nur die Wirkungen der reinen Kunstmittel. Schafft Werke, die sich an kein Naturvorbild anlehnen, sondern nur rhythmische Gestaltungen aus Linien, Farben oder(in der Plastik) Formen sind. Neben dieser, der sogenannten„abstrakten" Richtung bestehen andere, die das Gegenständliche nicht ganz ausschließen, Nachbildungen von Natur- formen in ihren Werken mitNingen lassen, diese aber stets der Vision, dem Organismus der Linien, Farben oder Formen unter- ordnen. Die Große Berliner Kunstausstellung enthält In
Rechtspresie, daß diese künstlerische Darstellung des russischen Freiheitskampfes für Deutschland gefährlich werden könne. Im übrigen handelt es sich gar nicht um den Potemkin- Film. Es handelt sich hier um den Kampf um das Prinzip. Was heute dem Potemkin-Film passiert, kann morgen und soll morgen jedem anderen Film passieren, der nach der Auffassung irgendwelcher Oberregierungsräte oder reaktionärer Parteifanatiker unerwünscht ist. Die Grundlage unseres staatlichen Lebens ist der freie Kampf der Meinungen. Wenn die Reaktionäre glauben, daß der Potemkin-Film verderblich wirkt, dann steht es ihnen frei. einen viel besseren, ein viel wertvolleren Fum mit geschichtlichen Darstellungen aus der Zeit, die ihnen lieb ist, herauszubringen. Das Leben Wilhelms II. bis zu den Tagen in Doorn bietet sicher Stoff genug. Das Schlimme ist nur, daß die Herrschaften dazu zu dumm und zu un- fähig sind. Sie wissen ganz genau, daß um ihre Geistes- erzeugnisie sich kein Mensch kümmern wird. Es darf nicht eher Ruhe geben, als bis das Verbot des Potemkin-Films wieder aufgehoben worden ist. « Der Schriftsteller Julius B a b hat- auf Grund der Ent- fcheidung der Oberprüfstelle über den Potemkin-Film sein Amt als Beisitzer niedergelegt. Zur Begründung schreibt er: „Die Beschwerden gegen diesen Film kamen von Stellen. deren rein politische Bestimmtheit vor oller Welt offen'legt. Dieie sehen die Gefährdung militärischer Disziplin in dem Film. Aber eine Emnörunq von Leuten mißbilligen, die sich weigern, maden- wimmelndes Fleisch zu fresien, und wegen solcher Weigerung ir Masse erschossen werden— dos heißt eine Vorllellung von Disziplin hegen, die vielleicht für die Machthaber eines Unter- tanenstaates nötig, für das Heer eines Volks st aates aber wid.'rjinnig ist! Man braucht also durchaus keine kommunistischen Tendenzen zu hegen, sondern nur auf oem Boden der deutschen R« p u b l i k zu stehen, um diesen Disziplinarcinwand gegen das menschliche Recht dieses großen Kunstwerks absurd zu finden. Die„Sicherheit" eines Volts st aates wird durch Beifall, den die Empörung gegen viehischen Machtmih brauch weckt, nur gestärkt." Es darf freilich bei dem bloßen Austritt«us der Filmprüfstelle nicht sein Bewenden haben. Wichtiger noch ist der Kamps um end- gültige Unmöglichmachung eines solchen Zensurskandals.
NeueSchutzzollpropaganÜaöesLanöbunües Dumpingabwehr als Borwand. Der Bundesvorstand des Reichslandbundes hat in seiner letzten Sitzung eine Reihe von Beschlüssen gefaßt, die er als dringliche Forderungen der Oeffenllichkeit unterbreitet. Hierzu gehört eine Regelung des Einfuhrfcheinverfah» r e n s, die der Landwirtschaft und noch mehr dem Getreide- Handel die größten Spekulationsmöglichkeiten bieten würde. Darüber hinaus verlangt der Reichslandbund unverzüglich Maßnahmen von der Reichsregierung,„die das Valutadumping untervalutarischer, sowie das K r e d i t- d u m p i n g kapitalsstarker Länder unterbinden". Uebersetzt man diese etwas umständlichen Forderungen ins Hochdeutsche, so besagen sie, daß die Getreideeinfuhr aus England, Holland und Amerika ebenso wie diejenige aus Polen Son.derzSllen u n t e r w o r f e n werden sollen, die dem Volke das Brot weiter verteuern würden. Selbstverständlich ist der Kampf gegen eine Schleuder- ausfuhr fremder Staaten nichts anderes als ein leerer V o r w a n d, um die Sehnsucht der Großagrarier nach weile- ren Zollerhöhungcn auf Brotgetreide wenigstens mit einigen tönenden Redensarten begründen zu können. Um den Schutz von Wirtschaft und Währung und um den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ist es jedenfalls dem Landbund keineswegs so zu tun, wie er dies in den Begründungen seiner neuen Zollforderungen vorgibt. Man sieht, der Appetit kommt beim Essen. Erst unlängst hat die Regierung die Getreidezölle gegen den Wider- den Sälen 27 bis 30 eine Sammlung von Arbeiten des modernen Stils. Eine internationale Vereinigung von Künstlern, die sich nicht ganz zutressend„Die A b st r a k t e n" nennen, hat sie arrangiert. Sie zeigt nicht nur Werke des abstrakten Stils, sondern aller expressionistischen Richtungen und bietet eine vortreffliche Gelegen- heit, sich mit der Eigenart der Stile und Stilunterjchiede vertraut zu machen. An der Spitze der Maler streng abstrakten Stils steht W a s s i l y K a n d i n s k y, der Begründer und hervorragendste Meister dieser Richtung. Im Zimmer 28(Nr. 1730—33) sind vier Oelbilder, in Zimmer 30(Nr. 1734) zwei Aquarelle von chm zu sehen Seine Kompositionen werden meist von Linienz-bilden geometrischen Charakters beherrscht. Mehr oder weniger regelmäßige Dreiecke. Vierecke, Kreise usw. sind die Tröger der Flachenteilunq. In deren Rhythmus schwingen dann, als Begleitung, andere, mehr oder weniger klar begrenzte Farbsormen. Kompositionell ebenso streng wie die Gemälde von Kandinsky , in den Einzelheiten aber weniger geometrisch, sondern mehr der organischen, pflanzlichen oder animalischen Formenwelt sich nähernd, sind die Arbeiten von Rudolf Bauer (28. 1663—67). Die Aquarelle von Paul Klee (30, 1738) zeigen hier und da Anklänge an Naturbilder, sind aber in der Hauptsache von rein abstrakten Linien und Färb- formen beherrscht. Auch in den Arbeiten von Thomas Ring (27, 1784 u. 85), Fernand Leger (29, 1744), Albert Gleizes (29, 1713 u. 14) sprechen Einzelheiten von Naturbildern mit, aber deren äußere Formen erscheinen rücksichtslos zerschnitten oder umgestaltet, damit die rhythmische Sprache der Linien und Farben deutlicher vernehmbar wird. In noch höherem Maße spricht das Gegenständliche bei Marc Chagall (29, 1689 u. 90), Johannes Ilten(27, 1725), Bela Kadar (27, 1728), M e tz i n g e r(29, 1757 u. 58), ArnoldTopp(27, 1802—4) mit. Und doch wäre es falsch, diese Gemälde mit naturalistischem Maß- stabe zu messen, die Vergewaltigung des Naturbildes etwa Mangel- haftem Können der Maler zuzuschreiben. Nicht Unfähigkeit, sondern ein zielbewußt expressionistisch eingestellter Kunstwille hat die schein- baren„Verzeichnungen" bewirkt. Dekorative, rein schmückende, nur in den äußeren Sinnen sprechende Elemente finden sich, wie in jedem Kunstwerk, so auch in den Werken expressionistischen Stils. Je stärker ihre Wirkung ist, desto mehr nähert sich das Werk der Sphäre des Kunstgewerb- lichen. Die Grenze ist nicht immer leicht zu ziehen. Die Arbeiten von William Wauer (28, 1817), M a r c o u s s I s(29, 1756), Jacoba van Heemskerck (29, 1721 u. 22), Reil W a l d e n- H e i m a n n(27, 1814 u. 15) gehören dahin. Aehnliche Stilunterschiede erkennt man auch in der modernen P k a st i t. So gehören die Arbelten Archipentos(29, 1660, 61, 63) und Bellings (in der Abteilung der„Nooembergruppe". 24, 1514 u. 15) zu der Richtung, die das Gegenständliche nicht ganz ausschließt, während Oswald Herzog (Nooembergruppe, 26, 1549) den streng abstrakten, Wauer (27, 1818) den dekorativen Stil vertritt. Ich habe in diesem kurzen Hinweis die künstlerischen Ouall- täten der einzelnen Arbeiten absichtlich außer acht gelassen und mich auf die Andeutung der kennzeichnenden Stilunterschiede beschränkt. Wem diese klar zum Bewußtsein gekommen sind, der wird vor jedem
stand der Sozialdemokratie wesentlich heraufgesetzt. Noch sind die neuen Zölle nicht in Kraft, so stellen die Agrarier bereits weitergehende Forderungen. Es ist eine nackte Jntereffenpolitik, die hier von den Führern der Großlandwirtschaft zum Nachteile der Konsumenten, aber auch zum Nachteil der werktätigen Bauernschaft, betrieben wird. Ohne im geringsten dazu gezwungen zu sein, haben die Führer der Großlandwirtschaft eist eben einer künstlichen Verteuerung der Getreideproduktion durch eine Erhöhung der Kalipreise zugestimmt. Diese Erhöhung der Kalipreise wäre überhaupt nicht oder sicherlich nicht In dem verlangten Aus- maße erforderlich geworden, wenn die überkapitalisierte Kali- industrie nicht den Besitzern der infolge ihrer Fehlspekula- tionen stilliegenden Kalischächte gewaltige Abfindungen zahlen würde. Offenbar sucht jetzt der Landbund bereits nach einem A u s g l ei ch für die von ihm s e l b st verschuldete Verteuerung der landwirtschaftlichen Produktion, indem er nach neuen Zöllen schreit. Gegen diese Politik der Abwälzung aller Folgen einer verfehlten Interessenverquickung der Landwirtschast und der Kali- Magnaten muh die Arbeiterschaft den schärsiten Einspruch er- heben._
Zille unzüchtig! Muckerfustiz in Stuttgart . Stuttgart , 16. Juli. (Eigener Drvhtbericht.) Die Stuttgarter Gerichte haben sich am Freitag einen neuen Schwabenstreich ge- leistet. Bekanntlich ist der„S i m p l i c i ff i m u«" vor Weihnachten wegen der Berösfentlichung eines angeblich unsittlichen Gedichts verklagt und der Dichter und Redakteur je mit einer Geld- strafe belegt worden. Das Blatt hat den Kampf aber nicht auf- gegeben, sondern ist damals zu einer frischen Attacke auf die Prü- derie der Staatsanwaltschaft übergangen mit dem Erfolg, daß die gekränkten Hüter der Gerechtigkeit abermals die Beschlagnahme ver- fügten und Strafantrag stellten. Unter Anklage stand der Zeichner des bekannten Bildes, das.Unsere liebe Staatsanwaltschaft straft Rormalmenschen" darstellte, ferner der bekannte Professor Hein- rich Zille wegen eines Bildes im.Simplkissimus" vom 14. Dezember, wo er eine Gruppe nackter Frauen aus dem Norden Berlins den Auespruch tun läßt:.Erst haben wir ihn berühmt gemacht, und jetzt geht er zum Film." Die Anklage lautete auf Verbreitung unzüchtiger Schriften. Mitangeklagt waren Peter S ch e e r als verantwortlicher Redakteur, ferner der Verleger und der Drucker des.Simplicisiimus". Die Verhandlung fand vor dem Großen Schöffengericht Stutt- gart unter Aueschluß der Ocffentlichkeit und im besonderen der Presse statt. Der Zeichner der.Rormalmenschen" wurde frei- gesprochen, dagegen wurde Zille zu 150 Mark und der Redakteur und der Verleger zu je 250 Mark Geld-/ strafe verurteilt. Der Drucker erhielt 50 Mark Geldstrafe. Die Verurteilung erfolgte, trotzdem sich ein halbes Dutzend sach- verständiger Künstler�entschieden für den künstlerischen Charakter der Zilleschen Zeichnung ausgesprochen hatte. Dieses Unverstand- liche Urteil wundert niemand, der bie Stuttgarter Gerichte und den Geist der württembergischen Justiz kennt.
Preußen und Reich. J Der preußische Mmisierpräsident Braun hat an den Reichs- kanzler Marx �tn neues Schreiben gerichtet, da» noch einmal die preußischen Ansprüche auf einen Sitz im Berwaltungsrat der Reichsbahngejellschaft behandelt. Der Brief weist in ruhiger Form den Rcchtsstandpunkt der Reichsregierung zurück. Vorschläge für eine praktische Lösung des Konfliktes zwischen dem Reiche und Preußen werden vom preußischen Ministerpräsidenten nicht gemacht. Vielmehr ist man in Preußen der- Auffasiung, daß solche Vorschläge zur praktischen Beilegung des Konsliktes vom Reich ausgehen müßten. Offenbar wünscht aber die preußische Regierung selbst, daß der Konssikt nicht weiter verschärft wird, denn sie hat beschlossen, de« Brief vertraulich zu behan- dein und nicht zu veröffentlichen.
Kunstwerk den Standpunkt finden, von dem aus e, zu betrachten und zu genießen ist. Und wenn er die Ausstellung durchwandert hat. wird er einsehen, wie töricht das Verede vom„Bankrott" der neueu Kunst ist und wie tief diese Kunst im Geist unserer Zeit verwurzelt ist. Ob mehr oder weniger„abstrakt",»b mehr oder weniger „gegenständlich"— das Entscheidende ist. daß die Rhythmik der reinen Kunstmittel. Farbe, Linie und Form da»»ert beherrscht und daß ein in ihr etwa mittlingende« Naturbild da» Sekundäre ist. Ob und wann der heute herrschende expressionistisch« Stil von einem neuen naturalistischen abgelöst«erden und wie dieser neue aussehen wird, ahnen wir nicht. Sicher ist nur. daß der Expressio- nismus lebt und sich entwickelt und daß ihm für absehbar« Zeit die Zukunft gehört,«eil ihm die Jugend gehört.
Herzschlag bei Schwim«ern. Anfang des Jahrhunderts ertrank bei Augsburg im Lech ein Knabe beim Schwimmen. Die Zeitungen teilten mit. der Knabe hätte fein Amulett am Ufer abgelegt. Diese Bemerkung wurde Verhängnis- vyll sür viele junge Menschen. Es kamen in der folgenden Zeit zahlreiche Fälle von Ertrinken vor. Einige Knaben wurden im letzten Augenblick gerettet und gaben an, es wäre ihnen mitten im Master eingefallen, daß sie ihr Amulett(in Bayern tragen viele ein solches Amulett) mit den Kleidern abgelegt hätten. Dadurch hätten sie plötzlich das Vertrauen zu sich selber verloren. Es wäre ihnen die Zeitungsmeldung in Erinnerung gekommen, und schon hätten ihre Kräfte sie verlassen, sie wären untergegangen usw. So wie dort die Zeitungsmeldung von dem Talisman in der Vorstellung der jungen Schwimmer sich auswirkt«, fo wirkt sich die in Zeitungen häusig zu lesende Bemerkung aus, daß Herzschlag die Ursache des Ertrinkens sei. Nicht Herzschlag ist die Ursache— er ist außerordentlich selten, kommt kaum je bei jungen Menjchen vor—, sondern die Angst vor ihm bewirkt eine augenblickliche ver- wirrung und damit das verhängnisvolle Ende. Meist geht es so vor sich, daß erst der ziemlich häufige Wadenkrampf einsetzt und bei dafür disponierten, leicht erregbaren Menschen die Furcht entsteht: „Jetzt tritt der Herzkrampf, Herzschlag ein." Die Folge ist Verwirrt- heit, Untertauchen, Besinnungslosigkeit, Erstickungstod. Der Waden- trampf löst sich sehr leicht, wenn man sick auf den Rücken wirst, nur mit den Händen rudert und Zehen und Fuß scharf anzieht, nicht ausstreckt. Wenn man dann ganz ruhig und langsam weite?» schwimmt, kommt man»leisten» ohne melieren Krampf an, Land. Sollte während des Schwimmen» der Wadettkrampf wirklich wieder einsetzen, so wiederholt man dieses Anziehen des Fußes so oft, bis man festen Grund erreicht hat. eiebenrnma als Iheatcnnaler. tzflr Carl Zuckmayer « neue» Stück ,®$ in d c tBo.nnt«*, ba« in nZchller Saison im Lessing. t b e a t e r gegeben«erden soll, wird Max Liebermann die szenische Au«- stattung schassen. Sine neue Heilquelle ln Ifcürlngen. In Hürths(oll eine neue Hell. quelle enlbeckl worden iein.(fi bandelt sich um ein radioaktive« Wasser. Die Ouclle wurde bereit» vor einem Jahr von einem Einwobner in HSitha «ndeckt. Dieser sichert« sich daS Quelle nrc cht und bat je«! ein Lammetbccken über die Quelle gebaut. S» wird geplant, da« Wasser jetzt noch einer ge« nauen Untersuchung zu unterziehen, um vielleicht einen vadebetrteb in Hartha einzurtchten.