GesinnungswanülungZ Stellungswechsel eines kommunistischen Chefredakteurs. Wie die kommunistischen Blätter der ganzen Welt, sah und sieht auch dos in Prag mit tschechischen Lettern gedruckte Zentralorgan seinen Daseinszweck darin, die Sozialdemokratische Partei mit Mos- lauer Dreck zu bewerfen. Wie überall in der Welt, wo es noch Kommunisten gibt, tut es zwar so, als ob es im Interesse der werk- tätigen Bevölkerung schreie und schimpfe. In Wahrheit aber sind die Interessen des arbeitenden Volkes Nebensache dabei. Das Geschrei und Geschimpfe auf die Sozialdemokratie sind die Hauptsache. Das hat sich an dem Prager Ebenbild der„Roten Fahne" soeben wieder einmal bewiesen. Das Prager Blatt hatte am Keifen und Geifern auf die Sozial- demokraten noch nicht genügend getan. Sein Chefredakteur, D e- legal, ist geflogen. Aber er ist nicht auf dem Scheiterhaufen ge- landet, auf dein die Moskowiter alle schwitzen und braten lassen, die nicht in der rechten Weise über die Sozialdemokraten zu toben und zu schelten verstehen. Delegal ist lieber auf Arbeitssuche ge- gangen. In einigen Tagen fand er Lohn und Brot beim Konkurrenz- Unternehmer. Aus dem fristlos entlassenen Angestellten der kommu- nistischen wurde ein Angestellter der faschistischen Zentrale. Denn wer für Moskau gearbeitet hat, der ist schon damit für Rom bestens empfohlen. Delegal, vor wenigen Tagen noch Chefredakteur der tschechischen„Roten Fahne", ist jetzt Chefredakteur des faschistischen Blattes in Mähren und Generalsekretär der faschistischen Partei der Tschechoslowakei ! Ist das ein Gesinnungswechsel? Wohl kaum. Delegal hat nur die Arbeits st elle gewechselt. Sein altes Handwerk übt er auch auf dem neuen Arbeitsplatz aus: Schreien und Schimpfen, Toben und Schelten, Keifen und Geifern auf die Sozialdemokraten. Wer ein rechter Feind der sozialen Demokratie ist, der tut es für das Geld Moskaus so gut wie für das Geld nationalistischer Kapitalisten. die ungarische Zolterfuftiz. Schwere Anklagen der Angeklagten. Budapest , 21. Juli. (Eigener Drahtbericht.) Im Kommunisten- prozeß wurden am Dienstag wieder einige Mitglieder der Vagi- Partei vernommen. Sie erklärten, keine Kommunisten zu sein und mit der Rakosi -Bewegung überhaupt nichts zu tun zu haben. Außerdem bekundeten sie übereinstimmend, von der Polizei nach ihrer Verhaftung aufs schwerste mißhandelt worden zu sein. So versicherte der Schriftsteller Joseph Papa, er sei von der Polizei 10 Tage hindurch jeden Tag zwei Stunden lang geschlagen worden, bis er bewußtlos zusammenbrach, dann habe man ihn gewaschen und, wenn er wieder zum Bewußt- sein gekommen war, von neuem geprügelt. Noch zwei Wochen später konnte der Gerichtsarzt die Wunden der Mißhandlungen fest- stellen. Die amtsärztlichen Zeugnisse wurden verlesen. Auch der Angeklagte Georg Tot erzählte, daß noch 14 Tage nach seiner Mißhandlung durch die Polizei Spuren an seinem Körper gefunden wurden. Chamberlain sogt„nein". Auf eine Unterhausanfrage erklärte Chamberlain, daß in letzter Zeit keine wichtigen Noten wegen der Entwaffnungsfrage an Deutschland gerichtet worden seien. Aus die Frage, ob der Zustand der deutschen Abrüstung befriedigend sei, erwiderte Chamberlain:„Leider nein".(Früher hat er ja gesagt!).
Darlehnsschwinüel. Wie sie zu Geld kommen wollen. Die wirtschaftliche Notlage und die Geldknappheit besonders der Landbevölkerung nutzt ein Konsortium von Männern aus, die in allen. Teilen des Reiches austreten. Der Schwindel hat einen solchen Umfang angenommen, daß sich die Gericht« wieder- holt damit beschäftigen mußten. Die Betrüger arbeiten nach folgendem System: Sie geben kleine Blätter heraus, die nichts anderes als Geldangebole und-nachfragen enthalten. Mit diesen Blättern überschwemmen sie auch die kleinsten Ortschaften. Teilweis« werden sie von Agenten verteilt, teils durch die Post zugestellt. Mitunter begnügt man sich auch damit, sie in öffentlichen Gebäuden auszulegen. Die Zentrale des Blattes befindet sich in Berlin . Sind genügend Angebote und Nachfragen eingelaufen, so wird der Bezirk von Agenten aufgesucht, die die Inserenten durch Posttarten zu einer Besprechung einladen. Sie oeranlassen die Leute, einen Schein zu unterschreiben, aus dem sie sich zu vier Inseraten in der„Geldzeitung" verpflichten. Oft sind die Geldsucher nicht ge- schäftsgewandt genug, um den Text des Scheines, der sehr ge- schickt zusammengestellt ist, in allen Einzelheiten zu erfassen. Außerdem macht der Agent ausdrücklich darauf aufmerksam, daß Zahlung nur bei Erfolg zu leisten sei Aus diese Weise wiegt er die Leute in Sicherheit und macht ihnen Hoffnung, daß sie bald über die gewünschten Barmittel verfügen werden. Nach einigen Tagen erhalten die Geldsucher Angebote, die sehr verlockend klingen. Sobald sie aber eine schriftliche Verbindung an- bahnen, erfahren sie, daß der Anbieter sein Geld„gerade vergeben hat. Der Dorlehnssucher, der die Angelegenheit mit dem Ausbleiben des Geldes erledigt glaubt, muh bald erfahren, daß die„Geldzeitung" andere Begriffe vom„Erfolg" hat als er. Er wird an die B e- Zahlung der Inserate gemahnt, und die Forderung wird im Falle des Nichtvermögens rücksichtslos eingeklagt. Diese Klag« wurde von seilen der Gerichte wiederholt kostenpflichtig abgewiesen mit der Begründung, daß absichtlich in den Geldfuchern ein« falsch« Vorstellung erweckt worden sei. Es sei somit dargetan, daß das Unternehmen der„Geldzeitung" als betrügerisch anzusprechen sei. Da mehrere Unternehmen dieser Art bestehen, so beschäftigt sich neuer- dings auch die Kriminalpolizei damit. Um dem Treiben der Be- trüger ein Ende zu machen, werden all« Personen, die ihnen zum Opfer gefallen sind, ersucht, sich unverzüglich schriftlich oder per- sönlich an Krimmalkommissar Seifert, Dienststelle F. 7 im Polizei- dienstgebäude in der Geoigenkirchstrahe Zlk zu wenden. Immer noch„Königl. Hofspeditenr". Die Revolution hat mit den Landesvätern rascher aufzuräumen vermocht als mit ihrem Gefolge. Die Inhaber von ehemals„kaifcr- lichen",„königlichen",„grohhcrzoglichen" usw. Aemtern und Würden haben es immer noch nicht sämtlich sertio gebracht, auf diese „schmückenden Beiwörter" zu'verzichten. Besonders schwer mag es für die ehemaligen Hoflieferanten fein, diesen vornehm klingenden Titel abzulegen, mit dem man in den Zeiten der Monarchie sich einer geehrten Kundschaft so wirksam empfahl. Zu denen, die sich von ihrem Hoflielerantentitel noch nicht zu trennen' vermögen, gehört die Berliner Speditionsfirma Gustav Knauer. Sie benutzt noch Frachtbriefe, auf denen sie in großer Schrift prangt als„Gustav Knauer. Hofspediteur Seiner Majestät des Kaisers und Königs und Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Krön- prinzen des Deutschen Reiches und von Preußen. Spediteur der Königlichen Militäreisenbahn Berlin". Darüber sieht man das bekannte königlich preußische Wappen von ehedem. In der gedruckten Unterschrift gibt Gustav Knauer sich wieder den Zusatz„Königlicher Hosspediteur. Spediteur der Königlichen Militäreisenbahn". Nebenbei bemerkt: Der Fracht- briesstempel. gleichfalls durch Buchdruck hergestellt, kennt auch noch eine„Königliche Eisenbahndirektion Berlin. Nun wird man uns
vielleicht antworten, die Firma habe eben aus der monarchistischen Zeit noch Frachtvordrucke, die sie in verständlicher Sparsamkeit aufbrauchen wolle. Na ja, das hat man schon öfter gesagt, wenn wieder einmal so ein unentwegter„Königlicher" festgenagelt wurde. Aber im Sommer 1926, im achten Jahre nach der Revolution, könnten doch die Vorräte alter Frachtbriefoordrucke wohl schon aus- gebraucht sein. Wir glauben nicht, daß die Firma Gustav Knauer in der Kriegszeit, wo die Papiernot uns alle drückte, in kluger Vor- sorge sich ein Lager von Frachtbriefvordrucken angeschafft hat, das sür ein rundes Jahrzehnt reichen kann. Das wäre ja eine Kapitals- anlage gewesen, deren Wertbeständigkeit kaum etwas zu wünschen übrig läßt. Warum aber steht Gustav Knauer auch in dem amtlichen Fernsprechbuch sür 1926 noch als„König- licher Hofspediteur"? Das ist doch gewiß nicht als Spar- famkeitsmaßrege!" zu erklären.
vachftuhlbranö in Sedin<2>. Heute vormittag, kurz nach Z411 Uhr, wurden drei Löschzüge der Feuerwehr nach der Friedenstr. 61 gerufen, wo in dem Dachstuhl des Vorderhauses Feuer ausgebrochen war. Vorübergehende Menschen, die starke Rauchmassen aus dem Dach heraussteigen sahen, riefen die Feuerwehr herbei. Inzwischen hatte das Feuer, das längere Zeit unbemerkt geschwelt hatte, sich derartig ausgebreitet, daß bei Erscheinen der Wehren bereits die hellen Flammen aus der Bodenluke herausschlugen. Von den Nachbardächern aus und über eine mechanische Leiter mußte beinahe zwei Stunden aus Rohren größeren Kalibers Wasser gegeben werden, ehe es gelang, das Feuer zu löschen. Außer dem Dachstuhl ist auch der große Trockenboden des Hauses, auf dem sich zahlreiche Wäsche einer Bewohnerin des Hauses befand, von den Flammen vernichtet worden. Um Vtl Uhr war die Löschaktion beendet. Ueber die Entstehung ist noch nichts Genaues bekannt. Ein anderes Feuer beschäftigte gestern nacht die Köpenicker Wehr in der Grünauer Str. 64, wo aus einem Brennmaterialien- platz ein Preßkohlenlager in Flammen stand. Nach längerem Wassergeben gelang es, das Feuer auf seinen Herd zu beschränken.
Ter Funkmasteinsturz am Magdeburger Platz. Die Untersuchung über die Ursachen des Masteinsturzes des Rundfunk auf deni Dach des Hauses Lützowstraße 33/36 sind noch immer nicht abgeschlossen. Man neigt zu der Annahme, daß der Turni nicht lediglich durch den zeitweise orkanartig wehenden Wind zum Kippen kam, sondern daß vielmehr ein Halteseil, daß in der Dachkonstruktion mehrfach verankert war, sich aus der Fassung gelöst hatte. Der Mast, der an beiden Enden kegel- förmig zugespitzt ist, kam durch das Fehlen einer Spannung lang- sam ins Drehen und stürzte dann, die anderen Halteseile durch- reißend, auf den Bürgersteig. Hierdurch erweist sich die' Annahme, der Mast sei lediglich durch den Wind zum Umstürzen gebracht, als irrig. Die Feuerwehr hatte noch bis in die späten Nachmittags- stunden hinein mit Ausräumungsarbeiten an der Unfallstelle zu tun.
Unzureichende Strastenbal,«Verbindung. Ueber die unzureichende Straßenbahnoerbindung, besonders an Sonntagen nach Tegel , schreibt man aus Leserkreisen: Am Sonntag, den 18. Juli, war es von morgens 6 Uhr bis nachmittags 2 Uhr völlig ausgeschlossen, die elektrischen Bahnen ab Oranienburger Straße nach Richtung Tegel ohne Lebensgefahr zu benutzen. Sämtliche Wagen waren mehr als überfüllt. Auf den Vorderperrons der Triebwagen standen un- gefähr 30 Personen! Natürlich zeigte das Innere der Wagen das gleiche Bild. Die Zustände waren unglaublich. Warum läßt die hochwohllöbliche Direktion der elektrischen Straßenbahn nicht viel mehr Wagen von früh morgens ab fahren und reduziert die Wagenzahl auf ruhigen, an Sonntagen schwach besuchten Linien? Wo sind all die alten Wagen geblieben? An Fahr- und Schaffner- personal kann es doch bei dieser großen Arbeitslosigkeit nicht mangeln? Es muß hier für kurz oder lang A b h i l f« g e- schaffen werden. Nach Ansicht von Fachleuten müssen eben Großraum-Straßenbah'n wagen mit starten Triebwagen geschaffen werden, um ein menschenwürdiges Fahren an Sonntagen zu gewährleisten. Warum tritt nicht die A b o a g mit einem starken Wagenpart z. B. ab Monbijouplatz oder Stettiner Bahnhof aus den Plan und schafft eine Linie nach Tegel oder T e g e l o r t? Di« Rentabilität einer solchen Linie stände wohl außer Zweifel, speziell für Sonntags und Sonnabends im Sommer. Wer den ungeheuren Mafsenfonntagsverkehr besonders nach Tegel und auch anderen Vorortstrecken miterlebt hat. muß sich sagen: Warum schreiten hier die zuständigen Aussichtsbehörden nicht ein? Heute, wo wir im Zeitalter der Technik leben, müssen Mittel und Wege gesunden werden, um die Großstadtmenjchen schnell, b e- quem und sicher aus der Steinwüste ins Freie zu bringen. „Volksgesundheit ist das höchste Gut!" hört und liest man fast täg- lich; deshalb schafft bequeme, schnelle Verkehrsmittel!
Znr Wetterlage. Die augenblickliche Wetterlage wird beherrscht von d e n ö st l i ch abziehenden Störungsfeldern zwischen Irland und Island . Das Wetter ist f e u ch t er und kühler geworden, die Westwinde haben seit Dienstag zahlreiche Gewitter- und Regenschauer gebracht, gleich- zeitig damit ist die Temperatur bedeutend gesunken. Am Ansang der Woche wurden 33 Grad gemessen, während gestern das Thermometer in Berlin nur 23 Grad zeigte und in der Nacht sogar bis auf 14 Grad sank. In Südwesteuropa verzeichnet das Boro- meter einen minimalen Druckanstieg, damit verknüpft ist eine vor- übergehende Besserung des Wetters ohne nennenswerte Erwärmung. Die kühlen Westwinde bleiben vorläufig herrschend. Man muß also noch mit weiteren Regenschauern rechnen. Im großen und ganzen ist kaum auf eine Besserung vor Anfang August zu hoffen. Be- dauerlich, daß gerade jetzt, in der beginnenden Erntezeit, das reg- nerifche Wetter weiter anhält. Spielerschicksal. Im April d. I. wurde in Berlin ein vielgesuchter Betrüger, der 33 Jahre alte„Spielertönig" Bernhard Güttin ann, fest- genommen. Sein abenteuerliches Schicksal hat schon öfter weitere Kreise der Oefsentlichkeit beschäftigt. Bis vor zwei Iahren hatte Guttmann ein gutgehendes Textilwarengeschäft in Ham- bürg, richtete es aber durch feine Spielleide nschaft zu- gründe. Als er schon zahlungsunfähig geworden war, bezog er immer noch große Posten Ware und bezahlte sie mit Wechseln und Schecks, für die keine Deckung mehr vorhanden war. Die Verluste, die seine Lieferanten durch ihn erlitten, beliesen sich aus viele Hunderttausende. Im Spätsommer 1925 wurde der Vielgesuchte, über dessen Ausenthalt man durch andere Spieltr erfuhr, in einem Berliner Spielklub verhaftet. Infolge eines Ver- sehens wurde er aber wieder auf freien Fuß gesetzt und die Jagd nach ihm begann von neuem, bis er im April 1926 durch einen Z u f a l l in der Heiligegeiftstraße in Berlin erwischt und neuerdings verhaftet wurde. Guttmann wurde nach Hamburg gebracht, mußte aber in das Krankenhaus eingeliefert werden, weil fein aben- teuerliches Leben seine Gesundheit untergraben hatte. Am 12. d. M. ist der„Schwerkranke" zur Nachtzeit aus dem Krankenhause heim- lich entwichen. Wieder hat die Staatsanwaltschaft gegen ihn Haft- befehl und Steckbrief erlassen.
Der„Siedlerverein der Kleingärten Verlins S.v." In Berlin . Blankenburg hatte am Sonntag ein Kinderfest sür arme Kinder des Verwaltungsbezirks Mitte veranstaltet. Etwa 2 69 vom Jugendamt Mitre ausgewählte Kinder hatten der Einladung Folge geleistet. Di« Kinder waren zum Frühstück und Mittagessen die Gäste der ein- zelnen Verein-mitglieder. Mit Blumen geschmückte Tafeln luden die
Kinder am Nachmittag zu Kaffee und Kuchen ein. Am Abend wurden ihnen Würste und Kakao gereicht. Das Fest schloß mit einem langen Fackelzug zur Straßenbahnhaltestelle in Niederschönhausen . Für die armen Kinder des an Grünflächen ärmsten Verwaltungsbezirks Mitte war dieses Kinderfest ein Freudentag. Es ist daher dem Be- zirksamt Mitte eine angenehme Pflicht, an dieser Stelle dem Siedler- verein seinen wärmsten Dank auszusprechen.
Städtische Hilfsaktion für die Erwerbslosen. Aeriensihung der Sladlverordnelen am 29. Juli. Der Berliner Magistrat hat sich in der gestrigen Sitzung angc- sichts der steigenden Zunahme der E r w e r b s l o s i g k e i t mit der Frage ihrer Bekämpfung und der Arbeitsbeschaffung sür oie Arbeitslosen eingehend beschäftigt, nachdem bereits sowohl von der kommunistischen wie der sozialdemokratischen Fraktion der Stadt- verordnetenversammlung«ine Unterbrechung der Kommunalferien und die Einberufung einer Feriensitzung des Stadtparlaments ge- fordert worden ist. Wie wir hören, hat der Magistrat ein« Unter- kommisston eingesetzt, in der die Frage der Arbeitsbeschaffung ein- gehend erörtert werden soll. Am morgigen Freitag findet eine außerordentliche Magistratsfitzung statt, in der eine Dringlichkeitsvorläge des Magistrats über die zu ergreifenden Maßnahmen und auszuführenden Rotstandsprojelte ausgearbeitet und verabschiedet wird. Diese Dringlichkeitsvorlage wird auf die Tagesordnung einer am Donnerstag, den 29. Juli stattfindenden Feriensitzung der Stadt- verordnetenversammlung gestellt werden, in der man sich vornehmlich mit der Not der Erwerbslosen und ihrer groß- zügigen Bekämpfung beschäftigen wird. Es ist anzunehmen, daß die Versammlung auch von sich aus durch Anträge der Fraktionen den Magistrat ersuchen wird, bei den Reichs- und Staatsbehörden um ein« Unterstützung der städischen Hilfsaktion in finanzieller Hinsicht vor- stellig zu werden.
Zwei Hochstaplerinnen festgenommen. Ende Mai dieses Jahres tauchten in Berlin zwei Frauen auf, die sich als Mrs. Mac Cormick und Tochter ausgaben und eine Modesirma um viele Tausende von Mark sür Kleider und Hüte betrogen. Sie verschwanden dann, ohne ihre Hotelrechnung bezahlt zu haben, spurlos. Bald darauf oerbreitete sich das Gerücht, daß die beiden Betrügerinnen in W i e n festgenommen worden feien. Dieses Gerücht entsprach nicht den Tatsachen. Wie jetzt vom Haupt- quartier der englischen Polizei aus London berichtet wird, wurden die beiden in London verhaftet, weil sie sich auch dort Schwindeleien und Hochstapeleien hatten zuschulden kommen lassen. Es ergab sich, daß die angebliche Mrs. Mac Cormick mit ihrer Tochter von Berlin aus nach Paris gefahren war, wo sie wiederum hauptsächlich Modc- waren ergaunerte. Die Nachforschungen der französischen Behörden blieben ergebnislos. Der Erkennungsdienst in L o n d o n stellte die beiden, die tatsächlich Mutter und Tochter sind, als ein« Mrs. Genoveva Päddlesord und Tochter fest.
Aus dem Flurfenster auf den Hof gestürzt. In selbstmörderischer Absicht stürzte sich gestern abend kurz nach 11 Uhr die 21jährigc Hausangestellte Dora Kurz aus dem Flurfenster des 3. Stockwerks in der Wiesenftr. 29s auf den Hof hinab. Von der inzwischen herbeigerufenen Feuerwehr wurde Fräulein K. in schwer- verlegtem Zustande in das Virchow-Krankcnhaus eingeliefert, wo sie kurz nach der Einlieserung an den Folgen eines schweren Schädelbruches und innerer Verletzungen st a r b. Der Grund zu dem Verzweiflungsschritt ist nicht bekannt. Ein Schwindler als Gasbeamter. Ein falscher Beamter der G a s b e r a t u n g s st e l l e ist in letzter Zeit an vielen Stellen Eharlottenburgs und Wilmersdorfs aufgetaucht und hat eine ganze Reihe von Hausfrauen betrogen. Er bietet Gassparer angeblich im Auftrage des Gaswerks an und läßt sich entweder den vollen Betrag oder eine Anzahlung auf die Bestellung leisten. Die Anbringung der Sparer stellt er für den nächsten Tag in Aussicht. läßt sich dann aber nicht wieder sehen. Auf Anzeigen von Betröge- nen ermittelte die Charlottenburger Kriminalpolizei, daß der Be- trüger ein 32 Jahre alter Hugo Wolfs sein muß, der früher in der Danckelmannstraße wohnte. Wolsf ist datürlich nicht beaustragt, sondern verwendet die Gelder für sich selbst. Er ist 1,76 Meter groß, hat blondes Haar und ein gewandtes einnehmendes Wesen. Mitteilungen, die geeignet sind, ihn unschädlich zu machen, nehinen die Inspektion D. 8 der Berliner Kriminalpolizei und das Polizeiamt Charlottenbnrg entgegen. Was will der Wann? Seit mehr als einem Jahre taucht von Zeit zu Zeit ein Mann auf, dessen Treiben völlig rätselhaft ist. Er erscheint bei Familien und gibt sich sür einen Beamten des Zollamts in der Heidestraße aus. Er erzählt, daß auf dem Amt ein Auslandspakct liege, das abgeholt werden müsse. Wenn dann ein Mitglied der Familie sich nach dem Amt begibt, erfährt es, daß gar kein Paket da ist. Man vermutete zuerst, daß der Mann die Leute nur aus den Wohnungen, fortlocken wollte, um ungestört einbrechen zu können. Bisher ist aber noch in keinem Falle ein Einbruch verübt worden. Was der Mann mit seiner Ankündigung eigentlich bezweckt, ist vollkommen unklar. Ob es sich um groben Unfug oder um die Taten eines Geisteskranken handelt, bedarf noch der Feststellung. Mitteilungen über das Wiederaustauchen des sonderbaren Kauzes nimmt Kriminaloberinspektor Kuck im Polizei- Präsidium entgegen. Lei der vom Irauensekretorial veravstallelen vompsersahrl wurden gesunden: 2 Woltjacken. I blauer Knabenmantel, abzuholen Lindenstr. 3, 2. Hos, 2 Trcvpen. Fraucnsckretariat.— Verloren aus der Heimfahrt in Straßen- bahnlinie 3« dunkelgraue Wolldecke, abzugeben bei geichtmcyer, Hussiten- str. 17.— Kraue Scgcltuchdecke mit Proviant, abzugeben Lindenstr. 3, 2. Hos, 2 Treppen, Frauensekrctariat.
Der merkwürdige Juwelenraub in Binz . Die Nachforschungen der Stettiner Kriminal- polizei zur Ausklärung des Iuwelenraubes in Binz find bisher um keinen Schritt weiter gekommen. Der festgenommene Seemann Frank hat nach seinem Geständnis die Kriminalbeamten an die verschiedensten Stellen geführt, wo er angeblich dcn Schmuck vergraben haben wollte. Er tonnte jedoch nirgends gefunden werden. Aus diesem Mißerfolg schließt nian, daß Frank sein Geständnis erdichtet hat. Diese Annahme wird dadurch bestärkt, daß Frank zwar die in den Zeitungen beschriebenen Schmuckstücke kennen will. nicht aber diejenigen, deren Beschreibung nicht verössent- licht wurde. Offenbar verfolgte er mit seinem„Geständnis" einen bestimmten Zweck, über den man sich noch nicht klar geworden ist. Die Berliner Kriminalpolizei wird heute an den Anschlagsäulen ein Plakat veröffentlichen, aus dem die gestohlene» Schmuckstücke in ollen Einzelheiten beschrieben werden. Der Schriftsteller Erdmann, nach dessen Juwelen jetzt gesucht wird, ist derselbe, der durch seine verdächtigen Beziehungen zu der„Bereinigung deutscher Arbeitgeberverbände" und seine Schmähschrift gegen die Sozial- demokratie vor kurzem erhebliches Aufsehen in der Oefsentlichkeit erregte. Man darf nach der neuesten Wendung der Untersuchung wirklich gespannt sein, wo die Juwelen gefunden werden:
Notlandung Schepanosss. Der russische Flieger S ch e p a n o f f wurde infolge K o l b e n b r u ch e s zur Notlandung gezwungen. Die Notlandung erfolgte auf einer Wiese zwischen Dorheim und Neu. beckum. Telephondrähte und die Einzäunung der Wiese wurden dabei zerstört. Während die drei Insassen des Flugzeugs unverletzt blieben, scheint das Flugzeug selbst am Vorderteil schwer beschädigt zu sein, so daß eine Fortsetzung des Fluges in Frage gestellt scheint. Hilfspersonal des Dortmunder Flughafens ist zur Hilfeleistung nach Dorheim abgefahren. Wann das russische Flugzeug seine Fahrt fort- setzen kann, ist noch nicht bekannt.