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Hinter der kurzen Meldung der Blätter stand noch ein« Le- incrkung, schrecklich in ihrer Einsachheit: .Sie war achtundzwanzig Jahre alt." Ich hatte die Tote betrachtet: gelblich hing die Haut um die Backenknochen, zwei bläulich.oiolette Streifen zogen sich um die Augen, die., ungen des Schädels traten bereit» hervor. Aber einen kleinen Umstand vergab ich zu erwähnen: sie hatte fchneeweibe Haare. Achtundzwanzig Jahre zählte sie. Und hatte schneeweiße Haare.
?m Süöen Spaniens  . Sonderbericht für den..Vorwärts" von Richard huelfenbeck. Das große Erlebnis in diesen Städten des südlichen Spaniens  ist eine neue oder vielmehr alte, sehr bunte, dem Tod« zugekehrte und doch von heißestem Leben fast zerspringende Welt. Hier in Malaga   gibt e» Bahnhöfe und öffentlich« Plätze, die den Anstrich des im Krieg« wohlhabend gewordenen Landes zeigen, Beomte in wohlgcbürsteten Uniformen eilen mit fast amerikanischer Geschäftigkeit, die Züge brausen pünktlich in solide Wellblechhollen, frisch lackierte Autos und sauber gewaschene Straßenbahnen halten vor der Tür. In den Banken kleiner Städte wird man von gewichtigen Por- tier, empfangen und die Postämter sind gut gekehrt und mit neuen Spucknäpfen versehen. Aber dieses.aber' liegt einem fortwährend auf der Zunge und steht unsichtbar im Mittelpunkt jeder Unterhaltung das, was man hier als neu, geordnet, gut, glatt gestrichen empsindet, ist«ine Fassade, hinter der das Leben des Volkes erst beginnt. Die Ord» nung steht den südlichen Menschen nicht über dem Leben, das Sein ist ihnen die Hauptsache und erfüllt sie ganz. So sehr sie auf die innere Form der Dinge zu horchen verstehen, so wenig wissen sie die Welt von außen anzugreifen und zu organisieren. Der Verfall menschlicher Werte, der Häuser, der Denkmäler, der Wege ist hier etwas Natürliches und Selbstverständliches. Nur wenige kommen auf die Idee, an ihren Häusern zu putzen und zu streichen. Die Gasten quellen von Rudeln schmutzigster Kinder. Zehn- jährige Mädchen tragen Säuglinge huckepack, die man mit Schmirgel abreiben möchte. Ein unwiderstehliches Gefühl, sich mit einem Gartenschläuch zu bewaffnen, ist plötzlich da. In dunklen Hauseingängen wohnt das Krauen, dicke Schwa- den von Küchen- und Abtritlsdünsten erreichen die sich vergeblich sträubenden Wasserlöcher. Man taumelt an klebrigen Hauswänden entlang, ständig bedroht von dem Gespensterwald der trocknenden Wäsche In den Lüften. Nicht weit, denke ich, muß das Meer sein, noch etwas aushalten, den Atem anhalten und man ist in einem kristallklaren Raum, die Sonne wird scheinen und man wird das Auge beruhigen, wenn man die braunen Segler sieht, die wie schwerfällige Böget auf dem Hori- zont sitzen. Hier ist Halbdunkel. Auf den Hausschwellen hocken Kinder nährend die Weiber mit offenen Brüsten. Männer liegen quer über die Straße und spielen Karten, niemand stört sie, und die kleinen Eselswagen fahren vorsichtig um sie herum. Der Wein ist besser als an den Dinertischen unserer ersten Hotels, in Kneipen, die kaum die Größe eines Hundestalls haben, wird hinter Flaschen gesungen und randaliert. Ein Grammophon spielt Mtsttnguetts Valencia  , die Weiber auf den Schwellen horchen auf, sie lächeln, schieben den Kleine» die breite Warze in den quäkenden Mund.
Hier ist Immer Markt, olles wird auf der Straße gehandelt, Eßwaren, Bettzeug, Gebetbücher und verrostetes Zaumzeug. Der Lärm der Feilschenden ist so stark, daß zeitweise sogar das Grammo- Phon übertönt wird. Nie hat einer von diesen Menschen das Ge- fühl, er könnte jemandem beschwerlich werden. Bor mir gehen zwei Mädchen Arm in Arm, sie stechen durch die Sorgsalt'hrer Kleidung seltsam von der Umgebung ab, sie wiegen sich auf hohen, roten Stöckelschuhen, jede hat eine große rote Blume im Haar. Sie sind geschminkt, wie die Damen beim Fünf-Uhr-Tee im Elaridge in Paris  . Es find Dirnen, die Freudenmädchen dieser Hüttenstadt. Sie verschwinden in einem Häuschen, aus dessen Stein- schwelle ich die BuchstabenSappho  ' eingeritzt sehe. Ein besonderes Kapitel find die Bettler, die Allerärmsten unter diesen Armen, die hier noch sogar Almosen erbitten und erhallen. Al« sie mich sehen, erheben sie ein wildes Freudengeheul, als wenn nun endlich der Zeitpunkt gekommen wäre, wo ihnen Millionen in den Schoß fielen. Der eine hebt einen schwärenbedeckten Armstumpf unter meine Nase, der andere zieht die Lumpen von einem ver- krüppelten Bein. Als ich Kupfermünzen in ihren Blechnapf fallen lasse, grunzen sie wie Tiere. Ob sie wirklich kein menschliches Wort mehr hervorbringen können? Ob sie betrügen? Wer weiß es, jeden- falls ist ihnen diese Existenz zu einer unentbehrlichen zweiten Natur geworden. Nach langer Wanderung gewinne ich den Platz und mein Hotel, der Wirt, von schweizerischer Abstammung, aber seit einem Menschen. alter im Lande, hört meinen Bericht mit einem Lächeln an. Er ge- hört zu dem Teil der Bewohner, die mit dem gut gestrichenen Bahn- Hof und den frisch lackierten Autos verwandt sind. Er nennt sich mit Stolz«inen modernen Menschen und hat als solcher seine Welt- onschauung aus Amerika   bezogen. Er hält alle Leute, die kein Geld haben, für moralisch minderwertig.
öaöevergnügungen in alter Zeit. Erasmus von Rotterdam nennt einmal das Badeleben ein irdisches Paradies', und immer wieder finden wir in den Schriften dieser badefrohen Zeit vor 400 Jahren die Lustbarkeiten an denHeil- bronnen' geschildert. Der Mensch des Reformationszeitalter, sorgt«, selbst wenn er sich im Wasser befand, für allerlei Kurzweil, denn man badet« ja stundenlang, hielt sich einen großen Teil des Tages in dem kühlen Naß auf und tafelte selbst im Wasser auf schwimmenden Tischchen. Diese deutsche Badelust erregte bereits die Verwunderung, und Bewunderung des italienischen Humanisten Poggio, als er 1417 Baden  im Argau besuchte.Mancher besucht täglich drei bis vier Bäder', schreibt er darüber,und bringt da den größten Teil seines Tages mit Singen, Trinken und nach dem Bade mit Tanze zu. Selbst im Wasser setzen sich einig« hin und spielen Instrumente. Nichts aber kann reizender zu sehen oder zu hören sein, als wenn die schon in voller Blüte stehenden Jungfrauen mit dem schönsten offensten Ge- ficht, an Gestalt und Benehmen Göttinnen gleich, zu diesen Instrumenten singen, wenn ihr leichtes zurückgeworfenes Gewand auf dem Wasser schwimmt und jede eine neu« Venus ist. Dann hoben sie die artige Sitte, wenn Männer ihnen von oben herab zusehen, sie scherzweise um Almosen zu bitten: da wirst man, zumal den hübscheren, klein« Münzen zu, die sie mit der Hand oder dem aus- gebreiteten Linnengewand auffangen, wobei die eine die andere im nückischen Spiel wegstößt. Ebenso wirft man ihnen auch aus Blumen geflchtene Kränze herab, mit denen sie sich das Köpfchen schmücken.' Von den Spielen und Zusammenkünften der Badegesellschast aus der großen Wiese am Fluß schreibt der Italiener:Hier kommen noch dem Essen all« zusammen und belustigen sich mit Gesang, Tanz und mancherlei Spielen. Di« meisten spielen Ball, ober nicht wie bei un»,
sondern Männer und Frauen werfen sich, ein jedes dem, das es am liebsten hat, solche Bälle zu, an denen viel« Schellen sind. Alles läuft herbei, ihn zu haschen; wer ihn bekommt, der hat gewonnen und wirst ihn wieder seinem Geliebten zu. Alles streckt die Hände empor, ihn zu fangen. Viele andere tausendfältige Ergötzlichkeilen muß ich über- gehen und gab nur«in Pröbchen von der Art, wie sich diese Epikuräer vergnügen. Bald glaube ich, das sei der Ort, wo der erste Mensch geschassen worden, den die Hebräer Eden, d. h. den Garten der Selig- keit nannten.' Das Musizieren während des Bades war sehr beliebt und sollte auch den als schädlich gellenden Schlaf verscheuchen. Der Tanz gehörte zu jeder. Badeunterh-altung und fand manchmal sogar im Wasser selbst oder jedenfalls dicht daneben im Bodekostüm statt. Gesungen wurden von gesitteten Leutengeistliche Badelieder', wie sie Kirche und Be- Hörde vorschrieb. Allmahlich aber wurden auch alle möglichen Schel- men-, Schlemmer.!md Buhlliedchen eingeschmuggelt, und wir finden verschiedentlich strenge Verbote, die solcheunschambare' Gesänge mit schweren Geldstrafen bedrohen. So sehr man auch für das Wasser war, so trank man es doch nicht gern, sondern lieber den Wein, der von den Aerzten empfohlen wurde, da es in den Bädern meist kein gutes Trinkwasser gab. Der Wein gehört« zum Baden wie wir z. B. aus dem Ausgabenbuch Albrecht Dürers entnehmen können, der auf feiner Reis« nach den Niederlanden 1520 in Aachen   weilte. Da finden sich die EintragungenFünf Stüber für Baden ausgegeben und mit den Gefährten oertrunken' cderhabe fünf Weißpfennige in Gesell- schaft vertrunken und fürs Baden ausgegeben." Di« Aerzte klagten denn auch bald, daß der Wein viel von dem verderbe, was das heil- same Bad gut mache. Fröhliche Gesellschaft und gut« Unkerhaltung gehörte zur Kur. und es gab Doktoren, die weniger wegen ihrer ärztlichen Kunst als wegen ihrer lustigen Späße berühmt waren und ein« ganz« Gqell- schaft köstlich amüsieren konnten. Der Tübinger   Professor Bebel schrieb seine berühmte Anekdotensammlung, dieFazetien', zum Zeit- vertreib im Bade für seine Freund«. Di« vornehmen Badegäste taten sich zu einer Art Vereinigung zusammen und hielten gemeinsam die Morgensuppe', bei der aber auch der Wein schon ein« große Roll« psielt«: sie hielten auch dasBadegericht', bei dem kleinere Vergehen abgeurteilt und mit Wein oder Geld geahndqt wurden. Wer sich nicht fügen wollte, verfiel dem Pritschemneister und überhaupt wurde dabei allerlei Schabernack getrieben. Diese Absonderung der Gesellschaftsklasse voneinander nimmt dann in demzeremoniösen' Jahrhundert des Barocks immer mehr. Eine steif« Etikette bildet sich auch im Badeleben heraus: man prunkt mit kostbaren Kleidern, ja trögt sogar bestimmt«Badeuniformen'. durch die der Heimkehrende feinen Mitbürgern deutlich vor Augen führt, in welch vornehmem Bade er gewesen. Die Bäder werden zum Mittelpunkt des Glücksspiels und vielfacher Ausschweifungen. Seit Ansang des 18. Jahrhunderts wird das Theater eine beliebte Badeunterhaltung. 1727 spielen die Wiener Komedianten in Baden   bei Wie», und man klagt bald über die handfesten Späße. In Wi?s- baden wird ein wenig später die deutsche Komödie oerboten, weil der Hanswurst zu grob« Zoten zum Besten gab. Die Badetheater wurden erst in der klassischen Zeit auf ein« künstlerische Höhe gehoben, als die Weimarer   Schauspieler in dem kleinen Lauchstrdt den Kurgästen Goethes und Schillers Werke vorführten..
Nicht» Neues unter der Sonne. Eine soeben eröffnete Aus- stellung chaldäischer Inschriften im Britischen Museum vringt In- teressante Dokumentz» aus dem geschäftlichen Leben vor 4l10t1 Jahren. Eine Klageschrist eines Bauherrn verlangt vom Baumeister Schaden- ersah, weil da» Haus nicht rechtzeitig sertig geworden ist. Eine Seite aus den Geschäftsbüchern eines Finanzmannes verzeichnet die von ihm ausgeliehenen Beträge und ihren Fälligkeitstermin. Ein Mintsterialprotokoll enthält den Verlaus einer Konferenz des Gold- schmiedcgewerbes unter dem Vorsitz eines Regierungsrates. Es war alles genau so, wie heute, nur aus Tonziegeln statt auf Papier ge- schrieben.